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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.08.2007
Aktenzeichen: 4 UF 99/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 621 e
BGB § 1587 c Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1.Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Urteilsausspruch zu Ziff. 2. des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 24.04.2007 - 45 F 316/05 - zum Versorgungsausgleich wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

2.Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Die gem. § 621 e ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte -befristete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien dergestalt durchgeführt, dass zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin bei der Bundesstadt C (Personalnummer xxx) auf dem Versicherungskonto Nr. ####1 des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland Rentenanwartschaften von monatlich 162,37 € bezogen auf den 30.11.2005, begründet werden und der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte umzurechnen ist.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Antragstellerin greifen im Ergebnis nicht durch. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Anspruch des Antragsgegners auf Durchführung des Versorgungsausgleiches nicht gem. § 1587 c Nr. 3 BGB verwirkt. Nach Auffassung des Senates kann dem Antragsgegner nämlich nicht vorgeworfen werden, dass er während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.

Die Antragstellerin wirft dem Antragsgegner im Wesentlichen vor, dass er während des Zusammenlebens einer selbstständigen Tätigkeit als Elektriker nachgegangen ist, ohne hieraus genügend Einkünfte erzielt zu haben, um den Familienunterhalt sicher zu stellen. Der Senat verkennt nicht, dass ein solcher Vorwurf durchaus zur Verwirkung eines Anspruchs auf Durchführung des Versorgungsausgleiches führen kann. Indes sind vorliegend die Voraussetzungen nicht gegeben.

Die Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, verletzt gröblich, wer als Selbständiger in rücksichtsloser Weise seine selbstständige Tätigkeit beibehält, ohne sich um eine besser bezahlte Arbeitsstelle zu bemühen, so dass als Folge seines Verhaltens die Familie in äußerst beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben hatte und die Ehefrau gehalten war, eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu BGH FamRZ 1987, 49 - 52) gilt dies für eine über längere Zeit begangene Unterhaltspflichtverletzung dann, wenn über die Nichterfüllung der geschuldeten Unterhaltsleistung hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht verleihen, zum Beispiel wenn - wie oben erwähnt - ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung seines Lebensbedarfes geraten ist. Bei einer neuaufgenommenen selbstständigen Tätigkeit darf der Unterhaltspflichtige dabei grundsätzlich abwarten, ob bei gehörigem Arbeitseinsatz nach einer Anlaufzeit ein entsprechender wirtschaftlicher Erfolg eintritt.

Nach Auffassung des Senates liegen auch unter Zugrundelegung des Vortrages der Antragstellerin die oben genannten Voraussetzungen nicht vor. Von einem groben Verstoß gegen die ihm obliegenden Unterhaltspflichten kann aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners nicht ausgegangen werden.

Dabei ist anzumerken, dass die Antragstellerin selbst bei Einleitung des Scheidungsverfahrens zunächst nicht von einer solchen groben Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Antragsgegners ausgegangen ist. Denn gemäß der Antragsschrift vom 02.11.2005 im Scheidungsverfahren (Bl. 1 - 3 GA) ist ausdrücklich auf Seite 3 der Antragsschrift vermerkt, dass "der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt werden soll". Dies ist aber ein deutliches Indiz dafür, dass die Antragstellerin das berufliche Verhalten des Antragsgegners während der Ehe nicht als aus unterhaltsrechtlicher Sicht grob pflichtwidrig angesehen hat. Andernfalls hätte sie bereits in der Antragsschrift bei Einleitung des Scheidungsverfahrens hierauf hingewiesen und einen entsprechenden Antrag zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs gestellt. Erst nachdem die Auskünfte der Versicherungsträger eingeholt worden waren, hat die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 14.11.2006 (Bl. 39 - 41 VA-Heft) beantragt, den Versorgungsausgleich gem. § 1587 c Nr. 3 BGB auszuschließen.

Auch wenn dieses Verhalten nicht zwingend gegen eine grobe Pflichtverletzung des Antragsgegners spricht, ergeben die weiteren von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe nicht den Verwirkungstatbestand nach § 1587 c Nr. 3 BGB.

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob die Antragstellerin - was der Antragsgegner bestreitet - diesen tatsächlich während der Ehe nach Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit aufgefordert hat, seine selbstständige Tätigkeit aufzugeben, um eine besser entlohnte abhängige Tätigkeit in seinem erlernten Beruf als Elektriker aufzunehmen. Es kann nämlich - wovon das Familiengericht im Ergebnis zutreffend ausgeht - nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner nicht in ausreichendem Maße zum Familienunterhalt beigetragen hat. Über die konkreten Betriebsergebnisse des vom Antragsgegner selbstständig betriebenen Handwerks des Elektrikers liegen konkrete Erkenntnisse nicht vor. So bestreitet die Antragstellerin nicht, dass der Antragsgegner ihr während der Ehe wohl durchgängig 400,00 € Haushaltsgeld zur Verfügung stellte. Noch in ihrem Schriftsatz vom 14.02.2007 trägt die Antragstellerin auf Seite 2 (Bl. 53 VA-Heft) vor, dass sie nicht mehr nachzuhalten vermag, ob nach Abzug der vom Antragsgegner freiwillig gezahlten Beiträge zur Alterssicherung von den Einnahmen aus dem Handwerksbetrieb noch nennenswerte Beträge für den Familienunterhalt übrig geblieben sind. Schon insoweit ist es schwer nachvollziehbar, wenn die Antragstellerin dem Antragsgegner - ohne die konkrete Vermögenssituation schildern zu können - eine grobe Unterhaltspflichtverletzung vorwirft. Vielmehr lässt der Vortrag der Antragstellerin eher den Schluss zu, dass die Parteien gemeinsam gewirtschaftet und ihre Einkünfte einvernehmlich zum Familienunterhalt und zur Finanzierung des Hausbaues verwendet haben.

Dass der Beitrag des Antragsgegners zum Familienunterhalt nicht völlig untergeordnet war, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die Antragstellerin nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes der Parteien Fabian am 30.12.1997 über den eigentlichen Mutterschutz hinaus zunächst nicht erwerbstätig war, sondern Erziehungsurlaub nahm. Diese Zeit dauerte vom 01.03.1998 bis zum 28.02.1999. Während dieses Jahres versorgte damit der Antragsgegner die Familie mit den Einkünften aus seinem Gewerbebetrieb weitgehend alleine. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch erhebliche Lasten für den Hausbau anfielen. Insoweit kann dem Antragsgegner nicht vorgeworfen werden, dass er nur soviel verdiente, dass die Familie zusätzlich Wohngeld beziehen musste. Jedenfalls reichte das Einkommen des Antragsgegners gemeinsam mit dem Erziehungsgeld aus, um die Familie zu unterhalten und die finanziellen Lasten für den Hausbau zu tragen.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin, als sie im März 1999 ihre Arbeitstätigkeit wieder aufnahm, weitgehend die Familie alleine unterhielt. So ergibt sich aus den Auskünften der Bundesstadt C (vgl. Bl. 59 - 64 GA), dass die Antragstellerin vom 01.03.1999 bis zum 01.01.2000 lediglich 19 Wochenstunden (Halbtagstätigkeit), vom 01.01.2000 bis zum 31.07.2001 25 Stunden, vom 01.08.2001 bis 30.04.2003 30 Stunden und erst danach im Wesentlichen vollschichtig arbeitete. Jedenfalls in der Zeit, als die Antragstellerin nur teilzeitbeschäftigt war, konnte sie jedenfalls mit ihrem Verdienst allein nicht die Hauslasten tragen und zusätzlich die Familie unterhalten. Notwendigerweise muss der Antragsgegner - wie er auch selbst vorträgt - zum Unterhalt der Familie mit beigetragen haben. So trägt die Antragstellerin selbst Hauslasten einschließlich Versicherungen von rund 1.600,00 € im Monat vor und legt dar, dass sie während ihrer Tätigkeit mit 30 Wochenstunden circa 1.600,00 € netto verdient hat. Damit liegt aber auf der Hand, dass der gesamte Verdienst der Antragstellerin in diese Belastungen geflossen sein muss. Notwendigerweise muss dann aber der Antragsgegner für den übrigen Familienunterhalt gesorgt haben. Daher kann der Senat schon nicht den Schluss ziehen, dass die Tätigkeit des Antragsgegners völlig unrentabel war und unter keinen Umständen geeignet war, entscheidend mit zum Familienunterhalt beizutragen. Dies gilt erst Recht für die Zeit, in der die Antragstellerin nur 19 bzw. 25 Stunden gearbeitet hat. Zu dieser Zeit muss deren Einkommen noch deutlich unter den von ihr vorgetragenen 1.600,00 € monatlich netto gelegen haben.

Hinzu kommt weiter, dass der Antragsgegner durch seine handwerkliche Arbeit am Haus zum Unterhalt der Familie beigetragen hat. Seine handwerklichen Arbeiten an dem Familienheim im Elektrobereich werden nicht bestritten. Dass diese Arbeiten letztendlich nicht zu einem Abschluss gekommen sind, lag insbesondere daran, dass sich die Parteien getrennt haben. Jedenfalls tragen die Arbeiten zur Vermögensbildung der Familie bei und entlasteten deren Haushalt.

Schließlich wirft die Antragstellerin dem Antragsgegner nicht einmal vor, dass er nicht genügend gearbeitet hat. Vielmehr geht der Vorwurf in erster Linie dahin, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die von ihm abgewickelten Aufträge ordnungsgemäß abzurechnen und somit über erhebliche Fehleinnahmen verfügte. Auch hier wird der Vortrag der Antragstellerin nicht im Einzelnen belegt. Es ist insbesondere auch dem Senat bekannt, dass gerade im Bauhandwerk die Betriebe erheblich darunter leiden, dass Rechnungen nur verzögerlich oder gar nicht bezahlt werden. Diese schleppende Zahlungsmoral der Kunden kann tatsächlich existenzbedrohend sein. Jedenfalls konnte die Antragstellerin nicht im Einzelnen belegen, dass der Antragsgegner vorwerfbar Forderungen nicht durchsetzen konnte. So trägt die Antragstellerin selbst vor, dass sie teilweise dem Antragsgegner die Buchführung gemacht und Schriftsätze aufgesetzt habe, um Forderungen einzutreiben. Von daher müsste die Antragstellerin in der Lage sein, zumindest etwas konkreter zu dem Vorwurf des kaufmännischen Unvermögens des Antragsgegners vorzutragen.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Antragsgegner, der zuletzt neben seiner selbstständigen Tätigkeit eine Hausmeistertätigkeit angenommen hat, so viel mit hinzuverdient hat, dass es den Parteien möglich war, neben dem Unterhalt der Familie auch die Finanzierung eines Hauses sicher zu stellen.

Dabei kann bei dieser Sachlage unter keinen Gesichtspunkten davon die Rede sein, dass die Parteien in wirtschaftlich sehr beengten Verhältnissen gelebt haben. Auch ist darauf zu verweisen, dass der Antragsgegner sehr wohl selbstständige Altersvorsorge betrieben hat, sodass der von der Antragstellerin auszugleichende Betrag mit 162,37 € verhältnismäßig gering ist. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass es der heute 41jährigen Antragstellerin als Beamtin durchaus möglich ist, noch eine ordentliche Altersversorgung aufzubauen.

Daher kommt es schließlich nicht entscheidend darauf an, ob und in welchem Umfang der Antragsgegner bei der Haushaltsführung und Kinderbetreuung mitgeholfen hat. Entscheidend ist, dass er vollschichtig gearbeitet hat und nach der Vermögenssituation der Parteien notwendigerweise aus dem Betrieb seines Handwerks so viel erwirtschaftet haben muss, dass er entscheidend mit zum Familienunterhalt beigetragen hat.

Von daher braucht letztlich auch nicht entschieden zu werden, wie lange man dem Antragsgegner eine gewisse Orientierungsphase zubilligen durfte. Auch ist nicht ersichtlich, da die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit nicht feststehen, ob der Antragsgegner überhaupt als Elektriker in abhängiger Beschäftigung wesentlich mehr hätte verdienen können und eine bessere Altersvorsorge hätte aufbauen können. Insgesamt ergibt sich damit eine familiäre Situation, in der beide Ehepartner gehalten waren, gerade auch wegen der hohen Belastung im Hinblick auf den Hausbau hinzuzuverdienen. Eine völlig einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der Antragstellerin kann nicht festgestellt werden. Der Versorgungsausgleich ist daher zu Recht erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 1.000,00 €.

2.

Da der befristeten Beschwerde der Antragstellerin die notwendige Erfolgsaussicht fehlt, wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, war auch gem. § 114 ZPO der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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