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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 4 W 10/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 411
ZPO § 411 Abs. 4
ZPO § 412
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den seinen Antrag, den Sachverständigen Dr. H. M. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückweisenden Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 05.06.2008 - 5 O 226/06 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde des Beklagten (§ 406 Abs. 5 Alternative 2 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Befangenheitsantrag des Beklagten gegen den Sachverständigen Dr. M. schon deswegen zurückgewiesen, weil das Befangenheitsgesuch nicht in der in § 406 Abs. 2 ZPO bestimmten Frist gestellt worden ist.

Ergeben sich - wie vorliegend - die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, d. h. innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist. Zugleich hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In einem einfach gelagerten Fall können bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen. Hingegen kann sich die Frist je nach Sachlage verlängern, wenn der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen ist (so zitiert aus BGH NJW 2005, 1859 - 1870 m. w. N.).

Wann diese Frist abgelaufen ist, ist in Rechtsprechung und in Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstreit die Darstellung in BGH a.a.O.).

Der Meinungsstreit braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da jedenfalls auch nach der weitestgehenden Auffassung (so BGH a.a.O.; OLGR Düsseldorf 2001, 469; Münchener Kommentar - Damrau, ZPO, 2. Aufl., § 406 Rnr. 7) der Ablehnungsantrag verspätet gestellt worden ist. Nach dieser Auffassung ist ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht wird, zumindest dann nicht nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtstreit beteiligten Parteien müssen sich innerhalb der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und ggfls. in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr gegenüber zurückzuführen ist, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Die Länge der Frist, binnen derer die Partei das Ergebnis ihrer Prüfung des Gutachtens den Antrag anzubringen hat, kann dieser Auffassung nach in einem solchen Fall nicht davon abhängig sein, ob lediglich ein Ergänzungsantrag oder auch ein Befangenheitsantrag oder eine Kombination aus beiden Anträgen eingereicht wird. Dieser weitestgehenden Auffassung nach darf der Antragsteller nicht gezwungen werden, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthält, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machen, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.

Für diese Auffassung spricht, ohne dass es einer abschließenden Entscheidung bedarf, dass auch bei einer so weitgehenden Ausdehnung der Ablehnungsfrist nicht gegen die Prozessförderungspflicht verstoßen wird. Denn die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO). Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH a.a.O. mit Zitat BGH NJW RR 1987, 893). Ein Ablehnungsgrund kann sich dabei daraus herleiten lassen, dass der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen in einer Weise gestaltet, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können. Ergibt sich der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, muss der Partei eine angemessene Zeit zur schriftlichen Überlegung und zur Einholung von rechtlichem Rat zur Verfügung stehen. Auch wenn durch die zeitliche Begrenzung des Ablehnungsrechts gemäß § 406 Abs. 2 ZPO bezweckt werden soll, der Verzögerung des Prozesses durch verspätete Ablehnungsanträge entgegen zu wirken, ist andererseits zu bedenken, dass der Anspruch einer Prozesspartei auf einen aus ihrer Sicht unparteiischen Sachverständigen unmittelbarer Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist und die Durchsetzung dieses Anspruch nicht durch verfahrensrechtliche Hürden unangemessen erschwert werden darf. Die Partei, die innerhalb der ihr gesetzten Frist zum Gutachten inhaltlich Stellung nehmen zu können, zu dem Ergebnis kommt, dass bei einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten Befangenheitsgründe offensichtlich werden, kann somit ein Verstoß gegen ihre Prozessförderungspflicht nicht vorgeworfen werden. Muss sich demnach die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit im Allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab.

Damit ist aber der Zeitrahmen des § 406 Abs. 2 ZPO jedenfalls ausgeschöpft. Vorliegend zeigt sich gerade, dass bei einer noch weitergehenden Ausdehnung der Zweck des § 406 Abs. 2 ZPO, der Verzögerung von Prozessen durch verspätete Ablehnungsanträge entgegen zu wirken, nicht mehr erreicht werden könnte.

Das Gutachten des Sachverständigen Dr. M. ist Ende Juli 2007 erstellt worden. Es ist den Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten am 31.07.2007 zugestellt worden. Sie erhielten eine Frist zur Stellungnahme von 3 Wochen, die mehrmals stillschweigend bis zuletzt zum 15.10.2007 (vgl. Bl. 121 GA) verlängert worden ist. Mit Schriftsatz vom 16.10.2007 - eingegangen bei Gericht am 17.10.2007 und damit schon verspätet - erfolgte sodann die Stellungnahme zum Gutachten, ohne dass ein Befangenheitsantrag gestellt worden wäre. Damit war aber die Frist zur Antragstellung ergebnislos verstrichen. Der Befangenheitsantrag vom 08. April 2008 kam damit zu spät.

Der Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass sich letztendlich erst in der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. M. vom 20.03.2008 (Bl. 136 - 142 GA) die Befangenheitsgründe manifestiert hätten. Vielmehr war der Beklagte, folgt man seiner Argumentation aus seiner Stellungnahme zum Gutachten vom 16.10.2007 (Bl. 127 ff. GA), gehalten, mit dieser Stellungnahme sogleich den Befangenheitsantrag zu stellen. Nach dieser Stellungnahme haben sich insbesondere keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die den nunmehr gestellten Antrag erst hätten rechtfertigen können. Die tragenden Gesichtspunkte für den Befangenheitsantrag werden auf den Seiten 3, 4 der Stellungnahme (Bl. 123, 124 GA) deutlich hervorgehoben, ohne dass hieraus die nunmehr gezogenen Konsequenzen bereits zum damaligen Zeitpunkt gezogen worden wären. So heißt es an den genannten Stellen:

"....Wohl aber fällt auf, dass der Sachverständige für diese Annahme Bezug genommen hat auf das von der Klägerin zu den Akten gereichte Privatgutachten vom 05.05.2006, wo es heißt: auskunftsgemäß wäre zur Führung des Kfz-Betriebs ein (Unterstreichung durch den Unterzeichner) Meister ausreichend gewesen..."

D. h.: Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat nichts anderes getan, als einfach die Angaben der Klägerin (auskunftsmäßig) zu übernehmen, ohne eigene Feststellungen zu treffen. Jedenfalls hat er nicht beim Beklagten Auskunft eingeholt, ob und inwieweit ein Meister zur Führung des Betriebs erforderlich ist oder zwei, so dass es sich um keine objektiven Feststellungen des Sachverständigen handelt. Schlicht und einfach sind Angaben der Klägerin von ihm ungeprüft übernommen worden. Diese Rüge ist weiter zu führen mit dem Hinweis, dass zur Wertermittlung des kalkulatorischen Unternehmerlohnes nur eines Kfz-Meisters nur wiederum - ungeprüft - übernommen wird die Angabe in dem Parteigutachten der Klägerin vom 05.05.2006, wo es heißt: "Vor diesem Hintergrund wird ein entsprechender Gehaltsaufwand in Höhe von 36.000,00 € p. a. in Abzug gebracht". ...."

Damit war aber bereits all das gesagt, was nunmehr die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen soll. Neue Gesichtspunkte haben sich tatsächlich weder im Befangenheitsverfahren noch im Beschwerdeverfahren ergeben. Solche können auch nicht aus der Stellungnahme des Sachverständigen hergeleitet werden. Der Sachverständige ist sachlich auf die Argumentation des Beklagten eingegangen und hat dargetan, dass er nicht ungeprüft Angaben übernommen habe, sondern diese Angaben auf ihre Werthaltigkeit überprüft und als tragfähig gehalten habe. Damit hat er aber gerade zum Ausdruck gebracht, dass er nicht einseitig Parteivortrag verwertet hat.

Damit blieb es bei dem Sachverhalt, so wie der Beklagte ihn bereits aufgrund des Hauptgutachtens vorgefunden hatte. Ließ er sich auf eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Gutachten ein, so konnte er später nicht, nachdem der Sachverständige bei seiner Bewertung verblieben war, einen noch rechtzeitigen Befangenheitsantrag stellen. Denn neue "Befangenheitsgründe" hatten sich nicht ergeben.

So hatte der Beklagte auch gar nicht darauf vertraut, dass der Sachverständige möglicherweise in Ergänzung seines Gutachtens auf die Einwendungen des Beklagten in seinem Sinne eingehen werde. Bezeichnenderweise hat der Beklagte in der Stellungnahme vom 16.10.2007 zu dem Gutachten Dr. M. aus Juli 2007 gerade nicht die Anhörung des Sachverständigen beantragt. Vielmehr hatte er zum Beweis der Richtigkeit seiner kritischen Anmerkungen zu den dort festgestellten Tatsachen weiteren Sachverständigenbeweis angeboten. Der Beklagte konnte auch nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass das Landgericht ohne einen entsprechenden Antrag eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters einholen werde. Jedenfalls durfte der Beklagte im Rahmen seiner Prozessförderungspflicht nicht weitere Zeit verstreichen lassen mit seinem Ablehnungsantrag.

Da sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen - wie oben ausgeführt - keine neuen Ablehnungsgründe ergeben, war der nunmehr gestellte Befangenheitsantrag verspätet.

Dabei sei angemerkt, dass der Antrag auch unbegründet ist. Er wird ausschließlich auf Umstände gestützt, die ihre Ursache in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen haben. Mängel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (BGH a.a.O. m.w.N.). Der Beklagte rügt, der Sachverständige habe ungeprüft Angaben aus einem Gutachten, welches die Klägerin zu den Akten gereicht habe und damit als Privatgutachten zu werten sei, übernommen. So scheint dieser Vorwurf durch die Stellungnahme des Sachverständigen wie auch durch den Inhalt seines umfangreichen Gutachtens schon widerlegt. Im Übrigen zitiert der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 16.10.2007 selbst auf Seite 6 unter Beweisangebot aus diesem (Bl. 126 FA). Allein das Eingehen auf das Parteigutachten reicht nicht aus, hieraus bereits die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Vielmehr muss sich für die ablehnende Partei der Eindruck unter vernünftiger objektiver Beurteilung der gesamten Umstände aufdrängen, der Sachverständige wolle insoweit einseitig Partei für einen der am Prozess Beteiligten ergreifen. Nichts davon kann erkannt werden. Vielmehr kommt allenfalls in Betracht, dass der Sachverständige von einem unzureichend überprüften und damit unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Damit erhebt der Beklagte aber den Vorwurf einer fehlerhaften Gutachtenerstattung aufgrund mangelhafter Sorgfalt. Dieser Vorwurf begründet aber regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft. Der mangelnden Sorgfalt eines Sachverständigen sehen sich beide Parteien ausgesetzt. Das Prozessrecht gibt in den §§ 411, 412 ZPO dem Gericht und den Parteien ausreichende Mittel an die Hand, solche Mängel zu beseitigen und auf ein Gutachten hinzuwirken, das als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung geeignet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der geschätzte Beschwerdewert beträgt gemäß § 3 ZPO bei einem Hauptsachestreitwert von rund 235.000,00 € bis zu 50.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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