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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 6 U 117/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 117/02

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 30.10.2002

Verkündet am 30.10.2002

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.10.2002 unter Mitwirkung seiner Mitglieder

Dr. Schwippert, Pietsch und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 13.6.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 250/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 26.04.2002 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufgehoben.

2.) Die Kosten des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs.1 Ziff.1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, weil der geltendgemachte Verfügungsanspruch aus § 3 UWG nicht besteht. Die angesprochenen Verkehrskreise werden durch den Bestandteil "med" der Bezeichnung "d. med" nicht irregeführt. Denn sie werden aufgrund dieser Bezeichnung keine Eigenschaften des Produktes erwarten, die dieses nicht aufweist.

Zutreffend hat die Kammer der Beurteilung allerdings zugrundegelegt, dass die angesprochenen Verbraucher zumindest in nicht unerheblicher Anzahl die angegriffene Silbe "med" als Synonym für "medizinisch" verstehen. Das liegt auf der Hand und bedarf auch deswegen keiner Begründung, weil die Antragsgegnerin selbst dieses Verständnis nicht in Zweifel zieht. Die Ausstattung des Produktes rechtfertigt allerdings den Vorwurf nicht, die Bezeichnung sei irreführend.

Mit dem Landgericht ist zunächst davon auszugehen, dass die Verbraucher nicht in dem Sinne eine medizinische Wirkung von dem Waschmittel erwarten, dass durch dessen Gebrauch eine medizinische Wirkung auf den menschlichen Körper erreicht werden könnte. Eine derartige, allein durch die Silbe "med" ausgelöste Erwartungshaltung der Verbraucher behauptet auch die Antragstellerin nicht. Entgegen der Auffassung der Kammer wird der Verkehr aber auch nicht erwarten, dass das Waschmittel über die tatsächlich vorhandenen Eigenschaften hinaus weitere aktive, dem Allergiker zuträgliche, etwa antibakterielle oder keimtötende Wirkungen aufweise.

Das Waschmittel "d. med" enthält im Gegensatz zu anderen Waschmitteln keine Parfumstoffe, keine Farbstoffe und keinen Konservierungszusatz. Zudem wird anstelle anderer Tenside das hautfreundliche Tensid "APG" verwendet. Alle diese Umstände rechtfertigen die Bewerbung des Waschmittels als ein solches, dass bei Allergien und empfindlicher Haut eher als ein herkömmliches Waschmittel geeignet ist, den besonderen Empfindlichkeiten des Betroffenen Rechnung zu tragen. Der Verbraucher wird demgegenüber nicht erwarten, dass das Produkt darüber hinaus auch bestimmte andere, etwa antibakterielle oder keimtötende Wirkungen aufweise. Das ergibt sich aus folgendem:

Zunächst ist eine derartige Wirkung auf dem Produkt nicht angegeben. Dem kommt aus mehrfachen Gründen besondere Bedeutung zu. So ist auf dem Etikett im einzelnen aufgelistet, dass das Waschmittel weder Parfumstoffe, noch Farbstoffe, noch einen Konservierungszusatz enthalte. Der durchschnittlich interessierte Verbraucher wird diese zentral angebrachten Angaben auch ohne weiteres zur Kenntnis nehmen. Da derartige Zusatzstoffe sämtlich bekanntermaßen für Allergiker und Menschen mit sensibler Haut zumindest potenziell schädlich sind, wird der Verkehr diese Aussage - inhaltlich zutreffend - als Erläuterung des Bezeichnungsbestandteiles "med" verstehen. Dabei wird er sich die Aussage "medizinisch" so erklären, dass eben Schadstoffe vermieden oder reduziert und so durch die Verhinderung einer Verstärkung ihrer Erkrankung im weiteren Sinne eine medizinische Wirkung erreicht werde.

Der Verbraucher wird weiter erwarten, dass alle, zumindest alle maßgeblichen Eigenschaften, die die Aussage "medizinisch" tragen bzw. begründen, von der Antragsgegnerin auf dem Etikett auch angegeben seien. Denn von einer derartigen Angabe geht eine erhebliche Werbewirkung aus und es kann nicht angenommen werden, dass der Hersteller die für die Angabe "med" maßgeblichen Besonderheiten nur unvollständig aufgelistet haben könnte. Das gilt umso eher, als eine keimtötende oder antibakterielle Wirkung eines Waschmittels nicht nur völlig neu, sondern für den Allergiker auch von erheblicher Bedeutung wäre. Es wäre völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Hersteller auf die in jedem Falle sehr werbewirksame Angabe von derartigen Eigenschaften verzichtet hätte, wenn sie bestünde.

Es kommt hinzu, dass Allergiker und Personen mit sensibler Haut wissen, dass bestimmte Bestandteile in üblichen Waschmitteln für die Haut tendenziell schädlich sind, wobei dies sowohl die Seifen als auch die Tenside betrifft. Schon von daher liegt es nahe, dass sich der Verkehr die Angabe "med" mit der Vermeidung jener schädlichen Stoffe erklärt. Demgegenüber wäre es für den Verbraucher völlig überraschend, wenn das als Waschmittel tendenziell schädliche Produkt nicht nur nicht (so) schädlich, sondern infolge einer keimtötenden und antibakteriellen Wirkung sogar für seine Gesundheit förderlich sein sollte. Hierin unterscheidet sich die Fallgestaltung im übrigen von den von der Antragstellerin angeführten, die eine Werbung etwa für Produkte der Mundhygiene oder Zahnpflege zum Gegenstand haben. Denn solche Produkte dienen gerade dem Zweck, Erkrankungen zu vermeiden, so dass es dabei nahe liegt, der Silbe "med" im Sinne der Antragstellerin zu verstehen, während Waschmittel mit der Reinigung von Kleidung ganz anderen Zwecken dienen und zur Erreichung dieses Zieles bekanntermaßen üblicherweise Bestandteile aufweisen, die tendenziell gesundheitsschädlich sein können. Aus diesem Grunde kann auch nicht allein aufgrund angeblicher Bezeichnungsgewohnheiten angenommen werden, dass der Verkehr tatsächlich der Aussage die behauptete weitergehende Wirkung beimisst. Das gilt auch dann, wenn mit der Antragstellerin anzunehmen sein sollte, dass die Bezeichnung "med" bzw. "medizinisch" für andere Produkte als Waschmittel nur verwendet wird, wenn in einer weitergehenden Weise eine auf die Gesundheit bezogene Wirkung erreicht wird. Denn ein Vergleich mit anderen als "medizinisch" beworbenen Produkten verbietet sich schon wegen der erwähnten Besonderheiten der üblichen Zusammensetzung von Waschmitteln und ignoriert im übrigen notwendig die konkrete Ausgestaltung des Etiketts und des angegriffenen Produktes insgesamt, auf die es indes aus den dargestellten Gründen maßgeblich ankommt.

Es ist auch zu berücksichtigen, dass auf Grund der Rechtsprechung des EuGH, der schon vor nahezu neun Jahren den Vertrieb eines von einem Mitgliedsland der EU importieren kosmetischen Erzeugnisses mit der Bezeichnung "Clinique" in Deutschland gestattet hat (GRUR 94,303 - "Clinique"), und auf Grund der dieser Entscheidung folgenden Bezeichnungsgewohnheiten eine gewisse Erweiterung des Verständnisses von medizinischen Begriffen im Bereich der Produktbezeichnungen eingetreten sein dürfte.

Schließlich wird die Tatsache, dass die Wettbewerbsprodukte der Antragstellerin und von Schlecker nicht als "medizinisch" bezeichnet, sondern mit der Bezeichnung "sensitive" versehen sind, den Verkehr nicht zu der Annahme veranlassen, die Besonderheiten des Produktes gingen über diejenigen hinaus, die deutlich lesbar und offensichtlich zu Werbezwecken auf dem Etikett aufgebracht sind. Vielmehr wird der Verbraucher annehmen, dass die Parteien mit den Bezeichnungen im wesentlichen dieselben Angaben machen wollen. Von weitergehenden - unzutreffenden - Vorstellungen geht der Verkehr nicht aus, zumindest sind solche nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 250.000 €.

Ende der Entscheidung

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