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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.11.2003
Aktenzeichen: 5 U 107/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BPflVO, GOÄ


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
BGB § 126 Abs. 2
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 306 a. F.
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 613
BPflVO § 22 Abs. 2
GOÄ § 4 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Hinweisbeschluss

5 U 107/03

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln am 24.11.03 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und den Richter am Oberlandesgericht Mangen gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurück zu weisen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der damals privatliquidationsberechtigter Chefarzt am Klinikum B war, begehrt Begleichung einer Rechnung in Höhe von 5.579,34 € nebst Zinsen über die stationäre Behandlung des Beklagten, insbesondere die Durchführung einer Mehrfachbypassoperation mit Aortenklappenersatz. Beide Parteien hatten eine Wahlleistungsvereinbarung betreffend die persönliche Beratung und Behandlung des Beklagten durch den Kläger unterzeichnet, wobei sich die Unterschrift des Beklagten unterhalb seines Antrags auf Wahlarztbehandlung befindet. Darunter unterzeichnete der Kläger mit folgendem Zusatz: "Die gewünschte Wahlleistung wird von OA W unter meiner Leitung durchgeführt." Zwischen den Parteien ist streitig, zu welchem Zeitpunkt -vor oder nach Leistung der Unterschrift- der Kläger den Beklagten darüber unterrichtete, dass er die Operation aufgrund eines wegen Erkrankung an Hepatitis-B bedingten Operationsverbots nicht eigenhändig werde ausführen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Wahlleistungsvereinbarung sei gemäß § 306 BGB a. F. wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit nichtig, da der Kläger bereits bei Vertragsschluss die persönliche privatärztliche Leistung nicht wie vereinbart habe erbringen können. Eine wirksame anderweitige Individualvereinbarung über die Behandlung durch den Oberarzt Dr. W-K unter Leitung des Klägers zum Preis der gesondert berechenbaren Wahlleistung sei vom Kläger nicht schlüssig dargelegt worden. Zudem entspräche die behauptete Vereinbarung nicht der in § 22 Abs. 2 BPflVO vorgeschriebenen Schriftform.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger das erstinstanzliche Begehren weiter. Er rügt insbesondere, die Kammer habe aufklären müssen, ob der Beklagte - wie vom Kläger behauptet - vor Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung über das Operationsverbot und die geplante Durchführung der Operation durch den Oberarzt Dr. W-K unterrichtet worden sei. Er meint, es liege eine wirksame Individualvereinbarung vor. Die Wahlarztleistung sei auch schriftlich vereinbart worden.

Der Kläger habe die Leistung aufgrund der Anwesenheit und der Überwachung bei der Operation außerdem persönlich - wenn auch mit Hilfe des Oberarztes - erbracht.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des geltend gemachten Honorars für wahlärztliche Leistungen aus § 611 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist keine wirksame Wahlarztvereinbarung zustande gekommen.

Gemäß § 22 Abs. 2 BPflVO sind Wahlleistungen vor deren Erbringung schriftlich zu vereinbaren. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

Mit § 22 Abs. 2 BPflVO schreibt der Verordnungsgeber Schriftform für den Wahlleistungsvertrag in seiner Gesamtheit vor (BGH, MDR 1998, 582). Dies setzt nach § 126 Abs. 2 BGB voraus, dass der gesamte Vertragsinhalt durch die Unterschrift beider Parteien gedeckt ist. Entweder müssen beide Parteien dieselbe Urkunde unterschreiben oder es müssen gleichlautende Urkunden hergestellt werden, von denen jede Partei das für die andere Partei bestimmte Exemplar unterzeichnet. Die Unterzeichnung des Angebots durch die eine und der Annahme durch die andere Partei genügt demgegenüber nicht (BGH, NJW-RR 1994, 280, 281). Vorliegend kann offen bleiben, ob das Erfordernis der Deckung des gesamten Vertragsinhalts durch die Unterschriften beider Parteien bereits deshalb nicht erfüllt ist, weil die Parteien nicht den Vertragstext insgesamt, sondern Kläger und Beklagter jeweils nur ihre eigene Willenserklärung unterschrieben haben (vgl. in diesem Sinne RGZ 105, 60, 62; 112, 199, 200; Palandt-Heinrichs, 62. Aufl., § 126 BGB Rn. 12). Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Schriftform des § 126 Abs. 2 BGB auch dadurch genügt werden kann, dass die eine Partei ihr eigenes Angebot und die andere ihre auf derselben Urkunde - ohne weitergehende Willenserklärungen - erklärte Annahme unterzeichnet (OLG Hamburg, ZMR 2000, 589), so liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Die Unterschriften der Parteien finden sich zwar auf derselben Urkunde. Jedoch hat der Kläger den Antrag des Beklagten auf Abschluss einer Wahlarztvereinbarung nicht bedingungslos angenommen. Er hat sich nicht auf die Erklärung seines Einverständnisses mit dem Antrag des Beklagten beschränkt, sondern seine Annahmeerklärung mit dem Zusatz versehen, dass die beantragte Wahlleistung durch Oberarzt W unter seiner Leitung durchgeführt werde. Durch die Unterschrift des Klägers unter diesen Zusatz ist kein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Vielmehr ist die unterzeichnete Erklärung des Klägers gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag zu werten.

Der eingefügte Zusatz dient nicht bloß der Klarstellung des Antrags des Beklagten, da er den Inhalt des Angebots nicht nur konkretisiert, sondern verändert. Gegenstand des Antrags des Beklagten war eine Wahlarztvereinbarung mit der Verpflichtung des Klägers zur persönlichen Behandlung des Beklagten. Ausgehend von der Auslegungsregel des § 613 BGB folgt aus einem solchen Wahlarztvertrag die Pflicht des Wahlarztes - hier also des Klägers - zur persönlichen Leistungserbringung (z. B. OLG Düsseldorf, NJW 1995, 2421). Zwar muss nicht jede einzelne Handlung höchstpersönlich ausgeführt werden. Jedoch ist jedenfalls die Kernleistung, wie hier die Operation, vom Wahlarzt eigenhändig auszuführen (Brück u. a., GOÄ-Kommentar, § 4 Punkt 13.1, S. 117 f.; Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 2. Aufl. 2000, S. 45 und S. 306). Die Durchführung der Haupt- oder Kernleistung durch einen anderen Arzt unter Aufsicht und fachlicher Weisung des Wahlarztes i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genügt im Falle einer Wahlarztvereinbarung in der Regel nicht (Uleer/Miebach/Patt, a.a.O., S. 43). Daran, dass sich der Antrag des Beklagten auf eine solche Wahlarztvereinbarung mit persönlicher Leistungsverpflichtung des Klägers bezog, ändert auch die im Antrag enthaltene Stellvertreterklausel nichts. Danach erklärt sich der Antragsteller bei einer Verhinderung des Wahlarztes aus zwingendem Grund mit einer Vertretung durch einen anderen Arzt der Klinik einverstanden. Der vom Kläger eingefügte Zusatz, wonach die Behandlung durch Oberarzt W unter seiner Leitung durchgeführt werden soll, stellt keine Konkretisierung dieser Stellvertreterklausel, sondern eine Abweichung von der seitens des Beklagten beantragten Wahlarztvereinbarung dar. Die Stellvertreterklausel erfasst nämlich - ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit nach dem ehemaligen AGBG - nur diejenigen Fälle, in denen eine Behandlung durch den Wahlarzt bei Vertragsschluss grundsätzlich möglich erscheint (LG Aachen, VersR 2002, 195, 196). Sie ist nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, in dem die Unmöglichkeit einer eigenhändigen Operation durch den Kläger von vornherein feststand.

Das durch den genannten Zusatz geänderte Angebot des Klägers hat der Beklagte zumindest nicht schriftlich angenommen. Die sich über der vom Kläger eingefügten Änderung befindende Unterschrift des Beklagten unter seinen Antrag deckt die klägerseits erfolgte Ergänzung nicht ab. Denn die Unterschrift muss den Urkundentext räumlich abschließen (BGHZ 113, 48). Nachträge, die auf einer unterschriebenen Vertragsurkunde unterhalb der Unterschrift angebracht werden, müssen erneut unterzeichnet werden (BGH, NJW-RR 1990, 518; NJW 1994, 2300). Dies ist hier nicht erfolgt.

Ob sich der Beklagte mündlich mit dem abgewandelten Vertragsangebot des Klägers einverstanden erklärt hat, spielt keine Rolle. Zwar darf ein Arztzusatzvertrag, der eine Wahlleistungsvereinbarung ergänzt, gegebenenfalls auch mündlich geschlossen werden. Dies gilt aber nur, wenn die zu ergänzende Wahlleistungsvereinbarung als solche der Schriftform des § 22 Abs. 2 BPflVO genügt (BGH, MDR 1998, 582, 583; OLG Hamm, VersR 1999, 496, 498). Bereits hieran fehlt es vorliegend, da es nicht zu schriftlich fixierten übereinstimmenden Willenserklärungen über einen Wahlarztvertrag kam.

Da eine formwirksame Wahlarztvereinbarung zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob eine solche Vereinbarung gemäß § 306 BGB a. F. nichtig wäre, weil der Kläger wegen des ihm auferlegten Operationsverbots die vertragliche Kernleistung von Anfang an nicht persönlich erbringen konnte.

Die Rechtssache hat angesichts der fallspezifischen Besonderheit des vom Kläger auf dem Vertragsformular eingefügten Zusatzes weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Der Kläger hat Gelegenheit zu Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Ende der Entscheidung

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