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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.08.2003
Aktenzeichen: 3 U 28/03
Rechtsgebiete: BGB, HGB, PUDLV


Vorschriften:

BGB § 14 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 247
BGB § 254
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 305 Abs. 2
BGB § 305 c Abs. 1
BGB § 306 Abs. 2
BGB § 306 Abs. 3
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1 n. F.
BGB § 310 Abs. 1 Satz 1 n. F.
HGB § 407 Abs. 1
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 428
HGB § 429 Abs. 3 Satz 2
HGB § 431 Abs. 1
HGB § 432
HGB § 435
HGB § 449 Abs. 1 Satz 1
HGB § 449 Abs. 2
HGB § 449 Abs. 2 Satz 1
PUDLV § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 28/03

Anlage zum Protokoll vom 05.08.2003

Verkündet am 05.08.2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch die Richterin am Oberlandesgericht Caesar als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Schneider und den Richter am Landgericht Dr. Bern

auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.01.2003 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn (14 O 171/02) teilweise abgeändert:

Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.948,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Abhandenkommens dreier in der Zweigstelle der Beklagten in D. eingelieferter Paketsendungen, die die Beklagte im Wege des von ihr angebotenen "Freeway"-Dienstes befördern sollte und die nach Behauptung des Klägers jeweils Brillanten enthielten, die dieser zuvor an verschiedene Kunden veräußert hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in seinem Urteil vom 23.01.2002 (Bl. 111 - 113 GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kläger durch die Einlieferung der Brillanten gegen die von ihr der Beförderung zugrundegelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen PAKET/EXPRESS NATIONAL, Stand 01.03.2002 (im Folgenden: AGB), verstoßen habe. Zwar hindere die Einlieferung von "ausgeschlossenen Sendungen" (Verbotsgut), zu denen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auch Edelsteine gehörten (Valoren II. Klasse), nicht das Zustandekommen eines Transportvertrags. Der Kläger habe als Einlieferer jedoch eine Vertragsverletzung (culpa in contrahendo) begangen, mit der Folge, dass die Beklagte so zu stellen sei, wie sie stehen würde, wenn der Einlieferer sie auf den tatsächlichen Wert der Sendung hingewiesen hätte. Eine Einigung über die Einlieferung der Sendung wäre dann nicht erfolgt, so dass die Beklagte auch keine Haftung getroffen hätte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Darstellung in den Gründen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 125 - 126 GA).

Mit der Berufung erstrebt der Kläger die volle Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz. Er tritt der Annahme des Landgerichts entgegen, dass die von der Beklagten gestellten AGB wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden seien. Jedenfalls ergebe sich die Unwirksamkeit der AGB aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F. bzw. aus § 449 Abs. 2 HGB. Überdies verstoße die Beklagte durch Haftungsausschlüsse der vorliegenden Art gegen die Postuniversaldienstleistungsverordnung. Die Beklagte habe daher gemäß § 435 HGB wegen qualifizierten Verschuldens in vollem Umfang Schadensersatz zu leisten, da die Ursache für den Verlust der Sendung - unstreitig - nicht aufzuklären sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 23.01.2003, AZ.: 14 O 171/02, zu verurteilen, an ihn 7.896,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.07.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt ihrerseits ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und bestreitet weiterhin Inhalt und Wert der Sendung. Sie hält die von ihr gestellten AGB für wirksam in den Vertrag einbezogen und nicht aus anderen Gründen für unwirksam. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es sich bei den sog. Freeway-Paketsendungen um briefähnliche Sendungen handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat im erkannten Umfang Erfolg. Das Landgericht hat eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach für den eingetretenen Sendungsverlust zu Unrecht abgelehnt. Soweit es die Schadenshöhe angeht, kann die Berufung nur teilweise Erfolg haben, weil die Beklagte für den eingetretenen Schaden nicht in vollem Umfang zu haften hat.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß den §§ 425 Abs. 1, 428, 435 HGB ein Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes der am 15. und 17.05.2002 bei der Zweigstelle der Beklagten in D. eingelieferten drei Paketsendungen zu.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Einlieferung der Sendung bei der Zweigstelle der Beklagten ein Frachtvertrag im Sinne des § 407 Abs. 1 HGB zustande gekommen ist. Dem steht auch Abschnitt 2 Abs. 2 der von der Beklagten dem Beförderungsvertrag zugrundegelegten AGB der Deutschen Post AG für den Frachtdienst Inland nicht entgegen. Soweit die Beklagte in Abschnitt 2 Abs. 2 Ziffer 6 der AGB Valoren II. Klasse von der Beförderung ausschließen will, hindert dies das Zustandekommen eines Frachtvertrages nicht. Denn die Beklagte hat von der in Abschnitt 2 Abs. 3 Ziffer 1 ihrer AGB eingeräumten Möglichkeit, ein auf die Beförderung von ausgeschlossenen Sendungen gerichtetes Vertragsangebot abzulehnen, keinen Gebrauch gemacht, sondern die Sendung tatsächlich und ohne Vorbehalt befördert. Zutreffend weist das Landgericht zur Begründung seiner Annahme, dass die Beförderung auf der Grundlage eines wirksamen Vertragsschlusses durchgeführt worden ist, darauf hin, dass die Beklagte selbst von dem Vorliegen eines wirksamen Vertrages ausgeht, wenn sie sich in Abschnitt 2 Abs. 4 ihrer AGB eine Anfechtungsmöglichkeit gerade für den Fall, dass der Kunde ausgeschlossene Güter zur Beförderung aufgegeben hat, ausbedingt.

Der Beförderungsvertrag ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Anfechtung gemäß den §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB unwirksam.

Soweit die Beklagte in Abschnitt 2 Abs. 4 der AGB "bereits jetzt", also zum Zeitpunkt der Einlieferung der Sendung, die Anfechtung des Beförderungsvertrags wegen Täuschung erklärt hat, ist dies bereits deshalb unwirksam, weil eine Anfechtungserklärung nicht unter einer Bedingung, nämlich der nachträglichen Kenntniserlangung über die Aufgabe von ausgeschlossenen Sendungen, abgegeben werden kann (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, § 143 Rn. 2 m. w. N.).

Auch die mit den Schreiben der Beklagten vom 30.07.2002 betreffend die Sendungen an die Firmen G. und W. erklärten Anfechtungen sind, wie auch das Landgericht zutreffend angenommen hat, unwirksam. Ein zur Anfechtung berechtigendes arglistiges Verhalten im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB würde voraussetzen, dass der Kläger positiv Kenntnis davon hatte, ein Gut einzuliefern, welches die Beklagte nach ihren AGB (Abschnitt 2 Abs. 2) nicht befördern wollte. Für diese (subjektiven) Voraussetzungen hat die Beklagte aber nichts vorgetragen. Soweit sie im Schriftsatz vom 02.06.2003 darauf verwiesen hat, dass der Kläger als sorgfältiger Geschäftsmann hätte feststellen können und müssen, dass die Beklagte die Einlieferung von "Verbotsgut" nicht wünschte, folgt hieraus keine Arglist, sondern allenfalls ein den Kläger treffender Fahrlässigkeitsvorwurf. Da der Kläger auch auf den Freeway-Paketmarken keine (unzutreffenden) Wertangaben gemacht hat, vermag der Senat eine positive Kenntnis des Klägers von dem von der Beklagten erwünschten Beförderungsausschluss bestimmter Güter nicht festzustellen. Bezüglich der Sendung P. ist entgegen der Sachdarstellung der Beklagten im Schreiben vom 30.07.2002 (Bl. 28 GA) keine ausdrückliche Anfechtung erklärt worden. Die Beklagte hat sich hier lediglich auf das Vorliegen eines Haftungsausschlusses berufen.

Dass sich der Verlust der Sendungen im Obhutsbereich der Beklagten ereignet hat, ist unstreitig, wobei auch dahinstehen kann, inwieweit sich die Beklagte zur Ausführung der Beförderung weiterer Subunternehmer bedient hat, weil sie für deren evtl. Verschulden gemäß § 428 HGB ohnehin einstehen muss.

2. Von der grundsätzlich gegebenen Haftung für den Sendungsverlust kann sich die Beklagte nicht gemäß Abschnitt 2 Abs. 2 Ziffer 6, Abschnitt 6 Abs. 2 Satz 4 ihrer AGB freizeichnen. Indes sind die Geschäftsbedingungen der Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers wirksam in den Frachtvertrag einbezogen worden. Da der Kläger als eingetragener Kaufmann im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB Unternehmer ist, richtet sich die Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB (n. F.). Sie kann daher ungeachtet der Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB auch dadurch erfolgen, dass lediglich auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird. Ein dementsprechender Hinweis befindet sich auf den jeweiligen Freeway-Paketmarken.

Die Einbeziehung der AGB der Beklagten scheitert nicht an § 305 c Abs. 1 BGB. Ein Haftungsausschluss in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht überraschend, sondern branchentypisch.

Die Beklagte ist ferner nicht aufgrund des von ihr im Februar 2002 verfassten Rundschreibens gehindert, sich auf die in ihren AGB vom 01.03.2002 enthaltenen Haftungsausschlüsse zu berufen. Die Beklagte hat in dem Rundschreiben erklärt, bis zur Bereitstellung des Sonderdienstes "V.pack" mit Wirkung zum 01.07.2002 auch nach Inkrafttreten ihrer AGB vom 01.03.2002 die in diesen Geschäftsbedingungen enthaltene Ausschlussregelung für Schmuck, Uhren und Edelsteine mit einem Warenwert über 500,00 € nicht zur Anwendung zu bringen. Aus der dem Kläger ebenfalls zur Kenntnis gelangten "Kurzinformation V.pack/AGB-Änderung vom 18.02.2002" (Bl. 38 GA) ergibt sich jedoch, dass die Ausschlussregelungen nur im Verhältnis zu sog. Bestandskunden (mit individuellen vertraglichen Vereinbarungen im Bereich Paket/Express) nicht gelten sollten und für Filialkunden (solche ohne schriftliche Individualvereinbarung) lediglich eine Übergangsfrist bis zum 02.04.2002 gewährt werden sollte. Darauf kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil die Einlieferung der hier streitigen Waren nach diesem Zeitpunkt (nämlich am 15. bzw. 17.05.2002) stattgefunden hat.

Eine zur Unwirksamkeit der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten führende unangemessene Benachteiligung ihrer jeweiligen Vertragspartner im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch den von dem Kläger behaupteten Verstoß der Post gegen die Post-Universaldienstleistungsverordnung durch Vereinbarung von Haftungsausschlüssen sieht der Senat nicht. Auch nach Inkrafttreten der neuen AGB der Beklagten erbringt diese weiterhin Dienstleistungen im Paketverkehr gemäß § 3 PUDLV, auch soweit es sich um Wertsendungen handelt, die den Wert von 500,00 € übersteigen. Denn der neue Dienst "V.pack" steht grundsätzlich allen Versendern offen und nicht nur, wie der Kläger meint, Geschäftskunden. Richtig an der Auffassung des Klägers ist lediglich, dass Voraussetzung zum Versand der Pakete eine entsprechende vertragliche Vereinbarung (Geschäftskundenvertrag) mit der Post ist (siehe Kurzinformation V.pack/AGB-Änderung vom 18.02.2002; Bl. 38 GA). Dass die Beklagte hierfür ein höheres Beförderungsgeld verlangt, ist angesichts der höherwertigen Beförderungsgüter nach Auffassung des Senats sachlich gerechtfertigt (vgl. § 6 Abs. 2 PUDLV).

Gleichwohl scheitert im Ergebnis eine Haftungsfreizeichnung der Beklagten an § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB. Nach dieser Vorschrift kann von der grundsätzlichen Haftung des Frachtführers nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt worden ist. An einer solchen Individualvereinbarung fehlt es hier. Der Frachtvertrag hat auch nicht die Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen zum Gegenstand, für die in § 449 Abs. 1 Satz 1 HGB eine Haftungsfreizeichnung dem Grunde nach möglich ist. Die Begründung zum Regierungsentwurf des TRG nimmt auf den Begriff des Briefes im Sinne des Postgesetzes Bezug (vgl. Koller, Transportrecht, § 449 HGB, Rn. 29). Das Postgesetz definiert eine Briefsendung in § 4 Nr. 2 Satz 1 als adressierte schriftliche Mitteilung. Darunter fällt die Paketsendung von Schmuck nicht. Unter briefähnlichen Sendungen werden den Briefen nach der Art ihrer Beförderung verwandte Güter, wie Info-Post, Postwurfsendungen, Zeitungen, Zeitschriften oder Päckchen, nicht aber Paketsendungen und sonstige Frachtpost verstanden (vgl. Koller, a. a. O.). Während die Sonderregelung für Briefe oder briefähnliche Sendungen durch die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs legitimiert wird - die Mehrzahl der zu befördernden Briefsendungen und ein Teil der briefähnlichen Sendungen werden nämlich ohne direkten Kundenkontakt über Briefkästen eingeliefert -, gibt es für die vorliegenden Sendungen keine derartige Legitimation. Die Pakete müssen am Postschalter gegen Aushändigung des Einlieferungsbelegs abgegeben werden. Es findet im Gegensatz zu den Briefsendungen also ein direkter Kundenkontakt statt, so dass es der Beklagten organisatorisch möglich wäre, den Wert des zu befördernden Guts durch entsprechende Erklärungen des Kunden abzuschätzen. Die Besonderheiten des postalischen Massenverkehrs, die entgegen § 449 Abs. 2 HGB eine Haftungsfreizeichnung ermöglichen, liegen hier also gerade nicht vor.

Der Haftungsausschluss für "ausgeschlossene Sendungen" auch für den Fall des qualifizierten Verschuldens der Beklagten ist daher gemäß § 449 Abs. 2 HGB unwirksam. An seine Stelle treten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 2 BGB). Der Vertrag wäre nur dann insgesamt unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach § 306 Abs. 2 BGB vorgesehenen Änderungen eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 306 Abs. 3 BGB). Die Vorschrift ist eng auszulegen. Abzustellen ist nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag. Auf Seiten des Verwenders führt die Unwirksamkeit durchweg zu einer Verschlechterung seiner Rechtsstellung. Dies ist aber sein Risiko und rechtfertigt grundsätzlich nicht die Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB. Für den Verwender kann eine unbillige Härte in der Regel nur dann entstehen, wenn durch den Wegfall der Vertragsbestimmungen das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört wird. Eine solche Störung ist hier nicht anzunehmen, weil bei einer Haftung wegen qualifizierten Verschuldens die Nichtbeachtung der Regelung über den Ausschluss von der Beförderung im Rahmen des Mitverschuldens berücksichtigt und bei vorsätzlichem Verstoß gegen die Regelung ein Schadensersatzanspruch des Absenders im Hinblick auf eine eigene Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) entfallen oder eingeschränkt werden kann.

3. Die Haftung der Beklagten für den eingetretenen Sendungsverlust ist nicht auf die Höchstbeträge des § 431 Abs. 1 HGB beschränkt. Diese Haftungsbegrenzung gilt gemäß § 435 HGB dann nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH hat das TRG in Bezug auf die Darlegungslast des Beförderers keine grundsätzlichen Änderungen erfahren (vgl. nur BGH, TranspR 2002, 448, 451). Daher gilt weiterhin, dass den Frachtführer die prozessuale Obliegenheit trifft, darzulegen, dass und welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um den Schaden abzuwenden (OLG Köln, TranspR 2001, 364, 366). Diese allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze zur sekundären Darlegungslast sind auch auf die Beklagte als Massengutfrachtführerin anwendbar (BGH, TranspR 2002, 458). Danach ist es Sache der Beklagten, zur ordnungsgemäßen Organisation des Transportablaufs nachvollziehbare Angaben zu machen. Unterlässt sie dies, so besteht eine tatsächliche Vermutung für das qualifizierte Verschulden im Sinne des § 435 HGB (BGH, TranspR 2002, 458; OLG Köln, TranspR 2001, 364, 366; 2001, 1445, 1446; Koller, Transportrecht, § 435 HGB Rn. 21). Da im Streitfall konkrete Angaben der Beklagten zur Organisation des Transports, insbesondere zur Schnittstellenkontrolle fehlen, verbleibt es bei dem zuvor aufgezeigten Grundsatz, nach dem ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers vermutet wird (BGH, TranspR 2002, 458; OLG Köln, TranspR 2001, 364, 366; 2001, 1445, 1446; OLG Hamburg, TranspR 1996, 304; Koller, TranspR, § 435 HGB Nr. 21). Ist danach von einem bewusst leichtfertigen Organisationsverschulden auszugehen, obliegt es auch dem Frachtführer, gegen die Schadensursächlichkeit sprechende Umstände darzutun. Gelingt ihm dies nicht, spricht auch hier die Vermutung für ein im Hinblick auf die Schadenswahrscheinlichkeit bewusstes Verhalten (OLG Köln, TranspR 2001, 1445, 1446).

4. Soweit die Beklagte im Berufungsrechtszug weiterhin an ihrem Bestreiten des Sendungsinhalts und des Werts festhält, hat sie hiermit keinen Erfolg. Darlegungs- und beweispflichtig für den Sendungsinhalt ist zwar grundsätzlich der Absender. Mit Urteil vom 24.10.2002 (I ZR 104/00 = TranspR 2003, 156 ff.; = MDR 2002, 649 f.) hat der BGH klargestellt, dass die Darlegungslast des Anspruchstellers für den Sendungsinhalt erheblich vereinfacht sein kann. Danach kann der Beweis u.a. für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke von dem Anspruchsberechtigten grundsätzlich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung geführt werden. Unabhängig von der Beweiskraft einer solchen Empfangsbestätigung lassen sich aus diesen Grundsätzen im Streitfall für den Kläger keine günstigen Rechtsfolgen ableiten. Eine Empfangsbestätigung des Frachtführers liegt nicht vor, sondern lediglich die Einlieferungsbelege vom 15. und 17.05.2002, auf denen der Kläger selbst Eintragungen vorgenommen hat. Gleichwohl ist nach der vorbezeichneten neueren Rechtsprechung des BGH der Tatrichter nicht gehindert, sich die Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, die behaupteten Waren seien übergeben worden, auf andere Weise zu verschaffen. Im gewerblichen Bereich spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass an den gewerblichen Kunden exakt die bestellten und sodann berechneten Waren versandt worden sind. Liegt ein solcher Fall vor, dann ist prima facie anzunehmen, dass die in einem evtl. vorhandenen Lieferschein und der dazu korrespondierenden Rechnung aufgeführten Gegenstände in dem Behältnis waren. Es obliegt dann dem Schädiger, den zugunsten des Versenders streitenden Anscheinsbeweis durch substantiierten Vortrag zu erschüttern (BGH a. a. O.).

Auch im Streitfall kann sich der Kläger auf den Anscheinsbeweis berufen. Zwar liegen keine Lieferscheine vor, jedoch Rechnungen des Klägers vom 15., 17. und 27.05.2002, mit denen er die Waren gegenüber seinen Ankäufern fakturiert hat.

Dass sich aus der Rechnung des Klägers an die Firma G. in M. vom 17.05.2002 (Bl. 21 GA) lediglich das Karatgewicht und die Stückzahl der versandten Brillanten ergibt, hält der Senat im Hinblick auf den Anscheinsbeweis für unschädlich. Gleiches gilt für die an die Firma W. in M. ausgestellte Rechnung des Klägers vom 15.05.2002. Der zugunsten des Klägers streitende Anscheinsbeweis betreffend den Sendungsinhalt wird nicht durch die Tatsache, dass die an die Firma P. in E. ausgestellte Rechnung des Klägers nach dem Schadensfall, nämlich auf den 27.05.2002 datiert, erschüttert. Der Senat hält dies so lange für unbedenklich, wie die Rechnung nicht erst nach dem Bekanntwerden des Schadensfall erstellt worden ist. Der Kläger konnte jedoch frühestens von dem Sendungsverlust durch Schreiben der Beklagten vom 30.05.2002 (Bl. 28 GA) in Kenntnis gesetzt werden. Dass Rechnungen erst nach dem Versanddatum der Ware erstellt und versendet werden, spricht nicht für ein manipulatives Vorgehen des Klägers.

Den Beweis des ersten Anscheins hat die Beklagte auch im Übrigen nicht zu erschüttern vermocht, weil sie keinen anderen Geschehensablauf vorgetragen, sondern den Sendungsinhalt lediglich mit Nichtwissen bestritten hat.

Was den Wert der Sendung angeht, kommt dem Kläger die Vermutung des § 429 Abs. 3 Satz 2 HGB zugute, weil die Schmuckstücke unmittelbar vor Übernahme zur Beförderung an die Firmen G., P. und W. verkauft worden sind. Den sich aus den Rechnungen ergebenden Netto-Warenwerten sind die Beförderungskosten gemäß § 432 HGB hinzuzurechnen. Der Kläger hat diese mit jeweils 5,00 € angesetzt, die der Senat für angemessen erachtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konnte über die Höhe der Beförderungskosten insoweit jedenfalls Einigung mit den Parteien erzielt werden. Danach ergibt sich folgender Schadensbetrag:

- Sendung an die Firma G.: 4.883,80 € - Sendung an die Firma P.: 550,20 € - Sendung an die Firma W.: 2.452,63 € insgesamt: 7.896,63 €.

5. Einem Ersatzanspruch des Klägers in voller Schadenshöhe steht aber ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB entgegen. Denn der Absender begeht seinerseits durch die Aufgabe von Sendungen, die nach den AGB des Frachtführers nicht befördert werden sollen, eine Vertragsverletzung, die aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) im Rahmen des zu ersetzenden Schadens bedeutsam werden kann. Im Gegensatz zur Annahme des Landgerichts führt dies aber nicht zwangsläufig zu einem vollständigen Haftungsausschluss, sondern das Verhalten des Absenders ist im Rahmen der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung wertend zu berücksichtigten. Danach gilt folgendes:

Die Versendung wertvoller Schmuckstücke im Wege des Freeway-Paketdienstes der Beklagten erscheint riskant. Zwar darf ein Postkunde erwarten, dass die Beklagte durch geeignete Sicherheitssysteme die Gefahr des Abhandenkommens von Sendungen minimiert. Die Gefahr von Diebstählen und Unterschlagungen von Transportgut während der Beförderung lässt sich aber nicht vollständig ausschließen. Mit einem gewissen Verlustrisiko im Rahmen des postalischen Massenverkehrs muss der Postkunde rechnen. Überdies hat die Beklagte auf ihre AGB hingewiesen, in denen unter Abschnitt 2 Abs. 2 diejenigen Güter aufgeführt sind, die sie grundsätzlich nicht befördern will. Bei Kenntnis der Beklagten vom Inhalt der Ware hätte sie die Beförderung gemäß Anschnitt 2 Abs. 3 ihrer AGB ablehnen oder den Absender auf eine andere Transportart verweisen können (dazu auch BGH, NJW 2002, 3255, 3257; TranspR 2002, 458; 2002, 452, 457; OLG Hamburg, TranspR 1996, 304, 305; TranspR 2001, 443, 445). Der Absender begibt sich nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des BGH in einen beachtlichen Selbstwiderspruch, wenn er einerseits die Sache aufgibt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass der Frachtführer die Haftung hierfür ablehnt, andererseits im Schadensfall aber den vollen Ersatz verlangt.

Nach alldem hat eine Schadensquotierung entsprechend den beiderseitigen schuldhaften Verursachungsbeiträgen stattzufinden. Zu Lasten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass von einem groben Verschulden im Sinne des § 435 HGB auszugehen ist. Andererseits hat auch die Beklagte ein Interesse daran, dass ihr nicht Waren "aufgedrängt" werden, die sie nach ihren Geschäftsbedingungen nicht befördern will. Dem könnte sie allerdings auch durch einen deutlichen Hinweis in dem Einlieferungsschein auf die von der Beförderung ausgeschlossenen Sendungen, insbesondere das unter Abschnitt 2 Abs. 2 Nr. 6 ihrer AGB aufgeführte "Verbotsgut" begegnen. Da bei der Aufgabe der Sendungen zum Versand ein direkter Kundenkontakt stattfindet, könnten sich Mitarbeiter der Beklagten auch, ohne dass dies mit nennenswertem Zeitaufwand verbunden wäre, bestätigen lassen, dass die Sendung kein "Verbotsgut" enthält. Eine unzulässige Feststellung des Sendungsinhalts durch die Beklagte wäre bei einer solchen Handhabung nicht gegeben. Der Kläger seinerseits hat in Kenntnis des Warenwerts auf eine besonders gesicherte Sendungsart verzichtet. Ferner hätte er bei kritischer Überprüfung der Kurzinformation V.pack/AGB-Änderung der Beklagten vom 18. Februar 2002 erkennen müssen, dass die den Filialkunden bis zum 02.04.2002 gewährte Übergangsfrist im Hinblick auf die Aufgabe von Verbotsgut zum Zeitpunkt der Aufgabe der Sendung bereits abgelaufen war, und daher nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte weiterhin Wertsachen ohne gesonderte Vereinbarung und ohne jeglichen Haftungsausschluss befördern wollte. Ferner hat es der Kläger unterlassen, die Beklagte auf den Eintritt eines ungewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB).

An der Kausalität der Pflichtverletzung des Klägers für den eingetretenen Schaden zweifelt der Senat nicht. Hätte der Kläger die Beklagte bei Einlieferung auf den Wert der Sendung hingewiesen, hätte die Beklagte entsprechend ihren AGB die Beförderung ablehnen können oder den Beklagten auf eine besonders gesicherte Art der Beförderung, etwa auf den Werttransportdienst, verweisen können.

Unter Berücksichtigung der zuvor aufgezeigten Umstände bewertet der Senat die Verschuldens- und Verursachungsanteile des Klägers und der Beklagten in etwa gleich. Der Kläger kann daher von der Beklagten die Hälfte des eingetretenen Schadens, mithin einen Betrag von 3.948,32 € verlangen.

Die Beklagte befindet sich seit dem 30.07.2002 in Verzug, weil sie mit den jeweiligen Ablehnungsschreiben vom 30.07.2002 (Bl. 24, 28, 32 GA) ihre Leistungspflicht verneint hat. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Sie wirft Rechtsfragen auf, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten können. Zur Frage der Wirksamkeit der in Abschnitt 2 Abs. 2, Abschnitt 6 Abs. 2 der AGB der Beklagten für den Frachtdienst Inland (PAKET/EXPRESS NATIONAL) enthaltenen Haftungsausschlussklausel erscheint im Hinblick auf § 449 Abs. 2 HGB eine Leitentscheidung des Revisionsgerichts notwendig, weil klärungsbedürftig ist, auf welche Weise das Verhalten des Absenders, der Verbotsgut zur Beförderung aufgibt, zu berücksichtigen ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.896,63 €

Ende der Entscheidung

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