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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.04.2008
Aktenzeichen: 4 UF 21/08
Rechtsgebiete: VAÜG, ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 1
VAÜG § 2
VAÜG § 2 Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a)
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b)
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VAÜG § 2 Abs. 1 S. 2
VAÜG § 2 Abs. 2 S. 2
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3 S. 2
ZPO § 628 Abs. 1
BGB § 134
BGB § 1587 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 o
BGB § 1587 o Abs. 1 S. 2
BGB § 1587 o Abs. 2 S. 3
FGG § 53 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 28.12.2007 - 32 F 29/07 - wird aufgehoben, soweit unter II. eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen worden ist.

2. Das Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs wird aus dem Verbund abgetrennt und gemäß §§ 2 Abs. 2 S. 2 VAÜG, 628 Abs. 1 ZPO ausgesetzt.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben.

4. Die Anträge der Parteien auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die am 18.06.1994 geschlossene Ehe der Parteien - rechtskräftig seit dem 26.03.2008 - geschieden. Gleichzeitig hat es vom Rentenkonto des Antragstellers bei der weiter beteiligten Rentenversicherung Rentenanwartschaften im Wert von 91,31 Euro monatlich auf das Rentenkonto der Antragsgegnerin übertragen, und zwar bezogen auf den 31.01.2007.

Beide Parteien haben sowohl Rentenanwartschaften West als auch Rentenanwartschaften Ost, bei denen es sich um angleichungsdynamische Anrechte i. S. v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG handelt. Unter Hinzurechnung einer kleinen Betriebsrente, die das Amtsgericht unter Anwendung der BarwertVO im Einzelnen berechnet hat, betragen die vom Antragsteller erlangten nichtangleichungsdynamischen Anrechte i. S. v. § 1587 Abs. 2 Nr. 2 BGB (insgesamt) 208,68 Euro, die der Antragsgegnerin 19,11 Euro. Demgegenüber betragen die angleichungsdynamischen Anrechte (Rente Ost) des Antragstellers 28,97 Euro und der Antragsgegnerin 36,12 Euro.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2007 haben die Parteien persönlich und in Anwesenheit ihrer jeweiligen Rechtsanwälte einen Vergleich über nachehelichen Unterhalt und weitere Scheidungsfolgen geschlossen, in dem es unter anderem heißt:

"Die Parteien sind sich einig, dass im Versorgungsausgleich die beiderseitigen Anwartschaften auf angleichungsdynamische Renten zum Nominalwert anrechenbar sein sollen."

Bei Berechnung des Ausgleiches hat das Amtsgericht sodann die Anrechte aus den Ost-Renten ohne Angleichung in die Berechnung eingestellt, also wie West-Renten behandelt, und ist zu einem (Gesamt-) Ausgleich von 91,31 Euro gelangt.

Gegen dieses der weiter beteiligten Rentenversicherung am 24.01.2008 zugestellte Urteil hat diese mit am 11.02. (per Fax) bzw. 13.02.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 08.02.2008 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wird darauf gestützt, dass das Amtsgericht § 2 Abs. 1 VAÜG nicht beachtet habe; da die Voraussetzungen von S. 1 nicht vorlägen, hätte das Amtsgericht das Verfahren über den Versorgungsausgleich gemäß S. 2 aussetzen müssen.

II.

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten ist zulässig und auch in der Sache begründet.

1.

Die gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO i. V. m. § 621 e Abs. 1 ZPO gegen eine Endentscheidung zum Versorgungsausgleich statthafte befristete Beschwerde der Beteiligten als Träger der Rentenversicherung ist gemäß §§ 621 e Abs. 3 S. 2., 517, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie ist auch im Übrigen zulässig. Auf eine etwaige Mindestbeschwer kommt es in Versorgungsausgleichssachen nicht an, was sich unter anderem auch aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergibt (vgl. Zöller/Philippi, 26. Aufl., § 621 e ZPO, Rn. 34; OLG Naumburg, FamRZ 2005, 116 = juris Rn. 5). Die Beteiligte kann als Versorgungsträgerin Beschwerde auch ohne Rücksicht darauf einlegen, ob sich das Rechtsmittel zugunsten oder zu Lasten eines der Ehegatten auswirkt oder sich das Versicherungsrisiko erhöht oder ermäßigt. Versorgungsträger haben alle Interessen zu wahren und können sich deshalb gegen jeden Eingriff in ihre Rechtsstellung beschweren, der im Versorgungsausgleichsrecht nicht vorgesehen ist (Zöller/Philippi, a.a.O. Rn. 22 m. w. N.).

2.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich und der Aussetzung des Verfahrens.

a)

Die Voraussetzungen für eine Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a) oder b) VAÜG liegen nicht vor.

Zwar haben die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art erworben. Jedoch sind nicht nur angleichungsdynamische Anrechte zu berücksichtigen (lit. a). Auch hat die Antragstellerin mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anrechten (36,12 Euro im Vergleich zum Antragsgegner mit 28,97 Euro) nicht auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben (19,11 Euro zu 208,88 Euro). Ein Fall von Nr. 1 b) liegt nur dann vor, wenn der Ausgleich zwischen den Eheleuten in jedem Fall, also sowohl hinsichtlich der Ost- als auch der Westanrechte nur in eine Richtung geht (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 2 VAÜG Rn. 4). Auch dann findet aber keine Saldierung der ungleichen Anrechte, sondern ein sogenannter "In-Sich-Ausgleich" statt (Hahne, a.a.O. Rn. 5). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG sind ersichtlich nicht erfüllt.

b)

Die Rechtsfolge in § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG, das Verfahren auf Versorgungsausgleich entsprechend § 628 Abs. 1 ZPO auszusetzen, ist grundsätzlich zwingend. Im vorliegenden Fall ist eine Aussetzung auch nicht aufgrund der Vereinbarung der Parteien in dem gerichtlichen Vergleich vom 19.12.2007 ausnahmsweise entbehrlich bzw. die Durchführung des Versorgungsausgleich möglich.

Vereinbarungen über die Behandlung von nichtangleichungsdynamischen und angleichungsdynamischen Anrechten sind nur unter den Voraussetzungen von § 1587 o BGB zulässig und im Rahmen von § 2 VAÜG zu beachten. Diese Voraussetzungen liegen allerdings im vorliegenden Fall nicht vor.

Zwar ist die Vereinbarung formell nicht zu beanstanden. Die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs ersetzt die notarielle Beurkundung (§ 1587 o Abs. 2 S. 1 und 2 i. V. m. § 127 a BGB). Auch sind beide Ehegatten jeweils von einem zugelassenen Rechtsanwalt beraten und vertreten worden (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2001 - XII ZB 38/97 -, FÜR 2002, 84, juris Rn. 11). Der Umstand, dass das Familiengericht die Vereinbarung nicht ausdrücklich gemäß §§ 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB, 53 d FGG genehmigt hat, dürfte nicht von Bedeutung sein. Entsprechend dem vorgenannten Beschluss des Bundesgerichtshofes (a.a.O. Rn. 12) ist von einer stillschweigenden Genehmigung der Vereinbarung durch das Familiengericht auszugehen. Dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2007 ist zu entnehmen, dass die Konsequenzen des Versorgungsausgleichs und andere Lösungsmöglichkeiten erörtert worden sind. Nach entsprechender Beratung durch die jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten haben die Parteien sodann die Vereinbarung zum Versorgungsausgleich geschlossen und als gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen. In dem aufgrund dieser mündlichen Verhandlung verkündeten Urteil hat das Familiengericht ausdrücklich auf die Vereinbarung Bezug genommen und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Ebenso wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat das Familiengericht auch hier die protokollierte Vereinbarung stillschweigend genehmigt.

Der Senat folgt nicht den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bamberg (FamRZ 2000, 291 f.) und Brandenburg (FamRZ 1998, 1442 f.), die offenbar generell Vereinbarungen der Parteien zur Behandlung von nichtangleichungs- und angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften als unzulässig und nicht genehmigungsfähig ansehen. Allerdings sind solche Vereinbarungen nur dann und insoweit zulässig, als nichtangleichungsdynamische Anrechte (West) des Ausgleichsberechtigten wie angleichungsdynamische Anrechte (Ost) behandelt werden sollen (so der Leitsatz im Beschluss des BGH vom 05.09.2001 - XII ZB 28/97 -, FamRZ 01, 1701 ff. = NJW-RR 02, 290 f.; Kemnade, FamRZ 1998, 1443). Demgegenüber haben die Parteien im vorliegenden Fall vereinbart, dass die angleichungsdynamischen (Ost-)Anwartschaften wie nichtangleichungsdynamische (West-)Anwartschaften behandelt werden sollen. Dies entspricht zwar dem Orientierungssatz der anderen BGH-Entscheidung vom 05.09.2001 (XII ZB 38/97), wie er in Juris veröffentlicht ist. Aus der in den Gründen dieser Entscheidung zitierten Vereinbarung ergibt sich aber gerade umgekehrt, dass die Parteien die Behandlung der nichtangleichungsdynamischen (West-)Anrechte wie angleichungsdynamische (Ost-)Anrechte vereinbart hatten (Juris, Rn. 4). Nur in einem solchen Fall, in dem das niedriger bewertete West-Anrecht wie ein höher bewertetes Ost-Anrecht behandelt wird, ergibt sich nämlich ein Ausgleichssaldo zu Lasten des Ausgleichsberechtigten, dem das Verbot in § 1587 o Abs. 1 S. 2 BGB nicht entgegensteht (vgl. Hahne a.a.O. Rn. 6).

Im vorliegenden Fall hat zwar die Antragsgegnerin, die hinsichtlich der (angleichungsdynamischen) Ostrente ausgleichungspflichtig wäre, durch die Gleichbehandlung auf die Höherbewertung verzichtet. Damit wird auch im (Teil-)Ergebnis bei Saldierung allein der Ostrenten ein geringerer Betrag erzielt. Dieser geringere Betrag ist aber im Rahmen des (Gesamt-)Ausgleiches mit dem wesentlich höheren Westrentensaldo zu Lasten der insgesamt ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin abzuziehen. Die Ausgleichsberechtigte erhält somit aufgrund der Vereinbarung, beide Renten gleichwertig zu behandeln, mehr als bei einem Ausgleich nach Angleichung der Ostrente, also bei Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Angleichung. Bei Höherbewertung des Saldo aus dem Ostrentenausgleich müsste nämlich auch ein höherer Betrag vom Westrentensaldo subtrahiert werden, so dass der Endbetrag geringer würde. Diese Besserstellung der Ausgleichsberechtigten ergibt mittelbar eine Ausdehnung des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Ausgleichspflichtigen, was unzulässig ist (vgl. BGH - XII ZB 38/97 -, juris Rn. 16; FamRZ 01, 1701, 1703 = juris Rn. 18; Hahne, a.a.O. § 1587 o BGB Rn. 16).

Durch die Vereinbarung würden also mehr Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen als dies bei Vornahme der Angleichung der Fall wäre. Damit ist die Vereinbarung gemäß §§ 134, 1587 o Abs. 1 s. 2 BGB nichtig.

c)

Damit bleibt es bei der Regelung in § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG, dass nämlich das Verfahren auf Versorgungsausgleich auszusetzen ist. Entsprechend § 628 Abs. 1 Nr. 1 ZPO war das Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs aus dem Verbund (§ 623 ZPO) abzutrennen. Dieses Verfahren bleibt beim Amtsgericht anhängig. Sein Fortgang richtet sich nach § 2 Abs. 3 VAÜG. Dabei kann dann geprüft werden, ob hier nicht die Tabelle 2 (statt 1) der BarwertVO angewandt werden muss (was angesichts der Auskunft Bl. 12, 13 VA-Heft nahe liegt.

Der Senat hat es für sachdienlich angesehen, diese Wirkungen selbst auszusprechen und das Verfahren nicht zu diesem Zweck an das Amtsgericht zurückzuverweisen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 903, 904 und FamRZ 2000, 1155 f. = Juris Rn. 18; Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl. 2008, § 2 VAÜG Anh. II zu § 1587 b, Rn. 12; ebenso OLG Köln, Beschluss vom 03.03.2008 - 27 UF 211/07 -). Eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht, damit dieses selbst die Aussetzung vornehmen kann (vgl. OLG Köln, FamRZ 1994, 1041; OLG Nürnberg FamRZ 1995, 1362 f.; OLG Bamberg, FamRZ 2000, 291 , 292 = juris Rn 20; Hahne, a.a.O. § 2 VAÜG Rn. 1 aE; MK-BGB/Sander, 4. Aufl. 2000, § 2 VAÜG Rn. 12) erscheint wenig zweckdienlich.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 21 Abs. 1 S. 1 GKG. Im übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 93 a Abs. 1 Satz 1 HS 2 ZPO.

Beschwerdewert: 1.000,00 Euro.

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