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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.09.2000
Aktenzeichen: 3 U 69/00
Rechtsgebiete: BGB, AGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 339
AGB § 10
AGB § 11
HGB § 352
HGB § 353
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 69/00 14 O 513/98 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 05.09.2000

Verkündet am 05.09.2000

Lech, JS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2000 durch die Richterin am Oberlandesgericht Caesar als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Blank und die Richterin am Landgericht Reuter-Jaschick

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 1. Dezember 1999 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 513/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten in dem angefochtenen Urteil zur Zahlung von 8.820,91 DM nebst 5 % Verzugszinsen seit dem 18.11.1997 verurteilt.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß § 339 BGB i.V.m. § 10 Nr. 6 des zwischen den Parteien geschlossenen "Vertrags zur Transportmittelbeschaffung und Transportdurchführung im Güternahverkehr" (im folgenden: Lohnfuhrvertrag) vom 23./26.02.1996 unter Berücksichtigung der vom Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung ein Vertragsstrafenanspruch in Höhe von noch 8.820,91 DM zu. Bei dem vorgenannten Vertrag handelt es sich um einen Lohnfuhrvertrag im Sinne des § 25 der "Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den gewerblichen Güternahverkehr mit Kraftfahrzeugen (AGNB)". Danach liegt ein Lohnfuhrvertrag dann vor, wenn sich Unternehmer (hier der Beklagte) und Auftraggeber (hier die Klägerin) darüber einig sind, dass der Unternehmer ein benanntes Fahrzeug zur Verwendung nach Weisung des Auftraggebers - wie vorliegend - stellt.

Im Rahmen des Lohnfuhrvertrages haben die Parteien in § 10 eine Palettenrückgabevereinbarung getroffen. Die Rechtsnatur eines solchen in den Gesamtvertrag integrierten Palettenvertrages ist im Einzelnen umstritten. Nach einer Auffassung handelt es sich um einen Darlehensvertrag. Nach anderer Auffassung liegt hier ein echter Tauschvertrag vor (vgl. hierzu im Einzelnen J.T., Rechtsfragen zum Verkehr mit Euro- und Gitterboxpaletten, TranspR 1992, 263, 265 m.w.N.). Letztlich kann hier die Frage der Rechtsnatur des vorliegenden Palettenvertrages offen bleiben, da sich die Rückgabepflicht des Beklagten bezüglich der von der Klägerin empfangenen Paletten aus § 10 des Lohnfuhrvertrages ergibt und diese Regelung auch nicht gegen die Vorschriften des AGB-Gesetzes verstößt.

Bei dem vorliegenden Lohnfuhrvertrag handelt es sich um einen Vertrag, auf den die Vorschriften des AGB-Gesetzes Anwendung finden. Denn er beinhaltet vorformulierte Klauseln, welche darauf gerichtet sind, in einer Vielzahl von Fällen angewandt zu werden.

Die Parteien sind Kaufleute, so dass grundsätzlich auf sie die §§ 10 und 11 AGB keine Anwendung finden. Jedoch ist die in § 10 des Lohnfuhrvertrages getroffene Regelung anhand der Generalklausel des § 9 AGB auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Einer solchen Inhaltskontrolle hält die Regelung in § 10 des Lohnfuhrvertrages stand.

Bei der Regelung in § 10 Nr. 6 des Lohnfuhrvertrages handelt es sich um eine Vertragsstrafenregelung, da mit dieser Regelung neben einer Schadenspauschalierung auch der Druck auf den Unternehmer (den Beklagten) bezweckt ist, gerichtet auf eine vollständige Rückgabe der von ihm empfangenen Paletten (vgl. Koller, TranspR, 4. Aufl. 2000, HGB § 407 Rdnr. 59). Diese Regelung stellt keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten dar.

Weder ist die Höhe der Vertragsstrafe zu beanstanden, noch liegt eine fehlende Regelung für eine unverschuldete Unmöglichkeit der Rückgabeverpflichtung vor.

So bestimmt § 10 Nr. 5 des Lohnfuhrvertrages, dass der Unternehmer (Beklagter) sich kostenfrei um die Rückholung der Lademittel zu bemühen bzw. diese Lademitteldifferenz durch die entsprechenden Formulare auszugleichen habe. Bei mehrmaliger Anfahrt oder anderen Differenzen habe sich der Unternehmer mit der B. (Klägerin) in Verbindung zu setzen, die dann mit dem Kunden alles Weitere veranlasse.

Damit ist aber sichergestellt, dass die Klägerin nicht ohne Weiteres eine Verzögerung der Rückgabeverpflichtung bzw. die Unmöglichkeit der Rückgabe durch den Beklagten zum Anlass nehmen kann, um die Vertragsstrafe gemäß Ziffer 6 des § 10 des Lohnfuhrvertrages zu fordern. Vielmehr ist es dem Beklagten durchaus möglich, Einwendungen gegen die Geltendmachung des Vertragsstrafenanspruches dahin vorzubringen, dass die Nichtrückgabe in der Risikosphäre des Empfängerkreises liegt. Dieser Risikobereich ist aber nicht dem Beklagten, sondern der Klägerin, deren Kunden die Empfänger sind, zuzuordnen.

Allerdings setzt dies voraus, dass der Beklagte im Einzelnen die Gründe darlegt, warum welche Empfänger eine Rückgabe der empfangenen Lademittel verweigern, worauf die Klägerin zu Recht verweist. Trotz dieses Hinweises hat es der Beklagte unterlassen, im Einzelnen darzulegen, dass solche im Risikobereich der Empfänger liegenden Gründe der Nichtrückgabe in concreto vorliegen. Der Beklagte war gehalten, anhand seiner Unterlagen im Einzelnen nachzuprüfen, wo wieviele Paletten nicht zurückgegeben worden waren und worauf die Nichtrückgabe beruhte. Dies hätte der Beklagte sodann der Klägerin mitteilen müssen. Erst dann hätte die Klägerin die Möglichkeit und Pflicht gehabt, ihrerseits tätig zu werden.

Unwidersprochen hat diese jedoch vorgetragen, dass der Beklagte seiner Unterrichtungspflicht nicht nachgekommen ist, so dass die vereinbarte Vertragsstrafe auch zur Höhe nicht beanstandet werden kann. So hat schon das OLG Frankfurt/Main in seinem Urteil vom 09.12.1992 - 9 U 98/91 - (vgl. TranspR 1993, 145, 146) festgestellt, dass keine Bedenken dagegen bestehen, den Wiederbeschaffungswert einer Palette durchschnittlicher Art und Güte auf DM 25,-- und den einer Gitterbox auf DM 200,-- zu schätzen. Dieser Schätzung hatte das OLG Frankfurt Rechnungsbeträge einer Firma A.C. zugrunde gelegt. Diese Schätzwerte können vorliegend übernommen werden. Allein aus der Tatsache, dass die Wertangaben schon einige Zeit zurückliegen, ergibt sich, dass jedenfalls diese Wertansätze auch heute noch Gültigkeit haben dürften. Wenn die Klägerin vorliegend für die fehlenden Euro-Paletten einen Wertansatz von DM 17,--/Stück und für fehlende Gitterboxen einen solchen von DM 170,--/Stück zugrunde legt, kann dies nach Auffassung des Senats nicht beanstandet werden (§ 187 ZPO). Dies gilt umso mehr, als der Beklagte keine konkreten Einwendungen gegen die Wertansätze bei der vereinbarten Vertragsstrafe geltend gemacht hat. Insbesondere hat er nicht dargelegt, dass deutlich niedrigere Werte hier in Ansatz zu bringen sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht der reine (pauschalierte) Schaden bei einer Vertragsstrafe in Ansatz gebracht werden kann, sondern gerade weil die Vertragsstrafe als Druckmittel gedacht ist, ein angemessener Zuschlag auf den Wiederbeschaffungswert berechtigt erscheint. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint somit die Höhe der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe nicht zu beanstanden. Dies gilt auch deswegen, weil der Senat aus einer Reihe weiterer bei ihm anhängiger Prozesse weiß, dass die in Ansatz gebrachten Sätze jedenfalls üblich sind.

Anders als vom BGH in seinem Urteil vom 05.01.1987 - I ZR 1998/84 - (vgl. NJW 1987, 1641 ff) angenommen, sprechen vorliegend auch keine zwingenden Tarifrechtsvorschriften (GNT) gegen die Wirksamkeit der vorliegenden Palettenvereinbarung. Die Höhe der Lohnfuhrvertragsvergütung ergibt sich allein aus der getroffenen Vereinbarung, da die Vorschriften der GNT aufgehoben sind (vgl. Koller, TranspR, 3. Aufl. 1995, AGNB § 3 Rdnr. 2).

Der Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass § 10 keine Rückgabepflicht beinhaltet. Allein aus der Formulierung in § 10 Nr. 5 des Lohnfuhrvertrages, wonach sich der Beklagte um eine Rückholung der Paletten beim Empfänger zu bemühen habe, folgt nicht, dass damit eine Verpflichtung zur Rückgabe an die Klägerin ausgeschlossen ist. Vielmehr ergibt eine Gesamtauslegung des Vertrages - insbesondere die Vertragsstrafenklausel - eindeutig die gewollte Rückgabeverpflichtung. Die Regelung in § 10 Nr. 5 des Lohnfuhrvertrages stellt nur klar, dass der Beklagte dann entlastet sein soll, wenn er alles unternommen hat, um beim Empfänger die Paletten zurückzuerhalten und aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen eine solche Rückgabe nicht erfolgt. In diesem Fall war die Klägerin gehalten, bei ihren Kunden nachhaltig auf die Erfüllung der Rückgabeverpflichtung zu drängen. Hieran war sie aber - wie oben bereits dargestellt - durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten gehindert.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist allerdings der Senat der Auffassung, dass bei dem Gespräch am 21.08.1997 nicht mündlich eine eigenständige vertragliche Regelung über die zu zahlende Vertragsstrafe geschlossen worden ist oder dass die Zahlung einer Vertragsstrafe dem Grunde nach - sei es abstrakt oder deklaratorisch - anerkannt worden wäre. Solches ergibt sich auch nicht aus dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vom 29.10.1999 (Vernehmung der Zeugin A.-M. E., Bl. 92-96 GA; und Vernehmung des Zeugen P. Sch., Bl. 96-98 GA). So hat der Zeuge Sch. bekundet, dass es bei dem Gespräch darum gegangen sei, den Saldo der Lademittel abzuklären. Hieraus folgt, dass der Grund für das Gespräch die "Schadensfeststellung" war. Dagegen kann aus der Aussage nicht gefolgert werden, dass die Beteiligten darüber hinaus einen neuen Rechtsgrund für eine mögliche Vertragsstrafe schaffen oder einen fraglichen Rechtsgrund hierfür bestätigen wollten.

Allerdings hat die Beweisaufnahme ergeben, dass am 21.08.1997 eine Schadensfeststellung stattgefunden hat und dass der Beklagte mit dem festgestellten Palettensaldo zu seinem Nachteil einverstanden war. So hat er sich gemäß den glaubhaften Zeugenaussagen dazu bereit erklärt, diesen negativen Palettensaldo dadurch zu reduzieren, dass er bei den Palettenempfängern nach dem Verbleib der Paletten forschen und weitere Paletten herbeischaffen wollte.

Dieses Verhalten lässt nur den Schluss zu, dass der Beklagte um fehlende Paletten wusste und die festgestellten Mängel nicht in Frage stellen wollte.

Ist aber bewiesen, dass am 21.08.1997 ein Palettensaldo verbindlich festgestellt wurde, so ist die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Schaden nachgekommen. Es oblag nunmehr dem Beklagten nachzuweisen, dass der behauptete (verbindlich festgestellte) negative Palettensaldo nicht zutraf. Die Saldenfeststellung hat nämlich eine Umkehr der Beweislast zur folge.

Danach ergibt sich ein Vertragsstrafenanspruch der Klägerin in Höhe von rechnerisch 31.518,-- DM, dem der mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachte Restvergütungsanspruch in Höhe von 22.697,09 DM gegenübersteht. In Höhe der erklärten Hilfsaufrechnung ist damit der Vertragsstrafenanspruch erloschen, so dass noch die ausgeurteilten 8.820,91 DM zugunsten der Klägerin offen stehen.

Die Höhe des Vertragsstrafenanspruches von 31.518,-- DM ergibt sich aus dem von der Klägerin errechneten Betrag von 34.160,29 DM abzüglich von dem Beklagten zur Verrechnung gestellter 2.662,29 DM. In Höhe des letzten Betrages hatte noch seitens der Klägerin eine Auskehrung an den Beklagten für Fracht- und Versendernachnahmen zu erfolgen. Um die 2.662,29 DM hat bereits das Landgericht den Vertragsstrafenanspruch gekürzt, was von der Klägerin nicht angegriffen wird.

Auch bezüglich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung auf Restfrachtvergütung in Höhe von 22.697,09 DM hat die Klägerin das landgerichtliche Urteil nicht angefochten. Damit steht im Berufungsverfahren die Höhe der Gegenforderung auf Restfrachtvergütung fest.

Es ist auch davon auszugehen, dass die Hilfsaufrechnung weiter geltend gemacht wird. Auch wenn insoweit die Berufungsbegründungsschrift etwas missverständlich sein könnte. Entscheidend ist, dass der Beklagte für den Fall, dass der Vertragsstrafenanspruch zu bejahen ist, jedenfalls nicht mehr als die ausgeurteilten 8.820,91 DM zahlen will.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 352, 353 HGB.

Der Hilfsantrag des Beklagten ist unzulässig, da dieser zu unbestimmt ist. Aus dem Antrag kann nämlich nicht entnommen werden, welche konkreten Ansprüche gegen welche Empfänger abzutreten sind. Von daher kann auch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht beanstandet werden, dass die Klägerin bisher gegenüber dem Beklagten nicht erklärt hat, dass diesem nach Zahlung des titulierten Betrages das Eigentum an denjenigen Paletten zusteht, für deren unterbliebene Rückführung zu der Klägerin diese durch den titulierten Betrag abgefunden wird. Zu einer solchen Erklärung könnte sich die Klägerin allenfalls dann verständigen, wenn der Beklagte im Einzelnen die Fehlmengen nach Empfänger und Anzahl konkretisiert hätte.

Im übrigen ist der Beklagte auch nicht rechtlos gestellt. Denn aufgrund der vertraglich vereinbarten Rückgabeverpflichtung des Beklagten ist zumindest konkludent bereits eine Abtretung der Rückgewähransprüche der Klägerin gegenüber den Empfängern der Paletten an den Beklagten erfolgt. Auch ohne ausdrückliche Abtretung ist der Beklagte berechtigt, die Paletten bei den Empfängern abzuholen. Mit Zahlung der Vertragsstrafenssumme entfällt die Ablieferungspflicht gegenüber der Klägerin (vgl. Koller, TranspR, 4. Aufl. 2000, HGB § 407 Rdnr. 58).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 54.215,09 DM Beschwer des Beklagten: 31.518,-- DM.

Ende der Entscheidung

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