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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: 3 U 95/04 BSch
Rechtsgebiete: RhSchPV


Vorschriften:

RhSchPV § 6.04
RhSchPV § 6.04 Nr. 5
RhSchPV § 6.32 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.04.2004 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort - 5 C 16/03 BSch - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) als Ausrüsterin und den Beklagten zu 2) als Schiffsführer des Containerschiffs MS "I." aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Interessenten von FGS " W." auf Ersatz der an diesem durch einen Schiffsunfall am 03.11.2001 auf dem Rhein bei Kilometer 666,5 entstandenen Schäden in Höhe von 109.712,19 € nebst Zinsen in Anspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts im angefochtenen Urteil (Bl. 55 ff. d. GA) Bezug genommen. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Verschulden des Beklagten zu 2) wegen Nichtbefolgung der Kursweisung der Bergfahrt gemäß § 6.04 RhSchPV stehe nicht fest; denn es sei nicht bewiesen, dass MS "I." entgegen der klaren Kursweisung einer Begegnung Backbord an Backbord tatsächlich linksrheinisch im Kurs der Bergfahrt auf FGS "W." zugefahren sei. Die Aussage des Zeugen T. genüge hierzu nicht, weil er nicht erklärt habe, aus welchen Gründen er angeblich MS "I." erst auf eine Entfernung von 150 m auf dem Radarschirm gesehen habe. Gegen seine Aussage sprächen die Angaben des Beklagten zu 2) und des Zeugen U. von MS "I.", wonach FGS "W." erst kurz vor der Kollision in Backbordschrägfahrt in den Kurs von MS "I." hineingefahren sei. Die Aussagen der weiteren Zeugen H. sowie C. L. und H. L. seien nicht geeignet, die Darstellung des Schiffsführers von FGS "W." entscheidend zu stützen. Auch mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. sei eine Missachtung der Kursweisung nicht erwiesen; denn der von diesem festgestellte Kollisionswinkel von 10 - 15 Grad könne durch Maßnahmen des letzten Augenblicks herbeigeführt worden sein. Auch ein schuldhafter Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 6.32 Nr. 3 RhSchPV könne nicht festgestellt werden, denn es sei nicht widerlegt, dass die Kurse beider Fahrzeuge zunächst problemfrei Backbord an Backbord gelegen hätten, so dass der Beklagte zu 2) keine Veranlassung gehabt habe, Funkkontakt mit FGS "W." aufzunehmen, Achtungssignale zu geben und/oder seine Geschwindigkeit zu vermindern, anzuhalten oder aufzudrehen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie macht geltend, das Rheinschifffahrtsgericht habe im vorliegenden Rechtsstreit und im Parallelverfahren 5 C 18/03 BSch ein- und denselben Sachverhalt unterschiedlich ausgewertet und damit gegen den Grundsatz der einheitlichen Beweiswürdigung verstoßen. Die Angaben der Besatzungsmitglieder von MS "I.", wonach FGS "W." plötzlich in einem Winkel von 45 Grad herübergekommen sei, würden durch den vom Sachverständigen festgestellten Kollisionswinkel widerlegt. Auch die Zeugen L. hätten die gestreckte Fahrt von FGS "W." bestätigt. Auf jeden Fall treffe den Talfahrer wegen Missachtung der Kursweisung das überwiegende Verschulden. Mit dem bewiesenen linksrheinischen Kurs von FGS "W." sei der Talfahrt ein ausreichender Weg freigelassen worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Die Beklagten beantragen

Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Eine widersprüchliche Sachverhaltsauswertung des Rheinschifffahrtsgerichts in beiden Prozessen sei nicht erkennbar. Vielmehr sei einheitlich festgestellt worden, dass die Havarieursache ausschließlich auf dem Backbord-Ausbrechen des FGS "W." nach rechtsrheinisch beruhe, was der Zeuge T. gegenüber der Wasserschutzpolizei auch zugegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akten 3 U 93/04 BSch Rheinschifffahrtsobergericht Köln, 5 II 8/01 Schifffahrtsgericht Duisburg Ruhrort sowie 2325 und 2326/01 WSD West sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Rheinschifffahrtsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verschulden des Beklagten zu 2) an dem Schiffsunfall nicht erwiesen ist. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen könnten, sind nicht erkennbar. Soweit die Klägerin rügt, das Rheinschifffahrtsgericht habe ein- und denselben Sachverhalt unterschiedlich ausgewertet und damit gegen den Grundsatz der einheitlichen Beweiswürdigung verstoßen, kann ihr nicht gefolgt werden. Ein Grundsatz dahin, dass in verschiedenen Prozessen eine einheitliche Beweiswürdigung zu erfolgen habe, existiert nicht. Zudem ist das Rheinschifffahrtsgericht in beiden Prozessen zu einem widerspruchsfreien Ergebnis gelangt. Hinsichtlich des behaupteten Verschuldens der Schiffsführung MS "X." hat es rechtsfehlerfrei eine Beweislastentscheidung getroffen.

Der Senat teilt die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass die Aussage des Zeugen T. nicht zum Nachweis dafür ausreicht, dass der Beklagte zu 2) die Kursweisung der Bergfahrt entgegen § 6.04 Nr. 5 RhSchPVO nicht beachtet und in den linksrheinischen Kurs von FGS "W." hineingefahren ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Im übrigen hat der Zeuge T. selbst bekundet, MS "I." habe, als er es zum ersten Mal wahrgenommen habe, gerade im Strom gelegen. Der Beklagte zu 2) und der Zeuge U. von MS "I." haben ein Abweichen von ihrem rechtsrheinischen Kurs verneint und übereinstimmend angegeben, FGS "W." sei plötzlich völlig überraschend bei einem Abstand von 100 - 200 m in Backbordschräglage in ihren rechtsrheinischen Kurs hineingefahren. Aus den Aussagen der Zeuge H. sowie C. und H. L. ergibt sich nicht, dass "MS I." entgegen der Kursweisung Backbord an Backbord linksrheinisch im Kurs der Bergfahrt auf FGS "W." zugefahren wäre. Der Zeuge H. hat keine Angaben dazu machen können, auf welcher Stromseite sich der Unfall zugetragen hat. Auch der Zeuge L. hat nicht bestätigt, dass MS "I." in den Kurs der Bergfahrt geraten wäre. Nach seiner Aussage vor der Polizei und im Verklarungsverfahren hatte FGS "W." MS "Brisant" überholt und fuhr dann weiter in der Mitte der Fahrrinne. Der Zeuge will dann auf eine geschätzte Entfernung von 1500 m mehr zur rechtsrheinischen Seite hin ein Echo auf seinem Radarschirm gesehen haben, das später verschwunden war, als FGS "W." quer in Richtung zum linksrheinischen Ufer fuhr. Selbst wenn es sich bei dem von dem Zeugen wahrgenommenen Echo um dasjenige von MS "I." gehandelt haben sollte, ergibt sich aus seiner Aussage nicht, dass es nach linksrheinisch in den Kurs der Bergfahrt hinüber gekommen wäre.

Auch die Aussage der Zeugin L. vermag die Behauptung der Klägerin nicht zu stützen. Ihren Bekundungen zufolge ist sie auf das Geschehen erst aufmerksam geworden, als ihr Ehemann ihr zwei dicht beieinander liegende Echos auf dem Radarschirm zeigte. Sie will dann gesehen haben, wie FGS "W." über Steuerbord in Richtung des linksrheinischen Ufers abgeknickt und dort zwischen die Tonnen geraten ist. Über den Kurs des vermeintlichen Talfahrers hat sie lediglich Vermutungen angestellt, diesbezüglich aber keine weiteren Wahrnehmungen gemacht.

Das Gutachten des Sachverständigen Dr. F. ist ebenfalls nicht geeignet eine Missachtung der Kursweisung zu beweisen. Auch wenn der Kollisionswinkel lediglich 10 - 15 Grad betrug, ergibt sich hieraus nicht, dass die Kollision im Kurs von FGS "W." stattgefunden hätte. Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Winkelstellung der Schiffe zueinander durch Maßnahmen des letzten Augenblicks in der Weise verändert haben, dass der Kollisionswinkel geringer wurde als derjenige der Kurse beider Schiffe im Zuge ihrer Annäherung. Der Zeuge T. hat selbst im Verklarungsverfahren

angegeben, er habe hart Steuerbord - Kurs gegeben, als die Entfernung von Bug zu Bug nur noch 50 m betragen habe. Im übrigen hat der Sachverständige Dr. F. festgestellt, dass ein überzogener Backbordkurs des Talfahrers in den Kurs der Bergfahrt einen negativen Kollisionswinkel bedingt hätte und es dann zu erheblich stärkeren als den tatsächlich entstandenen Schäden hätte kommen müssen; die Schadensbilder sprächen für eine ziemlich gestreckte Lage des Talfahrers.

Nach alledem hat die Klägerin den Nachweis eines Verstoßes des Beklagten zu 2) gegen § 6.04 Nr. 5 RSchPVO nicht geführt.

Dem Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er entgegen § 6.32 Nr. 3 RSchPVO weder Funkkontakt mit FGS "W." aufgenommen hat noch Achtungssignale gegeben und/oder seine Geschwindigkeit vermindert, angehalten oder aufgedreht hat. Denn zu diesen Maßnahmen hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn der Kurs von FGS "W." eine Gefahrenlage verursachen konnte. Dies ist jedoch nicht erwiesen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Behauptung der Beklagten nicht widerlegt, dass die Kurse beider Fahrzeuge zunächst eine problemlose Begegnung Backbord an Backbord erwarten ließen und FGS "W." erst in einem Abstand von 100 - 200 m in Backbordschräglage in den rechtsrheinischen Kurs von MS "I." hineingefahren ist. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Kollision aber nicht mehr durch Maßnahmen nach § 6.32 Nr. 3 RSschPVO verhindert werden. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass das Unterlassen des Beklagten zu 2) sich insoweit schadenskausal ausgewirkt hat.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Der Senat sieht von der Zulassung der Revision ab, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 109.712,19 €

Ende der Entscheidung

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