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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 4 UF 20/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

ZPO § 620 c Satz 1
ZPO § 621 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 621 g Satz 1
BGB § 1666
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die als sofortige Beschwerde zu wertende "Beschwerde" des Verfahrensbeteiligten zu 3) (Antragsgegner und Beschwerdeführer) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 22. Januar 2009 - 47 F 501/08 -, mit welchem den Kindeseltern [Antragsgegner zu 1) und 2) = Verfahrensbeteiligte zu 2) und 3)] das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitsfürsorge sowie das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten für ihren Sohn E. F. im Wege der einstweiligen Anordnung entzogen und auf das Jugendamt der Stadt C. [Verfahrensbeteiligte zu 1), Antragstellerin und Beschwerdegegnerin] übertragen worden ist, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Gründe:

Die an sich nach §§ 621 Abs. 1 Ziffer 1, 621 g Satz 1, 620 c Satz 1 ZPO, 1666, 1666 a BGB statthafte und auch fristgerecht eingelegte als sofortige Beschwerde zu wertende "Beschwerde" des Kindesvaters [Antragsgegner zu 2) und Beschwerdeführer] hat in der Sache keinen Erfolg.

Bedenken bestehen bereits bezüglich der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Kindesvaters. Dieser wehrt sich nämlich nicht dagegen, dass ihm, der bis zum Beschlusserlass noch mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, der Antragsgegnerin zu 2) und Kindesmutter, gemeinsam umfassend sorgeberechtigt war, im Rahmen der vorgenannten einstweiligen Anordnung das Sorgerecht über seinen Sohn E. F. in Teilbereichen entzogen worden ist. Vielmehr richtet sich seine Beschwerde dagegen, dass nach seiner Auffassung der vom Familiengericht festgestellten Kindeswohlgefährdung durch die im Wege der einstweiligen Anordnung getroffenen Maßnahmen nicht in ausreichendem Maße begegnet werde, dass vielmehr der Kindesmutter umfassend das Sorgerecht entzogen werden müsse. Mit seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer damit keine eigene Beeinträchtigung seiner Rechte geltend. Insoweit erscheint es zweifelhaft, ob dem Beschwerdeführer ein Beschwerderecht zusteht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass den Eltern in einem solchen Fall - im hier zu entscheidenden Fall damit dem Kindesvater und Beschwerdeführer - kein eigenes Beschwerderecht zusteht, auch wenn sie Maßnahmen nach §§ 1666 BGB selbst "beantragt" haben. Solche Maßnahmen sind nämlich nicht nur "auf Antrag" sondern von Amts wegen zu erlassen. Allerdings wird überwiegend angenommen, dass das Kind selbst für den Fall, dass das Familiengericht, Maßnahmen nach § 1666 BGB zu ergreifen, ablehnt, Beschwerde mit der Begründung einlegen kann, sein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sei beeinträchtigt, wenn keine ausreichenden Maßnahmen zu seinen Gunsten ergriffen würden (vgl. insoweit Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage 2009, § 621 e Rn. 14 b m.w.N.). In diesem Fall können Eltern eine solche Beschwerde im Namen ihres Kindes einlegen, wenn sie dessen gesetzliche Vertreter sind. Das ist vorliegend der Fall, da dem Kindesvater wie der Kindesmutter das gemeinsame Sorgerecht durch die angegriffene einstweilige Anordnung nur in den dort genannten Teilbereichen entzogen worden ist. Geht man daher davon aus, dass der Kindesvater in Sorge um seinen Sohn als gesetzlicher Vertreter die Beschwerde eingelegt hat, wäre diese wohl zulässig, auch wenn ihm nicht allein das Restsorgerecht zusteht.

Indes ist die sofortige Beschwerde jedenfalls in der Sache unbegründet. Das Familiengericht hat nämlich im Wege der einstweiligen Anordnungen die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um der offensichtlichen Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Dem Kindesvater geht es in erster Linie mit seiner Beschwerde darum, dass sein Sohn aus dem Haushalt der Kindesmutter genommen wird, weil anders seiner Meinung nach eine Kindeswohlgefährdung nicht beseitigt werden könne.

Dabei verkennt die Beschwerde allerdings, dass die vom Familiengericht getroffenen Anordnungen ausreichend sind, um einer Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Denn schon der Umstand, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitsfürsorge sowie das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten auf das Jugendamt der Stadt C. [Antragsteller und Verfahrensbeteiligte zu 1)] übertragen worden ist, reicht aus. Damit hat das Jugendamt in seiner Eigenschaft als Pfleger genügend Kompetenzen übertragen bekommen, um den sich aus der Akte ergebenden offensichtlichen Kindeswohlgefährdungen begegnen zu können.

Zweifelsfrei steht auch für den Senat fest, dass aufgrund der häuslichen Verhältnisse - insbesondere der Alkoholkrankheit der Kindesmutter - bereits eine deutliche soziale Verwahrlosung bei dem betroffenen Jugendlichen eingetreten ist. So konsumiert dieser ebenfalls bereits in erheblichem Umfang Alkohol und nahm seine Schulbesuche in der Vergangenheit nur unregelmäßig wahr. Die Mutter konnte hier in keiner Weise gegensteuern. Neben der sozialen Verwahrlosung sind auch bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen vor allem in der psychischen Entwicklung von E. aufgetreten. Dies alles zwingt zu raschem Handeln.

Besorgniserregend ist auch die Gewaltbereitschaft von E. So soll es sogar schon zu Gewaltausübungen gegenüber der Kindesmutter gekommen sein. Die Gewaltbereitschaft von E. mag auch darin begründet sein, dass er - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - zu Zeiten des Zusammenlebens der Kindeseltern Zeuge von "häuslicher Gewalt" geworden ist. Eine hierdurch verursachte Traumatisierung kann jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Auch das wird es zu untersuchen und behandeln geben.

Mit der vorläufig angeordneten Sorgerechtsmaßnahme ist im einstweiligen Anordnungsverfahren eine ausreichende Grundlage zum Eingreifen geschaffen worden.

Es liegt nun im Verantwortungsbereich des Jugendamtes, die Situation vor Ort im Einzelnen zu untersuchen und zu beurteilen, ob ein Belassen von E. im Haushalt der Mutter verantwortet werden kann. Jedenfalls hat das Jugendamt aufgrund der ihm übertragenen Teilbereiche der elterlichen Sorge die Möglichkeit, E. aus dem Haushalt der Kindesmutter herauszunehmen und Maßnahmen der Behandlung und weiteren Betreuung zu ergreifen. Dabei lassen die Jugendamtsberichte erkennen, dass das Jugendamt mit der bestehenden Problematik vertraut und bemüht ist, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere der Jugendamtsbericht vom 17.03.2009 (Bl. 103, 104 GA) lässt das entsprechende Problembewusstsein erkennen. Für das Belassen E's bei der Kindesmutter wird darauf abgestellt, dass weder Mutter noch Sohn eine räumliche Trennung wünschen. Beide zeigen sich danach bemüht, den Aufträgen der nun zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin Frau G. nachzukommen, um gemeinsam Zukunftsperspektiven für E. zu entwickeln. Daneben begleitet der Erziehungsbeistand, Herr K-T, die Familie in ihrer Entwicklung. Er motiviert Mutter und Sohn dazu, gesetzte Termine wahrzunehmen und Fachärzte zu akzeptieren. Ins Auge gefasst ist eine Therapie in den Rheinischen Kliniken der Stadt C. durch den zuständigen Psychologen, Herrn D. Nach den Angaben im vorgenannten Jugendamtsbericht akzeptiert E. Herrn D. als Therapeuten und kann sich gut vorstellen, längerfristig von Herrn D. therapiert zu werden. Die Kindesmutter soll danach die Einschätzung ihres Sohnes teilen und sich kooperativ zeigen. Zum Therapieplan darf auf den vorgenannten Jugendamtsbericht verwiesen werden. Weiter wird insoweit dort ausgeführt, dass bei den bisherigen massiven Widerständen von Frau F. (Kindesmutter) und E. gegen eine Unterbringung des Jungen eine positive Entwicklung nicht greifen könne. Ein Mindestmaß an Veränderungsbereitschaft müsse gegeben sein, damit Hilfen auch als solche Einfluss nehmen können. Auch Herr K-T, der Erziehungsbeistand, könne eine Fremdunterbringung E's nicht initiieren.

Negativ anzumerken ist entsprechend dem Jugendamtsbericht, dass das Antiaggressionstraining von E. nicht wieder aufgenommen worden ist. Hier wird es in der Beurteilung der Mitarbeiter des Jugendamtes liegen, ob auch ohne seine Mitwirkungsbereitschaft ein solches Training nicht doch durchgeführt werden muss. Dies gilt insbesondere deswegen, weil nach dem Jugendamtsbericht das aktuelle Aggressionspotential von E. nicht eingeschätzt werden kann.

Es liegt nunmehr in der Verantwortung des Jugendamtes, die Entwicklung E's im Einzelnen zu beobachten und abzuschätzen, ob dem Kindeswillen noch entsprochen werden kann, wenn sich E's Entwicklung und insbesondere ein negativer Einfluss der Kindesmutter nicht positiv ändern. Bei der Beurteilung der Gefährdungssituation und der Möglichkeiten, dieser zu begegnen, wird das Jugendamt auch die weiteren Vorfälle zu beurteilen haben, wie sie sich aus dem weiteren Jugendamtsbericht vom 31.03.2009 (Bl. 114, 115 GA) ergeben. Dass das Jugendamt bisher seine Pflichten als Pfleger vernachlässigt hätte, kann nicht festgestellt werden.

Richtig scheint die Einschätzung des Jugendamtes am Schluss des Berichtes vom 17.03.2009 (Bl. 104 GA), dass bei E. zur Zeit vorrangig die Gesundheitsfürsorge im Hinblick auf eine mögliche Angsterkrankung sowie die Therapieeinleitung im Mittelpunkt stehe. Allerdings wird das Jugendamt auch die "vermutete Suchtproblematik" der Kindesmutter im Auge zu behalten haben. Dabei kann sich das Jugendamt nicht darauf zurückziehen, dass es für eine Beurteilung der Gefährdungssituation E's und der Frage der Herausnahme E's aus dem Haushalt der Mutter der Abklärung durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten bedarf, ob Frau F. erziehungsfähig ist und ob eine Suchterkrankung vorliegt. Auch bedarf es vorab keines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Abklärung der Frage, ob E. aufgrund einer Angsterkrankung um seine symbiotische Mutter-Sohn-Beziehung therapeutische Unterstützung in einer Facheinrichtung benötigt. Schließlich ist bereits das Recht zur Gesundheitsfürsorge auf das Jugendamt übertragen worden. Damit obliegt dem Jugendamt als Pfleger die Aufgabe, die ihm notwendig erscheinenden erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwendung der Gefährdung geboten sind. Dem Familiengericht obliegt es im Hauptsacheverfahren endgültig zu entscheiden, welche konkreten Sorgerechtsmaßnahmen verhältnismäßig und erforderlich sind, um der zweifellos bestehenden Kindeswohlgefährdung wirksam zu begegnen.

Im Rahmen der von Amts wegen zu prüfenden Maßnahmen, die notwendig sind, um einer Kindeswohlgefährdung zu begegnen, kam eine Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nicht in Betracht. So fühlt sich der Kindesvater selbst nicht in der Lage, E's Probleme zu lösen und seine ausreichende Betreuung zu gewährleisten. Auch E's Wille, auf keinen Fall in den Haushalt des Vaters zu wechseln, ist bei Beurteilung der Gesamtsituation zu respektieren. In Betracht kommt daher nur das Belassen E's bei der Kindesmutter oder seine Fremdunterbringung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Der Beschwerdewert beträgt 500,00 € (§ 24 Satz 1 RVG).

Ende der Entscheidung

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