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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.01.2003
Aktenzeichen: 4 UF 148/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1602 Abs. 1
BGB § 1603
BGB § 1610 Abs. 2
BGB § 1612
BGB § 1612 b Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UF 148/02

Anlage zum Protokoll vom 21. Januar 2003

Verkündet am 21. Januar 2003

In der Familiensache

pp.

hat der 4. Zivilsenat - Familliensenat - des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer und den Richter am Oberlandesgericht Blank

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.05.2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rheinbach - 18 F 8/2002 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 511,30 € seit Januar 2002 verurteilt.

Der Klägerin steht in der tenorierten Höhe gegen den Beklagten ein Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1603, 1610 Abs. 2, 1612, 1612 b Abs. 3 BGB zu.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass eine Unterhaltsschuld des Beklagten deswegen entfallen ist, weil er der Klägerin bereits eine Berufsausbildung finanziert hat. Die Vorausbildung der Klägerin am Berufskolleg S zur gestaltungstechnischen Assistentin für Grafik-Design ist Bestandteil einer einheitlichen Ausbildung der Klägerin, die mit der Aufnahme des Studiums der Pädagogik mit Schwerpunkt Kunst mit dem Studienabschluss erstes Staatsexamen ihre Fortsetzung gefunden hat, die der Beklagte im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit gemäß § 1610 Abs. 2 BGB zu finanzieren hat. Mit Rücksicht darauf, dass Eltern ihren Kindern gemäß § 1610 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur eine - angemessene - Berufsausbildung zu gewähren haben, hat der BGH auch für den mehrstufigen Ausbildungsweg Abitur-Lehre-Studium neben dem zeitlichen Zusammenhang als Voraussetzung für den gebotenen engen sachlichen Zusammenhang gefordert, praktische Ausbildung und Studium müssten der selben Berufssparte angehören oder jedenfalls so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeute oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle Vorbereitung auf das Studium darstelle (vgl. BGH FamRZ 1993, 1058 m.w.N.). Bei der von der Klägerin gewählten Berufsausbildung tritt der Gedanke der "sinnvollen Vorbereitung" des Kunststudiums in den Vordergrund, da die Klägerin von Anfang an vor hatte, Kunst zu studieren. Im Ergebnis kann nach Auffassung des Senates nicht zweifelhaft sein, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung der Klägerin bei dem Berufskolleg S zur gestaltungstechnischen Assistentin für Grafik-Design und dem aufgenommenen Pädagogikstudium besteht. Die Schwerpunkte beider Ausbildungsgänge sind dem künstlerischen Bereich zugeordnet. Dabei liegt der Schwerpunkt der Ausbildung der Klägerin am Berufskolleg S mehr im handwerklichen Bereich, während das Pädagogikstudium mit Schwerpunkt Kunst (Lehramtsstudium, Primarstufe) stärker den kognitiven Bereich betrifft. Durch das Vermitteln der handwerklichen Fähigkeiten während der Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin für Grafik-Design sind die praktischen künstlerischen Fähigkeiten der Klägerin geschult worden. Auch wenn der Schwerpunkt des "Kunststudiums" im Rahmen der Lehrerausbildung möglicherweise mehr im wissenschaftlichen Bereich und nicht so sehr im Bereich der angewandten Kunst liegen sollte, sind handwerkliche Fähigkeiten in diesem Bereich nicht nur wünschenswert sondern Voraussetzung für ein erfolgreiches Kunststudium. Zwar mag dem Beklagten zuzugestehen sein, dass auch ein Kunststudium ohne handwerkliche Vorbildung gerade im Bereich der Ausbildung zur Lehrerin möglich ist; dies schließt aber nicht aus, dass die gewählte Vorausbildung im Rahmen einer einheitlichen Gesamtausbildung als sinnvolle Vorbereitung gesehen werden kann. So wird auch für das Pädagogikstudium mit Schwerpunkt Kunst gefordert, dass die Studentin, wenn sie zugelassen werden will, praktische Arbeiten abgibt. Bereits von daher ist die praktische Vorbildung für das gewählte Studium sinnvoll. Die in der praktischen Ausbildung erworbenen Fähigkeiten ergänzen zum einen das Studium, zum anderen werden sie weitergeführt und vertieft. Damit kann aber der enge sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungen nicht verneint werden.

Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, dass die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, sie habe von Anfang an das nunmehr aufgenommene Studium angestrebt. Gerade aufgrund der Tatsache, dass es sich bei diesem Studium um ein Numerus Clausus Fach gehandelt habe, habe sie die praktische (Vor) Ausbildung gewählt. Dies insbesondere auch, weil sie für die Aufnahme des Studiums praktische Arbeiten zum Nachweis ihrer Fertigkeiten habe abgeben müssen.

Dass die von der Klägerin gewählte Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin für Grafik-Design als sinnvolle Vorbereitung für das spätere Studium anzusehen ist, hat wohl auch zunächst der Beklagte angenommen. So hatte die Klägerin im Frühsommer 2000 ihre dortige Ausbildung abgeschlossen und nach einem weiteren Berufspraktikum im April 2001 ihr Studium begonnen. Die Klägerin hatte dies dem Beklagten mitgeteilt, der zunächst die Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.000,00 DM / Monat fortsetzte und diese erst zum Ende des Jahres 2001 einstellte. Auch wenn der Beklagte - wie er vorträgt - zunächst unsicher gewesen sein sollte, ob er noch zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt verpflichtet war, zeigt der Umstand, dass er schließlich doch zahlte, dass er den bestehenden Zusammenhang zwischen Vorausbildung und Studium sah und letztendlich zunächst akzeptierte.

Dass eine praktische Vorbereitung des Kunststudiums sinnvoll war, erhellt auch daraus, dass aufgrund der Abiturnoten der Klägerin die Eignung und Begabung für eine weiterführende wissenschaftliche Ausbildung nicht von vornherein feststand. Allerdings belegen die Noten der Klägerin im Fach Kunst - sie liegen im guten und sehr guten Bereich -, dass von einer weit überdurchschnittlichen künstlerischen Begabung der Klägerin ausgegangen werden konnte. Andererseits waren die übrigen Noten nicht so schlecht, dass eine wissenschaftliche Ausbildung von vornherein als wenig erfolgversprechend hätte angesehen werden können. Wie oben bereits ausgeführt hatte die Klägerin von Anfang an vor, das nunmehr begonnene Studium zu absolvieren. Sie hielt lediglich eine praktische Vorausbildung für sinnvoll. Wie der Lehrplan des Berufskollegs zeigt, beschränkt sich die dortige Ausbildung nicht allein auf das Erlernen handwerklicher Fähigkeiten, vielmehr werden auch wissenschaftliche Bereiche (so zum Beispiel Kunstgeschichte) abgedeckt. Insoweit war es der Klägerin durchaus möglich, ihre Befähigung für ein wissenschaftliches Studium zu überprüfen. Gerade der Umstand, dass die Klägerin erfolgreich und mit durchaus guten Noten auch in sogenannten "wissenschaftlichen Fächern" das Berufskolleg abschloss, zeigt, dass sie die Vorbereitung genutzt hat, um voraussichtlich erfolgreich die Hochschulausbildung zu bestehen.

Nach Auffassung des Senates kann auch die Wahl einer abgeschlossenen Ausbildung noch als sinnvolle Vorbereitung auf das Studium und hier insbesondere die Eignungsprüfung angesehen werden. Nach Auffassung des Senates brauchte die Klägerin sich nicht auf ein kurzzeitiges Praktikum zu beschränken. Trotz der Länge der Ausbildung folgt aus dem oben Gesagten, dass Vorausbildung und Studium noch als eine natürliche Einheit angesehen werden können.

Die Aufnahme des Studiums ist im Anschluss an die praktische Ausbildung noch zeitnah erfolgt. Nach Abschluss der Ausbildung am Berufskolleg im Juni 2000 war es der Klägerin nach Auffassung des Senates kaum noch möglich, sich kurzfristig für das Wintersemester einzuschreiben. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Vergabe der Studienplätze über die ZVS in E lief. Die Klägerin hat dann den frühest möglichen nächsten Studiumbeginn zum Sommersemester 2001 (ab April 2001) gewählt. Die Zwischenzeit nutzte sie sinnvollerweise mit einem sechsmonatigem Praktikum.

Steht aber fest, dass der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach weiter zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt verpflichtet ist, so kann seine Leistungsfähigkeit nicht zweifelhaft sein. Die Klägerin hatte zunächst unwidersprochen vorgetragen, dass der Beklagte über ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 15.000,00 DM im Monat verfüge und im übrigen Millionär sei. Das vorgetragene monatliche Nettoeinkommen hat der Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 21. November 2002 (Bl. 183 GA) bestritten, ohne jedoch zu seinen konkreten Einkommensverhältnissen trotz Ankündigung näher vorzutragen. Der Senat geht daher davon aus, dass die von der Klägerin vorgetragenen Einkommensverhältnisse des Beklagten in etwa den Tatsachen entsprechen. Ausgehend von Einkommensverhältnissen des Beklagten, die jedenfalls deutlich über 10.000,00 DM / Monat liegen, kann nach Auffassung des Senates die Leistungsfähigkeit des Beklagten für einen zu zahlenden Ausbildungsunterhalt von 1.000,00 DM / Monat (= 511,30 € /Monat) nicht zweifelhaft sein.

Die Klägerin hat auch ausreichend dargetan, dass sie im Hinblick auf das gewählte Studium einen entsprechenden Unterhaltsbedarf hat. Bei Einkommensverhältnissen, die deutlich über den Höchstsätzen der Düsseldorfer Tabelle liegen, ist ein eventueller Mehrbedarf im einzelnen konkret zu belegen. Die Klägerin hat eine Reihe von Mehrausgaben vorgetragen. Gerade im Hinblick darauf, dass es in der Vergangenheit, so lange der Beklagte freiwillig Unterhalt zahlte, nie zweifelhaft war, dass in Höhe der freiwillig geleisteten Zahlungen von 1.000,00 DM / Monat auch ein entsprechender Bedarf der Klägerin bestand, reicht der Hinweis des Beklagten auf die Höchstsätze der Düsseldorfer Tabelle nicht aus, um dem Vortrag der Klägerin zu ihrem Bedarf wirksam zu begegnen. Dabei ist insbesondere auch von Bedeutung, dass sich die Klägerin über lange Zeit darauf einstellen konnte, dass ihr zur Deckung des Unterhalts der entsprechende Betrag von 1.000,00 DM / Monat zur Verfügung stand. Da sich seither weder die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten der Klägerin noch auf Seiten des Beklagten - soweit dem Senat bekannt - wesentlich geändert haben, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der entsprechende Bedarf seitens der Klägerin besteht.

Dem Unterhaltsanspruch kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass auch die Mutter der Klägerin barunterhaltspflichtig ist. Diese ist nicht leistungsfähig. Sie ist lediglich Hausfrau und verfügt über kein eigenes Einkommen. Eine eventuell verschuldete mangelnde Leistungsfähigkeit der Mutter der Klägerin kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Ob die Leistungsunfähigkeit seitens der Mutter der Klägerin auch dem Beklagten entgegen gehalten werden kann, ist vorliegend nicht zu prüfen. Vielmehr haben dies die Kindeseltern untereinander zu klären.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kommt es auf den neuen Vortrag des Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.12.2002 (Bl. 189, 190 GA) nicht entscheidend an. Der Senat geht gerade nicht davon aus, dass die von der Klägerin für das Studium gewählte Vorbereitung zwingend geboten war. Allerdings hält der Senat die gewählte Vorbereitung auf das Studium - wie oben ausgeführt - für sinnvoll. Die vom Senat getroffene Wertung ist durch den neuen Vortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.12.2002 nicht ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 6.646,90 €.

Ende der Entscheidung

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