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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.10.2001
Aktenzeichen: 5 U 87/99
Rechtsgebiete: VVG, BB-BUZ 90, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12
BB-BUZ 90 § 7 (1)
ZPO § 97
ZPO § 713
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 87/99

Anlage zum Protokoll vom 01.10.2001

Verkündet am 01.10.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und Mangen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Januar 1999 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 12 O 126/96 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin erlernte den Beruf der Köchin. Im November 1987 legte sie die Meisterprüfung in diesem Beruf ab. 1989 und 1990 war sie für ein Gehalt von 3.500,00 DM brutto monatlich als Küchenmeisterin im Restaurant "D.'s P." beschäftigt. Da sie sich diesem Beruf wegen verschiedener Erkrankungen gesundheitlich nicht länger gewachsen fühlte, unternahm sie auf Anraten und mit Unterstützung des Arbeitsamtes in den Jahren 1991 bis 1993 eine Umschulung zur Hotelbetriebswirtin. Von März bis November 1994 arbeitete sie im Restaurant "M." in K., von November 1994 bis Januar 1995 für die Firma "S. C.". Seither ist sie arbeitslos.

Die Klägerin beansprucht Leistungen aus der bei der Beklagten seit Oktober 1982 unterhaltenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Sie hat behauptet, sie sei in ihrem Beruf als Küchenmeisterin seit Oktober 1989 wegen verschiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen berufsunfähig. Ihr Umschulungsberuf Hotelbetriebswirtin sei kein bedingungsgemäßer Verweisungsberuf. Im übrigen könne sie in diesem Beruf wegen ihrer gesundheitlicher Beeinträchtigungen keine dauerhafte Anstellung finden. Das Arbeitsamt habe ihr deshalb geraten, sich nochmals umschulen zu lassen, und zwar für den Bereich Eurobürokommunikation.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie

1. 8.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. November 1995,

2. eine monatliche Rente in Höhe von 800,00 DM ab März 1996 - und zwar längstens bis zum 1. Juli 2017 - vierteljährlich im Voraus zu zahlen,

3. festzustellen, dass sie hinsichtlich der mit der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung einschließlich der Invaliditätszusatzversicherung Vers-Nr. ... seit dem 1. Juni 1995 beitragsfrei ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hatte bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit als Küchenmeistern bestritten und die Klägerin auf eine Tätigkeit als Hotelbetriebswirtin verwiesen.

Das Landgericht hat, sachverständig beraten, der Klage im wesentlichen stattgegeben, weil die Klägerin bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit als Küchenmeistern bewiesen habe und sie als Hotelbetriebswirtin keine Anstellung finden könne.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, dass eine mindestens 50 %ige Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit im Sinne der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bedingungen nicht bewiesen sei. Sie verweist darauf, das Landgericht habe die zuletzt im Oktober 1990 tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Klägerin falsch gewertet, da diese keineswegs typisch für eine Küchenmeisterin gewesen sei, sondern zudem Aufgaben einer Hotelfachfrau bzw. bereits einer Hotelbetriebswirtin umfasst habe. Außerdem müsse sich die Klägerin auf den Vergleichsberuf der Hotelbetriebswirtin verweisen lassen. Es sei nicht belegt, dass sie in diesem Beruf keinen Arbeitsplatz finden könne. Das Landgericht habe unter Außerachtlassung der ausweislich des am 29. Oktober 1996 erlassenen Beweisbeschlusses an sich geplanten weiteren Sachaufklärung eine Überraschungsentscheidung gefällt.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen, verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3. April 2000 und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P. vom 27. März 2001 sowie dessen mündliche Anhörung im Termin vom 3. September 2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat die Beklagte mit Recht verurteilt, die für den Fall des Eintritts bedingungsgemäßer Erwerbsunfähigkeit versprochenen Leistungen zu erbringen.

Nach § 2 Nr. 3 b) i.V.m. Nr. 1 und 2 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden besonderen Bedingungen für die Invaliditäts-Zusatzversicherung besteht Anspruch auf Rentenzahlung und Beitragsbefreiung, wenn der Versicherungsnehmer wegen Krankheit voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit, die ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeit voraussetzt, auszuüben. Maßgebend ist die zuletzt tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit, wie sie in gesunden Tage, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers noch nicht beeinträchtigt war, konkret ausgestaltet war (vgl. BGH VersR 1993, 1470; VersR 1996, 830; Prölss-Martin/Voit, VVG, 26. Auflage, § 2 BUZ Rn. 13). Das ist im Streitfall die Tätigkeit der Klägerin als Küchenmeisterin im Restaurant "D.'s P.". Denn diese Tätigkeit hat sie wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgegeben. Dem steht nicht entgegen, dass sie sich, ohne Leistungen aus der streitgegenständlichen Versicherung geltend zu machen, zunächst hat umschulen lassen und dann, gestützt auf neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten, auch anderweitig kurzzeitig erwerbstätig geworden ist. Dieser Umstand lässt den eingetretenen Versicherungsfall grundsätzlich unberührt. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn der Anspruch nach § 12 VVG verjährt gewesen wäre und die Klägerin in dem anderweitigen Beruf eine gesicherte Erwerbsquelle gefunden hätte, mag dahinstehen. Dies alles ist hier nicht der Fall. Die Klägerin hat nach der Umschulung keine dauerhafte anderweitige Beschäftigung, die als Anknüpfung für die Berufstätigkeit im Sinne von § 2 der Bedingungen dienen könnte, gefunden.

Die Klägerin hat den Nachweis geführt, dass sie infolge Krankheit zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihren Beruf als Küchenmeisterin auszuüben. Die Zeugin Sch.-D., Inhaber des P.s, hat glaubhaft angegeben, dass die Tätigkeit der Klägerin von erheblichen körperlichen Anstrengungen (Belastung durch die Hitzeentwicklung, Heben schwerer Töpfe, schweres Heben und Tragen beim Transportieren von Waren etwa zum Kühlhaus und zurück) verbunden mit permanenter Hektik geprägt war. Die Arbeitszeit erstreckte sich unter Einschluss von Pausen von 10.00 Uhr bis 23.00 Uhr arbeitstäglich. Die eher intellektuell geprägten Tätigkeiten (Erstellen von Speisekarten, Ausbildung der Lehrlinge, Planung von neuen Speisen und Rezepten, Bestellung der Lebensmittel) nahmen dagegen relativ wenig Zeit in Anspruch. Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat überzeugend dargelegt, dass die Klägerin wegen ihrer vielfältigen Krankheiten und Beschwerden (Zustand nach arthroskopischer Kniegelenksoperation nach Kniegelenksdistorsion mit Innen- und Außenmeniskus rechts, weiterhin schmerzhafter Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks mit chronischer Instabilität, Partelladysplasie mit lateraler Subluxation rechts mit Chondropathie des medialen Compartiments/Grad IV, schmerzhafter Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes bei Impingementsyndrom der Rotatorenmanschette und leichtgradiger Arthrose des Arcromioclavikulargelenks, schmerzbedingter Funktionseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks bei leichtgradiger Arthrose, schmerzbedingter Funktionseinschränkung der Handgelenke beidseits bei leichtgradiger Arthrose, Zustand nach arthroskopischer Ellenbogenoperation bei Epicondylopathie humeriradiales rechts, multiplepsychosomatische Beschwerden im Rahmen einer Dysthymie, chronisch rezidivierende Gastroduodenopathie mit rezidivierenden Gastroduodenitiden und Gastroduodenalulcera, Zustand nach Refluxösofagitis bei aktualer Hiatushernie mit Reflux, Zustand nach Varizenoperation beidseits, geringgradiger kombinierter Hypolipidemie, Neurodermitis) nicht oder nur eingeschränkt in der Lage war und ist, mittelschwere und schwere körperliche Arbeit, insbesondere Bewegen, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg Gewicht unter starker statischer Beanspruchung des Bewegungsapparates durch ständige stehende Tätigkeiten und in Zwangshaltungen sowie Arbeiten unter erhöhten Verletzungsgefahren durch Ausgleit- und unter Sturzgefahr infolge Feuchtigkeit und Nässe beim Kochen sowie bei Reinigungs- und Transportarbeiten zu verrichten, wobei Tätigkeiten mit stärkeren psychischen Belastungen und Tätigkeiten unter stärkeren oder ständigem Zeitdruck mit einem hohen Anfall von Überstunden zu vermeiden seien. Die zusammenfassende Beurteilung des Sachverständigen, die Klägerin sei in dem Beruf als Küchenmeisterin, so wie er von ihr tatsächlich ausgeübt worden sei, fortdauernd zu mindestens 50 % berufsunfähig, ist nach diesen Feststellungen nachvollziehbar und überzeugend.

Die Klägerin kann auch nicht auf "eine andere Tätigkeit, die ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt" (vgl. § 2 Nr. 1 der besonderen Bedingung), verwiesen werden. Eine Tätigkeit als Hotelfachfrau kommt nicht in Betracht, weil diese Tätigkeit deutlich geringere Kenntnisse und Fähigkeit erfordert als der bisherige Beruf als Küchenmeisterin und schon deshalb als Vergleichstätigkeit ausscheidet (vgl. BGH VersR 1993, 1472). Das hat die Beklagte inzwischen auch akzeptiert, denn sie hat diesen Gesichtspunkt im Berufungsrechtszug (mit Recht) nicht weiter vertieft.

Die Klägerin braucht sich entgegen der Ansicht der Beklagten aber auch nicht auf den im Wege der Umschulung erlernten Beruf einer Hotelbetriebswirtin verweisen zu lassen.

Nach § 2 Nr. 1 der Bedingungen haben durch krankheitsbedingt veranlasste Umschulung erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten für die Frage, ob eine Vergleichstätigkeit ausgeübt werden kann, außer Betracht zu bleiben. Maßgebend ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem die Klägerin die Fähigkeit zur Ausübung ihres bisherigen Berufes in bedingungsgemäßem Umfang verloren hat (vgl. BGH VersR 1987, 753, 754 zu in diesem Punkt vergleichbaren Bedingungen). Aus § 6 der Bedingungen ergibt sich nichts anderes. Danach ist der Versicherer berechtigt, den Umfang der Leistungspflicht herabzusetzen, wenn sich der Grad der Invalidität mindert. Von einer Befugnis, neu erworbene berufliche Fähigkeit zu berücksichtigen, wie es etwa § 7 (1) BB-BUZ 90 (insoweit gleichlautend § 7 BB-BUZ 84) vorsieht, ist dagegen nicht die Rede. Daran muss sich die Beklagte festhalten lassen (vgl. auch BGH a.a.O.).

Sonach kommt es auf die Erwägungen des Landgerichts, die Klägerin könne nicht auf eine Tätigkeit als Hotelbetriebswirtin verwiesen werden, weil es ihr wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht möglich sei, in diesem Beruf einen Arbeitsplatz zu finden, nicht an, wobei anzumerken bleibt, dass der rechtliche Ausgangspunkt für diese Überlegungen (grundsätzliche Berücksichtigung des Umschulungsergebnisses) im Streitfall nicht richtig ist. Dass dies im Sinne der Auffassung des Landgerichts zu beurteilen sein kann, wenn dem Versicherungsvertrag anders lautende Bedingungen zugrundeliegen, bleibt unberührt (vgl. etwa BGH VersR 2000, 171 f.; Prölss-Martin/Voit, 26. Auflage, § 2 BUZ Rn. 28).

Das landgerichtliche Erkenntnis ist schließlich auch in Ansehung des Umfangs und der Höhe der zuerkannten Leistungen nicht zu beanstanden. Da die Beklagte insoweit nichts erinnert, kann sich der Senat eine weitere Begründung insoweit ersparen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Wert der Beschwer für die Beklagte: unter 60.000,00 DM.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 45.212,-- DM (unter teilweiser Abänderung der Festsetzung vom 7. Mai 1999. Der Abzug von 20 % hinsichtlich des Antrags zu 3. ist nach insoweit geänderter Rechtsprechung des Senats nicht gerechtfertigt, denn die Feststellung ist der Sache nach auf Freistellung gerichtet.).

Entgegen der Anregung der Beklagten sieht sich der Senat nicht gehalten, die Revision zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Auffassung des Senats steht im übrigen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang, soweit sie zu den hier in Rede stehenden Bedingungen ergangen ist.

Ende der Entscheidung

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