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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 26.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 214/01
Rechtsgebiete: BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 398
HGB § 352
HGB § 353 a. F.
ZPO § 295
ZPO § 711
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 214/01

Anlage zum Protokoll vom 26.03.2002

Verkündet am 26.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19.02.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, die Richterin am Oberlandesgericht Caesar und den Richter am Landgericht Dr. Falkenstein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 05.07.2001 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 83 O 52/00 -teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 30.11.2000 - 83 O 52/00 - wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 26.665,09 € nebst 5 % Zinsen seit dem 4.07.1999 zu zahlen, im übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 32.000,00 € abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die jeweilige Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen deutschen Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Die Firma D.A.L. in Hongkong beauftragte die Beklagte mit einem auf dem Luftweg durchzuführenden Warentransport zur Firma R.K. Elektronik GmbH in Nettetal. Auf dem von der Beklagten ausgestellten Luftfrachtbrief wurden die transportierten Güter mit Computer M.D.M. () beschrieben. Wertangaben enthielt dieser Frachtbrief nicht. Eine von der Firma D.A.L. ausgestellte Handelsrechnung, gerichtet an die Firma R.K. Elektronik GmbH, wies einen Rechnungsbetrag von insgesamt 27.320,00 US Dollar für insgesamt 400 Computerchips 16 x 84/SDIMM 128 MB BC 100 aus. Die zu transportierende Ware wurde von der Beklagten am 26.06.1999 übernommen, zu einer Auslieferung an die Firma R.K. Elektronik GmbH kam es jedoch nicht, da die Sendung verloren ging. Unter dem 29.06.1999 stellte die Firma U.P. Service Deutschland INC. & Co. OHG der Firma R.K. Elektronik GmbH eine Frachtrechnung über DM 244,38. In ihr wurde die Ware mit Computer M.D.M. () beschrieben und ihr Wert mit 27.320,00 US-Dollar angegeben. Mit Schreiben vom 02.07.1999 meldete die Firma R.K. Elektronik GmbH gegenüber der Firma U.P. Service U.E. in N., dass die Sendung bei ihr nicht eingetroffen sei.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei Transportversicherer der Firma R.K. Elektronik GmbH und habe abgesehen von einem Selbstbehalt in Höhe von DM 1.000,00 deren Schaden in Höhe von DM 51.152,38 reguliert. Sie habe sich die Ansprüche der Firma R.K. Elektronik GmbH und der Firma D.A.L. abtreten lassen. Die Sendung habe 400 Computermodule zum Preis von 27.320 US Dollar enthalten.

Mit Verfügung vom 06.07.2000 hat der Vorsitzende der von der Klägerin angerufenen 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln das schriftliche Vorverfahren angeordnet und der Beklagten eine Frist von 4 Wochen zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gesetzt. Diese Verfügung und die Klageschrift sind der Beklagten am 18.10.2000 durch einfache Übergabe zugestellt worden, eine Übersetzung der Verfügung und der Klageschrift ist nicht beigefügt gewesen. Mit Versäumnisurteil vom 30.11.2000 hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin DM 52.152,38 nebst 5 % Zinsen seit dem 27.06.1999 zu zahlen.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 20.12.2000 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 27.12.2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 30.11.2000 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und behauptet, sie habe alles versucht, um das in Verlust geratene Paket wieder aufzufinden und sowohl in Deutschland als auch in Hongkong nachgeforscht. Sie habe die Firma D.A.L. entsprechend ihren Beförderungsbedingungen, nach denen eine Höchsthaftung bis 500,00 US-Dollar bestehe, wenn nicht das Warschauer Abkommen anwendbar ist , und auf die im Hauptfrachtbrief hingewiesen worden sei und nach denen sie lediglich beschränkt hafte, in Höhe von 103,24 US Dollar entschädigt.

Nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.03.2001 durch ihre Prozessbevollmächtigten zur Sache verhandelt hat, hat sie im Schriftsatz vom 29.03.2001 die Ansicht vertreten, die Klage sei unzulässig, weil ihr weder von der richterlichen Verfügung vom 06.07.2000 noch von der Klage selbst eine Übersetzung zugestellt worden sei.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 26.04.2001 durch Vernehmung des Zeugen D.F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.05.2001 verwiesen.

Durch Urteil vom 5.07.2001 hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln das Versäumnisurteil vom 30.11.2000 aufrechterhalten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Klage sei zulässig. Es könne offen bleiben, ob die Zustellung der Klageschrift an die Beklagte wirksam sei, weil die Beklagte einen eventuellen Zustellungsmangel nicht spätestens im Termin vom 15.03.2001 gerügt habe. Die Klage sei auch in vollem Umfang begründet. Die Klägerin sei aktivlegitimiert, weil auf der Grundlage der Aussage des Zeugen F. feststehe, dass die Klägerin Transportversicherer der Firma R.K. Elektronik GmbH gewesen sei, deren Verlustschaden reguliert und eine Abtretungserklärung ihrer Versicherungsnehmerin erhalten habe. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin sei als Empfängerin gem. Art. 13 Abs. 3/Art. 14 WA berechtigt, die Rechte aus dem zwischen der Firma D. und der Beklagten abgeschlossenen Luftfrachtvertrag geltend zu machen. Die Beklagte hafte für den in ihrem Gewahrsam eingetretenen Verlust gem. Art. 18, 25 WA unbeschränkt. Auf eine Haftungsbegrenzung könne sie sich nicht berufen, da sie ein qualifiziertes Verschulden treffe. Die Beklagte treffe nämlich eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht nachgekommen sei, denn sie habe den Verlust weder in zeitlicher noch in räumlicher oder personeller Hinsicht eingegrenzt. Ein Mitverschulden brauche sich die Klägerin bzw. deren Versicherungsnehmerin nicht anrechnen zu lassen, denn die Beklagte habe nicht dargetan, dass die fehlende Wertangabe auf dem Paket kausal für den Verlust der Sendung gewesen sei.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 09.07.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 08.08.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem die Frist zur Begründung der Berufung mit am 06.09.2001 eingegangenen Antrag durch Verfügung vom 06.09.2001 bis zum 10.10.2001 verlängert worden ist, hat die Beklagte mit am 09.10.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Berufung begründet.

Die Beklagte bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt weiterhin die Ansicht, die Klage sei mangels ordnungsgemäßer Zustellung bereits unzulässig. Eine Heilung des Mangels durch rügellose Einlassung sei nicht gegeben, weil ihren Prozessbevollmächtigten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2000 der Zustellungsmangel noch gar nicht bekannt gewesen sei. Die Beklagte bestreitet, dass sich in der verloren gegangenen Sendung Computermodule im Wert von 27.320,00 US Dollar befunden haben. Sie vertritt die Ansicht, das erstinstanzliche Gericht habe die Darlegungslast verkannt, die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast seien auf die in Hongkong ansässige Beklagte nicht anwendbar. Zudem sei anerkannt, dass die unterbliebene Wertangabe bei hochwertigen Transportgütern ein erhebliches Mitverschulden begründe, welches sich die Klägerin entgegenhalten lassen müsse. Die Beklagte behauptet, durch die fehlende Wertangabe sei ihr die Möglichkeit genommen worden, durch die bei sogenannten Wertpaketen vorgesehenen weiteren Kontrollen den Eintritt eines Schadens in einem höheren Maße zu verhindern.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt die Ansicht, auf die fehlende Wertangabe komme es nicht an, da der Beklagten der Wert der Sendung bekannt gewesen sei und eine Ursächlichkeit der fehlenden Angaben für den Schaden nicht ersichtlich sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache nur hinsichtlich der Zinsforderung der Klägerin teilweise Erfolg.

Die Klage ist zulässig.

Dahinstehen kann, ob die Zustellung der Klage unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 HZÜ erfolgt ist, denn die Beklagte kann sich auf einen etwaigen Mangel der Zustellung schon deswegen nicht berufen, weil sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.03.2001, ohne die Unwirksamkeit der Zustellung zu rügen, zur Sache verhandelt und erstmals im Schriftsatz vom 29.03.2001 angebliche Mängel der Zustellung angesprochen hat. Da Zustellungsmängel nach § 295 ZPO heilbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 25.06.1957 - IV ZR 88/57 - in : BGHZ 25, 66, 72; Bschl. v. 21.12.1983 - IV b ZB 29/83 - in : FamRZ 1984, 368, 369), ist die Beklagte, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gem. § 295 ZPO mit dieser Rüge ausgeschlossen. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2001 sei ihren Prozessbevollmächtigten der Mangel noch gar nicht bekannt gewesen, denn zur Erhaltung ihres Rügerechts wäre es erforderlich gewesen, dass die Beklagte im einzelnen darlegt, dass die Unkenntnis von dem Mangel nicht verschuldet war (vgl. BGH, Urt. v. 27.04.1999 - VI ZR 174/97 - in : NJW - RR 1999, 1251, 1252). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn der Beklagten selbst war das Fehlen von Übersetzungen zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt. Die Unkenntnis ihrer Prozessbevollmächtigten entlastet die Beklagte nicht, denn es ist Sache der betreffenden Partei, ihre Prozessbevollmächtigten umfassend zu unterrichten, so dass etwaige Kenntnismängel der Prozessbevollmächtigten zu Lasten der Partei gehen.

Die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Gerichts ergibt sich aus Art. 28 Abs. 1 WA 1955. Das Warschauer Abkommen von 1955 ist anwendbar, denn die Sendung sollte gegen Entgelt von Hongkong auf dem Luftweg nach Deutschland erfolgen. Dem Warschauer Abkommen sind außer der Bundesrepublik Deutschland auch sowohl das Vereinigte Königsreich von Großbritannien und Nordirland und auch die Volksrepublik China beigetreten, so dass der vorliegende Transport von Hongkong nach Deutschland vom Warschauer Abkommen von 1955 erfasst wird.

Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten gem. Art. 18 Abs. 1 WA 1955 i. V. m. § 398 BGB Zahlung von DM 52.152,38 verlangen.

Die Firma R.K. Elektronik GmbH war unstreitig als Empfängerin der Sendung vorgesehen. Zwar war sie nicht Vertragspartnerin der Beklagten, die nur von der Firma D.A.L. in Hongkong beauftragt worden war, jedoch hat die Beklagte den Verlust der Sendung anerkannt, so dass die Firma R.K. Elektronik GmbH gem. Art. 13 Abs. 3 WA 1955 berechtigt ist, Rechte gegen die Beklagte als Luftfrachtführer aus dem Frachtvertrag geltend zu machen.

Die Ansprüche der Firma R.K. Elektronik GmbH sind im Wege der Abtretung gem. § 398 BGB auf die Klägerin übergegangen. In der von der Klägerin vorgelegten Erklärung der Firma R.K. Elektronik GmbH vom 16.08.1999 ist eine Abtretung von allen vertraglichen und außervertraglichen Ansprüchen der Firma R.K. Elektronik GmbH bezüglich der betreffenden Sendung an die Klägerin enthalten. Die Authentizität dieser Erklärung ist von der Beklagten nicht bestritten worden. Die darin liegende Abtretungserklärung der Firma R.K. Elektronik GmbH hat die Klägerin spätestens mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten konkludent angenommen, so dass die Klägerin hinsichtlich sämtlicher Ansprüche der Firma R.K. Elektronik GmbH aktivlegitimiert ist.

Unstreitig ist die Sendung von der Beklagten in Hongkong übernommen, jedoch nicht an die vorgesehene Empfängerin, die Firma R.K. Elektronik GmbH, ausgeliefert worden. Damit ist der Verlust der Sendung zu einem Zeitpunkt angetreten, in dem sie sich in der Obhut der Beklagten als Luftfrachtführer befand, Art. 18 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 WA 1955. Die danach bestehende Vermutung dafür, dass der Schaden durch ein während der Luftbeförderung eingetretenes Ereignis verursacht worden ist, hat die Beklagte nicht entkräftet. Für ihre Entlastung nach Art. 20 WA 1955 hat die Beklagte nichts vorgetragen.

Der Höhe nach beläuft sich der auf die Klägerin übergegangene Anspruch der Firma R.K. Elektronik GmbH auf den von der Klägerin geltend gemachten Betrag von DM 52.152,38. Die Behauptung der Klägerin, dass die verloren gegangene Sendung 400 Computer Module mit einem Wert von umgerechnet DM 52.152,38 enthalten habe, ist von der Beklagten nur unzureichend bestritten worden. Der von der Beklagten ausgestellte Frachtbrief führt als Warenbeschreibung Computer M.D.M. () auf. In der von dem deutschen Schwesterunternehmen der Beklagten ausgestellten Frachtrechnung, die die gleiche Warenbeschreibung enthält, wird ein Warenwert von 27.320,00 US Dollar angegeben, was auch der von der Klägerin vorgelegten Frachtrechnung der Firma D.A.L. entspricht. Im Hinblick hierauf war es der Beklagten verwehrt, sich auf ein einfaches Bestreiten des Inhalts der Sendung und ihres Werts zu beschränken, vielmehr hätte sie substantiiert darlegen müssen, inwieweit trotz dieser Urkunden Anhaltspunkte dafür vorliegen sollen, dass die Sendung nicht den angegebenen Inhalt und den ausgewiesenen Wert hatte. Da die Beklagte hierzu nichts vorgetragen hat, ist ihr einfaches Bestreiten unbeachtlich und von den diesbezüglichen Angaben der Klägerin auszugehen.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine zu ihren Gunsten eingreifende Haftungsbeschränkung berufen. Die von der Beklagten aufgrund ihrer Vertragsbedingungen behauptete Haftungshöchstsumme soll nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ohnehin nur gelten, sofern nicht die Vorschriften des Warschauer Abkommens von 1955 anwendbar sind. Da dieses Abkommen hier aber einschlägig ist, greift diese Haftungsbegrenzung im vorliegenden Fall ohnehin nicht ein, ohne dass es darauf ankommt, ob die Geltung der Vertragsbedingungen der Beklagten überhaupt wirksam vereinbart worden ist. Die Beklagte kann nicht geltend machen, sie habe die Firma D.A.L. in Höhe von 103,24 US-Dollar entschädigt. Dabei kann dahinstehen, ob diese Zahlung gegenüber dem Anspruch der Klägerin überhaupt Wirksamkeit beanspruchen könnte, denn unabhängig hiervon kann das Vorbringen des Beklagten schon deswegen keine Berücksichtigung finden, weil die Beklagte die von der Klägerin bestrittene Zahlung nicht unter Beweis gestellt hat.

Ebenso wenig kann sich die Beklagte auf eine Haftungsbegrenzung nach Art. 22 Abs. 2 a) WA 1955 berufen, denn diese Vorschrift greift gem. Art. 25 WA 1955 nicht ein, da davon auszugehen ist, dass die Beklagte ein qualifiziertes Verschulden i. S. v. Art. 25 WA 1955 trifft. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es grundsätzlich Sache der Klägerin als Anspruchstellerin ist, das Vorliegen aller objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Art. 25 WA 1955 darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die Klägerin zu den Umständen des Verlustes der Sendung jedoch nichts vorgetragen hat. Allerdings ergeben sich aus dem Geschehen insbesondere der völlig ungeklärten Verlustmöglichkeiten eines immerhin mindestens ca. 8 kg schweren Packstücks, Anhaltspunkte für ein Organisationsverschulden. Nach allgemeiner obergerichtlicher Rechtsprechung gilt jedoch, dass dann, wenn wie hier der Schaden in der Sphäre des Schädigers entstanden ist, der Geschädigte in diese Sphäre des Schädigers keinen Einblick besitzt und dem Schädiger die Offenbarung seiner Vorsichtsmaßnahmen zugemutet werden kann, es Sache des Schädigers ist, sein Verhalten in Zusammenhang mit der Durchführung des Transportes, der Entstehung des Schadens und seiner Verhinderung substantiiert darzulegen (vgl. OLG Köln Urt. v. 27.06.1995 - 22 U 265/94 - in : VersR 1996, 1567, 1567 f.; OLG München Urt. v. 01.04.1998 - 7 U 6182/97 - in: TranspR 1998, 473; Urt. v. 07.05.1999 - 23 U 6113/98 - in : TranspR 1999, 301, 303; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.04.1998 - 5 U 210/96 - in : TranspR 1999, 24, 26; Urt. v. 14.09.1999 - 5 U 30/97 - in : TranspR 2000, 260, 261). Diese Rechtsprechung, die von der höchstrichterlicher Rechtsprechung gebilligt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.09.2001 ZR 135/98 - in : TranspR 2001, 29, 33 f) und der sich auch der Senat anschließt, findet auch auf die Beklagte Anwendung, denn diese Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast sind dem nach Art. 28 Abs. 2 WA 1955 anwendbaren deutschen Prozessrechts entnommen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 27.06.1995 - 22 U 265/94 - in : VersR 1996, 1567; OLG Frankfurt/M Urt. v. 14.09.1999 - 5 U 30/97 - in : TranspR 2000, 260, 261).

Der sie danach treffenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht gerecht geworden. Sie hat lediglich vorgetragen, sowohl in Hongkong als auch im Flughafen in K. und im Überschusslager in Deutschland nachgeforscht zu haben, ohne dass das Paket noch habe aufgefunden werden können. Dieser Vortrag ist unzureichend, da sie der Klägerin keinen konkreten Einblick in die Abläufe bei der Beklagten gewährt und daher auch keinerlei Ansatzpunkt bietet, der es der Klägerin ermöglichen würde, der Beklagten Versäumnisse nachzuweisen, die den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens begründen würden. Erforderlich wäre gewesen, dass die Beklagte die Abläufe beim Transport und die einzelnen von ihr ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung von Verlusten im einzelnen darlegt, da es nur dann der Klägerin möglich gewesen wäre, Beweis dafür anzutreten, dass diese Maßnahmen unzulänglich waren und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Beklagte bzw. die von ihr eingesetzten Leute leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Da die Beklagte diesen Anforderungen an ihre sekundäre Darlegungslast auch im Berufungsverfahren nicht nachgekommen ist, muss vom Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens i. S. v. Art. 25 WA 1955 ausgegangen werden, so dass sich die Beklagte auf die gesetzliche Haftungsbeschränkung nach § 22 Abs. 2 a) WA 1955 nicht berufen kann.

Die Beklagte kann auch nicht einwenden, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden der Versenderin nach Art. 21 WA 1955 anlasten lassen, weil diese Angaben zum Wert der Sendung unterlassen habe. Der Senat verkennt nicht, dass fehlende Angaben zum Wert des Transportgutes durch den Empfänger gegebenenfalls als eine Obliegenheitsverletzung angesehen werden können. Zu einer Mithaftung kann eine solche Obliegenheitsverletzung jedoch nur dann führen, wenn sie für die Entstehung des Schadens auch kausal war, was der Luftfrachtführer darlegen und gegebenenfalls beweisen muss. Die Beklagte hat jedoch nichts dazu vorgetragen, inwieweit sich die fehlende Wertangabe seitens der Firma D.A.L. auf den Verlust der Sendung ausgewirkt hat. Weder hat sie dargetan, welche andere Maßnahmen sie bei einer korrekten Wertangabe seitens der Versenderin ergriffen hätte, insbesondere welche zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen sie getroffen hätte, noch hat sie vorgetragen, dass diese Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes spürbar reduziert hätten. Auch im Berufungsverfahren hat die Beklagte hierzu nichts näher vorgetragen, sondern ganz allgemein bei sogenannten Wertpaketen vorgesehene weitere Kontrollen erwähnt, ohne dies näher zu konkretisieren.

Auch die von der Beklagten angeführte obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 18.01.2001 - 6 U 276/99 - ; Urt. v. 08.03.2001 - 6 U 78/00 - in : TranspR 2001, 443, 444) führt zu keiner anderen Bewertung, da in diesen Verfahren der Transporteur die von ihm bei Sendungen mit höheren Werten ergriffenen Maßnahmen im einzelnen aufgeführt hat, so dass sich anhand dessen beurteilen ließ, ob die fehlende Wertangabe das Verlustrisiko messbar erhöht hat. An einem solchen Vortrag der Beklagten fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.

Zinsen in Form von Fälligkeitszinsen gem. § 352, 353 HGB a. F. stehen der Klägerin erst vom Zeitpunkt des Zugangs der Schadensmeldung vom 02.07.1999 zu, so dass hinsichtlich des davor liegenden Zeitraums das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern war.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Beklagten: 26.665,09 € (DM 52.152,38), Beschwer der Klägerin unter 20.000,00 €.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch ist zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich.

Ende der Entscheidung

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