Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: 5 W 3/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 485 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22. Dezember 2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 28. November 2008 - 3 OH 15/08 - wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat begehrt, im Wege der Beweissicherung ohne mündliche Verhandlung das schriftliche Gutachten eines zahnmedizinisch-oralchirurgischen Sachverständigen über folgende Fragen einzuholen:

1. Ist die zahnmedizinische Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin, die gegebenenfalls weiter festzustellen ist, ursächlich auf eine objektiv pflichtwidrige zahnärztliche Behandlung der Antragsgegner zurückzuführen?

2. Welche Maßnahmen sind erforderlich, um den bzw. die Mängel (Behandlungsbedürftigkeit) zu beseitigen?

3. Wie hoch sind die voraussichtlichen Kosten der etwa zu ergreifenden Behandlungsmaßnahmen?

und hilfsweise über folgende Fragen:

1. Der Sachverständige wird beauftragt, den Gesundheitszustand der Antragstellerin in der Kiefer- und Dentalregion (einschließlich Ober- und Unterkieferknochen, Zahnreihen, alle Zähne und Zahnextraktionslücken, Innervation der Zähne, Zahnfleisch) zu begutachten.

2. Sollte der Sachverständige dabei einen pathologischen Befund oder eine Behandlungsbedürftigkeit erkennen, wird er beauftragt,

a. deren Ursache zu klären,

b. zu klären, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den pathologischen Befund oder die Behandlungsbedürftigkeit zu beseitigen,

c. zu klären, wie hoch die voraussichtlichen Kosten der hierfür etwa zu ergreifenden Behandlungsmaßnahmen sind,

d. ob und in welchem Umfang die etwa festgestellten pathologischen Befunde oder Behandlungsnotwendigkeiten ursächlich auf eine objektiv-pflichtwidrige zahnärztliche Behandlung durch die Antragsgegner zurückzuführen sind.

Das Landgericht hat die Haupt- und Hilfsanträge mit der Begründung abgelehnt, dass die von der Antragstellerin vorgegebenen Beweisfragen einer Klärung im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht zugänglich sind und dem Bestimmtheitgebot nicht entsprechen, und dass ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Kosten nicht angenommen werden könne, weil bei Arzthaftungssachen in der Regel ein Kostenvorschussanspruch nicht bestehe.

Dagegen wehrt sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihre erstinstanzlichen Haupt- und Hilfsanträge unverändert weiterverfolgt.

II.

Die nach § 567 Abs.1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist in der Sache unbegründet.

Das Landgericht hat den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zu Recht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für ein selbständiges Beweisverfahren liegen nicht vor.

Bei Arzthaftungsansprüchen setzt eine schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen nach § 485 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, den Zustand einer Person oder die Ursache eines Personenschadens oder den Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens feststellen zu lassen. Ob ein solches rechtliches Interesse besteht, kann bei Arzthaftungsansprüchen zwar nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ("in der Regel") verneint werden, sondern ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu prüfen [vgl. etwa: BGH, Beschluss vom 21. Januar 2003, VI ZB 51/02, BGHZ 153, 302; Wenzel, Handbuch FA MedizinR/Rosenberger, 2. Aufl., 2009, Kapitel 7 Rn. 454 ff., 456/457 m. w. N.]. Diese Einzelfallprüfung führt hier indes dazu, dass es der Antragstellerin nicht um die Feststellung der gemäß § 485 Abs. 2 ZPO zulässigen Beweisfragen geht. Sie will ausweislich der formulierten Beweisfragen und ihres übrigen Vortrags vielmehr umfassend klären lassen, ob und ggf. von welchem der acht Antragsgegner sie ggf. in jeweils welcher Weise fehlerhaft behandelt worden ist. Das sind Fragen, die mit Feststellungen zum Zustand einer Person und der Ursache eines Personenschadens allenfalls am Rande etwas zu tun haben und weit über das hinaus zielen, das mit einem selbständigen Beweisverfahren an Klärung herbei geführt werden kann. Die Antragstellerin erstrebt letztlich nicht die Feststellung von Tatsachen, d.h. ihres Zustandes, und der Ursache eines bei ihr entstandenen körperlichen Schadens (Personenschaden), sondern die Klärung der Haftung der Antragsgegner:

Für die Frage 1. ihres Hauptantrages (Seite 2 ihrer Antragsschrift vom 4. Juli 2008) ergibt sich dies bereits eindeutig aus dem Wortlaut, wobei zugleich mit der Frage 1. auch die mit dieser Frage zusammenhängenden und diese Frage ergänzenden Fragen zu 2. und 3. des Hauptantrages einer Klärung im selbstständigen Beweisverfahren nicht zugänglich sind.

Dies gilt aber auch für Fragen 1. und 2. Ihres Hilfsantrages (Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 21. September 2008, Bl. 127 d. A.). Denn der Sache nach zielen die Hilfsanträge ebenso wie die Hauptanträge auf eine umfassende Klärung der Frage ab, welcher der Antragsgegner die Antragstellerin in jeweils welcher konkreten Weise fehlerhaft behandelt hat. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der Hilfsanträge und ihrer Begründung und ist zudem von der Antragstellerin wörtlich wie folgt klargestellt worden: "Die Begründung lässt sich bereits der Begründung des Hauptantrages entnehmen, der hiermit hilfsweise lediglich sprachlich etwas anders formuliert wird, damit es den Antragsgegnern leichter fällt, sich hierauf einzulassen." (Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 21. September 2008, Bl. 127 d. A.).

Die Antragstellerin beruft sich zur Begründung ihrer Haupt- und Hilfsanträge auch ohne Erfolg auf den Beschluss des Senates vom 7 August 2002 [5 W 98/02, VersR 2003, 375]. Dieser Beschluss ist durch die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2003 [VI ZB 51/02, BGHZ 153, 302] überholt. Denn der Bundesgerichtshof hat in dieser Grundsatzentscheidung festgeschrieben, dass einerseits ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO bei Arzthaftungsansprüchen nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalles verneint werden kann [BGH, a. a. O., Juris-Rn. 7 ff., 10], dass andererseits aber im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens die Frage, ob und in welcher Schwere dem behandelnden Arzt Behandlungsfehler unterlaufen sind, sowie die rechtlichen Fragen des Verschuldens des Arztes und der Kausalität der Verletzung für den geltend gemachten Schaden nicht geklärt werden können [BGH, a. a. o., Juris-Rn. 14; Rosenberger, a. a. o., Kapitel 7 Rn. 458 m. w. N.]. Dieser Grundsatzentscheidung hat sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen, wobei er an seiner Entscheidung vom 7. August 2002 [5 W 98/02, VersR 2003, 375] und an weiteren Entscheidungen aus der Zeit vor Januar 2003 nicht mehr festhält, soweit sie hiervon abweichen.

Auch unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten ist die Frage 1. des Hilfsantrages und damit zugleich die mit dieser Frage zusammenhängende und diese Frage ergänzende Frage zu 2. des Hilfsantrages auch deshalb einer Klärung im selbstständigen Beweisverfahren nicht zugänglich, weil sie zu allgemein gefasst ist und keinen Bezug zu den jeweiligen Behandlungen der acht in unterschiedlichen Behandlungsabschnitten tätig gewesenen Antragsgegner erkennen lässt.

Dem Senat ist es auch verwehrt, die Beweisfragen der Antragstellerin inhaltlich so zu verändern und umzuformulieren, dass sie ausschließlich im Rahmen des in selbstständigen Beweisverfahren Zulässigen auf die Feststellung des Zustandes einer Person oder die Ursache eines Personenschadens oder den Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens abzielen, und in diesem Umfang dem Antrag der Antragstellerin - teilweise - stattzugeben. Denn das Gericht ist in selbstständigen Beweisverfahren an die Formulierung der Beweisfragen durch den Antragsteller gebunden [BGH, a. a. O., Juris-Rn. 15; BGH, NJW 2000, 960, Juris-Rn. 9; Rosenberger, a. a. O., Kapitel 7 Rn. 459].

Da das Landgericht den Antrag der Antragstellerin bereits aus den vorstehenden Gründen zu Recht zurückgewiesen hat, bedarf es hier keiner Klärung der Fragen, ob im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens auch die Höhe der Kosten einer noch durchzuführenden Nachbehandlung geklärt werden können, und ob einem selbstständigen Beweisverfahren gegen die Antragsgegner zu 7. und 8. entgegensteht, dass zwischen diesen und der Antragstellerin anderweitig ein Hauptsacheverfahren rechtshängig ist, im Rahmen dessen bereits ein Sachverständigengutachten mit umfangreichen Feststellungen zu der Behandlung der Antragstellerin eingeholt worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit Fragen von grundsätzlicher Bedeutung insbesondere zu dem Umfang der im selbstständigen Beweisverfahren möglichen Klärungen berührt sind, sind diese bereits höchstrichterlich entschieden [vgl. insb. BGHZ 153, 302].

Streitwert: 130.000 Euro.

Ende der Entscheidung

Zurück