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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.08.2006
Aktenzeichen: 4 UF 20/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1671 Abs. 1
BGB § 1671 Abs. 2 Ziff. 2
BGB § 1687
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die als Beschwerde zu wertende "Berufung" der Antragstellerin wird das am 06.12.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn zum Sorge- und Umgangsrecht teilweise abgeändert.

1.)

Der Antragstellerin wird die alleinige elterliche Sorge betreffend die am 31.10.2000 geborene Tochter der Parteien N übertragen.

2.)

Der Antragsgegner erhält ein 14-tägiges begleitetes Umgangsrecht für mindestens drei Stunden, welches unter Vermittlung des Jugendamtes C als Umgangspfleger nach Maßgabe der Mitarbeiter und im Beisein eines Dritten, etwa eines Mitarbeiters des Kinderschutzbundes C, ausgestaltet wird.

3.)

Im Übrigen wird die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen.

4.)

Für die erste Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

II.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H in C bewilligt.

Gründe:

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache zum ganz überwiegenden Teil Erfolg. Der Antragstellerin ist die alleinige elterliche Sorge zu übertragen und dem Antragsgegner ist ein begleitetes Umgangsrecht hinsichtlich der Tochter N einzuräumen.

I.

Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin war dieser gemäß § 1671 Abs. 1, 2 Ziffer 2 BGB die alleinige elterliche Sorge zu übertragen, da diese den Antrag hierzu gestellt hat und zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Antragstellerin dem Wohl des Kindes am Besten entspricht.

Die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter war geboten, da die Kindeseltern heillos zerstritten sind und eine Kommunikation auch über wesentliche Kindesbelange nicht möglich erscheint. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern in denen das Kind betreffenden Grundfragen voraus. Sie müssen objektiv und subjektiv Kooperationsbereitschaft zeigen. Das schließt Meinungsverschiedenheiten - auch emotionsreich geführte - zwischen den Eltern nicht aus. Aber es kann dem Kind nicht zugemutet werden, ständig emotionsgeladene Streitigkeiten zwischen den Elternteilen miterleben zu müssen. Können die Eltern ihre Auseinandersetzungen nicht zivilisiert austragen, muss dies zu einem Alleinsorgerecht führen (vgl. Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts bis Ende 2001, Teil 2, FuR 2002, Seite 168, 170; II 2. a) bb), m.w.N.). Die Fähigkeit zu kooperativem Verhalten äußert sich darin, dass die Eltern in der Lage sind, persönliche Interessen und Differenzen zum Wohle des Kindes zurückzustellen. Danach ist nach Auffassung des Senates eine Kooperationsbereitschaft so lange gegeben, wie zwischen den Eltern in allen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind (§ 1687 BGB) Einigkeit besteht bzw. mit Hilfe Dritter - aber ohne Gerichtsverfahren - hergestellt werden kann. Lässt sich eine Kooperationsfähigkeit in diesem Umfang nicht feststellen, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben (vgl. Oelkers, a.a.O., m.w.N.). So ist die Aufhebung der gemeinsamen Sorge zum Wohle des Kindes dann geboten, wenn die Eltern nach der Trennung nur noch über ihre Rechtsanwälte verkehren und zum Beispiel ständig Streitereien über die Ausübung des Umgangsrechtes entstehen (Oelkers, a.a.O.; Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1687 Rn. 7).

So liegt der Sachverhalt hier. Die Parteien streiten mindestens seit Oktober 2004 sehr heftig über die Ausübung des Umgangsrechtes durch den Antragsgegner. Auslöser des Streits war der Vorwurf gegenüber dem Kindesvater, er habe N sexuell missbraucht. Jedenfalls seit dieser Zeit ist zwischen den Kindeseltern keine vernünftige Kommunikation mehr möglich. Ihr Verhältnis zueinander ist von gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Hierunter leidet - wie das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten zeigt - N ganz erheblich. Insbesondere haben die dauerhaften Auseinandersetzungen zwischen den Kindeseltern bereits zu einer deutlichen Entfremdung Ns vom Kindesvater geführt. Diese hatte aber bereits vor Oktober 2004 begonnen, sich danach jedoch erheblich verstärkt. Die Folge war, dass die Kindesmutter aufgrund der aufgekommenen Vorwürfe N zunächst vollkommen dem Umgang mit dem Kindesvater entzogen hatte. Auch heute noch ist das Verhalten der Kindeseltern so gespannt, dass die Ausübung der gemeinsamen Sorge nach Überzeugung des Senates unter Kindeswohlgesichtspunkten nicht möglich erscheint.

Dabei spielt es sicherlich auch eine Rolle, dass die Kindesmutter weiter am Vorwurf des sexuellen Missbrauchs festhält, obwohl das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten der Diplompsychologin L vom 20. Mai 2005 (Bl. 69-174 GA) auf Seite 97 (Bl. 167 GA) zu dem Ergebnis kommt, dass auf der Basis einer entwicklungsbedingten eingeschränkten Aussagetüchtigkeit des Kindes, einer zudem bestehenden hohen Zahl von Fehlerquellen für eine zuverlässige Aussage und einer unzureichenden Aussagequalität die Schlussfolgerung eines sexuellen Übergriffs des Vaters auf das Kind aus psychologischer Sicht nicht zu bestätigen sei. In der Zusammenschau wiesen die Bemerkungen und Äußerungen des Mädchens vielmehr auf einen Zusammenhang zur Konfliktentwicklung zwischen den Eltern und dem Bestreben des Kindes, sich in einer Situation erlebter Erklärungsnot durch Zuweisung des Fehlverhaltens an den Vater (unbeabsichtigten Falschbezichtigung) selbst zu entlasten, hin.

Unabhängig davon, ob diese Beurteilung der Sachverständigen zu folgen ist, wirkt aber der bei der Antragstellerin weiterhin bestehende Verdacht fort, dass ihr ehemaliger Ehemann die Tochter missbraucht habe. Von daher ist nach Überzeugung des Senates das Vertrauensverhältnis zwischen den Kindeseltern derart gestört, dass an einer Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht festgehalten werden kann.

Dabei ist die Frage des Umfangs des durch den Kindesvater auszuübenden Umgangsrechts und der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs, der hierzu im engen Zusammenhang steht, nicht die einzigen Probleme bezüglich wesentlicher Fragen betreffend die elterliche Sorge. So weist die Antragstellerin darauf hin, dass zwischen den Kindeseltern u.a. auch Streitigkeiten darüber bestehen, ob und in welchem Umfang N sich einer Psychotherapie unterziehen sollte. Auch dies ist sicherlich eine zentrale die geistige und seelische Entwicklung des Kindes betreffende Frage. Eine solche Behandlung scheint, wie die Sachverständige L in ihrem Gutachten festgestellt hat (vgl. Bl. 143, 169 GA UG), geboten.

Kann aber an der gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern nicht festgehalten werden, ist die Entscheidung, wem die alleinige elterliche Sorge übertragen werden muss, allein am Kindeswohl zu orientieren. Entscheidungshilfen hierfür sind neben der Erziehungsbereitschaft und den häuslichen Verhältnissen der Kontinuitätsgrundsatz, der Förderungsgrundsatz, die Beziehung zu Eltern und Geschwistern und der Wunsch des betroffenen Kindes. Insoweit ist eine Gesamtschau anzustellen, wobei je nach den Kriterien des Einzelfalles der ein oder andere Gesichtspunkt mehr oder weniger Gewicht und Bedeutung erlangt.

Unter Beachtung dieser Kriterien kann es nach Auffassung des Senates im Ergebnis nicht zweifelhaft sein, dass die Antragstellerin die alleinige elterliche Sorge über N übertragen bekommt. Die oben genannten Gesichtspunkte sprechen ganz überwiegend für die Antragstellerin. Dabei muss aber nach Auffassung des Senates durchaus kritisch angemerkt werden, dass die Erziehungsfähigkeit der Antragstellerin insoweit in Frage steht, als sie derzeit aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht bereit und in der Lage ist, N ein unbefangenes Verhältnis zu ihrem Vater zu ermöglichen. Dies ist in erster Linie dadurch bedingt, dass die Antragstellerin nach wie vor daran festhält, dass der Vorwurf des Kindesmissbrauchs zutreffend ist. Zwar ist aus subjektiver Sicht zunächst die Sorge der Kindesmutter verständlich, N keiner solchen, von ihr jedenfalls als nicht widerlegt angesehenen Gefahr auszusetzen. Von daher kann ein unbefangener Umfang mit dem Kindesvater seitens der Kindesmutter bei dieser Einstellung auch nicht erfolgen. Allerdings ist die Antragstellerin gehalten, sich eingehend mit dem Gutachten der Diplompsychologin L zu dieser Frage auseinander zu setzen. Dies hat sie indes nach Auffassung des Senates noch nicht mit der erforderlichen eigenen kritischen Distanz getan. Andernfalls wäre die Antragstellerin nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass der Missbrauchsvorwurf gegenüber dem Antragsgegner nicht aufrecht zu erhalten ist. Die Sachverständige L hat im Einzelnen N exploriert und ist zu dem überzeugenden Ergebnis gekommen, dass ein sexueller Übergriff des Vaters auf das Kind aus psychologischer Sicht nicht zu bestätigen ist. Dieses Ergebnis hat die Sachverständige im Einzelnen begründet. So hat die Sachverständige zunächst auf Seite 91 ihres Gutachtens (Bl. 161 GA) festgehalten, dass die dem Missbrauchsverdacht zugrunde liegende körperliche Symptomatik den geäußerten Missbrauchsverdacht weder bestätigen noch wahrscheinlich zu machen vermag. Die einzigen objektiven Spuren, die die Kindesmutter glaubte einem Missbrauch zuordnen zu können (kleine Schürfwunde im Schambereich mit Rötung), ergaben bei der am 04.11.2004 durchgeführten kindergynäkologischen Untersuchung eine "entzündliche Veränderung an der Vagina mit kleiner Fissur bei allgemein unauffälligem körperlichem Befund". In den körperlichen Symptomen des Mädchens wurden seitens der behandelnden Ärzte keine eindeutigen Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch gesehen (vgl. hierzu Seiten 76, 77, 91 des Gutachtens = Bl. 146, 147, 161 GA UG). So sei nicht auszuschließen, dass der körperlichen Symptomatik auch mechanische Einwirkungen des Kindes selbst (u.a. Kratzen) zugrunde liegen könnten. Dabei, so die Sachverständige, sei zu berücksichtigen, dass in der fraglichen Zeit Beobachtungen des Kratzens des Kindes selbst im Scheiden- und Pobereich festgestellt worden seien. Dieses Verhalten sei im Zusammenhang mit dem häufigen Wasserlassen aufgetreten.

Damit konnte zunächst die körperliche Symptomatik den Missbrauchsverdacht nicht erhärten. Es blieb die Aussage des Kindes. Hier spricht jedoch das Sachverständigengutachten der Diplompsychologin L eine eindeutige Sprache. Die Sachverständige hat im Einzelnen belegt, warum an der objektiven Wahrheit dieser Aussage grundlegende Bedenken bestehen, wobei durchaus davon auszugehen sei, dass N glaubt die Wahrheit zu sagen. So hat die Sachverständige im Einzelnen die Vorgeschichte untersucht, die schließlich zu dem Missbrauchsvorwurf führte (vgl. insoweit wegen der Einzelheiten Bl. 162-167 GA). Die Sachverständige stellt auf Seite 93 ihres Gutachtens (Bl. 163 GA UG) dar, dass die Aussage von N nicht spontan, sondern als Erklärung auf ein von der Mutter missbilligtes Verhalten gegeben wurde. Aufgrund der N bekannten Sauberkeitsvorstellungen ihrer Mutter befand sich N wegen des Einnässens in einer "Erklärungsnot" gegenüber der Mutter. Von daher, so die überzeugenden anhand der Exploration belegten Feststellungen der Sachverständigen, war es naheliegend, einen Dritten - hier den Vater - als verantwortlich für ein eigenes offensichtliches Fehlverhalten (Kot in der Hose) zu benennen. Die Sachverständige hat dann im Einzelnen das weitere Aussageverhalten von N geschildert und beurteilt. Insbesondere hat die Sachverständige auch berücksichtigt, dass nachdem der erste Vorwurf durch N geäußert worden sei, durch weiteres Befragen eine Aussageverfestigung eingetreten ist. So wurde die Weiterentwicklung der Aussage von der Sachverständigen untersucht (vgl. Seite 94 des Gutachtens = Bl. 164 GA UG). Vor dem Hintergrund des hier vorhandenen Suggestionspotenzials (Konfliktdynamik der Eltern, Voreinstellung der Mutter) sind die Anforderungen an die Qualitätsmerkmale der Aussage des Kindes entsprechend hoch anzusetzen. Für den Senat überzeugend hat daher die Sachverständige dem Merkmal der Eigenständigkeit der Aussage, um so die Falschbezichtigungshypothese zugunsten der Erlebnishypothese verwerfen zu können, besondere Bedeutung beigemessen. Darüber hinaus kommt der Untersuchung der Aussageergänzungen zusätzliches Gewicht zu. Dies alles hat die Sachverständige in ihrem Gutachten berücksichtigt und weiter festgestellt, dass die fehlende Detaillierung der Aussage eher für eine erlebnisferne Angabe spricht. So wird festgehalten, dass es auch bei der von der Sachverständigen durchgeführten Exploration auf wiederholtes Nachfragen nicht zu Ergänzungen der Aussage kam. Ns Aussage veränderte sich kaum. Gerade eine erlebnisfern konstruierte Aussage ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht zu naheliegenden Ergänzungen kommt (vgl. Seite 95 des Gutachtens = Bl. 165 GA mit Nachweis Arntzen, 1993, Seite 48). Auch die raum-zeitliche Einordnung spreche eher dafür, die Aussage zum Konfliktgeschehen der Eltern zuzuordnen. Auf dieses Konfliktgeschehen kommt N während ihrer Exploration immer wieder zu sprechen. Auch das weitere Verhalten Ns nach dem angeblichen Vorfall und insbesondere die sonstigen von N geschilderten Gegebenheiten zur angeblichen Tatzeit und kurz danach sprechen gegen die Richtigkeit der Aussage. Die Sachverständige zeigt im Folgenden auf, dass es sich bei der Aussage von N keinesfalls um eine gezielte Falschaussage handele. Vielmehr habe N gemäß der miterlebten Konfliktentwicklung der Eltern unbewusst nur auf ihr eigenes Bewältigungsmuster (Distanzierung vom Vater, Anlehnung an die Mutter) zurückgreifen können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass N in ihrer Aussage weniger eine sexuelle Handlung als vielmehr (durch die Besorgnis und die Warnung der Mutter vorgegeben) ein ihr geläufiges Beispiel eines "unerlaubten Verhaltens" angeführt habe. Schließlich hat die Sachverständige auch die Aussagekompetenz von N untersucht. So habe sie während der Exploration bei der Besprechung neutraler Themen (unter anderem Kindergartenbesuch, Spielkameraden) eine bei weitem ausreichende sprachliche Kompetenz gezeigt. Diese Aussagekompetenz sei nach den bekannten Unterlagen auch zum hier fraglichen Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen. Andererseits seien Einschränkungen im Bereich ihrer Erinnerungsfähigkeit festzustellen. So hätten sich schließlich Einschränkungen in Ns Fähigkeit, zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden, ergeben. Dies schränke Ns Aussagetüchtigkeit ein (vgl. Seite 97 des Gutachtens = Bl. 167 GA). All dies hat die Sachverständige aufgrund der zuvor geschilderten für den Senat nachvollziehbaren und überzeugenden Überlegungen zu dem Ergebnis gebracht, dass ein sexueller Übergriff des Vaters auf das Kind aus psychologischer Sicht nicht zu bestätigen ist.

Die hiergegen mit der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen vermögen den Senat nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Soweit die Antragstellerin die Darlegung des Amtsgerichts rügt, sie habe keine andere Möglichkeit als den Missbrauch aufgrund der Einschätzung befragter Ärzte und Psychologen gesehen, und entgegnet, sie sei auf eine solche Möglichkeit erst durch das Jugendamt der Stadt C hingewiesen und im Interesse des Kindes angehalten worden, dieser Möglichkeit nachzugehen, widerspricht dies ihrer Darstellung in erster Instanz (vgl. Schriftsatz vom 13.12.2004, Bl. 39 ff. GA UG). Nachdem die Tochter - so der damalige Vortrag - ihr gegenüber nach einem Besuch der Toilette den Vorwurf geäußert habe, sei sie fassungslos und wütend gewesen. Ohne weiteres hat sie danach sofort der Tochter geglaubt. Erst im Folgenden hat sie mit Erzieherinnen, Angehörigen, der Kinderärztin und sodann mit dem Jugendamt Rücksprache genommen. All dies zeigt, dass die Antragstellerin nicht von Anderen darauf gestoßen wurde, dass hier ein sexueller Hintergrund vorgelegen haben könnte. Vielmehr hatte die Antragstellerin schon von vornherein den Verdacht gehegt. Von daher können die sachverständigerseits festgestellten Prämissen nicht angegriffen werden. Dabei ist es in keiner Weise die Absicht des Senates, das spontane Verhalten der Kindesmutter zu kritisieren. Natürlich hatte sie zunächst Anlass, dem Vorwurf des Kindes nachzugehen. Dies gilt umso mehr, als der Kindesvater, auf den Vorwurf angesprochen, in der Weise reagierte, dass er das Telefonat abbrach.

Spätestens nach Bekanntwerden des Gutachtens der Sachverständigen L mussten aber der Antragstellerin begründete Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Aussage ihrer Tochter kommen. Zu gravierend waren die aufgezeigten Merkmale, die gegen die Richtigkeit des Vorwurfs sprachen. Selbst wenn man der Antragstellerin noch letzte Restzweifel zugestehen sollte und es als nachvollziehbar erscheinen lässt, dass sie das erstinstanzliche Gutachten nochmals auf ihre Richtigkeit hin untersuchen lassen wollte, so ist es nur noch schwer verständlich, wenn sie aufgrund der von ihr sodann eingeholten gutachterlichen Stellungnahme weiter an dem Vorwurf festhält. Liest man die gutachterliche Stellungnahme der Diplompsychologin O vom 11.01.2006 (Bl. 69-75 GA) unvoreingenommen, so kann man nach Auffassung des Senates nur zu dem Schluss kommen, dass diese gutachterliche Stellungnahme die Richtigkeit des Gutachtens L nicht in Frage stellt, ohne allerdings selbst zur Glaubhaftigkeit der Aussage von N Stellung zu nehmen (vgl. Seite 6, 7 der gutachterlichen Stellungnahme, Bl. 74, 75 GA). Dort wird nämlich auf Seite 6 unten letzter Satz ausdrücklich hervorgehoben, dass aus den dargelegten Einzelbefunden der Gutachterin L sich schlüssig ergibt, dass die Unwahrhypothese hier nicht gesichert zurückzuweisen ist, woraus folgt, dass die Erlebnishypothese nicht zu belegen ist. Mit anderen Worten heißt das, dass zumindest vieles dafür spricht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aussage Ns nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Soweit die Diplompsychologin O zuvor feststellt, dass der abschließende Befund, wonach "die Schlussfolgerung eines sexuellen Übergriffs des Vaters auf das Kind aus psychologischer Sicht nicht zu bestätigen sei, nicht aussagepsychologisch adäquater Befundformulierung entspreche", entkräftet dies die abschließende Beurteilung der Diplompsychologin O nicht. Diese "Kritik" betrifft allein das systematische Vorgehen beim Erstellen eines aussagepsychologischen Gutachtens. Insbesondere die von der Diplompsychologin O genannte Fundstelle BGH 1 StR 618/89 belegt, dass insofern hier die aus strafrechtlicher Sicht erforderliche Sicherheit an der Wahrhaftigkeit einer Aussage, die schließlich zur möglichen Verurteilung des Täters führt, in den Vordergrund gestellt wird. Dieser Wahrheitsgehalt konnte aber gerade auch unter möglicherweise weniger strengen Anforderungen nicht ermittelt werden.

Erweist sich aber die Aussage Ns eher als nicht zutreffend und verharrt die Antragstellerin weiter bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Kindesvater, so führt dies der Senat in erster Linie auf das umfassend gestörte Verhältnis der Kindeseltern zueinander zurück. Eine Vertrauensbasis ist hier nicht gegeben. Dies wirkt sich allerdings auch negativ auf N aus. Dieser ständige Streit kann N nicht verborgen bleiben und ist ihr auch nicht verborgen geblieben, wie ihr weiteres Verhalten zeigt. Von daher ist auch eine gewisse Abwehrhaltung ihrem Vater gegenüber durchaus verständlich. Hier steht Ns enge Bindung zur Mutter im Vordergrund. Andererseits ist festzuhalten, dass N dem Vater noch nicht völlig entfremdet ist. Wie der Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung mitgeteilt hat, ist ein erster Besuchskontakt durchaus den Umständen entsprechend erfreulich verlaufen.

Die Kindesmutter wird, um nicht weitere Zweifel ihrer Erziehungskompetenz zu schüren, in der Zukunft vermeiden müssen, den Streit mit dem Kindesvater vor Ns Augen weiter zu führen. Vielmehr wird sie alles unternehmen müssen, um das gestörte Verhältnis zwischen dem Kindesvater und N zu verbessern. Prinzipiell sieht die Antragstellerin durchaus ein, dass eine intakte Vater-Kind-Beziehung von entwicklungspsychologisch entscheidender Bedeutung für das Wohl des Kindes ist. Hierzu gehört aber auch ein ungezwungenes Miteinanderumgehen. Diese objektive Erkenntnis kann die Kindesmutter derzeit nicht umsetzen. Anstatt Ns Vertrauen in den Kindesvater wieder zu stärken, versucht sie durch Einschränkung ungehinderter Kontakte weiter das Vater-Kind-Verhältnis zu belasten.

Auch wenn daher derzeit eine gewisse Einschränkung der Erziehungskompetenz der Antragstellerin zu sehen ist, gibt es keine echte Alternative dazu, der Antragstellerin derzeit das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Dem Kindesvater in der gegenwärtigen Situation bei dem gestörten Verhältnis zwischen N und ihm entgegen dem ausdrücklichen Willen des Kindes, die elterliche Sorge allein zu übertragen, ist ausgeschlossen. Eine Übertragung des Sorgerechts auf einen Dritten ist derzeit noch nicht geboten. Vielmehr muss erreicht werden, die Situation nunmehr zu beruhigen, um eine langsame Annäherung von N an ihren Vater herbeizuführen. Hier ist nunmehr die Kindesmutter gefordert.

II.

Aus dem zuvor Gesagten folgt, dass dem Antragsgegner in der gegenwärtigen Situation gemäß § 1684 Abs. 3, 4 Satz 3 BGB nur ein begleitetes Umgangsrecht eingeräumt werden kann.

Der völlige Ausschluss des Umgangsrechts kommt vorliegend nicht in Betracht. Er stellt den schwerstmöglichen Eingriff in dieses Elternrecht dar, welches durch Art. 6 GG geschützt ist. Er ist dann erforderlich, wenn das Kindeswohl nachhaltig gefährdet wird bzw. die konkrete Gefahr besteht, dass die Entwicklung des Kindes in eine ungünstige Bahn einzutreten droht. Solche Umstände können vorliegend nicht festgestellt werden.

Wie dargelegt, ist der Verdacht, dass der Antragsgegner N sexuell missbraucht hat, nicht stichhaltig. Von einer Kindeswohlgefährdung aus diesem Grunde kann daher nicht ausgegangen werden.

Allerdings erfordern etwaige Rückgewöhnungsschwierigkeiten infolge eines längeren Zeitraums ohne Kontakte eine Einschränkung des Umgangsrechtes dahin, dass nur ein begleitetes Umgangsrecht eingeräumt werden kann. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass N bereits in einen extremen Loyalitätskonflikt geraten ist. Wie die Sachverständige L festgestellt hat, hat sich N den Antragsgegner in gewisser Weise als Feindbild aufgebaut. N, die stark an die Mutter gebunden ist, solidarisiert sich mit ihr. Von daher werden eigene Wünsche verdrängt. Damit wird erklärlich, dass N starke Hemmungen hat, den Kindesvater zu sehen. Der Antragsgegner erkennt auch diese Ängste seiner Tochter und will ihnen Rechnung tragen. So ist er zunächst mit einem begleiteten Umgangsrecht einverstanden. Insoweit gilt es auch dem Kindeswillen weitgehend Rechnung zu tragen.

Allerdings ist dem Antragsgegner darin zu folgen, dass die Drittperson, die den Umgang zwischen Tochter und Vater begleitet, eine neutrale Person sein muss. Es gilt nämlich, den Umgang zwischen Vater und Tochter möglichst konfliktfrei und ungezwungen zu gestalten. Nur so werden Vater und Tochter in der Lage sein, die vorhandene Entfremdung abzubauen und wieder zu einem "normalen Verhältnis" zueinander zu kommen. Der Senat ist der Auffassung, dass dies etwa Mitarbeiter des Kinderschutzbundes bewerkstelligen können. Der Antragsgegner ist bereit, mit dem Kinderschutzbund zusammen zu arbeiten. Gründe, die einer Begleitung des Umgangsrechtes durch Mitarbeiter des Kindesschutzbundes entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht von der Antragstellerin vorgetragen. Sobald sich N wieder an den Antragsgegner gewöhnt hat, obliegt es den Kindeseltern, zu einem unbegleiteten Umgang zurückzukehren. Die Kindeseltern - insbesondere die sorgeberechtigte Antragstellerin - werden gehalten sein, im Interesse des Kindeswohles hier nach Ablauf einer gewissen nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang bemessenen Zeit eine einvernehmliche Lösung zu treffen. Dabei ist anzumerken, dass es in der Vergangenheit, vor Oktober 2004, zu nicht begleiteten Umgangskontakten gekommen war, die weitgehend problemlos verliefen. Von daher dürften gegenteilige Befürchtungen der Kindesmutter, wenn denn der begleitete Umgang erfolgreich verlaufen ist, nicht gerechtfertigt sein. Insoweit verweist der Senat nochmals auf seine Ausführungen zur Erziehungsfähigkeit der Antragstellerin. Diese wird es lernen müssen, ihre Vorbehalte gegenüber dem Antragsgegner im Interesse des Kindeswohls hintanzustellen, notfalls unter Inanspruchnahme einer psychologischen Beratung. Vermag sie dies auch nach Abschluss dieses Verfahrens nicht, so wird möglicherweise in der Zukunft im Interesse des Kindeswohles ihre Erziehungsfähigkeit nochmals zu überdenken sein.

Das Umgangsrecht sollte so ausgestaltet werden, dass, etwa im Beisein eines Mitarbeiters des Kinderschutzbundes in den Räumlichkeiten des Kinderschutzbundes, für mindestens drei Stunden der Umgang gepflegt werden kann. Sollte die Möglichkeit bestehen, dass der Kindesvater sich mit N auch außerhalb der Räumlichkeiten des Kinderschutzbundes in Begleitung aufhalten kann, sollte auch dies genutzt werden. Es ist alles zu fördern, was den Umgang zwischen Vater und Tochter "normalisiert". Insoweit wird es auch von der Einschätzung der Begleiter des Umgangs abhängen, die Umgangskontakte zwischen N und dem Antragsgegner so zu gestalten, dass auch ein unbegleiteter Umgang problemlos möglich werden wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 3, 93 a Abs. 1 2. Halbsatz.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird gemäß § 48 Abs. 2, 3 Satz 3 GKG auf insgesamt 1.800,00 € (je 900,00 € für das Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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