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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.06.2004
Aktenzeichen: 5 U 208/03
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG § 166
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 208/03

Anlage zum Protokoll vom 16. Juni 2004

Verkündet am 16. Juni 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schmitz-Pakebusch und den Richter am Oberlandesgericht Mangen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. November 2003 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 136/03 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäss § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung aus der von ihrem verstorbenen Ehemann im Jahr 1990 bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung. Sie ist zwar aufgrund Testaments Alleinerbin ihres Mannes geworden; ihrem Anspruch steht jedoch entgegen, dass als Bezugsberechtigte von ihrem verstorbenen Ehemann die gesetzlichen Erben verfügt worden sind mit der Folge, dass die zum Todeszeitpunkt lebenden Schwestern des Ehemannes als gesetzliche Erben bezugsberechtigt sind und sie, die Klägerin, als Testamentserbin ausgeschlossen ist.

Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweiserhebung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die in der Spalte "Bezugsrecht" erfolgte Eintragung im Versicherungsantrag, wonach im Falle des Todes der versicherten Person die "gesetzl. Erbfolge" gelte, mit Wissen und Wollen des Versicherungsnehmers Herrn V nachträglich durch den Zeugen I vorgenommen worden ist. Dieser hat bei seiner Vernehmung ausführlich seine damalige Tätigkeit für die Beklagte beschrieben, die insbesondere darin bestand, ihm zugeleitete, nicht vollständig ausgefüllte Versicherungsanträge nachzubearbeiten. Dazu hat er regelmäßig die Kunden aufgesucht und mit ihnen die notwendigen Ergänzungen besprochen. Er hat auf Nachfrage auch geschildert, dass er bei fehlendem Eintrag in der Spalte Bezugsrecht für den Fall, dass ein Versicherungsnehmer keine konkrete Vorstellung hat, wen er benennen soll, dort "gesetzliche Erbfolge" einträgt nach einem Hinweis, dass dieses jederzeit änderbare Bezugsrecht Vorrang vor einem Testament habe. Der Senat hat keinen zureichenden Anlass, daran zu zweifeln, dass der Zeuge I in gleicher Weise gehandelt hat, als er den verstorbenen Ehemann der Klägerin im Jahr 1990 aufgesuchte, um mehrere unzureichende Eintragungen in dem Versicherungsantrag zu ergänzen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Zeuge I von seiner regelmäßigen Vorgehensweise abgewichen ist. Im Gegenteil hat er anhand des Antragsformulars anschaulich dargelegt, wie es zu den Änderungen und Ergänzungen (auch etwa hinsichtlich der Berufsangabe Soldat sowie hinsichtlich der Gesundheitsfrage) gekommen ist. Bei dieser Sachlage spricht gegen die Glaubhaftigkeit und Überzeugungskraft seiner Angaben nicht, dass er sich konkret an das Gespräch mit Herrn V nicht mehr erinnern kann. Das war nach nahezu 14 Jahren nicht zu erwarten. Gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben kann ferner nicht eingewandt werden, es sei ungereimt, dass er sich nicht alle Änderungen im Formular durch Herrn V habe abzeichnen lassen. Der Zeuge I hat dies durchaus plausibel damit erklärt, dass er den Namenszug unter der 3. Änderung (Beantwortung der Gesundheitsfrage mit "nein" statt "ja") als ausreichend angesehen habe. Soweit darunter noch der Wohnort des Hausarztes ergänzt worden ist, war dies gegenüber den 3 anderen Ergänzungen ersichtlich von untergeordneter Bedeutung und bedurfte nicht der Abzeichnung durch Herrn V. Die insoweit gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben gerichteten Einwände der Klägerin ergehen sich weitgehend in Mutmaßungen ohne konkreten Hintergrund. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Zeuge I die Ergänzung betreffend das Bezugsrecht erst ausgefüllt hat, nachdem er bereits bei Herrn V gewesen ist. Vielmehr kann nach der Lebenserfahrung ohne weiteres von ausgegangen werden, dass der Zeuge I als erfahrener Mitarbeiter der Beklagten, der täglich mehrere unvollständig ausgefüllte Anträge bearbeitet hat, auch vorliegend darauf geachtet hat, dass er alle notwendigen Ergänzungen mit Herrn V bespricht und danach die entsprechenden Einträge vornimmt. Alles andere ist reine Spekulation. Wenn der Zeuge M in erster Instanz bekundet hat, jede nachträgliche Änderung im Versicherungsantrag sei vom Kunden abgezeichnet worden, so belegt dies nur eine entsprechende Handhabung durch den Zeugen selbst und nicht - wie die Klägerin mutmaßt - eine ständige Übung bei der Beklagten oder gar eine bei der Beklagten "bestehende Regelung"; dazu hat der Zeuge M nichts bekundet. Der Senat hat jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken, den in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen I Glauben zu schenken; er hat auf den Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

Somit ist davon auszugehen, dass Herr V hinsichtlich der Bezugsberechtigung im Falle seines Todes die "gesetzliche Erbfolge" angeordnet hat. Diese Bezugsberechtigung ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB auszulegen; maßgebend ist der Wille des Versicherungsnehmers, der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhanden war und gegenüber dem Versicherer zum Ausdruck gekommen ist (vgl. Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 167, Rn. 1). Insoweit hat der Zeuge I bekundet, er trage nach Rücksprache mit dem jeweiligen Versicherungsnehmer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen "gesetzliche Erbfolge" ein, wenn jener keine konkreten Vorstellungen über die Person des Bezugsberechtigten habe. Dass mit einer solchen Erklärung bestimmte rechtliche Konsequenzen verbunden sind, wird Herrn V als Jurist nicht verborgen geblieben sein. Entscheidend ist allerdings, wie die Beklagte jene Erklärung bei verständiger Würdigung verstehen durfte. Dabei macht es keinen entscheidenden Unterschied, ob insoweit auf Personen in der Zentrale der Beklagten oder auf den Zeugen I abgestellt wird. Der Zeuge I wird sicher, nachdem er selbst auf die Folgen einer entsprechenden Regelung des Bezugsrechts hingewiesen hat, davon ausgegangen sein, dass damit die gesetzlichen Erben unter Ausschluss der Testamentserben eingesetzt werden sollten. Aber auch für jene Mitarbeiter der Beklagten, die nicht an dem Gespräch beteiligt waren, war die Regelung bei sachgerechter Würdigung nur dahin zu verstehen, dass unter "gesetzliche Erbfolge" nichts anderes als der Einsatz der "gesetzlichen Erben" gemeint sein sollte. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, der sich das Landgericht angeschlossen hat, teilt der Senat nicht. Das BGB verwendet zwar nicht die Begriffe "gesetzliche Erbfolge" bzw. "gewillkürte Erbfolge", sondern fasst beides unter dem Oberbegriff "Erbfolge" zusammen.; daraus kann aber nicht geschlossen werden, gesetzlicher Erbe sei auch, wer durch eine testamentarische Verfügung zum Erben berufen worden ist. Die Unterscheidung zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge ist im Gesetz angelegt (§§ 1924-1936 BGB einerseits; §§ 1937-1941 BGB andererseits), und in Rechtsprechung und Literatur ist diese Unterscheidung eine Selbstverständlichkeit (vgl. nur Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 9 I 1 a), S. 226). Ein anderes Verständnis kann man daher auch nicht den Mitarbeitern der Beklagten unterstellen. Es kann mithin keinen relevanten Unterschied machen, ob als bezugberechtigt die "gesetzlichen Erben" eingesetzt sind (dann sind nach anerkannter Rechtsprechung die Testamentserben ausgeschlossen, vgl. RG, DR 1942, 1286; LG Waldshut, VersR 1954, 76) oder ob stattdessen die "gesetzliche Erbfolge" verfügt wird. Das folgt mit Deutlichkeit aus der vorzitierten Entscheidung des Reichsgerichts, in der beide Begriffe synonym verwendet werden:

"Den Kl. steht als Begünstigten aus den Lebensversicherungsurkunden des Dr. H. ein unmittelbarer Anspruch zu, soweit diese auf die "gesetzlichen Erben" lauteten und die Kl. Erben geworden wären, falls die gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre."

Hinzu kommt, dass Herr V die Bezugsberechtigung zu einem Zeitpunkt verfügt hat, zu der er kein Testament errichtet hatte, nicht verheiratet war und auch keine Kinder hatte. Dann spricht alles dafür, dass er die gesetzlichen Erben als Bezugsberechtigte einsetzen wollte. Etwas anderes hat er jedenfalls für die Beklagte erkennbar nicht zum Ausdruck gebracht. Die spätere Testamentserrichtung ist insoweit nicht mehr von Bedeutung.

Damit kann die Klage keinen Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Veranlassung zur Revisionszulassung besteht nicht, da die Voraussetzungen hierfür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Es geht vorliegend um die Auslegung einer Bezugsberechtigung in einem Einzelfall. Das alleine kann - auch wenn bislang ein vergleichbarer Fall nicht entschieden worden sein mag - weder die grundsätzliche Bedeutung der Sache begründen noch gebietet dies die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts, zumal die Auslegung von Willenserklärungen ohnehin nur einer beschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt. Zur Zulassung der Revision zwingt auch nicht der Umstand, dass der Senat die Benennung des Zeugen I in zweiter Instanz für zulässig gehalten hat, weil das Landgericht die in sein Wissen gestellten Tatsachen im Urteil für unerheblich gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), denn die Zulassung eines Beweismittels durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nicht überprüfbar (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2004 - V ZR 187/03).

Berufungsstreitwert: 16.583,30 €

Ende der Entscheidung

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