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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 4 UF 170/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 621e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der familiengerichtliche Genehmigungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 10. Juli 2006 - 47 F 190/05 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Bonn zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung auch bezüglich des Beschwerdeverfahren bleibt der familiengerichtlichen Endentscheidung vorbehalten.

Gründe:

Die gemäß § 621e ZPO zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - als befristete Beschwerde zu wertende "Beschwerde" der Antragsgegnerin hat auch in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung jedenfalls auf der Grundlage des derzeitigen Sachstandes keinen Bestand haben kann.

Das statthafte Rechtsmittel gegen den Genehmigungsbeschluss des Familiengerichts Bonn ist die befristete Beschwerde nach § 621e ZPO. Der Genehmigungsbeschluss des Familiengerichts stellt nämlich die vollzugsfähige gerichtliche Entscheidung bezüglich der zwischen den Kindeseltern getroffenen einvernehmlichen Umgangsrechtsregelung vom 13.09.2005 (Bl. 40, 40 Rück, 41 GA) dar. Allein der Umstand, dass diese Umgangsrechtsvereinbarung gerichtlich unter Mithilfe des Familiengerichts und des Jugendamtes protokolliert worden ist, macht die Vereinbarung noch nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung. Zwar ist nach Auffassung des Senates der Meinung zu folgen, wonach eine Elternvereinbarung über die Ausübung des Umgangsrechts durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil grundsätzlich für die die Regelung abschließenden Elternteile verbindlich ist mit der Folge, dass sich ein Elternteil nicht einseitig davon lösen kann (vgl. KG FamRZ 1980, 1156, 1157, OLG Köln FamRZ 1998, 961, 963; Beckscher Online-Kommentar (Bamberger/Roth)/Veit, BGB, § 1684 Rdn. 16 m. w. N.; Johansen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 52a FGG Rn. 11). Eine solche inhaltlich zulässige Einigung über das Umgangsrecht bedarf zu ihrer Wirksamkeit auch keiner gerichtlichen Genehmigung. Die Einigung ist aber ohne diese nicht vollstreckbar. Erforderlich hierfür ist vielmehr eine gerichtliche Einigung über das Umgangsrecht oder eine Mitwirkung des Gerichts an der Umgangsrechtsvereinbarung in dem Sinne, dass die Vereinbarung vom Gericht gebilligt und zum Inhalt seiner eigenen gerichtlichen Entscheidung gemacht wird (vgl. Beck OK, a. a. O., Rn. 53 m. w. N.). Stets muss das Gericht im Rahmen der zu treffenden Entscheidung über die Genehmigung die Absprachen zwischen den Eltern durch eine eigene Beschlussfassung unter Beachtung des Kindeswohls billigen. Daher betrifft der Genehmigungsbeschluss eine Entscheidung des Familiengerichts über das Umgangsrecht selbst mit der Folge, dass dieser Beschluss als Sachentscheidung gemäß § 621e ZPO mit der befristeten Beschwerde anfechtbar ist.

Die befristete Beschwerde der Antragsgegner führt auch zumindest vorläufig zum Erfolg. Denn der Beschluss des Familiengerichts leidet unter einem wesentlichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht nötigt.

Der angefochtene Beschluss des Familiengerichts enthält nämlich keine (ausreichende) Begründung. Er führt lediglich aus, dass die Umgangsregelung der beteiligten Kindeseltern vom 13. September 2005 "mit ausdrücklicher Unterstützung und Zustimmung durch das Jugendamt der Stadt C" getroffen worden sei. Dies reicht als Begründung nicht aus.

Beschlüsse im Umgangsrechtsverfahren unterliegen einem Begründungszwang. Zwar ist eine Begründung für gerichtliche Beschlüsse nicht allgemein vorgeschrieben. Doch müssen nach allgemeiner Meinung Beschlüsse, die einem Rechtsmittel unterliegen, begründet werden. Der Begründungszwang ist Bestandteil einer geordneten Rechtspflege. In der Begründung müssen die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen verarbeitet werden. Die Parteien haben einen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch darauf, über die den Spruch des Richters tragenden Gründe in einer Weise unterrichtet zu werden, die es ihnen ermöglicht, die maßgebenden Erwägungen zu verstehen und nachvollziehen zu können (so auch OLG Saarbrücken, FamRZ 1993, 1098 m. w. N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 329 Rdn. 24).

Fehlt der Entscheidung zum Umgangsrecht jegliche Begründung, so stellt dies einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen kann. Entgegen der von Philippi (in Zöller, a.a.O., § 621e, Rdn. 77, 78) vertretenen Auffassung bedarf es nach Auffassung des Senates, wie dieser bereits in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2005 - 4 UF 138/04 - entschieden hat, keines besonderen Antrags einer Partei. Die verfahrensfehlerhafte Entscheidung ist aufzuheben, ohne dass die Verfahrensbeteiligten in dem Beschwerdeverfahren den Verfahrensfehler gerügt oder gar einen Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung gestellt haben müssen. Diese im FGG nicht besonders geregelte Verfahrensweise beruht auf allgemeinen prozessualen Grundsätzen und entspricht der bisher ständig geübten Praxis der Gerichte in dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels (vgl. OLGR Köln 2004, 52, 53 m. w. N.). Hieran hat sich nach Auffassung des Senates auch nach der Novellierung des § 538 ZPO mit der zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Reform der Zivilprozessordnung nichts geändert. So verweist § 621e Abs. 3 ZPO gerade nicht auf § 538 ZPO. Es ergibt sich auch keine Notwendigkeit, § 538 ZPO analog anzuwenden. Vielmehr erscheint es durchaus sachdienlich, gerade im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem weitgehend das Amtsermittlungsprinzip gilt, eine umfassende Sachaufklärung durch das erstinstanzliche Gericht durchführen zu lassen und den am Verfahren Beteiligten nicht die zweite Instanz zur Überprüfung der Entscheidung zu nehmen.

Vorliegend war eine Begründung des Genehmigungsbeschlusses auch nicht entbehrlich. Zwar trifft es zu, dass sich die beteiligten Eltern im September 2005 unter Mitwirkung des Familiengerichts und des Jugendamts über den Umfang des Umgangsrechtes des Antragstellers geeinigt haben. Gleichwohl durfte das Familiengericht diese Umgangsrechtsregelung nicht ohne erneute Sachprüfung durch Beschluss vom 10. Juli 2006, also 10 Monate später, billigen. Zwar konnte das Familiengericht davon ausgehen, dass die damals geschlossene Vereinbarung zum damaligen Zeitpunkt dem Kindeswohlinteresse entsprach. Hätte sich in der Zwischenzeit nichts Neues ereignet, wäre die knappe Begründung des Genehmigungsbeschlusses ausreichend gewesen.

Allerdings haben sich seit dem Abschluss der hier in Frage stehenden elterlichen Vereinbarung zum Umgangsrecht die Verhältnisse insoweit entscheidend geändert, als die Antragsgegnerin mit neuem Antrag vom 09.06.2006 (Bl. 1, 2 der BA 47 F 190/06 AG Bonn) die Abänderung der Unterhaltsvereinbarung vom 13.09.2005 beantragt hat. Damit durfte das Familiengericht nicht mehr allein auf die bindende Wirkung der vor etwa 10 Monaten geschlossenen Unterhaltsvereinbarung verweisen. Auch wenn man der Meinung nicht folgt, die einen einseitigen Widerruf einer Unterhaltsvereinbarung für zulässig erachtet, muss es den am Umgangsrechtsverfahren Beteiligten möglich sein, bei geänderten Umständen eine anderweitige Regelung zu erzielen, wenn dies aus Gründen des Kindeswohls erforderlich erscheint. Steht die früher getroffene Vereinbarung der Eltern nunmehr dem Kindeswohl entgegen, ist sie aufzuheben und durch eine anderweitige Regelung zu ersetzen. Eine Genehmigung darf also nicht mehr erfolgen.

Bevor also das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss die Umgangsrechtsregelung genehmigte und somit ihre Vollziehbarkeit herbeiführte, musste es darüber befinden, ob die nunmehr von der Antragsgegnerin in dem dem Familiengericht bekannten Abänderungsverfahren zu Aktenzeichen 47 F 190/06 AG Bonn vorgebrachten Gründe einer Genehmigung der im September 2005 getroffenen Umgangsrechtsvereinbarung entgegen stand. Diese Überprüfung war nicht deswegen entbehrlich, weil sie in dem neuen Abänderungsverfahren ohnehin vorzunehmen ist. Denn auch für die Genehmigung der elterlichen Vereinbarung ist entscheidend der Sachstand im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung und nicht derjenige im Zeitpunkt der getroffenen Vereinbarung. Anderenfalls würde man die Erzwingbarkeit einer Umgangsrechtsregelung erreichen können, die im Zeitpunkt des Genehmigungsbeschlusses nicht mehr dem Kindeswohl entsprach. Es ist offensichtlich, dass eine solche Rechtsfolge nicht eintreten darf.

Die notwendige Sachaufklärung, ob auch heute noch die getroffene Umgangsrechtsvereinbarung mit dem Kindeswohl vereinbar ist, hat das Familiengericht nicht getroffen. Jedenfalls lässt die angegriffene Entscheidung wie auch die nachfolgenden Äußerungen des Familiengerichts nicht erkennen, dass sich das Familiengericht bei Erlass der angegriffenen Entscheidung mit den im Abänderungsverfahren vorgebrachten Gründen, die angeblich die Notwendigkeit einer Abänderung der Umgangsrechtsregelung erforderlich machen, auseinander gesetzt hat.

Daher kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Das Familiengericht wird die von der dortigen Antragstellerin - Antragsgegnerin im hiesigen Verfahren - vorgebrachten Tatsachen auf ihre Erheblichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuklären haben. Sollten sich in der Vergangenheit die Umgangskontakte zum Antragsteller - Antragsgegner im Abänderungsverfahren - im behaupteten Umfang ohne "Verschulden" der Antragsgegnerin so wie behauptet verschlechtert haben, stellte sich tatsächlich die Frage einer Abänderung der Umgangsrechtsvereinbarung. Letztendlich bedarf dies aber einer umfassenden Würdigung der noch aufzuklärenden Gesamtumstände im Hinblick auf das Kindeswohl. Hierbei wird auch zu prüfen sein, ob die betroffenen Kinder anzuhören sind. Immerhin soll nach der Behauptung der Antragsgegnerin der Kindeswille der Umgangsrechtsvereinbarung entgegen stehen. Sollte dies der Fall sein, wäre weiter der geäußerte Kindeswille auf seine Beachtlichkeit hin zu untersuchen.

Da vor einer Genehmigung der Umgangsrechtsvereinbarung noch eine umfassende Sachaufklärung zu erfolgen hat, erscheint es dem Senat sachdienlich, die Sache an das Familiengericht zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zurückzuverweisen. Entscheidungsreife liegt nicht vor, so dass auch nicht die Prozessökonomie dafür spricht, dass der Senat im Beschwerdeverfahren in der Sache selbst abschließend entscheidet.

Beschwerdewert: 3.000,00 € (§§ 30 Abs. 3 Satz 1, 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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