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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 27.11.2001
Aktenzeichen: 4 UF 81/01
Rechtsgebiete: AsylVfG, ZPO


Vorschriften:

AsylVfG § 2 Abs. 1
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 704 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UF 81/01

Anlage zum Protokoll vom 27.11.2001

Verkündet am 27.11.2001

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht Rübsamen, den Richter am Oberlandesgericht Hartlieb sowie den Richter am Landgericht Pamp

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rheinbach vom 15. März 2001 (6 F 411/99) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist unbegründet.

Zu Recht und mit im wesentlichen zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien gemäß Sec. 2 (ii) des Gesetzes über die Auflösung von Moslem-Ehen ("Dissolution of Muslim Marriages Act") vom 17. März 1939 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Indien, S. 52 f.) geschieden. Das Berufungsvorbringen des Antragsgegners rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

1.

Da beide Parteien pakistanische Staatsangehörige sind, bestimmen sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB die allgemeinen Wirkungen der Ehe und damit nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Voraussetzungen der Scheidung nach pakistanischem Recht; eine Anerkennung der Parteien als Asylberechtigte, die über Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention i.V.m. § 2 Abs. 1 AsylVfG zur Anwendung deutschen Sachrechts führen müsste, ist bislang nicht erfolgt. Das staatliche pakistanische Kollisionsrecht, auf das Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB im Sinne einer Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) verweist, gestattet keine unmittelbare Anwendung der für die Parteien als Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat (im Folgenden: Ahmadis) geltenden Vorschriften der "Fikah Ahmadiyya", auf welche der Antragsgegner abhebt. Vielmehr stellt sich nach dem von Art. 14, 17 EGBGB berufenen pakistanischen IPR, wie der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. M. in seinem Gutachten vom 1. Dezember 2000 eingehend dargestellt hat, zunächst die Frage, ob die Parteien Moslems sind oder nicht:

Für Nicht-Moslems gilt nach den insoweit in Pakistan fortgeltenden Regeln des Common Law das Recht der lex fori, hier also deutsches materielles (Scheidungs-) Recht (vgl. insoweit auch Bergmann/Ferid a.a.O., Länderteil Pakistan, S. 24; Weishaupt, StAZ 1998, 264). Sind dagegen die Eheleute Muslime, so gilt der Grundsatz, dass ein Muslim ohne Rücksicht auf seinen Wohnsitz stets islamischem Recht unterliegt. Das damit berufene islamische Recht ist jedoch in erster Linie das staatliche pakistanische Recht, nicht etwa die internen Regeln einer bestimmen Glaubensgemeinschaft. Das Recht einzelner Glaubensrichtungen ist nur dann anzuwenden, wenn die vorzunehmende gestufte Unteranknüpfung (vgl. dazu Bergmann/Ferid a.a.O., Länderteil Pakistan, S. 21 ff.) nicht zur Anwendung des höherrangigen staatlichen Rechts führt. Im Streitfall geht der Antragsgegner im übrigen selbst davon aus, dass pakistanische staatliche Einrichtungen die Glaubensregeln der Ahmadis, die in Pakistan Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind, nicht anwenden würden.

a)

Nach diesen Grundsätzen gilt für die Ehescheidung der Parteien das in Pakistan nach wie vor fortgeltende Gesetz über die Auflösung von Moslem-Ehen vom 17. März 1939. Denn nach pakistanischem IPR sind der Antragsteller und seine Ehefrau als Moslems zu behandeln. Unstreitig sehen sich die Parteien selbst als Moslems an. Zwar gelten die Ahmadis gemäß Art. 260 Abs. 3 der pakistanischen Verfassung von 1973 nicht als Moslems (vgl. Bergmann/Ferid a.a.O., Länderteil Pakistan, S. 19; Weishaupt, StAZ 1997, 387). Zivilrechtliche Akte, insbesondere im Bereich des Familien- und Erbrechts, sind hiervon jedoch bislang nicht berührt. Eheschließungen der Ahmadis, einer aus dem sunnitischen Islam hervorgegangenen Glaubensgemeinschaft, in ihrem religiösen Zentrum in Rabwa - wo auch die Parteien geheiratet haben - nach islamischem Ritus werden bisher vom pakistanischen Staat jedenfalls stillschweigend anerkannt. Die Ahmadis werden dabei stillschweigend dem sunnitischen Recht zugeordnet. Auf sie findet daher - wie der Sachverständige Prof. Dr. M. ebenfalls überzeugend dargelegt hat - nach pakistanischem Rechtsverständnis islamisches Eheschließungsrecht Anwendung (vgl. ebenso Bergmann/Ferid a.a.O., Länderteil Pakistan, S. 19, 23; Weishaupt, StAZ 1997, 387). Nichts spricht dafür, dass dies für das Ehescheidungsrecht anders zu sehen ist.

b)

Ohne Erfolg beanstandet die Berufung, das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich zumindest einige Angehörige der Ahmadis auch von staatlichen Gerichten scheiden lassen und auf diese Scheidungen das staatliche pakistanische Recht für muslimische Ehen angewandt werde. Zwar wird die betreffende Annahme im angefochtenen Urteil insbesondere durch die Ergebnisse der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht getragen. Soweit er sich in seinem Ergänzungsgutachten vom 19. Februar 2001 mit dem erstinstanzlich vorgebrachten Einwand des Antragsgegners auseinandergesetzt hatte, kein staatliches pakistanisches Gericht werde eine Ehe von Ahmadis nach muslimischem Recht scheiden, alle im ersten Gutachten angeführten Urteile beträfen ausschließlich Scheidungen von Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung, hat der Sachverständige Prof. Dr. M. nicht etwa ausgeführt, es gebe Entscheidungen staatlicher pakistanischer Gerichte zu Ehescheidungen von Ahmadis; dies ist auch ansonsten im Verfahren nicht behauptet worden. Maßgebend ist vielmehr allein die - nach pakistanischem Kollisionsrecht vorzunehmende - Entscheidung, ob die Parteien als Moslems zu behandeln sind oder nicht. Es ist deshalb auch ohne Belang, ob Scheidungsurteile staatlicher pakistanischer Gerichte zu Ahmadi-Ehen vorliegen. Die "Fikah Ahmadiyya", auf die der Antragsgegner sich stützt, könnte von einem deutschen Gericht nur herangezogen werden, wenn sie vom staatlichen Recht Pakistans zur Anwendung berufen wäre. Das ist aber nicht der Fall, weil - wie dargelegt - der pakistanische Staat die Ahmadis zivilrechtlich stillschweigend wie sunnitische Moslems behandelt. Kollisionsrechtlich - und darum geht es hier - muss deshalb auf die Parteien das staatliche islamische Recht Pakistans Anwendung finden (vgl. auch ausdrücklich Bergmann/Ferid a.a.O., Länderteil Pakistan, S. 50). Für Moslems ist dies als Einheitsrecht das Gesetz über die Auflösung von Moslem-Ehen vom 17. März 1939.

c)

Entgegen der Ansicht der Berufung setzt die Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. M., der pakistanische Staat erkenne von den Ahmadis in deren religiösem Zentrum Rabwa geschlossene Ehen an, auch nicht voraus, dass die Ehe bei dem zuständigen (staatlichen) Registrierungsbeamten registriert wurde. Davon ist der Sachverständige in seinen gutachtlichen Ausführungen nicht ausgegangen. Ein solches Erfordernis lässt sich auch nicht der zur Verfügung stehenden Literatur entnehmen (vgl. Weishaupt, StAZ 1997, 387). Das Schrifttum weist lediglich darauf hin, dass der pakistanische Staat die Eheschließungen der Ahmadis in ihrem religiösen Zentrum Rabwa stillschweigend anerkenne und "entsprechende Urkunden" beglaubige und legalisiere; daraus folgt nicht, dass die staatliche Anerkennung eine Registrierung vor dem zuständigen staatlichen Registrierungsbeamten voraussetzt.

d)

Dass das Amtsgericht das Gesetz über die Auflösung von Moslem-Ehen vom 17. März 1939 inhaltlich unzutreffend angewandt hat, macht die Berufung nicht geltend (vgl. zu diesem Gesetz insbesondere Bergmann/Ferid a.a.O., Länderteil Pakistan, S. 48 f.). Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Nach Sec. 2 (ii) des Gesetzes hat eine nach muslimischem Recht verheiratete Ehefrau die Möglichkeit, ihre Ehe durch gerichtliche Klage zu beenden, wenn der Ehemann es seit 2 Jahren vernachlässigt oder unterlassen hat, für ihren Unterhalt zu sorgen. Dabei kann schon nach dem Wortlaut der Bestimmung wie auch den unangegriffenen Ausführungen des Sachverständigen kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass bei der Zwei-Jahres-Frist auf die letzten beiden Jahre vor der Scheidung abzustellen ist; darüber, dass der Antragsgegner während dieses Zeitraums nicht zum Unterhalt der Antragstellerin beigetragen hat, besteht kein Streit.

e)

Danach war die Ehe auf den Antrag der Antragstellerin zu scheiden. Auf die weitere Frage, ob die Antragstellerin ihr Scheidungsbegehren gemäß Sec. 2 (xii) des Gesetzes über die Auflösung von Moslem-Ehen vom 17. März 1939 auch auf einen sonstigen für die Auflösung muslimischer Ehen anerkannten Grund - und insoweit insbesondere auf eine sog. "khula"-Scheidung (vgl. dazu Bergmann/Ferid a.a.O., S. 47 f.) - stützen könnte, kommt es nicht an.

2.

Unabhängig davon müsste das Berufungsbegehren aber auch dann erfolglos bleiben, wenn man davon ausginge, dass die Parteien - nach pakistanischem Rechtsverständnis - nicht als Moslems zu behandeln sind. Denn der Senat hat aufgrund des Eindrucks, den er im Verhandlungstermin von den Parteien und ihrem Verhältnis zueinander gewonnen hat, keinen Zweifel, dass nach dem in diesem Falle anwendbaren deutschen Sachrecht ebenfalls die Scheidung auszusprechen wäre, weil die Ehe der Parteien gescheitert ist (§ 1565 Abs. 1 BGB).

3.

Schließlich könnte das Rechtsmittel nicht einmal dann Erfolg haben, wenn man zugunsten des Antragsgegners davon ausginge, dass im Streitfall tatsächlich allein die Bestimmungen der "Fikah Ahmadiyya" - unmittelbar oder mittelbar über Sec. 2 (xii) des Gesetzes über die Auflösung von Moslem-Ehen vom 17. März 1939 - anwendbar wären. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass die "Fikah Ahmadiyya" für die Scheidung durch "khula" keine Regeln enthält, die von den für sunnitische Moslems geltenden allgemeinen Grundsätzen der hanefitischen Rechtsschule abweichen. Insbesondere kann - auch - in Bezug auf die "Fikah Ahmadiyya" nicht davon ausgegangen werden, dass die Scheidung durch "khula" erst ausgesprochen werden darf, wenn die Ehefrau die von ihr geschuldete Gegenleistung erbracht hat; es kann deshalb vorliegend auf sich beruhen, welcher Zeitpunkt (Eheschließung) oder Zeitraum (gesamte Ehedauer) für die Bemessung der Höhe dieser Gegenleistung maßgebend ist. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Angriffe der Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil bzw. die Ausführungen des Sachverständigen gehen fehl:

Die Berufung irrt zunächst, soweit sie meint, der Sachverständige habe sich nicht mit der maßgeblichen Textstelle der "Fikah Ahmadiyya" befasst. Mit der entsprechenden Textzeile - bei der es sich nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Antragsgegners um die letzte Zeile handelte - und dem hierauf bezogenen Vortrag des Antragsgegners hat sich der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten ausführlich auseinandergesetzt. Er ist hierbei mit nachvollziehbarer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dem Satz lasse sich keine zeitliche Vorgabe für die Erbringung der Gegenleistung durch die Ehefrau entnehmen. Die Berufung enthält - außer einem Beharren auf dem bisherigen Standpunkt des Antragsgegners - nichts, was diese sachverständigen Darlegungen entkräften könnte. Das gilt umso mehr, als die Parteien unstreitig bereits durch Urteil der "Dar-ul-Qasaa", des islamischen Gerichts der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat in Frankfurt am Main, vom 4. Juli 1999 nach den Bestimmungen der "Fikah Ahmadiyya" geschieden worden sind, ohne dass das eigene Gericht der Ahamdis hierbei den Scheidungsausspruch für die "khula" von der vorherigen Erbringung einer Gegenleistung durch die Antragstellerin abhängig gemacht hätte. Der Vortrag des Antragsgegners enthält keine nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb ein deutsches staatliches Gericht in Anwendung der Bestimmungen der "Fikah Ahmadiyya" zu einem hiervon abweichenden Ergebnis kommen sollte. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob das Urteil der "Dar-ul-Qasaa" zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen ist, kommt es letztlich nicht an, weil die von dieser Institution durchgeführten Scheidungen der Ahmadis aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 17 Abs. 2 EGBGB ohnehin nicht anerkannt werden können (vgl. Weishaupt, StAZ 1997, 387). Es bedarf daher insbesondere auch keiner Entscheidung der Frage, ob eine Regelung, wie sie der Antragsgegner als Inhalt der "Fikah Ahmadiyya" behauptet, wonach nämlich der Scheidungsausspruch davon abhängen soll, dass die Ehefrau zunächst alle während der gesamten Ehedauer empfangenen Leistungen zurückzahlt, überhaupt mit dem hiesigen ordre public (Art. 6 EGBGB) vereinbar wäre.

4.

Die Ausführungen des Antragsgegners in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz vom 16. November 2001 geben dem Senat keine Veranlassung zu einer abweichenden Betrachtung. Dass es - worauf der Antragsgegner hinweisen lässt - auch nach staatlichem pakistanischem Recht eine Scheidung nach "khula" gibt, war bereits Gegenstand des Rechtsstreits und auch der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Einholung des Sachverständigengutachtens. Dass nach den Regeln über die "khula" die Scheidung nur ausgesprochen werden kann, wenn die Ehefrau zunächst alle während der Ehezeit empfangenen Leistungen zurückerstattet, lässt sich indes - wie dargelegt - gerade nicht als Inhalt des pakistanischen Rechts feststellen. Im übrigen kommt es hierauf aber auch gar nicht an, weil die Ehescheidung schon aus anderem Grunde auszusprechen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 704 Abs. 2, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 4.000,00 DM.



Ende der Entscheidung

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