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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: 5 U 116/00
Rechtsgebiete: KO, BGB, ZPO


Vorschriften:

KO § 17
BGB § 242
BGB § 819
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 4
ZPO § 711
ZPO § 712
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 116/00

Anlage zum Protokoll vom 20. Dezember 2000

Verkündet am 20. Dezember 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger, die Richterin am Oberlandesgericht Gräfin von Schwerin und den Richter am Oberlandesgericht Mangen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Mai 2000 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 266/99 - abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 110.144,94 DM nebst 4% Zinsen seit dem 9. September 1999 zu zahlen. Die Beklagte zu 1) wird des weiteren verurteilt, an die Klägerin 4% Zinsen aus 110.144,94 DM für die Zeit vom 27. Juli 1999 bis zum 8. September 1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten der Streithilfe zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 142.000,- DM abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Streithelferin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,- DM abwenden, wenn die Streithelferin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird gestattet, eine Sicherheitsleistung auch durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Grossbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Der Vater der Beklagten, Herr M. P. M., unterhielt bei der Klägerin seit dem 1. Januar 1978 eine Kapitallebensversicherung (Vers.-Nr. ...). Gemäss dem nach einer Vertragsänderung ausgestellten Versicherungsschein vom 21. Mai 1996 betrug die Versicherungssumme 86.542,- DM; sie erhöhte sich nach den geschäftsplanmässigen Bestimmungen um Leistungen aus der Überschussbeteiligung. Der Versicherung, die am 1. Januar 2003 abgelaufen wäre, lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung (ALB, Stand 7/93) zugrunde. Hinsichtlich der Bezugsberechtigung war vereinbart:

"Es gilt als bezugsberechtigt aus der Versicherung beim Tode des Versicherten - in der Reihenfolge der Ziffern - unter Ausschluss der jeweils nachfolgenden Berechtigten - 1. Frau T. Mo., geb. ...51 in S. z.Zt. wohnhaft in St., 2. die Eltern Ch. und P. M., 3. die gesetzlichen Erben. Bei Ablauf des Vertrages ist die versicherte Person bezugsberechtigt."

Die an 1. Stelle genannte Bezugsberechtigte Frau Mo. heiratete Herr M. im Jahr 1985; die Ehe ist seit Januar 1998 rechtskräftig geschieden.

Mit Schreiben vom 29. Juni 1998 kündigte Herr M. die streitgegenständliche und eine weitere bei der Klägerin abgeschlossene Lebensversicherung; das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

beide vorgenannten Lebensversicherungen kündige ich mit sofortiger Wirkung auf.

Den Rückkaufswert einschliesslich der Überschussbeteiligung beider Versicherungen bitte ich zum tagesaktuellen Stand 01.07.1998 auf mein Konto bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank St. AG, Konto Nr. ..., BLZ ... zu überweisen.

Laut Ihrer Mitteilung vom 11.06.1998 betragen die Werte zum 01.08.1998

bei der LV 348-11 DM 106 620,89 bei der LV 348-12 DM 79 206,54

Von der Ihnen vorliegenden Einzugsermächtigung bitte ich mit sofortiger Wirkung keinen Gebrauch mehr zu machen.

Von Rückfragen über eventuelle Vertragsänderungen, Beitragsfreistellung oder andere Verwendung der Gelder in oder über Ihr Haus bitte ich Abstand zu nehmen, da ich mich bereits für andere Anlageformen entschieden habe, die mir für die restliche Laufzeit der Versicherungen eine deutlich bessere Rendite gewähren, wobei ich zugegebenermassen auf den Versicherungsschutz keinen Wert mehr lege.

..."

Dieses Schreiben ging am 2. Juli 1998 bei der Regionaldirektion der Klägerin und am 3. Juli 1998 bei der Hauptverwaltung der Klägerin ein. Gemäss den Vertragsbedingungen endete die Versicherung aufgrund der ausgesprochenen Kündigung zum 1. August 1998. Am 4. Juli 1998 verstarb Herr M. im Alter von 55 Jahren. In Unkenntnis des Todes von Herrn M. überwies die Klägerin den Rückkaufswert von 110.144,94 DM für die Versicherung mit der Nr. ... auf das von ihm angegebene Konto. Der Betrag wurde von den Beklagten, den Erben des Herrn M., vereinnahmt. Unter Vorlage des Original-Versicherungsscheins beanspruchte in der Folgezeit die Frau Mo. unter Hinweis auf die im Vertrag geregelte Bezugsberechtigung die Versicherungssumme zuzüglich der Überschussbeteiligung. Die Klägerin zahlte daraufhin an sie einen Betrag von 142.998,80 DM aus.

Die Klägerin verlangt mit der Klage von den Beklagten die Rückzahlung des Rückkaufswertes von 110.144,94 DM aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Hierzu hat sie die Ansicht vertreten, in der Kündigung des Herrn M. vom 29. Juni 1998 liege nicht zugleich der Widerruf der Bezugsberechtigung; Herr M. habe den Widerruf der Bezugsberechtigung ihr gegenüber weder ausdrücklich noch konkludent erklärt. Sie habe daher zu Recht die Versicherungssumme an die bezugsberechtigte Frau Mo. ausgezahlt und könne deshalb von den Beklagten den Rückkaufswert zurückverlangen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 110.144,94 DM nebst 5% Zinsen seit dem 29. Juli 1998 zu zahlen.

Die Klägerin hat Frau T. Mo. den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Sie hat sich ihrem Sachvortrag sowie dem Klageantrag angeschlossen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben sich auf den Standpunkt gestellt, Herr M. habe mit der Kündigungserklärung vom 29. Juni 1998 zugleich auch die Bezugsberechtigung widerrufen; der Widerruf sei mit dem Zugang des Schreibens wirksam geworden.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Mai 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, im Zweifel liege in der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages zugleich auch der Widerruf der Bezugsberechtigung. Dem Kündigungsschreiben vom 29. Juni 1998 sei zu entnehmen, dass Herr M. die Auszahlung des Rückkaufswertes sobald als möglich erreichen wollte, um das Geld für sich zu verwenden. Er habe zum Ausdruck gebracht, dass er auf einen Versicherungsschutz keinen Wert mehr lege. Daher sei auch für eine Bezugsberechtigung kein Raum mehr. Jedenfalls sollte die frühere Bezugsberechtigte eine Zahlung auf keinen Fall mehr erhalten.

Gegen dieses ihr am 25. Mai 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21. Juni 2000 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 19. Juli 2000 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin ist weiterhin der Meinung, die Auslegung des Kündigungsschreibens des Herrn M. dahin, dass dieses zugleich einen Widerruf des Bezugsrechts beinhalte, sei fehlerhaft. Um den Rückkaufswert in Anspruch nehmen zu können, bedürfe es eines solchen Widerrufs nicht. Soweit der Bundesgerichtshof den Satz aufgestellt habe, in der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages liege regelmässig auch der Widerruf des Bezugsrechts (VersR 1993, 689, 690), beziehe sich dies auf den Sonderfall der Kündigung durch einen Konkursverwalter. Im vorliegenden Fall habe Herr M. eine entsprechende Erklärung auch nicht konkludent abgegeben, weil er offensichtlich an einen möglichen Tod nicht gedacht habe. Jedenfalls fehle es an einer hinreichend deutlichen und klaren Willenserklärung.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln (23 O 266/99) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 110.144,94 DM nebst 4% Zinsen seit dem 29. Juli 1998 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. hilfsweise, ihnen nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gem. § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Die Auslegung, dass das Kündigungsschreiben zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung enthalte, sei zutreffend. Mit der Äusserung, dass er "zugegebenermassen auf den Versicherungsschutz keinen Wert mehr" lege, habe Herr M. zu erkennen gegeben, dass er an der ursprünglichen Bestimmung der Streithelferin als Bezugsberechtigter im Todesfall ebenso wenig habe festhalten wollen wie an dem Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme im Erlebensfall. Einen Versicherungsschutz für die Streithelferin, nämlich ihre finanzielle Absicherung im Todesfall, habe er gerade nicht mehr gewollt. Das komme auch darin zum Ausdruck, dass er den Vertrag "mit sofortiger Wirkung" habe beenden wollen. Er habe die freiwerdenden Mittel in sein allgemeines Vermögen zurückführen wollen; daher sei anzunehmen, dass er auch für den nicht erwarteten Fall seines Todes zwischen dem Eingang der Kündigung und der Vertragsbeendigung davon ausgegangen sei, die auszuzahlenden Beträge würden Teil der Erbmasse. Wenn Herr M. sich darüber im klaren gewesen wäre, dass die Kündigung erst zum 1. August 1998 wirksam werden würde, hätte er die Bezugsberechtigung explizit widerrufen. Daran ändere der Umstand nichts, dass er an eine Kündigungsfrist nicht gedacht habe, denn in jedem Fall habe er den Willen gehabt, zumindest die Bezugsberechtigung mit sofortiger Wirkung zu widerrufen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache bis auf einen Teil des Zinsanspruchs Erfolg.

Die Klägerin kann von den Beklagten als Erben des verstorbenen Herrn M. die Rückzahlung des Betrages von 110.144,94 DM, den sie als Rückkaufswert der gekündigten Lebensversicherung auf dessen Konto überwiesen hat, gemäss § 812 Abs. 1 BGB zurückverlangen. Die Leistung erfolgte ohne rechtlichen Grund, weil zu jedem Zeitpunkt bereits der Versicherungsfall eingetreten war und die Versicherungssumme der Streithelferin als 1. Bezugsberechtigter zustand.

Das Schreiben des Herrn M. vom 29. Juni 1998 beinhaltet über die ausgesprochene Kündigung der beiden Lebensversicherungen hinaus nicht den Widerruf der Bezugsberechtigung. Ausdrücklich ist ein solcher Widerruf nicht erklärt worden. Das Schreiben lässt sich auch nicht dahin ausgelegen, dass mit dem Ausspruch der Kündigung zugleich konkludent der Widerruf der Bezugsberechtigung verbunden war.

1.

Der Widerruf der Bezugsberechtigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Es ist bereits zweifelhaft, ob Herr M. - was erforderlich wäre - überhaupt mit dem Bewusstsein handelte, über die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages hinaus eine weitere Willenserklärung abzugeben. Der Kläger wollte den Lebensversicherungsvertrag kündigen, und zwar - wie es in dem Schreiben heisst - "mit sofortiger Wirkung". Das legt nahe, dass er der wenngleich rechtlich unzutreffenden Auffassung war, er müsse eine Kündigungsfrist nicht einhalten. Wenn er aber der Ansicht war, die Kündigung führe sogleich zur Beendigung des Versicherungsvertrages, bestand aus seiner Sicht keine Notwendigkeit, sich über einen etwaigen Widerruf der Bezugsberechtigung noch Gedanken zu machen. Dabei war sich Herr M. über die Bedeutung eines Widerrufs der Bezugsberechtigung durchaus im klaren, denn er hatte die Bezugsberechtigung nach dem Tode seines Sohnes bereits im Jahr 1984 einmal ausdrücklich geändert (Schreiben vom 29. November 1984, Bl. 39 d.A.). Unter diesen Umständen scheitert die Annahme, Herr M. habe in dem Schreiben vom 29. Juni 1998 auch den Widerruf der Bezugsberechtigung aussprechen wollen, schon am fehlenden Erklärungsbewusstsein.

2.

Unabhängig davon lässt sich auch aus dem Inhalt des Schreibens vom 29. Juni 1998 nichts dafür herleiten, dass er neben der Kündigung zugleich den sofortigen Widerruf der Bezugsberechtigung erreichen wollte. Die Formulierung, er lege auf den Versicherungsschutz keinen Wert mehr, erklärt für sich genommen nur den Umstand, dass Herr M. den Lebensversicherungsvertrag möglichst schnell beenden wollen, um an den Rückkaufswert zu gelangen. Hätte er tatsächlich auch den sofortigen Widerruf der Bezugsberechtigung erklären wollen, hätte es nahegelegen, dies bereits im Eingangssatz des Schreibens, mit dem die Kündigung ausgesprochen wurde, hervorzuheben. Der Satz, er lege auf den Versicherungsschutz keinen Wert mehr, findet sich demgegenüber am Ende des Schreibens und steht ersichtlich im Zusammenhang mit seiner Bitte, von Rückfragen Abstand zu nehmen. Mit diesem Zusatz wollte er daher allenfalls sein Anliegen, die Klägerin von bestandserhaltende Maßnahmen abzuhalten, unterstützen.

Auch wenn es - wie die Beklagten hervorheben - das Ziel der Kündigung des Herrn M. gewesen sein mag, den Rückkaufswert "in sein allgemeines Vermögen" zurückzuführen, lässt sich daraus nicht zwingend auf seinen Willen schliessen, die Streithelferin schon vor der Beendigung des Lebensversicherungsvertrags von dem in der Versicherung verkörperten Vermögenswert fernzuhalten. Anders könnte dies allenfalls dann bewertet werden, wenn Herr M. - für die Klägerin als Empfängerin der Willenserklärung erkennbar - seinen nahen Tod vor Augen hatte; davon gehen aber selbst die Beklagten nicht aus.

Etwas anderes folgt entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht daraus, dass Herr M. die Beendigung des Lebensversicherungsvertrages "mit sofortiger Wirkung" angestrebt hat. Dies gibt - wie es auch die Beklagten einräumen (Bl. 159 d.A. unter 3. b) - zu erkennen, dass er sich schon über etwaige Kündigungsfristen keine Gedanken gemacht hat. Erst recht kann dann aber nicht angenommen werden, er habe jedenfalls die Bezugsberechtigung der Streithelferin mit sofortiger Wirkung widerrufen wollen.

Selbst wenn man unterstellen würde, Herr M. habe mit der Kündigung zugleich auch die Bezugsberechtigung der Streithelferin widerrufen wollen, stünde damit noch nicht fest, dass nunmehr die Beklagten als seine gesetzliche Erben zum Empfang des Geldes berechtigt wären. Herr M. hatte an zweiter Stelle seine Eltern als Bezugsberechtigte eingesetzt; dass auch insoweit ein Widerruf der Bezugsberechtigung erfolgen sollte, behaupten die Beklagten nicht einmal. Gerade der Umstand, dass die gesetzlichen Erben (mithin die Beklagten) erst an dritter Stelle als Bezugsberechtigte benannt waren, belegt, dass Herr M. diese allenfalls nachrangig berücksichtigt wissen wollte. Würde man demgegenüber in der Kündigung des Vertrages auch den Widerruf der Bezugsberechtigung im ganzen sehen, wären die gesetzlichen Erben bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages die Alleinbegünstigten. Für einen solchen Willen des Herrn M. spricht nichts.

3.

Einen Erfahrungssatz, wonach die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages in der Regel zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung beinhaltet, existiert nach Ansicht des Senats nicht. Allerdings hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshof eine solche Auslegungsregel - wenngleich ohne nähere Begründung - aufgestellt (BGH, VersR 1993, 689, 690). Dieser Fall betraf indes die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch einen Konkursverwalter. Dass diesem im Interesse der Konkursmasse daran gelegen ist, mit der Kündigung zugleich auch eine Bezugsberechtigung zu widerrufen, liegt auf der Hand; das lässt sich aber nicht verallgemeinern. Im übrigen aber kam es darauf für die Entscheidung nicht einmal an. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich ausgesprochen, dass es - wegen der besonderen Wirkungen des § 17 KO (Umgestaltung des Vertrages) - eines ausdrücklichen Widerrufs der Bezugsberechtigung durch den Konkursverwalter nicht einmal bedürfe; diese sei entbehrlich. Überdies hatte der Konkursverwalter - wie sich aus dem Tatbestand des Urteils ergibt - die Bezugsberechtigung ausdrücklich widerrufen.

Losgelöst von den Besonderheiten des Konkursverfahrens besteht keine Berechtigung für eine Auslegung dahin, dass die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages generell im Zweifel auch den Widerruf des Bezugsrechts umfasse (so aber möglicherweise Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 13 ALB 86, Rdn. 14; Römer/Langheid, § 165, Rdn. 5; ohne Begründung unter Bezugnahme auf BGH, VersR 1993, 689, 690). Mit der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages bezweckt der Versicherungsnehmer in aller Regel nur, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ihm - nach Ablauf der Kündigungsfrist - der Rückkaufswert zukommt. Gedanken darüber, was geschehen soll, wenn er - wider Erwarten - innerhalb der Kündigungsfrist verstirbt und aus diesem Grund der Versicherungsfall eintritt, wird sich ein Versicherungsnehmer kaum machen, weil die Kündigung des Lebensversicherungsvertrags das Ziel verfolgt, ihm - und nicht seinen Erben bzw. der bezugsberechtigten Person - die angesammelten Geldmittel zugänglich zu machen. Dass mit der Beendigung des Lebensversicherungsvertrags zugleich notwendig auch die Bezugsberechtigung wegfällt, ist eine Selbstverständlichkeit, besagt aber für sich genommen nichts darüber, dass die Bezugsberechtigung beim Ausspruch einer Kündigung zugleich mit deren Zugang wegfallen soll. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn im Einzelfall für die Versicherung als Empfängerin der Erklärung erkennbar wird, dass die Kündigung des Vertrags (auch) dazu dienen soll, die mit der Bezugsberechtigung bezweckte Absicherung einer Person im Todesfall rückgängig zu machen. Das kann - wie dargelegt - im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden.

4.

Dem damit gegebenen Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung des Betrages vom 110.144,94 DM können die Beklagten nicht entgegenhalten, das Rückforderungsbegehren der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich. Insoweit haben die Beklagten in erster Instanz vorgetragen, die Klägerin könne den Betrag nicht "zugunsten einer Dritten" (gemeint ist die Streithelferin) herausverlangen, weil diese ihrerseits verpflichtet sei, den Betrag an sie, die Beklagten, zurückzuerstatten. Dazu haben die Beklagten vorgetragen, mit dem zwischen der Streithelferin und Herrn M. am 18. Mai 1996 geschlossenen Ehevertrag (Bl. 40 ff. d.A.) seien alle wechselseitigen Ansprüche geregelt worden und man sei sich einig gewesen, dass weitere Ansprüche nicht mehr bestehen würden. Damit sei auch die in Form einer unbenannten Zuwendung erfolgte Bezugsberechtigung wieder aufgehoben worden. Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Selbst wenn man unterstellt, dass die Beklagten von der Streithelferin die Rückzahlung der vereinnahmten Versicherungssumme beanspruchen können, so können sie dies nicht über § 242 BGB dem Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung des Rückkaufswertes entgegenhalten. Rechtsmissbräuchlich kann sich nur derjenige verhalten, der von jemandem eine Leistung fordert, obgleich er selbst zur alsbaldigen Rückgewähr verpflichtet ist. Ein solcher Fall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil eine etwaige Pflicht zur Herausgabe der Versicherungssumme nicht die Klägerin, sondern der Streithelferin treffen würde. Die Klägerin hat die Versicherungssumme nach den für sie maßgebenden Versicherungsbedingungen zu Recht an die Streithelferin gezahlt. Etwaige Abreden zwischen dieser und Herrn M. musste sie dabei nicht beachten und konnte dies im Zweifel mangels entsprechender Kenntnis auch nicht. Dann aber lässt sich die an die Beklagten gerichtete Forderung, den Rückkaufswert zurückzuerstatten, nicht als rechtsmissbräuchlich werten. Die insoweit von den Beklagten herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1972, 440) betrifft eine nicht vergleichbare Fallgestaltung.

5.

Zinsen auf den Betrag von 110.144,94 DM in Höhe von 4% (darauf beschränkt sich der Berufungsantrag) stehen der Klägerin erst ab Rechtshängigkeit der Klage zu (§ 291 BGB), wobei der Senat berücksichtigt hat, dass die Klage der Beklagten zu 2) erst einige Wochen später als der Beklagten zu 1) zugestellt werden konnte. Aus welchem Grund die Klägerin Zinsen schon ab dem 29. Juli 1998 (dem Tag der Auszahlung des Rückkaufswertes) sollte beanspruchen können, legt sie nicht näher dar. Auf § 818 Abs. 1 BGB könnte die Klägerin einen solchen Anspruch nur stützen, wenn die Beklagten tatsächlich Nutzungen (Zinserträge) aus dem ihnen zugeflossenen Geldbetrag gezogen hätten (vgl. Palandt-Thomas, BGB, 60. Aufl., § 818, Rdn. 10). Dazu ist ebenso wenig etwas vorgetragen wie zu einer etwaigen Haftung nach §§ 819, 818 Abs. 4 BGB.

6.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Soweit die Beklagten Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO begehren, fehlt ihrem Antrag jede Begründung.

Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer der Beklagten: 110.144,94 DM

Ende der Entscheidung

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