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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.09.2003
Aktenzeichen: 4 WF 91/03
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 724
ZPO § 726
ZPO § 726 Abs. 1
ZPO § 726 Abs. 2
ZPO § 888
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 WF 91/03

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die am 19. August 2003 bei Gericht eingegangene, als sofortige Beschwerde zu behandelnde "Erinnerung/Beschwerde" der Antragstellerin vom 18. August 2003 gegen den ihr am 15. August 2003 zugestellten Beschluß der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 5. August 2003 (46a F 240/02), durch den der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel abgelehnt worden ist, durch den Richter am Oberlandesgericht Pamp als Einzelrichter

am 3. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Bonn wird angewiesen, über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu befinden.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt worden. Hat - wie hier - nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, sondern der Rechtspfleger den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel abschlägig beschieden, ist gegen dessen Entscheidung unmittelbar die sofortige Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO eröffnet (vgl. Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl. § 724 Rdn. 13; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 724 Rdn. 14, jeweils m. w. N.), die aufgrund des 3. Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 6. August 1998 (BGBl. I 2030) an die Stelle der früheren "Durchgriffserinnerung" getreten ist. Der vorherigen Herbeiführung einer Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts im Anschluß an die Nichtabhilfeentscheidung des Rechtspflegers bedarf es in diesem Falle - entgegen der hier in der Vorlageverfügung an die Abteilungsrichterin des Familiengerichts vom 21. August 2003 zum Ausdruck kommenden Auffassung der Rechtspflegerin - nicht. In der Sache zu Recht hat daher die Abteilungsrichterin über die "Erinnerung/Beschwerde" der Antragstellerin nicht selbst befunden, sondern sie dem Oberlandesgericht als dem zuständigen Beschwerdegericht vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet. Die Rechtspflegerin hat den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu dem gerichtlichen Vergleich vom 25. Februar 2003 mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt.

Der Antrag auf Klauselerteilung fällt im Streitfall entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin nicht unter die Vorschrift des § 726 Abs. 1 ZPO. Danach darf von Urteilen (Entsprechendes gilt für andere Vollstreckungstitel wie den hier betroffenen Prozeßvergleich, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt, eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird. § 726 Abs. 1 ZPO greift daher - nur - ein, wenn sich aus dem Titel ergibt, daß die Vollstreckung entweder von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung oder vom Ablauf einer nicht nach dem Kalendertag bestimmten Frist abhängig ist (vgl. Zöller/Stöber aaO § 726 Rdn. 2 f.). Eine Bedingung in diesem Sinne liegt insbesondere dann vor, wenn der vollstreckbare Anspruch selbst bedingt bzw. befristet ist (vgl. Thomas/Putzo aaO § 726 Rdn. 2). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben:

Durch den gerichtlichen Vergleich vom 25. Februar 2003 haben sich beide Parteien, also insbesondere auch der Antragsgegner, verpflichtet, unverzüglich einen notariellen Vertrag mit einem in dem Vergleich näher festgelegten Inhalt, nämlich der Übertragung des der Antragstellerin gehörenden Wohnungseigentums L-Str. 198 in C auf den Antragsgegner zu bestimmten Konditionen, abzuschließen. Dieser Vergleich stellt einen Vorvertrag dar, der beide Parteien zur Herbeiführung eines den vorvertraglich festgelegten Bedingungen entsprechenden Hauptvertrages verpflichtet. Ein Vorvertrag kommt durch die verbindliche Einigung zustande, einen seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmten oder unter Berücksichtigung allgemeiner Auslegungsregeln sowie des dispositiven Rechts zumindest bestimmbaren Hauptvertrag abzuschließen (vgl. BGH NJW-RR 1994, 317, 318). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Im Vergleich sind der Vertragsgegenstand, nämlich die Übertragung des näher bezeichneten Wohnungseigentums, sowie weitere wesentliche Vertragsbestimmungen - die Freistellungsverpflichtung des Antragsgegners in Bezug auf Belastungen und Kosten des Grundbesitzes, die Höhe der vom Antragsgegner zu zahlenden Abfindungssumme, der Ausschluß von Sach- und Rechtsmängelhaftung sowie die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten der notariellen Übertragung - bereits als abschließende Einigung der Parteien niedergelegt. Aufgrund eines solchen Vorvertrags sind beide Parteien grundsätzlich zur Abgabe eines Vertragsangebots verpflichtet bzw. gehalten, ein Angebot der Gegenseite entweder anzunehmen oder an dem weiteren Aushandeln der Vertragsbedingungen, soweit sie im Vorvertrag noch nicht festgelegt sind, mitzuwirken (vgl. BGH aaO). Der Anspruch der Antragstellerin aus dem Vergleich, um dessen Durchsetzung im Vollstreckungswege es vorliegend - ausschließlich - geht, ist daher auf die Erfüllung der vom Antragsgegner übernommenen Verpflichtung, auf diesem Wege einen notariellen Übertragungsvertrag mit dem vorstehend beschriebenen Inhalt abzuschließen, gerichtet. Dieser Anspruch kann von der Antragstellerin entweder im Klagewege (vgl. § 894 ZPO) durch Erhebung einer auf Abschluß eines dem Vergleich entsprechenden Vertrages bzw. auf Abgabe eines entsprechenden Angebots durch den Antragsgegner bzw. auf Annahme eines von der Antragstellerin vorgelegten Angebots geltend gemacht oder er kann im Vollstreckungswege gemäß § 888 ZPO, wonach der Gläubiger vom Schuldner durch die Verhängung von Zwangsgeld oder Zwangshaft die Angabe einer geschuldeten Willenserklärung erzwingen kann (vgl. BGHZ 98, 127, 129; OLG Köln MDR 1975, 586; s. auch Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Band I 3. Aufl. § 887 Rdn. 11, § 888 Rdn. 4, 15), durchgesetzt werden.

Der Anspruch der Antragstellerin aus dem gerichtlichen Vergleich bzw. die damit korrespondierende Verpflichtung des Antragsgegners sind weder bedingt noch befristet. Vielmehr stehen die Pflichten beider Parteien, den Übertragungsvertrag, dessen Vornahme sie vereinbart haben, tatsächlich abzuschließen, gleichrangig nebeneinander. Die abweichende Auffassung der Rechtspflegerin, die Vollstreckung sei von einer "Gegenleistung" der Antragstellerin, nämlich der Übertragung des im Vergleich genauer bezeichneten Wohnungseigentums abhängig, findet weder im gerichtlichen Vergleich vom 25. Februar 2003 noch im geltenden Immobiliarsachenrecht eine plausible Grundlage. Denn der Vergleich knüpft die den Antragsgegner treffende Vertragsabschlußverpflichtung nicht an die Erfüllung vorrangiger Leistungspflichten der Antragstellerin, sondern der Abschluß des notariellen Übertragungsvertrages ist vielmehr - gemeinsame - Leistungspflicht beider Parteien. Wie demgegenüber die Antragstellerin (ohne Mitwirkung des Antragsgegners) zunächst die Übertragung des Wohnungseigentums bewerkstelligen soll, bevor eine Vollstreckung aus dem Vergleich möglich ist, erschließt sich auch aus Rechtsgründen nicht. Die Eigentumsübertragung setzt nämlich die (dingliche) Einigung beider Parteien über den Übergang des Wohnungseigentums auf den Antragsteller voraus; sie kann mithin nicht einseitig und gewissermaßen vorab von der Antragstellerin vorgenommen werden, sondern bedingt den Abschluß einer entsprechenden Übereinkunft, an der zwangsläufig der Antragsgegner mitwirken muß. Das Ergebnis dessen, wozu die Parteien sich im Vergleichswege verpflichtet haben, kann schlechterdings nicht die Voraussetzung dafür sein, daß vom Antragsgegner die Erfüllung seiner (Mitwirkungs)Verpflichtung überhaupt erzwungen werden kann. Wäre die Ansicht der Rechtspflegerin richtig, entfiele im übrigen mit der Erfüllung der von der Rechtspflegerin für erforderlich erachteten Voraussetzungen zugleich jede Vollstreckungsnotwendigkeit. Denn wenn die Übertragung des Wohnungseigentums erfolgt bzw. zumindest ein diesbezüglicher Notarvertrag abgeschlossen ist, ist der Vergleich vollzogen; dann bedarf es keiner Vollstreckung wegen der Verpflichtungen aus dem Vergleich mehr.

Die Erwägungen in der Nichtabhilfeverfügung der Rechtspflegerin vom 21. August 2003 vermögen die Anwendung von § 726 Abs. 1 ZPO ebenfalls nicht zu begründen. Soweit dort ausgeführt ist, es sei Sache der Parteien, sich bezüglich der Konditionen des Vertrages zu einigen, wird verkannt, daß diese Einigung in Gestalt des streitgegenständlichen Vergleichs, in dem wesentliche Vertragsregelungen festgelegt sind, bereits erfolgt ist. Nunmehr geht es um die Umsetzung dieses Vergleichs durch Abschluß eines dem Vergleichsinhalt entsprechenden Notarvertrages. Auch der weiter von der Rechtspflegerin angeführte Gesichtspunkt, die Antragsgegnerin wäre sonst verpflichtet, "jedes Angebot" der Antragstellerin anzunehmen, ist der Sache nach verfehlt. Zum einen muß der Antragsgegner nicht jedes, sondern nur ein solches Angebot annehmen, das dem im gerichtlichen Vergleich festgelegten Regelungsinhalt entspricht. Ob ein von der Antragstellerin vorgelegtes Angebot inhaltlich durch den Vergleich gedeckt ist, ist zum anderen keine Frage, von deren Beantwortung die Erteilung der Vollstreckungsklausel abhängt. Denn die Antragstellerin ist nach dem Vergleich ohnehin nicht vorleistungspflichtig, muß also nicht zuerst ein Angebot angeben; sie kann vielmehr ebenso gut vom Antragsgegner die Abgabe eines Angebots verlangen.

Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel fällt auch nicht unter § 726 Abs. 2 ZPO. Danach ist, wenn die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt, der Beweis, daß der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, nur dann erforderlich, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung in der Abgabe einer Willenserklärung besteht. Vorliegend schuldet der Antragsgegner zwar die Abgabe einer auf Abschluß der notariellen Übertragungsvereinbarung gerichteten Willenserklärung. Ob darüber hinaus die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung der Antragstellerin als Gläubigerin abhängt, kann aber letztlich auf sich beruhen, weil § 726 Abs. 2 ZPO allgemeiner Auffassung zufolge auf die Vollstreckung aus (Prozeß-) Vergleichen ohnehin keine Anwendung findet (vgl. OLG Koblenz RPfleger 1997, 445; Thomas/Putzo aaO § 726 Rdn. 4; Musielak/Lackmann, ZPO 3. Aufl. § 726 Rdn. 7; Schuschke/Walker aaO § 726 Rdn. 16 a. E.).

Bei dieser Sachlage kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Beschluß der Rechtspflegerin war vielmehr aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen (§ 572 Abs. 3 ZPO). Das Amtsgericht wird zu prüfen haben, ob - soweit die Erteilung einer qualifizierten Klausel nach einer anderen Vorschrift als § 726 ZPO ausscheidet - die von der Antragstellerin beantragte Vollstreckungsklausel ggfls. eine sog. einfache Klausel nach § 724 ZPO darstellt, für deren Erteilung nicht der Rechtspfleger, sondern grundsätzlich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und zuständig ist (s. aber auch § 8 Abs. 5 RPflG). Eine eigene abschließende Sachentscheidung erachtet der Senat auch im Hinblick darauf, daß das Amtsgericht die Klauselerteilungsvoraussetzungen im übrigen jedenfalls nicht ausdrücklich geprüft hat, für untunlich.

Ende der Entscheidung

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