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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.11.2001
Aktenzeichen: 6 U 103/01
Rechtsgebiete: UWG, BGB, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 Abs. 2
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 683
BGB § 670
ZPO § 256
ZPO § 91
ZPO § 711
ZPO § 108
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 103/01

Anlage zum Protokoll vom 30.11.2001

Verkündet am 30.11.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 02. November 2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, von Hellfeld und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. März 2001 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 438/00 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand:

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, Wettbewerbsverstöße zu bekämpfen und zu unterbinden. Zu seinen Mitgliedern zählen neben dem Reiseveranstalter O. u.a. die T. Group GmbH. Letztere ist als Holding an zahlreichen führenden Reiseveranstaltern sowie der Fluggesellschaft H.-L. beteiligt.

Zum Zwecke der Kundenbindung bei ihren In- und Auslandsflügen bietet die Beklagte den interessierten Verkehrskreisen seit langen Jahren die Teilnahme an ihrem Vielfliegerprogramm "Miles & More" an. Dieses "Miles & More"-System zeichnet sich im wesentlichen dadurch aus, dass der Fluggast der Beklagten oder eines ihrer Partnerunternehmen für die Buchung eines Fluges Prämienmeilen gutgeschrieben bekommt. Solchermaßen angesammelte Meilen kann er dann binnen eines vorgegebenen Zeitraums gegen bestimmte, von der Beklagten unter anderem in ihrer Broschüre "L. Miles & More-Prämien" beworbene Prämien eintauschen. Die gutgeschriebenen "Meilen" können zum Beispiel in Leistungen wie Flüge oder Hotelübernachtungen umgewandelt werden. In ihrer Werbung stellt die Beklagte jeweils dar, wieviele Meilen der Kunde angesammelt haben muss, um in den Genuss einer bestimmten Prämie zu kommen. Zum Beispiel hat der Kunde der Beklagten die Möglichkeit, an einem eineinhalbtätigen Fahrer-Training in einem BMW 325 i teilzunehmen, wenn sein bei der Beklagten geführtes Konto ein Guthaben von 225.000 Meilen ausweist. Die Ansammlung von 500.000 Meilen verschafft dem Vielflieger die Möglichkeit, sich von einem erfahrenen Koch im eigenen Haus ein exquisites Mehrgängemenü für bis zu 12 Personen zubereiten zu lassen. Dagegen reichen bereits 70.000 Meilen, um in den Genuss eines Sechs-Gänge-Galadiners einschließlich Übernachtung für zwei Personen in der "Residenz H. W." in A. zu gelangen. Zwischen 20.000 und 40.000 Meilen muss man angesammelt haben, um entweder am Wochenende oder während der Woche kostenlos ein Mietfahrzeug der Firma S. zu erhalten. Ein Komforttelefon der Firma Si. ist für 65.000 Meilen zu haben, ein sog. "Aerotimer" kostet den Eintausch von 250.000 Meilen. Wegen der näheren Einzelheiten der Angebote der Beklagten wird auf den vom Kläger als Anlage 1 zur Klageschrift zu den Akten gereichten Prämienkatalog "Winter 1999/Frühjahr 2000" (Blatt 19 d.A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der ausgelobten Prämien, die der Kläger zum Gegenstand seines Unterlassungsbegehrens gemacht hat, wird zudem auf die in seinem nachfolgenden erstinstanzlichen Klageantrag in Schwarz-/Weißkopie wiedergegebenen Auszüge aus dem Prämienkatalog verwiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, einzelne von der Beklagten beworbene Erlebnis- und Sachprämien lockten den potenziellen Interessenten wegen ihrer Hochwertigkeit und mangels sachlichen Zusammenhangs mit den sonst von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen in übertriebener Weise an. Die ausgelobten Prämien seien so attraktiv, dass der Kunde die Flugleistung der Beklagten ohne sachliche Prüfung der Angebote von Wettbewerbern vorrangig in Anspruch nehme, um eine der beworbenen Vergünstigungen zu erhalten. Der von der Werbung der Beklagten angesprochene Verbraucher werde von einer sachgerechten Prüfung des Preis-/Leistungs-Verhältnisses abgelenkt. Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ein sog. Vielflieger regelmäßig auf Kosten seines Arbeitgebers fliege, die Meilen aber seinem persönlichen Meilenkonto gutgeschrieben würden.

Der Kläger hatte deshalb nach Teilrücknahme seiner Klage Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 250,56 DM verlangt und im übrigen beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise zu verhängende Ordnungshaft, oder zu verhängende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

im Rahmen des "Miles & More"-Programms Prämien wie nachstehend wiedergegeben anzukündigen und/oder zu gewähren:

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Prozessführungsbefugnis und die Aktivlegitimation des Klägers mit der Begründung in Abrede gestellt, nur Flugverkehrsgesellschaften als Anbieter reiner Flugleistungen zählten im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu ihren Mitbewerbern, eine ausreichende Zahl solcher Mitbewerber gehöre dem Kläger aber nicht an. In der Sache finde ein übertriebenes Anlocken nicht statt, ein entsprechender Unterlassungsanspruch stehe dem Kläger deshalb nicht zu. Im übrigen sei ein etwaiger Unterlassungsanspruch verwirkt, weil der Kläger - insoweit unstreitig - ein dem jetzigen Unterlassungspetitum sinngemäß entsprechendes Unterlassungsbegehren namentlich unter zugaberechtlichen Gesichtspunkten bereits im Jahre 1993 abgemahnt, den erhobenen Unterlassungsanspruch dann aber nicht weiterverfolgt habe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zur Zahlung der geltend gemachten Abmahnpauschale verurteilt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei prozessführungsbefugt und auch aktivlegitimiert, weil auch die Anbieter von Pauschalreisen in den Kreis der gewerblichen Leistungserbringer im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG einzubeziehen seien. Bei dem Angebot der Beklagten handele es sich um einen Fall unzulässiger Wertreklame im Sinne des § 1 UWG, weil die potenziellen Kunden der Beklagten in übertriebener Weise angelockt und unsachlich beeinflusst würden. Hierbei spiele auch eine Rolle, dass der jeweilige Flug vom Arbeitgeber bezahlt werde, die gutgeschriebenen Meilen und später auch die Prämie aber beim Angestellten verblieben. Auch hätten die ausgelobten Prämien keinerlei Bezug zu dem Dienstleistungsangebot der Beklagten. Verwirkung sei schon deshalb nicht eingetreten, weil der Kläger seinerzeit nicht den für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird die angefochtene Entscheidung (Blatt 314 ff. d.A.) in Bezug genommen.

Gegen das ihr am 23.04.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.05.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.07.2001 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, stellt weiterhin schon die Prozessführungsbefugnis des Klägers in Abrede und verweist darauf, dass Rabatte und Zugaben als Mittel der Kundensicherung und Kundenbindung nunmehr nach der Aufhebung des Rabattgesetzes und dem Wegfall der Zugabeverordnung grundsätzlich erlaubt seien. Ein übertriebenes und deshalb wegen Verstoßes gegen § 1 UWG verbotenes Anlocken finde nicht statt. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht seiner Entscheidung schon ein falsches Verbraucherleitbild zugrunde gelegt. Es sei nicht auf den typischen Durchschnittsverbraucher, sondern auf den durchschnittlichen Geschäftsreisenden und Vielflieger abzustellen. Das folge daraus, dass sich ihr Prämiensystem nur an solche Flugreisenden richte, die regelmäßig oder zumindest häufig Linienflüge unternähmen. Solche Personen achteten vornehmlich auf Unterschiede in der Qualität der Flugleistungen, also auf Sicherheit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Bequemlichkeit etc. und auch die Verfügbarkeit von Anschlussflügen; sie könnten den Wert der Prämien im Prämiensystem der Beklagten relativ genau einschätzen. Ein durchschnittlich informierter, von der Werbung der Beklagten angesprochener Vielflieger sehe deshalb, dass er rund 500 Inlandsflüge im Gesamtwert von circa 400.000,00 DM oder rund 35 Transatlantikflüge erster Klasse buchen müsse, um in den Genuss von 500.000 gutgeschriebenen Meilen zu kommen. Eine Wertreklame sei auch nicht schon per se deshalb wettbewerbswidrig, weil die angebotene Nebenleistung oder Zugabe keinen direkten Bezug zur Hauptleistung aufweise. Im übrigen hätten - was die Beklagte näher ausführt - sämtliche mit der Klage angegriffenen Prämien einen solchen Bezug zu den angebotenen Flugleistungen. Soweit das Landgericht bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung ihrer Werbung dem Umstand Bedeutung beigemessen habe, dass die Prämie den Geschäftsreisenden persönlich zu Gute komme, während die zur Erlangung der Prämie erforderlichen Flugtickets von deren Arbeitgeber bezahlt würden, sei diese Annahme spekulativ, außerdem habe der Kläger hierzu Schlüssiges nicht vorgetragen. Der von ihrer Werbung ausgehende und auch gewollte Anlockeffekt sei keineswegs übertrieben im Sinne des § 1 UWG, die Ankündigung und Gewährung der jeweiligen Prämie deshalb nicht unlauter.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und ist weiterhin der Auffassung, durch die Werbung der Beklagten werde der potenzielle Kunde in übertriebener Weise angelockt. Im Rahmen der nach § 1 UWG vorzunehmenden Interessenabwägung sei im übrigen auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Anlockeffekt mit dem Wachsen des Meilenguthabens immer größer werde. Je mehr Meilen ein Kunde der Beklagten bereits auf seinem Konto verbucht habe, desto größer werde der Anreiz, die Dienste der Beklagten stets unabhängig von ihrer Qualität und Preiswürdigkeit nur deswegen in Anspruch zu nehmen, weil dadurch das Guthaben auf dem Meilenkonto erhöht werde. Auf diese Weise würden Mitbewerber um die Chance gebracht, ihrerseits das Publikum werblich anzusprechen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Bewerbung und auch die Gewährung von Prämien der mit der Klage angegriffenen Art ist nicht wegen übertriebenen Anlockens im Sinne des § 1 UWG unlauter. Dem Kläger steht deshalb weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG zu, noch kann er gemäß §§ 683, 670 BGB Ersatz der ihm durch die Abmahnung entstanden Kosten verlangen.

Unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens handelt sittenwidrig und damit gemäß § 1 UWG unlauter, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Übermaß mit Vorteilen für den Kunden wirbt und so bewirkt, dass dieser sich mit den Angeboten der Wettbewerber nicht befasst, sondern seine Entscheidung, die Leistung des einen in Anspruch zu nehmen, die des anderen hingegen nicht, lediglich daran ausrichtet, in den Genuss des angekündigten Vorteils zu kommen (vgl. hierzu: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001, § 1 UWG Rdnr. 90 ff.; Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 40). Die Besonderheit des sog. übertriebenen Anlockens gegenüber der durch Bild- und Wortreklame realisierten sog. Aufmerksamkeitswerbung besteht darin, dass den Umworbenen zu Werbezwecken ein Geschenk gemacht wird. Eine solche Form der Wertreklame kann die Gefahr mit sich bringen, dass die angesprochenen Verkehrkreise ihre Entscheidung nicht vorrangig an der Preiswürdigkeit und der Qualität der angebotenen im Vergleich zu den konkurrierenden Leistungen messen, sondern vor allem darauf achten, dass sie die angekündigte Vergünstigung erhalten (siehe hierzu etwa Köhler/Piper, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 38 und OLG Nürnberg, WRP 2001, 302, 303 "Miles & More"). Das bedeutet aber keineswegs, dass das Versprechen und/oder die Gewährung von Geschenken stets unlauter wäre. Verboten ist nicht das durch die Gewährung eines Geschenks bewirkte Anlocken, sondern nur das im Einzelfall zu beanstandende Übermaß. Deshalb bedarf es, um der Hingabe von Geschenken zu Werbezwecken mit Erfolg den Vorwurf der wettbewerblichen Unlauterkeit entgegen halten zukönnen, stets des Hinzutretens besonderer Umstände, welche die Vergünstigung im Einzelfall als anstößig erscheinen lassen. An das Vorliegen derartiger, die etwaige Sittenwidrigkeit im Sinne von § 1 UWG begründender Umstände sind zwar, wie das Landgericht richtig gesehen hat, im Falle der Wertreklame in aller Regel weniger strenge Anforderungen zu stellen, als sie bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer bloßen Aufmerksamkeitswerbung zugrunde zu legen sind. Daran hat nach Auffassung des Senats auch die Entscheidung des Gesetzgebers nichts geändert, Rabatte und Zugaben als Mittel der Kundensicherung und Kundenbindung im Grundsatz als legitim zu erachten und deshalb das Rabattgesetz wie auch die Zugabeverordnung aufzuheben. Denn die den Rahmen reiner Aufmerksamkeitswerbung überschreitende Wertreklame kann schnell eine unsachliche Beeinflussung des umworbenen Verbrauchers zur Folge haben. Je nach den Umständen des Einzelfalles ist sie mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs, in dem die Mitbewerber ihre Stellung im Markt jeweils mit der Qualität und/oder der Preiswürdigkeit ihrer Leistungen erreichen sollen, nicht vereinbar (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BGH WRP 1998, 727, 728 "Schmuck-Set"; BGH GRUR 1993, 774, 776 "Hotelgutschein"; BGH GRUR 1995, 621, 622 "Glücksball-Festival"; BGH GRUR 1968, 649, 651 "Rocroni-Ascher"; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 93 m.w.N.). Der Tatbestand des übertriebenen Anlockens setzt dabei allerdings ein Werbeverhalten voraus, bei dem der mit dem in Aussicht gestellten Vorteil verbundene Anlockeffekt aus der Sicht des von der Werbung angesprochenen Verkehrs so stark ist, dass das von der Werbung angesprochene Publikum von einer sachgerechten Prüfung des Angebots abgelenkt und in seiner Entschließung maßgeblich von der Erwägung bestimmt wird, die ausgelobte Vergünstigung zu erhalten. In diesem Fall wird der Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber verfälscht, die in unzumutbarer Weise um die Chance gebracht werden, ihrerseits das Publikum wirksam anzusprechen und ihrer Leistung Geltung zu verschaffen. Dieser, gegebenenfalls zur Annahme einer sittenwidrigen Handlung im Sinne des § 1 UWG führende Effekt tritt immer, aber auch nur dann ein, wenn durch das Anlocken mit übermäßigen Vorteilen eine so starke Anziehungskraft auf den Umworbenen ausgeübt wird, dass er sich mit den Angeboten der Mitbewerber nicht mehr oder nicht mehr näher befasst, sondern solchermaßen sachfremd beeinflusst nur noch daran denkt, gerade dieses mit der Gewährung eines Geschenkes verbundene Angebot anzunehmen.

Von einer solchermaßen sachfremden Beeinflussung und damit einem übertriebenen Anlocken im Sinne des § 1 UWG kann unter den im Streitfall vorherrschenden Umständen indes entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ausgegangen werden. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass sich die Werbung der Beklagten zwar potenziell an jedermann richtet, de facto von ihr aber nur ein bestimmter Personenkreis angesprochen ist. Mit ihrer Werbung wendet sich die Beklagte nämlich ausschließlich an Personen, die aus privaten oder beruflichen Gründen häufig fliegen, und zwar nicht in einem Charter-, sondern einem Linienflugzeug. Bei diesem von der Werbung der Beklagten angesprochenen Personenkreis muss es sich zwar nicht typischerweise um einen - wie die Beklagte ihn beschrieben hat - hochverdienenden und gestressten Topmanager handeln, der von einem Termin zum anderen und von Flugzeug zu Flugzeug hetzt, und der den Wert seiner eigenen Arbeitsleistung so hoch einschätzt, dass es ihm gleich ist, ob er zum Beispiel für einen Inlandsflug bei der einen Gesellschaft einige 100,00 DM mehr bezahlt als bei der anderen. Bei der Beurteilung der Frage, wie sich die Werbung der Beklagten aus der Sicht des Verkehrs darstellt und wie sie auf ihn wirkt, ist aber dennoch zu berücksichtigen, und zwar stärker, als das Landgericht es getan hat, dass sich die Werbung nicht an das allgemeine Publikum richtet, das im Jahr allenfalls wenige Male ein Flugzeug des Linienverkehrs besteigt, sondern dass von ihr Personen angesprochen sind, die vor allem im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes häufig oder zumindest regelmäßig darauf angewiesen sind, mit einem Linienflugzeug von einem Ort zum anderen zu gelangen. Zu diesem Personenkreis zählen namentlich Kaufleute, Mitglieder von Bundes- oder obersten Landesbehörden, aber auch zum Beispiel Angehörige der freien Berufe wie etwa Rechtsanwälte. Diejenigen Personen, die die Beklagte mit ihrer Werbung anspricht, sind regelmäßig entweder Akademiker mit entsprechenden Bildungsstand, zumindest aber Kaufleute aus unterschiedlichen Handels- und Geschäftsbereichen, die erfolgsorientiert und wirtschaftlich denken und sich nicht ohne weiteres von einem Angebot blenden lassen, das sich für sie nicht rechnet. Ungeachtet der Tatsache, dass für einen solchen Vielflieger bei der Auswahl der Fluggesellschaft nicht nur der Preis für das Flugticket, sondern vor allem auch von Bedeutung ist, ob er die Fluggesellschaft aus seiner subjektiven Sicht für sicher, pünktlich und zuverlässig hält, und ob er mit ihrem sonstigen Leistungsangebot zufrieden ist, insbesondere auch dem Service beim Ein- und Auschecken und an Bord, sieht ein solcher das werbliche Angebot der Beklagten betrachtender Vielflieger ohne weiteres, dass er mehrere hundert Inlandsflüge oder zumindest zahlreiche Transatlantikflüge in der ersten Klasse buchen muss, um zum Beispiel die beworbenen "Gourmetfreuden" a la "Rent-a-chef" genießen zu können. Der kaufmännisch denkende, von der Werbung der Beklagten angesprochene Verbraucher wird ebenso wie jeder andere Vielflieger ohne weiteres sehen, dass sich die Häufigkeit der notwendigen Buchungen verringert, wenn er geringwertigere Prämien in Anspruch nehmen will, indem er zum Beispiel für 26.000 Meilen 7 Tage lang kostenlos einen Opel Corsa bei der Firma S. bekommt. Das Klientel, an das sich die Beklagte mit ihrem Angebot wendet, wird die ausgelobten "Meilen" respektive die in Aussicht gestellten Prämien zwar sicher als angenehme Draufgabe empfinden und sich im Zweifel dann, wenn es unter mehreren von ihm insbesondere als sicher empfundenen Fluglinien wählen kann, das Angebot der Beklagten wahrnehmen, wenn und soweit das Leistungspaket aus seiner Sicht auch im übrigen stimmt. Gerade in der heutigen Zeit, in der der Sicherheit beim Fliegen oberste Priorität zukommt, und zwar auch und gerade aus der Sicht desjenigen, der das Transportmittel "Flugzeug" bei Inlands- und/oder Auslandsflügen regelmäßig benutzt, wird sich eine Person aus der Zielgruppe, die die Beklagte mit ihrem Angebot anspricht, nicht gleichsam blind auf das Angebot der Beklagten einlassen und ein Flugticket ohne Prüfung der Qualität und Preiswürdigkeit des Angebots immer wieder nur deshalb bei ihr buchen, weil die Beklagte diese Kundentreue mit der Gewährung bestimmter Vorteile belohnt. Der von der Beklagten werblich angesprochene Adressatenkreis lässt sich nicht - wie es der Tatbestand des übertriebenen Anlockens im Sinne des § 1 UWG aber voraussetzt - von dem konkreten, mit der Klage angegriffenen Angebot der Beklagten so in seiner Entschließungsfreiheit beeinflussen, dass er gleichsam magnetisch angezogen Angebote der Mitbewerber gar nicht mehr zur Kenntnis nimmt und Flugtickets wegen der Attraktivität der versprochenen Prämien automatisch nur noch bei der Beklagten bucht.

Diese Feststellung schließt die Erkenntnis ein, dass ein Vielflieger, der bereits eine beträchtliche Anzahl von "Meilen" gesammelt hat und dem nur noch einige tausend Meilen fehlen, die er benötigt, um eine von ihm als besonders attraktiv empfundene Prämie auch tatsächlich zu erhalten, im Zweifel eher geneigt sein wird, auch weiterhin mit der Gesellschaft zu fliegen, die ihm letztlich das Erreichen seines Ziels ermöglicht. Aber auch das hat dann seine Ursache nicht darin, dass das Angebot der Beklagten sich als ein solch übermäßiger Vorteil erweist, dass ein von der Werbung der Beklagten angesprochener, durchschnittlich informierter und einigermaßen wirtschaftlich denkender Fluggast ohne jedwede Abwägung auch die letzten ihm fehlenden Meilen mit einem Flugzeug der Beklagten fliegt, koste es, was es wolle. Dass ein solcher Fluggast im Zweifel dann, wenn ihm das Angebot der Mitbewerber nicht aus anderen Gründen als lukrativer erscheint, wiederum bei der Beklagten und nicht bei einer anderen Fluggesellschaft sein Ticket bucht, ist dann legitime Folge eines mit jeder Werbung bezweckten und im Interesse des Wettbewerbs auch gewünschten Anlockeffekts.

Soweit das Landgericht in seiner abweichenden Beurteilung offensichtlich auch der Argumentation des Klägers gefolgt ist, im Rahmen der Abwägung und Entscheidung der Frage, ob das werbliche Verhalten der Beklagten die Grenze zu unlauterem Wettbewerb bereits überschritten hat, sei zu berücksichtigen, dass Flugtickets häufig von Arbeitgebern bezahlt würden, die Gutschrift der Meilen aber auf dem privaten Meilenkonto des Fluggastes erfolge, kann offen bleiben, ob dieser Umstand im Rahmen des Unlauterkeitstatbestandes des übertriebenen Anlockens von Bedeutung sein kann. Gleiches gilt im Ergebnis für die Frage, ob es für die Beurteilung einer Werbung als ein Fall übertriebenen Anlockens von Interesse sein kann, ob die ausgelobte Vergünstigung in einem sachlichen Zusammenhang mit der Ware oder Leistung steht, die der Kunde bezahlen muss (zu letzterem vergleiche die in den Rechtsstreiten 6 U 181/00 und 6 U 182/00 ergangenen Entscheidungen des Senats "Fernsehgerät für 1,-- DM"). Denn die Beklagte hat zu Recht beanstandet, dass es zu dem erstgenannten Gesichtspunkt bereits an jedwedem schlüssigen und vor allen Dingen einlassungsfähigen Sachvortrag des Klägers fehlt. Schon seine Mutmaßung, in Betrieben buchten Arbeitnehmer und/oder Angestellte ihre Flugtickets nach eigenem Gutdünken, ist nicht mit dem notwendigen Tatsachenmaterial untermauert und deshalb spekulativ. Gleiches gilt für seine Mutmaßung, die durch die Prämienauslobung begünstigte Buchung eines Flugtickets bei der Beklagten habe zur Folge, dass ein Arbeitnehmer oder Angestellter im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber irgendwelche vertraglichen Pflichten verletzte.

Soweit das Landgericht die Gedankenführung des Klägers aufgegriffen und bei der Prüfung des Tatbestandes des übertriebenen Anlockens im Sinne des § 1 UWG argumentativ ins Feld geführt hat, die ausgelobten Prämien stünden in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem sonstigen Dienstleistungsangebot der Beklagten, kann in tatsächlicher Hinsicht dahin stehen, ob ein solcher Zusammenhang vom Landgericht zutreffend verneint worden ist. Denn ein zulässiges Anlocken vom Kunden durch Werbung mit Geschenken setzt nicht etwa gleichsam als negatives Tatbestandsmerkmal voraus, dass die kostenlose Zusatzleistung - das Geschenk - in irgendeinen Zusammenhang mit der Hauptleistung gebracht werden kann.

Ist das von dem Kläger beanstandete Verhalten demgemäß nicht wettbewerbswidrig und die Klage deshalb aus diesem Grunde als unbegründet abzuweisen, kann im übrigen offen bleiben, ob der Kläger die mitgliedschaftlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt und deshalb prozessführungsbefugnis ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes (vgl. nur: BGH WRP 1999, 1159 ff. = GRUR 1999, 1119 ff. "RUMMS!" m.w.N.) handelt es sich bei der Prozessführungsbefugnis der Verbände nach § 13 Abs. 2 UWG um eine Prozessvoraussetzung, bei der - ähnlich wie beim Rechtsschutzinteresse für eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO - von der grundsätzlich (prozessual) vorrangigen Prüfung abgesehen und aufgrund der Verfahrensökonomie bei Unbegründetheit des Begehrens ausnahmsweise sogleich materiell entschieden werden kann. Das hat seinen Grund darin, dass anders als bei anderen Prozessvoraussetzungen bei einem Verband, der möglicherweise im Hinblick auf seine Mitgliederstruktur nicht prozessführungsbefugt ist, keine zwingende Notwendigkeit besteht, die Frage nach der Prozessführungsbefugnis einer - unter Umständen aufwendigen - Klärung zuzuführen, wenn bereits zu erkennen ist, dass der Klage aus materiellen Gründen kein Erfolg beschieden sein kann. Wird nämlich die Klage in einem solchen Fall als unbegründet abgewiesen, kommt - anders als bei der Prozessstandschaft - eine Erstreckung der Rechtskraft auf andere materiell Berechtigte nicht in Betracht (BGH a.a.O., "RUMMS!").

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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