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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.06.2003
Aktenzeichen: 4 UF 233/02
Rechtsgebiete: RegelbetragsVO, BGB, ZPO


Vorschriften:

RegelbetragsVO § 1
BGB § 119
BGB § 123
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 3
BGB § 1603 Abs. 1
ZPO § 290
ZPO § 323
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UF 233/02

Anlage zum Protokoll vom 17. Juni 2003

Verkündet am 17. Juni 2003

In der Familiensache

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers, die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer und den Richter am Oberlandesgericht Pamp

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das als Teil-Anerkenntnisurteil bezeichnete Teil-Anerkenntnis- und Schlußurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 17. September 2002 (31 F 65/02) wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung und die Anschlußberufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die gemeinsame Tochter K, geboren am xxxx 1987, und für den gemeinsamen Sohn N, geboren am xxxx 1991, rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis einschließlich 30. September 2002 in Höhe von insgesamt 450,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 50,00 € seit dem 3. Januar, 3. Februar, 3. März, 3. April, 3. Mai, 3. Juni, 3. Juli, 3. August und 3. September 2002 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab dem 1. Oktober 2002

- für die gemeinsame Tochter K, geboren am xxxx 1987, im voraus bis zum Dritten eines jeden Monats Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelunterhaltsbetrages gemäß § 1 der RegelbetragsVO nach der dritten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, derzeit monatlich 269,00 €,

- für den gemeinsamen Sohn N, geboren am xxxx 1991, im voraus bis zum Dritten eines jeden Monats Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelunterhaltsbetrages gemäß § 1 der RegelbetragsVO nach der zweiten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, derzeit monatlich 228,00 €, und ab dem 1. September 2003 nach der dritten Altersstufe,

nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 497,00 € seit dem 3. Oktober 2002, 3. November 2002, 3. Dezember 2002, 3. Januar 2003, 3. Februar 2003 und 3. März 2003 zu zahlen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 46 % und der Beklagten zu 54 % auferlegt.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Von den wechselseitigen Rechtsmitteln der Parteien haben nur die Berufung sowie die Anschlußberufung des Klägers nach den zuletzt im Senatstermin gestellten - eingeschränkten - Anträgen Erfolg, während die Berufung der Beklagten erfolglos bleiben muß.

I. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Wirkungen ihres erstinstanzlichen Teil-Anerkenntnisses beseitigen und die vollständige Abweisung der Klage erreichen möchte, ist unbegründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, ab dem 1. Oktober 2002 für die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien Kindesunterhalt in Höhe der jeweiligen Regelbeträge nach § 1 der RegelbetragsVO - insgesamt also derzeit (269,00 € + 228,00 € =) 497,00 € monatlich - zu zahlen. Im Umfang dieser Unterhaltsverpflichtung ist die Beklagte leistungsfähig.

1. Widerruf des Teil-Anerkenntnisses der Beklagten

Dem Erfolg ihrer Berufung steht allerdings nicht schon das Teil-Anerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2002 vor dem Amtsgericht, mit dem sie den Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt (Mindestunterhalt) in Höhe von 100 % des Regelbetrages nach § 1 der RegelbetragsVO in Höhe von 269,00 € bzw. 228,00 € für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 anerkannt hat, entgegen. Denn dieses Teil-Anerkenntnis hat die Beklagte mit der Berufung wirksam widerrufen. Sie ist deshalb an ihre Prozeßerklärung nicht mehr gebunden.

Zwar ist ein in erster Instanz erklärtes prozessuales Anerkenntnis (§ 307 ZPO) grundsätzlich bindend und kann daher weder wegen Irrtums erfolgreich nach §§ 119, 123 BGB angefochten noch analog § 290 ZPO wirksam widerrufen werden, wenn der Anerkennende die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse falsch eingeschätzt hat (vgl. grundlegend BGHZ 80, 389, 391 ff.; s. auch OLG Bamberg NJW-RR 1993, 1219, 1221; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. Vor § 306 Rdn. 6 m. weit. Nachw.). Der Widerruf ist aber dann möglich, wenn und soweit ein Restitutionsgrund vorliegt, aufgrund dessen das Urteil mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte, oder wenn bei einem Anerkenntnis, das laufende Unterhaltszahlungen betrifft, ein Abänderungsgrund im Sinne des § 323 ZPO vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen kann der Widerruf auch noch mit der Berufung gegen das auf dem Anerkenntnis beruhende Urteil geltend gemacht werden (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1998, 915, 916; Zöller/Vollkommer aaO).

Die Voraussetzungen für den Widerruf des Teil-Anerkenntnisses entsprechend § 323 ZPO liegen im Streitfall vor, weil die für das Anerkenntnis maßgeblichen Umstände sich wesentlich geändert haben und die Beklagte diese Änderung nicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend machen konnte (vgl. OLG Koblenz aaO).

Den Anlaß für das erstinstanzlich abgegebene Teil-Anerkenntnis hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 (Bl. 32 ff. GA) dargestellt. Danach beabsichtigte sie, zum 1. Oktober 2002 zu ihrem Lebensgefährten nach Niedersachsen umzuziehen und sie hatte dort "zu 99%" eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zum 15. Oktober 2002 in Aussicht, aufgrund deren sie zur Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Kindesunterhalts leistungsfähig gewesen wäre (Bl. 33 GA). Nach ihrer schriftsätzlichen Darstellung in der Berufungsinstanz, ist es nicht zu dem Umzug nach Niedersachsen gekommen, weil ihr Lebensgefährte sich im August 2002 (Bl. 136 GA) - also nach der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht - von ihr getrennt hat. Soweit die Beklagte im Senatstermin ihren bisherigen Vortrag noch vertieft bzw. ergänzt und hierbei angegeben hat, sich zunächst bereits am 24. Mai 2002 mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Zeugen T, überworfen, sodann aber noch vor dem amtsgerichtlichen Termin am 9. Juli 2002 mit ihm überein gekommen zu sein, daß man es noch einmal zusammen "versuchen" wolle, ergibt sich hieraus keine erhebliche Abweichung von der bisherigen Sachdarstellung.

Das Scheitern der Umzugspläne und der hieran geknüpften beruflichen Veränderung stellt eine wesentliche Veränderung im Sinne des § 323 ZPO dar, die die Beklagte zum Widerruf ihres Teil-Anerkenntnisses berechtigt. Zwar genügt es für die Anwendung von § 323 ZPO nicht, daß eine dem Anerkenntnis bzw. dem hierauf gestützten Urteil zugrunde liegende Prognose der künftigen Verhältnisse aus nachträglicher Sicht anders zu treffen wäre (vgl. BGHZ 80, 389, 397; Zöller/Vollkommer aaO § 323 Rdn. 34). Vielmehr müssen die dem Anerkenntnis zugrunde gelegten künftigen Verhältnisse tatsächlich anders eingetreten sein als angenommen; daß mit einer Änderung - lediglich - zu rechnen ist, reicht demgegenüber nicht aus (vgl. BGHZ 80, 389, 397 f.) Um den Fall einer bloßen Veränderung der Prognosegrundlagen geht es jedoch vorliegend nicht. Die Beklagte will nicht ihre ursprüngliche Prognose durch eine veränderte anderweitige Einschätzung ersetzen, sondern die Umstände, auf denen ihre Prognose beruhte, sind (endgültig) nicht eingetreten. Dann aber ist - nicht anders als etwa bei einer erst nach Erlaß des Anerkenntnisurteils erfolgenden Änderung der Steuerklasse, durch die die Grundlage der dem Anerkenntnis zugrunde liegenden Einschätzung des zur Verfügung stehenden Einkommens und damit der Leistungsfähigkeit wesentlich verändert wird (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1998, 915, 916) - der Widerruf des Anerkenntnisses möglich.

Soweit die Berufungserwiderung dem Widerruf des Teil-Anerkenntnisses entgegenhält, die beabsichtigte Wohnsitzverlegung sei eine "neue Prozeßbehauptung" und den Lebensgefährten habe die Beklagte bisher verschwiegen, gehen diese Einwände offensichtlich fehl. Daß die Beklagte einen neuen Partner hatte, hatte der Kläger bereits mit der Klageschrift vom 28. Februar 2002 selbst vorgetragen; bei vernünftiger Würdigung des Prozeßvortrags kann auch kein Zweifel bestehen, daß damit noch nicht der neue - weitere - Partner gemeint sein konnte, mit dem die Beklagte nunmehr, nach dem Scheitern der Beziehung zum Zeugen T, in X zusammenlebt. Schließlich kann die in erster Instanz von der Beklagten ausdrücklich als Grundlage ihres Teil-Anerkenntnisses vorgetragene Wohnsitzverlegung nach Niedersachen schlechterdings nicht als neue Behauptung im Berufungsverfahren qualifiziert werden. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erhebung der von der Beklagten angetretenen Beweise zum beabsichtigten Wohnsitzwechsel nach Niedersachsen nebst angestrebter beruflicher Veränderung. Es kann darüber hinaus auf sich beruhen, wie sicher oder unsicher die damalige Prognose der Beklagten war. Zwar liegt die Annahme fern, die - anwaltlich vertretene - Beklagte habe auf noch völlig ungefestigter Tatsachengrundlage gleichwohl bereits die Klageforderung für die Zukunft anerkannt. Selbst wenn dem aber so gewesen sein sollte, hindert das den Widerruf des Anerkenntnisses nicht, weil die Prognose sich nicht verwirklicht hat. Begründete Anhaltspunkte dafür, daß die Aussicht, beruflich und privat nach Niedersachsen zu wechseln, damals überhaupt nicht bestand, das Anerkenntnis also völlig unabhängig von einer bestimmten Zukunftsentwicklung abgegeben wurde (und deshalb auch nicht mit Rücksicht auf den Nichteintritt bestimmter Umstände widerrufen werden kann), haben sich nicht ergeben; dem steht im übrigen auch schon der eindeutige erstinstanzliche Vortrag der Beklagten zu der von ihr beabsichtigten Veränderung entgegen.

2. Leistungsfähigkeit der Beklagten

Im Ergebnis hilft der - wirksame - Widerruf des Teil-Anerkenntnisses der Beklagten indes nicht weiter, weil sie nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 als hinreichend leistungsfähig zur Erbringung des Mindestunterhalts für beide Kinder in Höhe von derzeit insgesamt 497,00 € angesehen werden muß.

a) Tatsächliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit

Die Beklagte, die über abgeschlossene Ausbildungen als Malerin und Lackiererin sowie als Apothekenhelferin verfügt, in den erlernten Berufen allerdings nicht gearbeitet hat, ist - ohne entsprechende Ausbildung - seit 1996 als Arzthelferin mit eingeschränktem Aufgabenbereich in der (Labor-) Praxis Dr. I in L2-S auf der Basis von 24 Wochenstunden tätig. Hieraus erzielte sie im Jahre 2002 - unter Einschluß der Fahrgelderstattung in Höhe von 153,39 €/Monat - monatsdurchschnittliche Einkünfte in Höhe von 871,90 €. Im Jahre 2003 beläuft sich ihr Monatsverdienst ausweislich der im Prozeßkostenhilfeverfahren vorgelegten Gehaltsabrechnung für Januar 2003 (Bl. 7 des PKH-Hefts der Beklagten), der gleichermaßen Bedeutung für das Hauptsacheverfahren zukommt, auf 868,22 €. Aus der Gehaltsabrechnung für Dezember 2001 (Bl. 23 GA) ergibt sich dabei, daß die Beklagte, wie sie geltend macht (Bl. 33 GA), nur ein monatliches Festgehalt zzgl. Fahrgelderstattung und keine Sonderzuwendung, insbesondere kein 13. Monatsgehalt erhält.

b) berufsbedingte Fahrtkosten

Das monatliche Nettoeinkommen der Beklagten von - rund - 870,00 € ist um berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe von maximal (2 x 18 km x 220 Arbeitstage x 0,21 € : 12 =) 138,60 € zu bereinigen. Soweit die Beklagte, die sich auch nach ihrem im Dezember 2002 erfolgten Umzug nach X als Weg zur Arbeitsstelle weiterhin nur die Fahrtstrecke C - L2-S anrechnen läßt, für die einfache Strecke 25 km veranschlagt, kann dem nicht gefolgt werden; vielmehr sind aufgrund der gerichtsbekannten Entfernungsverhältnisse nicht mehr als 18 km zugrunde zu legen.

Auf dieser Grundlage verbleibt ein bereinigtes Nettoeinkommen von (870,00 € - 138,60 € =) 731,40 €, das unterhalb des - notwendigen - Selbstbehalts liegt, der im hier maßgeblichen Zeitraum 840,00 € beträgt. Das gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß die Beklagte seit ihrem Umzug nach X im Dezember 2002 ihre Arbeitstätigkeit in der Praxis Dr. I auf nur noch vier Arbeitstage wöchentlich verteilt hat, die zuvor errechneten monatlichen Fahrtkosten also nur noch in Höhe von 4/5, d. h. von 110,88 € anfallen, und darüber hinaus auch die Verteilung der 24 Wochen-Arbeitsstunden auf drei Tage à acht Stunden zumutbar erscheint, wodurch sich die Fahrtkosten auf (3/5 von 138,60 € =) 83,16 € reduzieren ließen.

c) Kreditrate Pkw-Kredit

Vom insoweit bereinigten Erwerbseinkommen der Beklagten kann allerdings nicht auch noch die Monatsrate für den unstreitig aus der Zeit des Zusammenlebens der Parteien herrührenden Pkw-Kredit von 153,39 € abgesetzt werden. Werden - wie hier - berufsbedingte Fahrtkosten in Form der Kilometerpauschale geltend gemacht bzw. vom Einkommen abgesetzt, kann eine Kreditrate für das Fahrzeug daneben nicht zusätzlich einkommensmindernd Berücksichtigung finden; denn der Finanzierungsaufwand für den Pkw ist in der Pauschale bereits enthalten (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 8. Aufl. Rdn. 935 f.).

d) Nebentätigkeit der Beklagten

Wie die Beklagte im Verlaufe des Senatstermins mitgeteilt hat, ist sie seit Februar 2003 neben ihrer Tätigkeit in der Praxis Dr. I auf Geringverdienerbasis in einer Imbißstube tätig. Der Stundenlohn dort beträgt 6,20 €/netto, der erzielbare monatliche Höchstbetrag beläuft sich auf 400,00 €/netto.

Rechnet man diesen Betrag dem aus der Labortätigkeit erzielten Einkommen von rund 870,00 € hinzu, ergibt sich ein erzielbares Nettoeinkommen von 1.270,00 €, das sich - um Fahrtkosten auf der Basis von fünf, vier oder drei Wochen-Arbeitstagen in L2-S bereinigt - auf (1.270,00 € - 138,60 € =) 1.131,40 € bzw. auf (1.270,00 € - 110,88 € =) 1.159,12 € bzw. auf (1.270,00 € - 83,16 € =) 1.186,84 € beläuft und damit um maximal 346,84 € über dem notwendigen Selbstbehalt von 840,00 € liegt. Allein auf dieser Grundlage kann die Beklagte den Mindestunterhalt der beiden Kinder von 497,00 € daher nicht sicherstellen.

d) Fiktive Einkünfte

Darauf kommt es indes nicht entscheidend an. Denn die Beklagte ist ihren minderjährigen Kindern gegenüber nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig. Ihr obliegt es daher, alle verfügbaren Mittel - insbesondere in Bezug auf die Ausnutzung der Arbeitskraft - heranzuziehen, um den Kindesunterhalt sicherzustellen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB 62. Aufl. § 1603 Rdn. 57 ff.; Kalthoener/Büttner/Niepmann aaO Rdn. 147a). Dabei ist - im Rahmen des Zumutbaren sowie unter Wahrung insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. zuletzt BVerfG FamRZ 2003, 661, 662) - über einen vollschichtigen Arbeitseinsatz hinaus ggfls. auch Mehrarbeit durch die Aufnahme einer Nebentätigkeit geboten. Daß ihr hierdurch die Erzielung monatlicher Nettoeinkünfte von bis zu rund 1.500,00 €, auf deren Grundlage sie unter Veranschlagung berufsbedingter Fahrtkosten in Höhe von bis zu rund 163,00 €/Monat sowie unter Wahrung des notwendigen Selbstbehalts von 840,00 € den Mindestunterhalt für ihre Kinder leisten könnte (840,00 € + 497,00 € = 1.337,00 € + 163,00 € = 1.500,00 €), unmöglich ist, hat die für ihre Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweispflichtigte Beklagte nicht hinreichend dargetan. Ihr ist daher ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500,00 € für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 fiktiv zuzurechnen:

Die Beklagte erzielt, wie dargestellt, aus der Tätigkeit im Labor Dr. I netto 870,00 € monatlich und kann aus der im Februar 2003 aufgenommenen zusätzlichen Tätigkeit in einer Imbißstube netto 400,00 € monatlich, insgesamt also netto 1.270,00 €/Monat erzielen. Dem Monatsverdienst in der Imbißstube liegt, den Angaben der Beklagten im Senatstermin zufolge, ein Stundenlohn von 6,20 € netto zugrunde. Das entspricht einem Arbeitseinsatz von (400,00 € : 6,20 € : 4,3 =) 15 Stunden wöchentlich. Zusammen mit der Tätigkeit im Labor Dr. I ergibt sich somit eine Arbeitszeit von insgesamt (24 + 15 =) 39 Wochenstunden, die knapp unter einer vollschichtigen Tätigkeit liegt. Der Fehlbetrag zwischen dem fiktiven Einkommen von 1.500,00 € und dem tatsächlich erzielten von 1.270,00 € beläuft sich auf 230,00 €. Er entspricht damit, legt man auch insoweit den für Arbeitsverhältnisse im Geringverdienerbereich im Allgemeinen nicht unüblichen Stundenlohn von 6,20 € zugrunde, einem Arbeitseinsatz von weiteren (230,00 € : 6,20 € : 4,3 =) gut acht Wochenstunden, d. h. von etwas mehr als eineinhalb Stunden täglich, bezogen auf eine Arbeitszeit von montags bis freitags. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nichts, weshalb es ausgeschlossen sein sollte, sei es durch Aufnahme einer weiteren Nebentätigkeit - etwa in den frühen Morgenstunden (z. B. Zeitung austragen) oder in den Abendstunden (kleinere Putztätigkeit) - neben den Anstellungsverhältnissen im Labor und in der Imbißstube, sei es durch Aufnahme einer neuen, ausgedehnteren Nebenbeschäftigung anstelle der Tätigkeit in der Imbißstube, diesen zusätzlichen Arbeitseinsatz zu erbringen. Soweit damit Zugeständnisse bei den Arbeitsmodalitäten verbunden sind, muß die Beklagte als gesteigert Unterhaltspflichtige hierzu bereit sein (vgl. Palandt/Diederichsen aaO Rdn. 58), zumal die vom Senat erwogene Verteilung der zusätzlichen Arbeitsleistung auf die Wochentage Montag bis Freitag das gesamte Wochenende unberührt läßt, so daß beispielsweise noch hinreichend Freiräume für Umgangskontakte mit den beim Kläger lebenden Kindern verbleiben (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG aaO 662). Nichts spricht ferner dafür, daß der Beklagten eine Aufstockung der Arbeitstätigkeit in der hier erörterten Weise nicht bereits ab dem 1. Oktober 2002 möglich und zumutbar war. Denn dieses Datum liegt immerhin ein Jahr nach dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger Kindesunterhalt geltend gemacht hat, so daß hinreichend Zeit für die Suche nach Aufstockungsmöglichkeiten bestand.

Letztlich kann die Frage, ob die Beklagte durch eine Nebentätigkeit oder mehrere solcher Tätigkeiten zusätzlich zur fortbestehenden Beschäftigung im Labor Dr. I ein insgesamt den Mindestunterhalt der Kinder sicherndes Einkommen erzielen konnte, sogar auf sich beruhen:

Selbst wenn nämlich zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, daß - wie sie behauptet, der Kläger aber bestreitet - im Labor Dr. I eine Aufstockung auf eine Vollzeitstelle ausgeschlossen ist, hat die Beklagte jedenfalls nicht hinreichend dargetan, daß ein Netto-Einkommen von rund 1.500,00 € auch nicht aus einer anderweitigen Vollzeit-Stelle erzielbar ist. Um eine solche, den Minderjährigenunterhalt sichernde vollschichtige Stelle mußte die Beklagte sich ungeachtet dessen bemühen, daß sie bei Frau Dr. I - gemessen daran, daß sie über keine Ausbildung als Arzthelferin verfügt - ein verhältnismäßig gutes Gehalt bezieht.

Daß es für die Beklagte von vorneherein ausgeschlossen war und ist, eine Vollzeit-Anstellung mit einem Nettogehalt von 1.500,00 € monatlich zu finden, ist nicht ersichtlich. Hiergegen spricht schon der Umstand, daß ihr bei dem ursprünglich geplanten Umzug nach Niedersachen dort eine solche Beschäftigung offen gestanden hätte. Daß die betreffende Arbeitsstelle als solche durch den persönlichen Kontakt zwischen ihrem damaligen Lebensgefährten und dem vorgesehenen Arbeitgeber vermittelt wurde, besagt nicht, daß auch die Höhe des Gehalts nur auf diesen Kontakten, insbesondere also auf einer Art "Gefälligkeit" beruhte und bei einem anderen Arbeitgeber für die in Rede stehende Art der Tätigkeit nicht erzielbar wäre. Es ist zudem nicht ersichtlich, daß es sich bei derartigen Arbeitsplätzen um "Ringeltauben" handelt. So sind dem Senat aus anderen Unterhaltsprozessen beispielsweise Vollzeit-Arbeitsplätze in der Lebensmittelbranche im hiesigen Raum bekannt, bei denen selbst für ungelernte Kräfte - in Akkordarbeit - Nettolöhne von 1.500,00 € erzielbar sind und bei denen auch immer wieder Einstellungsbedarf besteht.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, daß sie heute in einem ungelernten Beruf tätig sei und sie in ihren erlernten Berufen nie bzw. nicht längerfristig gearbeitet habe. Immerhin verfügt die Beklagte über zwei abgeschlossene Berufsausbildungen. Sie muß sich daher als gesteigert Unterhaltspflichtige bemühen, diese vorhandenen Qualifikationen auch einzusetzen. Soweit sie - was etwa EDV-Kenntnisse angeht - hier mittlerweile fachliche Defizite aufweist, obliegt es ihr, diese durch Fortbildungsmaßnahmen oder auf sonstige geeignete Weise auszugleichen. Daß ihr das - für die hier (erst) betroffene Zeit ab dem 1. Oktober 2002 - nicht möglich bzw. selbst bei gehörigen Fortbildungsbemühungen kein den Kindesunterhalt sichernder Arbeitsplatz zu finden gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden. Das gilt allein schon deshalb, weil die Beklagte Bewerbungsbemühungen sowohl in numerischer Hinsicht als auch in Bezug auf den Zeitpunkt, ab dem diese Bemühungen belegt sind, ohnehin nur unzureichend dargetan hat.

e) Höhe des Selbstbehalts

Auf Seiten der Beklagten kann auch - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - nicht vom angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB), sondern lediglich vom darunter liegenden notwendigen Selbstbehalt ausgegangen werden.

Ein Fall des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift tritt die Verpflichtung, gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Unterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder auch Mittel zu verwenden, die der Elternteil für den eigenen angemessenen Unterhalt benötigt, nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Das kann auch der andere Elternteil sein, sofern er gemäß § 1603 Abs. 1 BGB leistungsfähig ist (vgl. BGH FamRZ 1991, 182). Zwar erfüllt der Elternteil, der - wie hier der Kläger - die minderjährigen Kinder betreut, durch deren Pflege und Erziehung seine Unterhaltspflicht regelmäßig in vollem Umfang (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) und er ist, auch wenn er über eigenes Einkommen verfügt, daneben grundsätzlich nicht zum Barunterhalt verpflichtet. Hat indessen der andere Ehegatte, vorliegend also die Beklagte, nur wesentlich geringere Einkünfte, so daß seine Inanspruchnahme zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen würde, kann ungeachtet der in der Regel anzunehmenden Gleichwertigkeit von Betreuungs- und Barunterhalt eine andere Regelung und damit eine - ggfls. auch nur teilweise - Barunterhaltspflicht des Betreuenden in Betracht kommen (h. M., vgl. BGH FamRZ 1991, 182; FamRZ 1998, 286; zuletzt FamRZ 2002, 742 m. Anm. Büttner 743; Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 2 Rdn. 274, 287, 289; Kalthoener/Büttner/Niepmann aaO Rdn. 899, 926; s. auch Nr. 14a) der Kölner Unterhaltsleitlinien, Stand 1. Januar 2002).

Wann ein solches erhebliches Ungleichgewicht - das das Amtsgericht vorliegend angenommen, hierzu aber keine näheren Feststellungen getroffen hat - anzunehmen ist, ist umstritten. Jedenfalls dann, wenn das Einkommen des Betreuenden dreimal so hoch ist wie das des anderen Teils, soll eine (anteilige) Barunterhaltspflicht des Betreuenden bestehen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann aaO Rdn. 899 Fn. 909 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1980, 994). Verfügt der Betreuende dagegen nicht mindestens über ein doppelt so hohes Einkommen wie der andere Elternteil, soll für die Annahme eines erheblichen finanziellen Ungleichgewichts kein Raum sein (vgl. Büttner FamRZ 2002, 743).

Gemessen daran scheidet hier eine anteilige Barunterhaltspflicht des Klägers aus:

Ausweislich der Verdienstabrechnung für Dezember 2002 (Bl. 116 GA) verfügte der Kläger im Jahre 2002 über ein monatsdurchschnittliches Nettoeinkommen von 1.963,26 €. Dieser Betrag, der mangels anderweitiger Anhaltspunkte für das Jahr 2003 fortzuschreiben ist, liegt nur unwesentlich über dem von der Beklagten zumutbarerweise erzielbaren und ihr daher fiktiv zuzuschreibenden Einkommen von 1.500,00 €, auf das bei einem Vergleich der Einkünfte beider Parteien richtigerweise abzustellen ist. Dabei sind etwaige Abzüge für berufsbedingte Aufwendungen oder auch einen möglicherweise zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigenden Betreuungsbonus ebenso außer Betracht gelassen.

II. Berufung und Anschlußberufung des Klägers

Die Berufung des Klägers, soweit er sie im Senatstermin vom 6. Mai 2003 noch aufrecht erhalten hat, sowie seine die Verzinsung des geschuldeten Unterhalts (bis einschließlich März 2003) betreffende Anschlußberufung sind begründet.

1. Berufung (rückständiger Unterhalt)

Mit der Berufung macht der Kläger nach entsprechender Beschränkung seines diesbezüglichen Berufungsantrags im Senatstermin lediglich noch rückständigen Unterhalt in Höhe von 450,00 €, d. h. von 9 x 50,00 € für die Monate von Januar bis einschließlich September 2002 geltend.

Mit diesem eingeschränkten Antrag hat die Berufung Erfolg, weil die Beklagte - wie sich im wesentlichen schon aus den Ausführungen zu ihrem eigenen Rechtsmittel ergibt - unterhaltsrechtlich verpflichtet war und es ihr mangels durchgreifender gegenteiliger Anhaltspunkte auch möglich gewesen wäre, jedenfalls ab Januar 2002 außer der Teilzeit-Tätigkeit in der Praxis Dr. I zumindest noch eine solche geringfügige Nebentätigkeit auszuüben, die es ihr gestattete, bei Wahrung des notwendigen Selbstbehalts von 840,00 € monatlich insgesamt 50,00 € Kindesunterhalt zu zahlen. Auf die streitige Frage, ob in der Praxis Dr. I (auch) vor dem 1. Oktober 2002 - wie der Kläger behauptet und die Beklagte bestreitet - die Aufstockung auf eine Vollzeitstelle möglich war, kommt es nach der Beschränkung des Berufungsantrags durch den Kläger für die Entscheidung über dessen Rechtsmittel ebenfalls nicht mehr streitentscheidend an, weil die Beklagte den nunmehr lediglich noch geforderten Unterhaltsbeitrag von monatlich 50,00 € auch auf der Grundlage einer anderweitigen Zusatzbeschäftigung hätte aufbringen können. Es bedurfte daher weder der Parteivernehmung der Beklagten noch der zeugenschaftlichen Vernehmung der Frau Dr. I zu der streitigen Aufstockungsmöglichkeit im Laborbetrieb.

Die Aufnahme eines solchen - geringen - Nebenverdiensts war der Beklagten auch jedenfalls ab Januar 2002 möglich und zumutbar. Da der Kläger, der ursprünglich Kindesunterhalt ab Oktober 2001 begehrt hat, die Beklagte zuvor von entsprechenden Ansprüchen freigestellt hatte, ist ihr eine gewisse Übergangszeit zuzubilligen, in der sie sich auf die neue Situation einrichten konnte und die sie zur Stellensuche hätte nutzen können. Diese Frist ist mit drei Monaten, also bis Ablauf des Jahres 2001, hinreichend bemessen. Die Beklagte war auch unterhaltsrechtlich nicht berechtigt, mit Rücksicht auf die geplante Verlegung ihres Wohnsitzes nach Niedersachen jedwede Aufstockung ihres Arbeitseinsatzes - also selbst die Aufnahme einer kleineren Zusatztätigkeit im Geringverdienerbereich, von der sie sich im Falle eines Umzugs nach Niedersachsen wieder hätte lösen können - zu unterlassen.

2. Anschlußberufung (Zinsforderung)

Die mit der Anschlußberufung geltend gemachte Zinsforderung folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Soweit es um Zinsen auf die Unterhaltsrückstände geht, versteht der Senat die Beschränkung des Rechtsmittelbegehrens des Klägers dahin, daß sie sich auch auf die Rückstände als Grundlage des Zinsanspruchs bezieht. Der Ausspruch zu den Zinsen war freilich, dem Antrag des Klägers entsprechend, auf die Zeit bis einschließlich März 2003 zu beschränken; für die ab April 2003 fällig gewordenen bzw. fällig werdenden Unterhaltsbeträge ist keine Verzinsung geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

1. bis zur mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2003

a) Berufung des Klägers: (12 x [269,00 € + 228,00 € =] 497,00 €) = 5.964,00 €

Soweit mit der Anschlußberufung Zinsen auf den vom Amtsgericht zuerkannten Teil der Hauptforderung geltend gemacht werden, berührt das die Einordnung des Zinsanspruchs als einer für die Bemessung des Streitwerts unbeachtlichen Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO nicht (vgl. Zöller/Herget, ZPO 23 Aufl. § 4 Rdn. 11). Der darüber hinaus - nur für den Fall entsprechender Prozeßkostenhilfegewährung - angekündigte Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von 350,00 € monatlich ab Februar 2003 zu verurteilen, ist vom Kläger im Senatstermin nicht gestellt worden und wirkt sich daher nicht auf den Streitwert aus.

b) Berufung der Beklagten: (12 x 497,00 € für die Zeit ab Oktober 2002) = 5.964,00 €

c) Streitwert insgesamt: 11.928,00 €

2. ab der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2003

a) Berufung des Klägers: 450,00 €

b) Berufung der Beklagten (weiterhin): 5.964,00 €

c) insgesamt: 6.414,00 €

Ende der Entscheidung

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