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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 03.12.1999
Aktenzeichen: 3 U 46/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 348 Abs. 3
ZPO § 348 Abs. 1
ZPO § 160 Abs. 1 Ziffer 6
ZPO § 160 Abs. 1 Ziffer 7
ZPO § 512
ZPO § 348 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
BGB § 639
BGB § 478
BGB § 640 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 U 46/99 1 O 281/97 Landgericht Aachen

Anlage zum Protokoll vom 03.12.1999

Verkündet am 03.12.1999

Lech, JS z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, die Richterin am Oberlandesgericht Caesar und den Richter am Landgericht Klösgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Februar 1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 281/97 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Die von dem Kläger erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe die Sache entgegen § 348 Abs. 3 ZPO nach Verhandlung zur Hauptsache auf die Einzelrichterin übertragen, zudem sei der Beschluß nicht von der Kammer, sondern nur durch den Vorsitzenden gefaßt worden, greift nicht durch.

Der Termin vom 13.01.1998, in dem der Übertragungsbeschluß verkündet wurde, war kein Haupttermin im Sinne von § 348 Abs. 3 ZPO, sondern ein früher erster Termin, wie aus der Verfügung vom 21.10.1997 (Bl. 23 d. A.) hervorgeht. Im frühen ersten Termin ist die Übertragung auf den Einzelrichter grundsätzlich zulässig (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, § 348 Rn. 9). Eine Anwendung des § 348 Abs. 3 ZPO auf den frühen ersten Termin ist nur geboten, wenn dieser umfassend vorbereitet und mit einer Beweisaufnahme durchgeführt wurde, oder aber auch, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist; denn der Einzelrichter soll nicht nur ausführendes Organ für die vorher im Kollegium getroffene Weichenstellung sein, sondern in den nach § 348 Abs. 1 ZPO als geeignet erscH.den Sachen eigenverantwortlich und selbständig an die Stelle des Kollegiums treten. Zudem sollen durch das Übertragungsverbot in § 348 Abs. 3 ZPO Verzögerungen vermieden werden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 21. Aufl., § 348 Rn. 9).

Im vorliegenden Fall war der Termin vom 13.01.1998 nicht umfassend vorbereitet. Die Sache war auch nicht endentscheidungsreif; vielmehr war noch umfänglich Beweis zu erheben. Da es sich somit nicht um einen Haupttermin im Sinne von § 348 Abs. 3 ZPO handelte, war die Übertragung der Sache auf die Einzelrichterin nicht verfahrensfehlerhaft.

Entgegen der Auffassung des Klägers wurde der Beschluß auch nicht etwa durch den Vorsitzenden allein gefaßt; dieser hat vielmehr den Beschluß der Kammer - wie in § 160 Abs. 1 Ziffer 6 und 7 ZPO vorgesehen - zu Protokoll genommen und verkündet.

Im übrigen wäre die Übertragung auf den Einzelrichter auch bei einem etwaigen Verstoß gegen § 348 Abs. 3 ZPO nach §§ 512, 348 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der Berufung nicht anfechtbar - abgesehen vom Fall der Entziehung des gesetzlichen Richters aufgrund willkürlichen Gesetzesverstoßes (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 348 Rn. 15).

Die Berufung des Klägers ist auch in der Sache unbegründet. Ein restlicher Vergütungsanspruch für die ausgeführten Zahntechnikerarbeiten steht ihm gegen den Beklagten nicht zu; denn die Verwendung der Legierung "Liberty" bei der Anfertigung der für den Patienten S. bestimmten Zahnprothesen stellt einen die Wandlungseinrede gemäß §§ 639, 478 BGB rechtfertigenden Mangel dar. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. und seine mündlichen Erläuterungen hierzu sind überzeugend. Seine Einschätzung betreffend die Legierung "Liberty", die eine Palladium-Kupfer-Legierung ist, stimmt mit derjenigen des Bundesgesundheitsamts in seinen Empfehlungen zu Den- tal-Legierungen vom 01.08.1993 (Bl. 80 d. A.), diejenigen des Obermeisters der Zahntechnikerinnung, Herrn F., im Schreiben vom 12.01.1998 (Bl. 84 d. A.) und derjenigen von Prof. Dr. Ho. in seinem in den "Zahnärztlichen Mitteilungen 8/96" abgedruckten Aufsatz (Bl. 110 f. d. A.) überein. Hiernach steht fest, daß die streitige Legierung wegen des hohen Kupferanteils zur Korrosion neigt, was insbesondere zu Problemen im Zahnfleischbereich führen kann.

An der Sachkunde des Sachverständigen Dr. H., der seine Dissertation auf dem Gebiet der Werkstoffkunde (Legierungen) durchgeführt hat, besteht kein Zweifel. Die Einholung eines neuen Gutachtens kommt nicht in Betracht. Soweit der Kläger nunmehr behauptet, eine Korrosionsanfälligkeit der Legierung sei im vorliegenden Fall wegen der vollständigen Keramikverblendung ausgeschlossen, hätte er den Sachverständigen Dr. H. bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens hierzu befragen können. Im übrigen erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die von dem Sachverständigen aufgezeigten Probleme auch bei den für den Patienten S. gefertigten Kronen hätten auftreten können. Ein vollkommen dichter Abschluß des Metallgerüsts durch die Keramikkronen gegen Luft und Körperflüssigkeiten dürfte nicht möglich sein. Zum einen kommt das Metall am Fuß der Krone unmittelbar mit dem Zahnfleisch und der Zahnwurzel in Kontakt, wie aus der vom Kläger selbst gefertigten Zeichnung zu ersehen ist. Zum anderen wird die Keramikverblendung nur aufgeklebt, so daß jedenfalls im molekularen Bereich noch Zwischenräume verbleiben können, durch die vom Kronenfuß her zur Korrosion führende Körperflüssigkeiten hochsteigen können. Entsprechendes gilt für die Einzementierung des Metallgerüsts auf der Innenseite zum abgeschliffenen Zahn hin.

Die Behauptung des Klägers, er habe sich mit dem Zeugen Dr. Ha. auf die Verwendung der Legierung "Liberty" geeinigt, ist nicht bewiesen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Selbst wenn der Kläger tatsächlich den Namen "Liberty" genannt und die Preisliste der Firma J. vorgelegt haben sollte, würde dies nicht bedeuten, daß man sich auf eine Palladium-Kupfer-Legierung geeinigt hätte. Der Kläger spricht selbst in der Klagebegründung von der "vereinbarten Goldlegierung". Die Bezeichnung "Liberty" als Goldlegierung bzw. "Palladium-Gold-Aufbrennlegierung" in der Preisliste der Firma J. ist aber irreführend, weil diese Legierung nur 2 % Gold enthält. Wissenschaftlich korrekt ist die Benennung einer Legierung nach ihrem prozentual höchsten und zweithöchsten Metallanteil, hier also Palladium-Kupfer-Legierung. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß er den Zeugen Dr. Ha. über die Zusammensetzung von "Liberty" aufgeklärt hätte. Wenn von "Goldkeramik" oder "Goldlegierung" die Rede war, mußte dies so verstanden werden, daß der Höchstanteil in der Legierung Gold sein sollte.

Die Wandlungseinrede ist auch nicht durch § 640 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Kläger hat nicht hinreichend dargetan, daß der Zeuge Dr. Ha. den Mangel bei der Abnahme gekannt hätte. Auch wenn die Farbe der Legierung grau und nicht goldfarben war, ergibt sich daraus nicht, daß der Zeuge Dr. Ha. gewußt hätte, daß es sich nicht um eine Goldlegierung handelte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. gibt es ca. 1400 verschiedene Legierungen. Es liegt auf der Hand, daß ein Zahnarzt diese nicht alle kennen und an der Farbe oder dem Gewicht voneinander unterscheiden kann. Eine Goldlegierung braucht keine goldene Farbe zu haben, insbesondere wenn Weißgold verwendet worden ist. Die Möglichkeit einer Unterscheidung verschiedener Legierungen nach ihrem Gewicht erschiene allenfalls denkbar, wenn zum Vergleich mehrere aus unterschiedlichen Metallegierungen gefertigte Proben zur Verfügung stünden. Der Zeuge Dr. Ha. hatte aber nur mit der Legierung "Liberty" zu tun, als er die Gerüstanprobe bei dem Patienten S. vornahm. Daß bei dieser Gelegenheit die vom Kläger gefertigten Stücke mit einer Feinwaage gewogen worden wären, behauptet dieser selbst nicht. Zudem hätte hierdurch nur das Gewicht des verarbeiteten Materials, nicht aber das spezifische Gewicht der betreffenden Legierung festgestellt werden können. Die Aussage des Zeugen Dr. Ha., beim Einsatz des Gerüsts sei es schwer zu sagen, um welches Metall es sich handele, er sei von hochkarätigem Gold ausgegangen, läßt sich daher nicht widerlegen. Im übrigen steht Kennen- müssen der Kenntnis nicht gleich (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 58. Aufl., § 640 Rn. 6).

Desweiteren hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, daß der Beklagte mit seiner Mängelrüge nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil er zwischenzeitlich im Termin vom 04.08.1998 erklärt hatte, die Mängelrüge, wie bisher geäußert, werde nicht aufrechterhalten. Diese Erklärung war frei widerruflich. Mit Schriftsatz vom 05.08.1998 hat der Beklagte klargestellt, daß er daran festhalte, daß die Eigenschaft von "Liberty" als Palladium-Kupfer-Legierung" wegen der eingeschränkten Korrosionsfestigkeit und Verträglichkeit einen Mangel begründe.

Da nach alledem die von dem Beklagten erhobene Wandlungseinrede durchgreift, kommt es auf die Frage, ob der Kläger seine zahntechnischen Leistungen richtig abgerechnet hat, nicht mehr an.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer des Klägers: 15.136,32 DM.

Ende der Entscheidung

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