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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 5 U 164/06
Rechtsgebiete: VVG, GKG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
GKG § 21
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 775
ZPO § 776
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 28.6.2006 (26 O 241/05) und das ihm zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Die durch das aufgehobene Urteil verursachten gerichtlichen Kosten, einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens, werden niedergeschlagen. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger schloss im Jahr 2003 bei der B. und N. Lebensversicherung AG (seit 1.1.2005: B.N. Lebensversicherung AG) eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ab, wonach er im Falle bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente zuzüglich einer nicht garantierten Bonusrente (beginnend bei insgesamt 1000.- €) erhalten sollte.

Der Kläger war Beamter bei der E. U. AG. Er wurde zum 1.8.2004 wegen Erschöpfungszustandes, Tinnitus, Cervicalsyndroms und weiterer Diagnosen als dienstunfähig entlassen. Er machte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend, die die B.N. Lebensversicherung AG jedoch mit Schreiben vom 3.12.2004 unter Hinweis auf die Frist des § 12 Abs.3 VVG ablehnte, da sie sowohl von Vorvertraglichkeit ausging als auch das Vorliegen einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit bestritt.

Mit einer am 4.5.2005 eingegangenen und am 13.5.2005 zugestellten Klage, die gegen die "B. und N. Versicherungen AG" gerichtet war, hat der Kläger bedingungsgemäße Rentenleistungen ab dem 1.8.2004 geltend gemacht. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, die seinerzeitige Versicherungsvermittlerin de Lange habe ihm bei Antragstellung zugesichert, Berufsunfähigkeit läge ohne weiteres vor, sobald Dienstunfähigkeit vorliege, was für die Beklagte bindend sei. Berufsunfähigkeit sei auch erst nach Vertragsschluss eingetreten. Die beklagte B.N. Versicherung AG hat geltend gemacht, dass sie nicht passiv legitimiert sei, und im Übrigen das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen bestritten. Der Kläger hat darauf einen Antrag auf Rubrumsberichtigung gestellt.

Die Kammer hat mit Urteil vom 28.6.2006 die Klage abgewiesen, da es an der Passivlegitimation der Beklagten fehle. Die Bezeichnung der Beklagten sei aus Sicht der Beklagten wie des Gerichts eindeutig und nicht weiter auslegungsfähig. Die Beklagte sei daher Partei geworden. Eine Rubrumsberichtigung komme nicht in Betracht. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung widerspricht der Kläger der Rechtsauffassung der Kammer und beruft sich weiter auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Auffassung, die Parteibezeichnung sei mehrdeutig gewesen. Als richtige Partei sei diejenige anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung habe betroffen sein sollen, hier also der hinter der Falschbezeichnung stehende wahre Rechtsträger, nämlich die B.N. Lebensversicherung AG. Die Kammer habe daher dem Antrag auf Rubrumsberichtigung entsprechen müssen.

Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 28.6.2006

1.

die Beklagte zu verurteilen, aus der privaten Berufsunfähigkeits-Versicherung Nr. x.x xxx xxx.91 an den Kläger einen Betrag von 10.601,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2005 zu zahlen,

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente aus der privaten Berufsunfähigkeits-Versicherung Nr. x.x xxx xxx.91 bis zu seinem Tode, jedoch nicht über den 28.2.2018 zu zahlen, und zwar die Rückstände sofort nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit,

ferner beantragt er,

den Rechtsstreit an das Landgericht Köln zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen aller Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, und aufgrund dieses Mangels wäre eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich (§ 538 Abs.2 Nr. 1 ZPO). Der Kläger hat die Zurückverweisung auch beantragt.

Das Urteil des Landgerichts ist im Ausgangspunkt unrichtig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGHReport 2002, 1168, 1169), der sich auch der Senat bereits ausdrücklich angeschlossen hat (Hinweisverfügung vom 7.12.2005 - 5 U 112/05 -), gilt, dass bei unrichtiger Parteibezeichnung grundsätzlich diejenige Person angesprochen ist, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts aus der Sicht der Empfänger (Gericht oder Gegenpartei) zukommt. Nach diesen Grundsätzen ist hier ohne jeden Zweifel nicht die (tatsächlich auch existierende) B.N. Versicherung AG, sondern die B.N. Lebensversicherung AG verklagt worden. Das ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt der Klageschrift, wonach es um Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geht, sondern insbesondere auch aus der der Klageschrift beigefügten Korrespondenz, die der Kläger ausschließlich mit der B.N. Lebensversicherung AG geführt hat. Klageschrift und Anlagen sind insoweit als Hilfsmittel der Auslegung heranzuziehen. Danach verbleiben keinerlei Zweifel, dass die B.N. Lebensversicherung AG verklagt werden sollte. Entgegen der Auffassung der Kammer und der Beklagten liegt hingegen keine irrtümliche Benennung einer falschen Person als Partei vor (vgl. dazu BGH NJW 1987, 1946, 1947). Das könnte man nur annehmen, wenn der Kläger (nach dem objektiven Erklärungswert seiner Angaben) tatsächlich davon ausging, er habe zur Geltendmachung seiner Ansprüche die B.N. Versicherung AG zu verklagen. Das aber ist gerade nicht der Fall.

Es hätte verfahrensfehlerfreiem Vorgehen entsprochen, wenn die Kammer, die ausweislich der Entscheidungsgründe und der Hinweise aus den Sitzungsprotokollen durchaus erkannt hat, dass eigentlich die B.N. Lebensversicherung AG als richtige Partei gemeint war, eine Rubrumsberichtigung vorgenommen hätte. Eine solche Berichtigung war schon von Amts wegen vorzunehmen (OLG Hamm JurBüro 1977, 1420; OLG Düsseldorf Rechtspfleger 1997, 32; OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1352, Vollkommer in Zöller 26. Aufl., 2006, vor § 50 Rn. 7; jeweils mit weiteren Nachweisen). Eines Berichtigungsantrages, den der Kläger im Übrigen gestellt hatte, bedurfte es nicht. Sodann hätte die Kammer die Klage an die richtige Beklagte zustellen müssen, was bis heute nicht geschehen ist, und was die Kammer nunmehr nachzuholen haben wird. Rechtshängigkeit gegenüber der B.N. Lebensversicherung AG ist bislang nicht eingetreten.

Es ist auch mit einer aufwändigen Beweisaufnahme zu rechnen, was die Zurückverweisung rechtfertigt, schon, um insoweit den Parteien keine Tatsacheninstanz zu nehmen. Die Kammer dürfte nämlich, nach Rubrumsberichtigung und ordnungsgemäßer Klagezustellung, die notwendigen Feststellungen zur behaupteten Berufsunfähigkeit des Klägers zu treffen haben. Mit dem Berufen auf Vorvertraglichkeit, nämlich auf das Vorliegen der Berufsunfähigkeit bereits vor Abschluss des Vertrages, wird die Beklagte, ohne dass dies hier abschließender Klärung bedarf, wohl kaum durchdringen können. Entscheidend ist hierfür nicht, ob der Kläger zur Zeit des Vertragsschlusses bereits an Krankheiten litt, die später zu seiner Dienst- und ggf. Berufsunfähigkeit führten, sondern, wann bei rückschauender Betrachtung erstmals die Prognose der Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit gestellt werden konnte (BGH VersR 1984, 630, 632). Dass dies bereits zu Beginn des Jahres 2003 der Fall gewesen wäre, ist den bislang vorliegenden medizinischen Unterlagen auch nicht ansatzweise zu entnehmen.

Eine (aufwändige) Beweisaufnahme wird auch nicht hinfällig durch die Regelung des § 12 Abs.3 VVG. Sollte die B.N. Lebensversicherung AG nach Zustellung der Klage sich auf das Versäumen der Frist des § 12 Abs.3 VVG berufen, würde dem nach Auffassung des Senats der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegenstehen. Die Klage gegen die jetzige Beklagte (B.N. Versicherung AG) war deutlich vor Ablauf der Frist des § 12 Abs.3 VVG eingereicht (4.5.2005) und unverzüglich zugestellt worden. Das Ablehnungsschreiben der B.N. Lebensversicherung AG datiert vom 3.12.2004. Wann es dem Kläger zugegangen ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Fristablauf dürfte folglich irgendwann im Juni 2005 gewesen sein. Bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise wäre innerhalb der Frist des § 12 Abs.3 VVG eine Zustellung an die richtige Anspruchsgegnerin unzweifelhaft erfolgt. Hinzu kommt, dass die B.N. Lebensversicherung AG bei einer innerbetrieblichen Verfahrensweise, die den Grundsätzen von Treu und Glauben gegenüber dem eigenen Vertragspartner entspricht, von der Klage innerhalb der Frist des § 12 Abs.3 VVG Kenntnis hätte haben müssen, so dass sie selbst hätte reagieren können (und müssen), jedenfalls sich aber nicht mehr auf den Ablauf der Frist berufen darf. Es hätte ordnungsgemäßem Vorgehen entsprochen, dass die Sachbearbeiter der beklagten B.N. Versicherung AG, die eingegangene Klage unverzüglich an die zuständige B.N. Lebensversicherung AG weitergeleitet hätten. Dass sie die eigene Unzuständigkeit und die richtige Zuständigkeit der B.N. Lebensversicherung sofort richtig erkannt haben, erscheint dem Senat nicht als zweifelhaft. Ohne jeden Aufwand möglich und zumutbar gewesen wäre auch die sofortige Weiterleitung an die im selben Gebäudekomplex residierende B.N. Lebensversicherung AG (der Senat hält es im Übrigen für überaus naheliegend, dass dies auch tatsächlich geschehen ist). Jedenfalls aber hätte ein umgehender Hinweis darauf erfolgen können, dass die falsche Gesellschaft verklagt worden sei. In einem völlig vergleichbaren Fall (5 U 112/05) haben sich dementsprechend auch die Bevollmächtigten der Beklagten sogleich für die B.N. Lebensversicherung AG bestellt. Dass der Kläger insoweit nicht nur an seinem als solches ohne weiteres erkennbaren Versehen, sondern auch an einer unrichtigen Verfahrensweise der Kammer festgehalten werden soll, wäre mit dem das Versicherungsverhältnis entscheidend prägenden Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar.

Soweit Kosten auf der verfahrensfehlerhaften Vorgehensweise beruhen, waren diese nach § 21 GKG niederzuschlagen (BGH KoRspr. § 8 GKG Nr. 102). Im Übrigen war die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorzubehalten.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit (ohne Sicherheitsleistung) erfolgt vorsorglich mit Rücksicht auf §§ 775, 776 ZPO (vgl. OLG München NZM 2002, 1032).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs.2 ZPO bestehen nicht.

Streitwert: 46.236,16 €.

Ende der Entscheidung

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