Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.09.2009
Aktenzeichen: 4 UF 50/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 8
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 9
ZPO § 621 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
ZPO § 628 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 9. Februar 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn - 41 F 336/08 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Familiengericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Berufung der Antragsgegnerin hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als diese zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Familiengericht zurückzuverweisen war.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet unter einem schweren Verfahrensmangel. Denn das Familiengericht hat durch unzulässiges Teilurteil über den Scheidungsantrag und die Folgesache "Versorgungsausgleich" entschieden, ohne auch gleichzeitig über die anhängige Folgesache nachehelicher Unterhalt zu befinden. Das Familiengericht hat weder die Folgesache nachehelicher Unterhalt formal abgetrennt, noch hätten die Abtrennungsvoraussetzungen vorgelegen.

Scheidet aber das Familiengericht eine Ehe, ohne zugleich über eine Folgesache zu entscheiden, so liegt hierin ein schwerer Verfahrensfehler (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 623 Rdn. 2 m.w.N.).

Der wesentliche Verfahrensfehler liegt in dem Verstoß begründet, dass, soweit in Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr. 5 bis 9, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist und von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wird, hierüber gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und, sofern dem Scheidungsantrag stattgegeben wird, zu entscheiden ist (Folgesachen). Dies hat das Familiengericht missachtet.

Neben der Scheidungs- und Versorgungsausgleichssache war des Weiteren die Unterhaltssache auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Form der Stufenklage anhängig. Am 09.02.2009 wurde in nicht-öffentlicher Sitzung die Sache verhandelt. Die anwaltlich vertretene Anwaltsgegnerin hat zum Scheidungsantrag keinen Antrag gestellt. Im Anschluss an die Verhandlung über den Scheidungsantrag des Antragstellers wurde dann der Versorgungsausgleich erörtert und der nacheheliche Unterhalt angesprochen. Nach Erörterung hierzu hat der Familienrichter vorgeschlagen, den zur Zeit gezahlten Trennungsunterhaltsbetrag zu reduzieren auf monatlich 400,00 €, so dass der Antragsteller dann der Antragsgegnerin zusätzlich die Krankenversicherungsbeiträge nach der Scheidung bezahle. Entsprechend diesem Vorschlag ist sodann ein Widerrufsvergleich geschlossen worden. Den Parteien blieb vorbehalten, diesen Vergleich durch schriftliche Anzeige zu den Gerichtsakten innerhalb von vier Wochen zu widerrufen. Nach Abschluss des Widerrufsvergleichs ist mit am 09.02.2009 verkündetem Urteil - 41 F 336/08 AG Bonn - die Ehe geschieden worden. Innerhalb der Widerrufsfrist haben dann beide Parteien den Unterhaltsvergleich widerrufen. Hierauf hat die Antragsgegnerin Berufung mit der Begründung eingelegt, dass die Ehe geschieden worden sei, ohne dass die Verbundsache "Unterhalt" abgetrennt worden sei. Es habe auch von keiner Seite ein Antrag auf Abtrennung vorgelegen. Im Übrigen seien die Voraussetzungen für eine Abtrennung nicht gegeben. Mit ihrer Berufung begehrt die Antragsgegnerin die Zurückverweisung der Sache und Wiederherstellung des Verbundes.

Mit Widerruf des Vergleichs hat sich die rechtliche Situation ergeben, dass das Scheidungsurteil als Teilurteil erlassen worden ist. Der Widerrufsvergleich bedeutet rechtlich, dass der Vergleich Wirksamkeit erst erlangen sollte, wenn bis zu einem bestimmten Termin kein Widerruf erklärt worden war. Es handelt sich insoweit um eine aufschiebende und nicht um eine auflösende Bedingung. Damit war aber mit dem Abschluss des Vergleichs der Verbund Scheidungs- und Versorgungsausgleichssache einerseits und nachehelicher Unterhalt andererseits nicht aufgehoben. Vor Ablauf der Widerrufsfrist durfte daher - soweit das Unterhaltsverfahren nicht abgetrennt worden war - kein Scheidungsurteil ergehen. Denn bei Erlass des vorliegenden Scheidungsurteils konnte noch gar nicht abschließend entschieden werden, ob mit dem Abschluss des Vergleichs die Folgesache "Nachehelicher Unterhalt" aus dem Verbund ausgeschieden war. Erst mit Ablauf der Widerrufsfrist konnte das Familiengericht feststellen, ob der Verbund noch bestand oder mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung (= Wirksamkeit des Vergleichs) aufgelöst war. Damit leidet das erstinstanzliche Verfahren unter einem schweren Verfahrensmangel. Denn das Familiengericht durfte nicht unter "faktischer Abtrennung des Unterhaltsverfahrens" über den Scheidungsantrag entscheiden. Dies gilt umso mehr, als nicht erkennbar ist, dass Abtrennungsvoraussetzungen vorgelegen hätten.

Richtig weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass von den Parteien ein Abtrennungsantrag nicht gestellt worden ist. Der Abschluss des Widerrufsvergleichs im Termin zur mündlichen Verhandlung, auf die das Scheidungsurteil erging, kann auch nicht konkludent als ein solcher Abtrennungsantrag gewertet werden. Dies wird auch von keiner Seite geltend gemacht.

Abtrennungsgründe nach § 628 Nr. 4 ZPO liegen ebenfalls nicht vor.

Der Senat kann auch nicht in der Sache selbst entscheiden. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung zur Höhe und zur Dauer des Unterhaltsanspruchs. Um den Parteien nicht eine Tatsacheninstanz zu nehmen, sieht es der Senat als sachdienlich an, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Da im Berufungsverfahren noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden ist, die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 ZPO offensichtlich nicht vorliegen, ist es auch im Hinblick auf § 93a ZPO angezeigt, die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren dem erstinstanzlichen Urteil vorzubehalten.

Da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, bedurfte es keines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt wie in erster Instanz 18.400,00 €.

Ende der Entscheidung

Zurück