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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.06.2000
Aktenzeichen: 3 U 197/99
Rechtsgebiete: BGB, VVG, VGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.
VVG § 97
VVG § 98
VVG § 55
VVG § 69
VGB § 13
VGB § 7 Abs. 2
VGB § 7 Abs. 3 a
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 197/99 1 O 555/98 LG Aachen

Anlage zum Protokoll vom 30. Juni 2000

Verkündet am 30. Juni 2000

Lech, JS. z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, den Richter am Oberlandesgericht Blank sowie die Richterin am Landgericht Reuter-Jaschick

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 09.11.1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 555/98 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage des Beklagten wird die Klägerin verurteilt,

1.

darin einzuwilligen, dass der bei der A. Versicherung AG unter der Schaden Nr. ....., Sach Ne, ....... bereitliegende Betrag von DM 22.987,-- aus der Neuwertentschädigung des Gebäudes P.weg 8 b in R. dem Beklagten ausgezahlt wird.

2.

an den Beklagten 4 % Zinsen aus DM 22.987,-- seit dem 07.04.1999 (Rechtshängigkeit der Widerklage) zu zahlen.

Wegen des weitergehenden Zinsantrages werden die Widerklage und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache bis auf einen geringfügigen Teil der Zinsforderung Erfolg. Der Beklagte kann von der Klägerin die Abgabe der widerklagend begehrten Zustimmungserklärung gegenüber der A. Versicherung AG nebst die Zahlung von 4 % Zinsen aus DM 22.987,-- seit Rechtshängigkeit der Widerklage verlangen.

Dem Beklagten steht gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Abgabe der begehrten Zustimmungserklärung zu. Aufgrund der wechselseitig geltend gemachten vermeintlichen Rechte an der Versicherungssumme verweigert die A. Versicherung zur Zeit die Auszahlung. Sie macht die Auszahlung davon abhängig, dass der Nichtberechtigte in die Auszahlung einwilligt.

Die Klägerin ist auf Kosten des Beklagten in sonstiger Weise bereichert, da sie ihre Rechtsposition, wonach ohne ihre Zustimmung die A. Versicherung eine Auszahlung nicht vornimmt, ohne Rechtsgrund erlangt hat. Diese Sperrfunktion hat sie rechtsgrundlos inne, da ihr ein Anspruch auf die noch ausstehende Versicherungssumme nicht zusteht.

Der Anspruch auf die Zahlung der Neuwertentschädigung konnte wegen der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Wiederherstellungsklausel erst in der Person des Beklagten entstehen. Die Wiederherstellungsklausel entspricht § 7 Abs. 3 a VGB, die nach §§ 97, 98 VVG zulässig ist. Danach erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf den Teil der nach § 7 Abs. 2 VGB errechneten Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, nur, wenn und soweit er das Gebäude an der bisherigen Stelle wiederhergestellt oder die Verwendung oder die Entschädigung zu diesem Zweck sichergestellt hat.

Nicht nur nach dem Wortlaut der Bestimmung ist die Wiederherstellung oder die erwähnte Sicherstellung Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs. Auch ihr Zweck, mit Rücksicht auf das Bereicherungsverbot des § 55 VVG nur für ungeplante, aufgezwungene Ausgaben und nur in Form von Sachwerten dem Versicherungsnehmer den erforderlichen, besonderen Vermögensausgleich durch die Neuwertentschädigung zukommen zu lassen, zwingt zu diesem Verständnis. Demgemäß ist die bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung oder jedenfalls die Prognose, dass diese Verwendung sichergestellt sei, Anspruchsvoraussetzung bzw. Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage (vgl. BGH, VersR 1988, 925, 926; 1992, 1221 m.w.N.).

Nach § 69 VVG, auf den § 13 VGB Bezug nimmt, trat der Beklagte als Erwerber der versicherten Sache in die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Versicherungsnehmers (personenidentisch mit dem Beklagten) mit dem Eigentumsübergang durch Zuschlag ein. Er wurde an seiner Stelle Versicherungsnehmer und damit die zur Wiederherstellung im Sinne von § 7 Abs. 3 a VGB befugte Person. Gleichzeitig verlor die Klägerin ihre Stellung als (Mit)Versicherte.

Im Zeitpunkt des Zuschlags übernahm der Beklagte das Versicherungsverhältnis in der Lage, in der es sich zu dieser Zeit befand. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Aachen vom 11.09.1997 - 18 K 85/95 - (Bl. 42 GA) erwähnt ist, dass die eventuell zu zahlende Versicherungsleistung nicht mit zugeschlagen sei und dass der Beklagte gemäß Schriftsatz vom 24.07.1997 in dem Verfahren 1 O 287/97 LG Aachen (Bl. 13 ff. BA) 1 O 287/97 LG Aachen) seine Ansprüche wie folgt abgetreten hatte:

"Ohne Anerkenntnis einer rechtlichen Verpfichtung tritt der Beklagte hiermit seine Ansprüche gegen die A. Versicherungs-AG wegen des Brandschadens am Objekt P.weg 8 b in R. in hälftiger Höhe, des weiteren seine -diesen Fall betreffenden Ansprüche auf Mietausfall, auf Schadensminderungskosten und auf Erstattung von Aufräumungs- und Abbruchkosten, auch diese wohlgemerkt jeweils in hälftiger Höhe, an die Klägerin ab."

Die Abtretungserklärung bezieht sich nur auf bereits entstandene Ansprüche. Dies ergibt sich dies bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, die sich in ihren Schriftsätzen auch auf dem Sachverhalt in den Vorprozessen bezieht. Danach ist gerade in dem Verfahren 1 O 187/97 vor dem Landgericht Aachen klargestellt worden, dass die Abtretungserklärung des dortigen und hiesigen Beklagten nur für bereits entstandene Ansprüche gilt.

Entsprechend muss dann auch die Erklärung in dem Zuschlagbeschluss ausgelegt werden, die wie folgt lautet:

"Abweichend von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen wird die aus dem Schadensereignis vom 30.07.1995 eventuell zu zahlende Versicherungsleistung nicht mit zugeschlagen."

Bei Abgabe der Abtretungserklärung stand noch gar nicht fest, wer das Objekt ersteigerte und ob der Ersteigerer das brandzerstörte Gebäude wieder errichten wollte mit der Folge, dass nach Neuwertentschädigung abgerechnet werden konnte. Der Beklagte ist insoweit, nachdem er das Objekt ersteigert hatte, als Dritter anzusehen. Er wurde nunmehr Alleineigentümer kraft Hoheitsaktes.

Nach Auffassung des Senates ist bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage das Verhalten der Parteien bis zu diesem Zeitpunkt dahin auszulegen, dass sich bis zur Erteilung des Zuschlages alle Erklärungen der Parteien bezüglich der Entschädigungssumme nur auf die bis dahin entstandenen Ansprüche beziehen sollten. Dagegen trat der Beklagte als "neuer" Versicherungsnehmer nach Zuschlag des Objektes an ihn in die Rechte und Pflichten des Versicherungsvertrages ein, soweit hiervon noch möglicherweise entstehende Ansprüche betroffen waren. Da der Beklagte Ansprüche unstreitig nicht nach der Entstehung - nämlich nach dem Erwerb des Grundstücks und dessen Wiederaufbau - an die Klägerin abgetreten hat, hätte die einzige Möglichkeit zu dessen Erwerb für die Klägerin darin bestanden, dass die Parteien sich bereits vorher auf die Abtretung eines künftigen Anspruchs an sie geeinigt hätten.

Ob eine derartige Abtretung an die Klägerin im Hinblick auf § 98 VVG wirksam gewesen wäre, kann dahinstehen. Denn jedenfalls spricht die Auslegung der Abtretungserklärung und die damit in engem Zusammenhang stehende Feststellung im Zuschlagsbeschluss nicht für eine solche Abtretung. Dass hierdurch allein bestehende Ansprüche betroffen sein sollten, ist naheliegend, da nicht von künftigen Ansprüchen die Rede ist, sondern vom Anspruch auf Zahlung des Brandschadens. Die Klägerin hat diese Abtretungserklärung auch nicht anders verstanden, wie sich aus ihrem Streitwertantrag im Vorprozess vor dem Landgericht Aachen zu Aktenzeichen 1 O 287/97 ergibt. Dort wurde auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der damaligen und heutigen Klägerin im Verfahren der Streitwert gemäß Beschluss vom 02.12.1997 (Bl. 54 BA) auf 81.510,50 DM festgesetzt. Aus der Antragsschrift vom 06.11.1997 (Bl. 46, 47 BA) ergibt sich, dass Grundlage für die Wertfestsetzung u.a. die Hälfte des von der Versicherung ermittelten Zeitwertschadens von 143.612,-- DM (= 71.806,00 DM) gewesen ist. Auf Seite 2 der Antragsschrift der Klägerin zur Kostenfestsetzung ist dazu wie folgt ausgeführt:

"Ausgehend von diesem unstreitigen Zahlenmaterial kann man den Wert einer Einverständniserklärung/Abtretung wohl sachgerecht abschätzen."

Damit war aber klargestellt, dass sich die Abtretungserklärung nur auf mögliche Ansprüche des Beklagten gegen die A. Versicherung auf Auszahlung des Zeitwertschadens beziehen konnte.

Auch sonstige Umstände sprechen nicht gegen die getroffene Auslegung. Gerade weil die Wiederherstellungsklausel die Entstehung des Anspruchs selbst betrifft, musste entscheidend auf diese Klausel und entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auf den als Neubauwert bezeichneten Versicherungswert abgestellt werden. Auch die Interessenlage entspricht dieser Auslegung. Der Beklagte hat den Wiederaufbau allein finanziert. Es sprechen keine vernünftigen Gründe dafür, dass die Klägerin an diesen Wiederaufbauleistungen mitbeteiligt werden sollte.

Schließlich liegen auch keine Gründe dafür vor, dass im Innenverhältnis der Parteien die von der Klägerin geltend gemachte Ausgleichspflicht besteht. Mit Zuschlag des Objektes war die Klägerin, die ihr Eigentum an dem Grundbesitz damit verloren hatte, nicht mehr Versicherte. Der Beklagte wurde neuer (personenidentischer) Versicherungsnehmer. Nur bis dahin entstandene Ansprüche waren damit im Innenverhältnis auszugleichen. Nach dem Zuschlag des Objektes an den Beklagten bestand die Grundstücksgemeinschaft nicht mehr. Es oblag nunmehr allein dem Beklagten zu prüfen, ob er das Objekt wiederaufbauen wollte, um somit die Neuwertentschädigung zu erhalten. Die Klägerin hatte auf einen solchen Entschluss überhaupt keinen Einfluss mehr. Mit dem Zuschlag war die Gemeinschaft zwischen den Parteien erloschen. Neue aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrührende Ansprüche konnten nicht mehr entstehen. Von daher verbietet sich eine Ausgleichspflicht.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nur ab Rechtshängigkeit begründet. Da durch die Geltendmachung des Zahlungsanspruch gegenüber der A. Versicherung die Auszahlung des Betrages an den Beklagten unterblieb, ist die zurückgehaltene Summe mit 4 % ab Rechtshängigkeit der Widerklage zu verzinsen. Dass vorher die Zustimmungserklärung eingefordert worden wäre, ist nicht ersichtlich, so dass die Klägerin bezüglich des bereicherungsrechtlichen Anspruches erst mit Rechtshängigkeit der Widerklage in Schuldnerverzug geraten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Bis auf einen ganz geringfügigen Teil des Zinsanspruches hat der Beklagte voll obsiegt. Die Zuvielforderung ist nur geringfügig. Mehrkosten sind hierdurch nicht entstanden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 22.987,00 DM.

Ende der Entscheidung

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