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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 3 U 22/06 BSchRh
Rechtsgebiete: BGB, BinSchG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 398
BGB § 823 Abs. 1
BinSchG § 3
BinSchG § 92b
RheinSchPVO § 6.03
RheinSchPVO § 6.09
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 520
ZPO § 530
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 9. Januar 2006 (5 C 15/05 BSch) wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch die Klägerin durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund einer Schiffskollision auf dem Rhein, an der das vom Beklagten zu 2. geführte, zu Tal fahrende Schiff der Beklagten zu 1., TMS "U.", und das bei der Klägerin versicherte, zu Berg fahrende Schiff TMS "F.", beteiligt waren. Der Hergang des Unfalls, der sich am 30.09.2003 bei Rheinkilometer 813 ereignet hat, ist streitig. Die Klägerin behauptet, TMS "U." habe unmittelbar vor der Kollision den Kurs geändert und das weiterhin hinter "S." befindliche TMS "F." in einem positiven Winkel angefahren. Die Beklagten behaupten demgegenüber, TMS "F." habe unmittelbar vor der Kollision bereits zum Überholen des vorausfahrenden Schubverbandes "S." angesetzt, während TMS "U." unverändert gestreckt im Strom gelegen habe. Nur aufgrund der Kursänderung des TMS "F." sei es zu einer Kollision der Schiffe gekommen, wobei der Kollisionswinkel bezogen auf die Schiffslängsachsen weniger als 0° betragen habe.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Es hat auf der Grundlage des durchgeführten Verklarungsverfahrens 5 II 5/03, Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, eine schuldhafte Verursachung der Kollision durch den Beklagten zu 2., nicht aber durch die Besatzung des TMS "F." für erwiesen erachtet. Dabei hat es sich maßgeblich auf die Angaben des unbeteiligten Zeugen O., des Schiffsführers des "S.", gestützt, der eine Kursänderung des TMS "U." unmittelbar vor der Kollision glaubhaft bekundet habe, während TMS "F." mit noch unverändertem Kurs hinter ihm gefahren sei. Dies stehe in Einklang mit dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. G. zur Frage des Kollisionswinkels der Schiffe, durch das die Einwendungen des von der Klägerin hinzugezogenen Privatsachverständigen Dipl.-Ing. H. entkräftet worden seien. Den - jeweils die andere Seite belastenden - Angaben der jeweiligen Schiffsbesatzungen hat das Rheinschifffahrtsgericht keinen wesentlichen Beweiswert beigemessen.

Mit ihrer Berufung wenden sich die Beklagten maßgeblich gegen die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts. Sie meinen, das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. sei durch die Feststellungen des Dipl. Ing H., die in der Berufungsbegründung im Einzelnen wiedergegeben werden, widerlegt; zumindest habe das Rheinschifffahrtsgericht ein Obergutachten einholen müssen. Dieses hätte ergeben, dass TMS "F." hier doch schon zum Überholen des vorausfahrenden Schubverbandes angesetzt und so gegen das Kursänderungsverbot verstoßen habe. Die Angaben des Zeugen O. seien insoweit nicht als zuverlässig anzusehen, da die Situation für ihn wegen der Kurvenfahrt unübersichtlich gewesen sei; die eigentliche Kollision habe er auch nach eigenen Angaben nicht beobachtet.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort - Rheinschifffahrtsgericht - vom 09.01.2006, Az. 5 C 15/05, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat Beweis erhoben zum Hergang der Schiffskollision durch Einholung einer ergänzenden mündlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. G.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.12.2006 Bezug genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die beigezogenen Akten des Verklarungsverfahrens 5 II 5/03, Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet, weil die Schiffskollision vom Beklagten zu 2. als Schiffsführer des TMS "U." verschuldet worden ist. Da sich ein Mitverschulden der Besatzung des TMS "F." nicht feststellen lässt, haften die Beklagten der gem. § 398 BGB aufgrund Abtretung aktivlegitimierten Klägerin gem. §§ 823 Abs.1 BGB, 3, 92b BinSchG in vollem Umfang auf Schadensersatz.

1.

Die Klägerin ist gem. § 398 BGB Inhaberin etwaiger Schadensersatzansprüche aufgrund der Beschädigung der TMS "F." am 30.09.2003 geworden; die Beklagten haben die in der Klageschrift behauptete Abtretung von Schadensersatzansprüchen an die Klägerin nicht bestritten.

2.

Die Beklagten haften gem. §§ 823 Abs.1 BGB, 3, 92b BinSchG auf Schadensersatz, weil der Beklagte zu 2. die Kollision als verantwortlicher Schiffsführer des TMS "U." schuldhaft verursacht hat, indem er unmittelbar vor der Kollision den Kurs unter Verstoß gegen § 6.03 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung geändert hat.

a.

Aus den detailreichen, differenzierten und insgesamt glaubhaften Angaben des unbeteiligten und am Ausgang des Rechtsstreits nicht interessierten Zeugen O. ergibt sich eindeutig, dass TMS "U." unmittelbar vor der Kollision völlig überraschend eine Kursänderung eingeleitet hat, während sich TMS "F." noch hinter seinem Schubverband "S." befand, ohne den Kurs geändert und schon zum Überholen angesetzt zu haben. Der Senat tritt den diesbezüglichen Ausführungen des Schifffahrtsgerichts in vollem Umfang bei. Dass der Zeuge O. sodann die Kollision selbst nach eigenen Angaben nicht beobachtet hat, wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung rügt, beeinträchtigt den Beweiswert seiner Angaben entgegen der Ansicht der Klägerin nicht; denn die entscheidenden, zur Kollision der Schiffe führenden Fahrmanöver waren zu diesem Zeitpunkt schon längst ausgeführt, wie sich insbesondere aus der Angabe des Zeugen ergibt, es habe, als er sich - Sekunden später - nach vorne umgedreht habe, auch schon "geknallt".

b.

Soweit der Beklagte zu 2. und der Zeuge I. als Besatzungsmitglieder des TMS "U." hiervon abweichende Angaben gemacht haben, kommt diesen Angaben nach Einschätzung des Senats kein Beweiswert zu. Zwar gibt es keine allgemeine Beweisregel, wonach die Aussagen von Besatzungsmitgliedern unfallbeteiligter Schiffe stets von der Interessenlage beeinflusst sind (BGH, Urt. v. 30.09.1974, II ZR 17/73, VersR 1974, 1197 f.). Hier jedoch wären die Angaben des unbeteiligten Zeugen O. schlechthin unverständlich, wenn man von der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 2. und des Zeugen I. ausginge; dafür, dass der unbeteiligte Zeuge O., der nach eigenen Angaben den ganzen Ablauf gut beobachten konnte, hier vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben könnte, sind Anhaltspunkte aber nicht ersichtlich. Zudem stehen die Angaben des Beklagten zu 2. und des Zeugen I. auch mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. nicht in Einklang, der überzeugend dargelegt hat, dass die beteiligten Schiffe unter einem positiven Winkel kollidiert sein müssen (dazu s.u. zu c.). Gerade dies steht aber in Einklang mit der Aussage des Zeugen O., dessen Angaben - auch in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen J. und L. als Besatzungsmitglieder der TMS "F." - einen negativen Kollisionswinkel zwingend ausschließen.

c.

Schließlich werden die Angaben des Zeugen O. auch nicht durch die gutachterliche Stellungnahme des für die Klägerin tätig gewordenen Privatsachverständigen Dipl.-Ing. H. in Zweifel gezogen. Wie der Sachverständige Dr. G. bereits bei seiner Anhörung im Verklarungsverfahren vor dem Schifffahrtsgericht am 03.01.2005 ausgeführt und bei seiner Anhörung durch den Senat wiederholt und näher erläutert hat, bieten die Ausführungen des Herrn Dipl.-Ing. H. keine geeignete Grundlage, um die Beobachtungen des Zeugen O. in Zweifel ziehen zu können.

Der Privatsachverständige Dipl.-Ing. H. gelangt in seinem Gutachten vom 09.08.2005 zu dem Ergebnis, dass die an der Kollision beteiligten Schiffe mit einem -bezogen auf die Schiffslängsachse - negativen Kollisionswinkel kollidiert sein müssen, und zwar in der Form, dass zunächst das backbordseitige Schubhorn des TMS "U." mit sehr großem Druck auf die Außenhaut des TMS "F." aufgetroffen sei. Dies folge aus den entstandenen Schäden unter Berücksichtigung physikalischer und werkstoffmäßiger Gesetzmäßigkeiten; ein positiver Kollisionswinkel hätte zwangsläufig zu großflächigeren Verformungen führen müssen.

Diese Ausführungen des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. H. sind nach dem Ergebnis der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Dr. G. durch den Senat widerlegt. Der Sachverständige Dr. G. hat überzeugend ausgeführt, dass mehrere Umstände keinen anderen Schluss zulassen, als dass die Kollision unter einem positiven Winkel - bezogen auf die Schiffslängsachsen - erfolgt sein muss. Zum Einen hätte es bei Annahme eines negativen Kollisionswinkels oder eines Kollisionswinkels von 0° nicht zu einem so tiefen Eindringen des backbordseitigen Schubhorns des TMS "U." in die Außenhaut des TMS "F." kommen können, wie es hier erfolgt ist; vielmehr wäre TMS "U." in diesem Fall im Bugbereich nach steuerbord abgewiesen worden, so dass es nur zu einer streifenden Berührung gekommen wäre. Auch wären bei Zugrundelegung eines negativen Kollisionswinkels die am backbordseitigen Schubhorn des TMS "U.", insbesondere an dessen Innenkante, eingetretenen Schäden nicht erklärbar; die hier nach innen gerichtete Verdrehung des Schubhorns im Uhrzeigersinn kann nur Folge eines Aufpralls des Schubhorns auf das Schott in einem entsprechenden, positiven Winkel sein. Vor allem aber ist ein negativer Kollisionswinkel - auch unabhängig von den vorgenannten Überlegungen - in keinem Fall damit in Einklang zu bringen, dass TMS "U." nach den übereinstimmenden Angaben sowohl des Zeugen J. als Schiffsführer des TMS "F." als auch des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des TMS "U.", sich unmittelbar nach der Kollision um 180° über Steuerbord gedreht hat, indem es zunächst mit dem Heck nach rechtsrheinisch verfallen ist und sich dann weiter gedreht hat, bis schließlich der Bug stromaufwärts zeigte. Eine derartige Drehbewegung lässt sich mit einem Anstoß des TMS "U." in negativem Kollisionswinkel oder in einem Winkel von 0° nicht in Einklang bringen. Denn die beim Anstoß wirkende Kraft würde in diesem Fall angesichts des in der Schiffsmitte gelegenen Schwerpunktes zwangsläufig zu einer Drehbewegung in entgegengesetzter Richtung führen. Soweit der Privatsachverständige H. aus der Art der Beschädigung der TMS "F." zwingend auf einen negativen Kollisionswinkel rückschließen will, hat der - auch für die Beurteilung dieser Frage sachkundige - Sachverständige Dr. G. hierzu überzeugend ausgeführt, dass das entstandene Schadensbild insoweit nicht gegen eine positiven Kollisionswinkel spreche. Weder habe der Spant bei positivem Kollisionswinkel vollständig abreißen müssen noch folge aus der an der Außenhaut erkennbaren Rissbildung im Winkel von 45°, dass es einen Zusammenstoß nur mit negativem Kollisionswinkel gegeben haben könne; anschaulich hat der Sachverständige insoweit dargelegt, dass ein Einreißen zwangsläufige Folge einer entsprechenden Kollision bei jedem Kollisionswinkel sei, weil ein Einrollen der Außenhaut oben zu einem Einreißen der Außenhaut unten führen müsse.

2.

Für die Einholung des seitens der Klägerin noch beantragten Obergutachtens besteht keine Veranlassung. Der Einholung eines Obergutachtens bedarf es nur bei besonders schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten und dann, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt (BGH, Urt. v. 04.03.1980, VI ZR 6/79, VersR 1980, 533 f. m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

a.

Die Frage, in welchem Winkel die beteiligten Schiffe kollidiert sind, ist als solche nicht als besonders schwierig anzusehen. Die Frage der Kompatibilität dokumentierter Unfallschäden mit Zeugenbeobachtungen und behaupteten Geschehensabläufen ist im schifffahrtsrechtlichen Kollisionsprozess weder ungewöhnlich noch im vorliegenden Fall durch besondere, schwer zu fassende Umstände gekennzeichnet.

b.

Grobe Mängel des Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. sind nicht erkennbar. Der dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannte, bereits seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet tätige Sachverständige Dr. G. hat nachvollziehbar zu allen relevanten Fragen Stellung genommen und sein Gutachten insgesamt überzeugend erläutert. Soweit er ausdrücklich eingeräumt hat, zu dem mit Schriftsatz vom 07.12.2006 im Parallelverfahren 3 U 21/06 BSchRh vorgelegten Untersuchungsbericht der E.-L.-GmbH vom 04.12.2006 nicht näher Stellung nehmen zu können, stellt dies keinen Mangel seines Gutachtens dar. Zum Einen ist der mit dem Untersuchungsbericht der E.-L.-GmbH vom 04.12.2006 eingeführte neue Tatsachenvortrag im vorliegenden Verfahren gem. §§ 530, 296 Abs.1 ZPO unbeachtlich. Der Untersuchungsbericht hätte als neues Angriffsmittel gem. § 520 ZPO grundsätzlich schon innerhalb der Frist zur Begründung der Berufung eingeholt und vorgelegt werden müssen. Seine Zulassung würde zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen. Der Sachverständige Dr. G. hat im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat nachvollziehbar erklärt, zu den im Untersuchungsbericht angesprochenen speziellen werkstoffmechanischen Fragen, die ihm erst am 08.12.2006 in der Verhandlung zugänglich gemacht werden konnten, nicht ohne weitere Vorbereitung Stellung nehmen zu können, so dass im Falle einer Zulassung dieses Berichts eine Vertagung erforderlich geworden wäre. Eine Entschuldigung dieser Verspätung ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts des Umstandes, dass die selbst sachkundigen Parteien hier von Beginn des Rechtsstreits an auch darüber gestritten haben, welche Folgerungen aus dem Schadensbild zu ziehen sind, wäre es - unbeschadet der Tatsache, dass eine Partei grundsätzlich nicht gehalten ist, ihre Einwendungen gegen das Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen durch Einholung eines Privatgutachtens zu untermauern (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005, VI ZR 270/04, NJW 2006, 152 ff.) - erforderlich gewesen, hierzu frühzeitig detaillierter vorzutragen und ein solches Gutachten nicht erst wenige Tage vor dem auch aus Sicht der Klägerin erkennbar nicht als "Durchlauftermin" geplanten Termin zur Anhörung des bereits im Verklarungsverfahren 2004 tätig gewesenen Sachverständigen Dr. G. einzuholen und vorzulegen. Im Übrigen könnte aber auch eine Zulassung des Untersuchungsberichts zur Überzeugung des Senats hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Untersuchungsbericht der E.-L.-GmbH vom 04.12.2006 basiert nämlich ersichtlich auf ungenügender tatsächlicher Grundlage, wie sich insbesondere daraus ergibt, dass dort eingeräumt wird, dass eine "bruchmechanische Betrachtung" des am TMS "F." eingetretenen Schadens vorgenommen wird, ohne dass eine Materialprobe vorgelegen hat oder zumindest der insoweit verwendete Werkstoff bekannt wäre, so dass eine fraktographische Bruchanalyse überhaupt nicht durchgeführt werden konnte. Nachvollziehbar hat demgegenüber der Sachverständige Dr. G., der nach eigenen Angaben auch im Bereich der Materialkunde sachkundig ist, bei seiner Anhörung darauf hingewiesen, dass die Rissbildung als solche und der hier vorhandene Winkel von 45° gerade keinen Rückschluss auf einen positiven oder negativen Kollisionswinkel zulässt.

c.

Schließlich ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ein neuer Gutachter hier über Forschungsmittel verfügen würde, die denjenigen des gerichtlich bestellten Sachverständigen überlegen sind.

3.

Ein Mitverschulden der Besatzung des TMS "F." hat das Rheinschifffahrtsgericht auf der Grundlage der im Verklarungsverfahren erhobenen Beweise zutreffend verneint. Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich unmittelbar, dass sich eine im Sinne des § 6.03 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung unzulässige Kursänderung der TMS "F." nicht feststellen lässt. Soweit zu Lasten der TMS "F." ein Verstoß gegen die gem. § 6.09 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung den Überholenden treffenden besonderen Sorgfaltspflichten in Rede steht, ist zwar nicht auszuschließen, dass TMS "F." gegebenenfalls wegen der fortgeschrittenen Annäherung an das vorausfahrende "S." im Rechtssinne schon zum Überholen angesetzt hatte (dazu vgl. BGH, Urt. v. 03.02.1975, II ZR 126/73, VersR 1975, 639 f.). Es ist jedoch, nachdem TMS "F." entsprechend dem oben Ausgeführten jedenfalls noch nicht ausgeschert war, nichts dafür ersichtlich, dass dieses allein in der Annäherung liegende, mögliche Ansetzen zum Überholen hier für die Kollision ursächlich geworden wäre. Dieses Ergebnis geht aber zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (dazu vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1970, II ZR 163/69, VersR 1970, 948 ff.).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Alle im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen sind bereits ausreichend höchstrichterlich geklärt, so dass insoweit weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache noch eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision erfordern (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO); die Entscheidung beruht maßgeblich auf der tatrichterlichen Würdigung der Zeugenaussagen und der im Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten.

Streitwert: 122.760,53 Euro

Ende der Entscheidung

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