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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.02.2001
Aktenzeichen: 6 U 129/00
Rechtsgebiete: MarkenG, ZPO


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 5
MarkenG § 23
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 129/00 84 O 15/00 LG Köln

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 16.02.2001

verkündet am 16.02.2001

Berghaus, JS als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, von Hellfeld und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 15. Juni 2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 15/00 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die nachfolgend in Farbkopie wiedergegebene Werbeanzeige der f..de AG zu verbreiten:

Der weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die weitere Berufung der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin, eines Zeitungsverlages, hat in der Sache insoweit Erfolg, als das Landgericht sie dem jetzigen Hauptantrag der Antragstellerin folgend unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt hat, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Werbeanzeigen der f..de AG zu verbreiten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass für Online-Dienstleistungen geworben wird und die Farbe Magenta flächig oder die Farbkombination Grau/Magenta blickfangartig benutzt wird und/oder blickfangartig die Konzernmarke der Antragstellerin, bestehend aus dem Großbuchstaben "T" und vier Digits, verwendet wird, wenn dies wie in der vorstehend im Urteilstenor wiedergegebenen Anzeige erfolgt. Dagegen hat die Antragstellerin Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die weitere Verbreitung der konkreten, im Urteilstenor in Farbkopie wiedergegebenen Werbeanzeige der f..de AG unterlässt. Deshalb war die Antragsgegnerin auf den in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2001 gestellten Hilfsantrag der Antragstellerin antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen und die Berufung der Antragsgegnerin insoweit zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind der Verleger einer Zeitung und auch der verantwortliche Redakteur allerdings nicht nur für den redaktionellen, sondern auch für den Anzeigenteil einer Zeitung verantwortlich. Der Verleger wie der Redakteur haben, wenn auch nicht selbst, so doch durch entsprechende Anweisungen sicherzustellen, dass Anzeigen mit gesetzwidrigem Inhalt von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden. Für eine Überprüfung von Anzeigen muss allerdings ein besonderer Anlass bestehen (vgl. schon BGH GRUR 1972, 722 "Geschäftsaufgabe"). Das ist namentlich dann der Fall, wenn der Inhalt der Anzeige erkennbar Rechtsgüter Dritter verletzt; die Prüfungspflicht beschränkt sich auf grobe und eindeutige, für einen Verleger oder Redakteur unschwer zu erkennende Wettbewerbsverstöße. Handelt es sich um einen solchen groben und unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoß, sind Redakteur und Verleger für die Schaltung einer solchen rechtswidrigen Anzeige wettbewerbsrechtlich verantwortlich und können selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BGH GRUR 1999, 418, 420 "Möbelklassiker"; BGH GRUR 1997, 313, 316 "Architektenwettbewerb"; BGH WRP 1995, 302 "Schlussverkaufswerbung II"; BGH GRUR 1994, 454 = NJW-RR 1994, 874 "Schlankheitswerbung"; BGH WRP 1991, 19 ff. "Pressehaftung I" und BGH WRP 1992, 640 f. "Pressehaftung II"; BGH GRUR 1993, 53 f. "Ausländischer Inserent").

Auf der Basis dieser Kriterien hat die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ohne Rücksicht auf den veröffentlichten Werbetext stets die blickfangmäßige Verwendung ihrer Konzernmarke und/oder die flächige Verwendung der Farbe Magenta oder die blickfangmäßige Nutzung der Farbkombination Grau/Magenta in der konkreten Verletzungsform unterlässt. Dagegen kann sie entsprechend ihrem in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2001 ausdrücklich formulierten, nach Auffassung des Senats aber ohnehin bereits als Minus im Hauptantrag enthaltenen Hilfsbegehren von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese von der Veröffentlichung der konkreten, von der Firma f..de AG in Auftrag gegebenen Werbeanzeige künftig absieht.

Letzteres ergibt sich daraus, dass sich die Werbeanzeige der Firma f..de AG nach Inhalt und Aufmachung sehr deutlich von üblichen, wenn auch möglicherweise sehr aggressiv formulierten Werbeanzeigen unterscheidet und evident wettbewerbswidrig ist. Auch einem wettbewerbsjuristisch nicht im einzelnen ausgebildeten Redakteur einer Zeitung, der in der Hektik des Alltagsgeschäfts keine Zeit hat, sich jede einzelne Werbeanzeige genau anzuschauen und vor allem diese auf ihre wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen, muss ins Auge springen, dass die konkrete Werbung mit den Regeln lauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) nicht in Einklang zu bringen ist. Auch bei flüchtiger Lektüre drängt sich nämlich die Gesetzwidrigkeit der Anzeige geradezu auf, wenn dort unter Verwendung der weitestgehend bekannten Konzernmarke der Antragstellerin und der jedenfalls weitgehend bekannten, mit ihr in Verbindung gebrachten Farbe "Magenta" bzw. der Farbkombination "Grau/Magenta" das Wort

"Offline"

abgedruckt ist, und es dort weiter hämisch heißt, Deutschland gehe T-Offline, man solle mitgehen. Als ebenso evident unzulässig und geradezu bösartig erweist sich die in der Werbeanzeige gestellte Suggestivfrage, ob man genug von Mindestvertragslaufzeiten, festen Grundgebühren, doppelten Kosten durch Telefon- und Onlinegebühren und irreführenden Freisurf-Lockangeboten mit versteckten Telefongebühren habe. Auch dann, wenn man an die Sorgfaltspflicht der Presse bei der Verbreitung von Anzeigen nicht die gleichen Anforderungen stellen will wie bei Veröffentlichungen im redaktionellen Teil einer Zeitung, fällt die konkrete Werbung mit ihren Textpassagen so aus dem Rahmen des Üblichen, dass sich jedermann, auch dem Redakteur einer Zeitung, aufdrängen muss, dass der Inserierende einen durch die Verwendung der Konzernmarke und der Konzernfarben direkt angesprochenen Konkurrenten nicht dadurch verunglimpfen darf, dass er aus dem im Verkehr weitgehend bekannten Firmenschlagwort "T-online" das herabsetzend wirkende Schlagwort "T-offline" kreiert und seine Verunglimpfungen dann unter anderem dadurch fortsetzt, dass er vorgibt, der Konkurrent kassiere doppelt und schrecke auch vor irreführenden Lockangeboten nicht zurück.

Stellt die konkret geschaltete Anzeige demgemäß einen groben und offensichtlichen Wettbewerbsverstoß dar, der aus den bereits vom Landgericht genannten Gründen (§ 543 Abs. 1 ZPO) nicht nur zur wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit und einer entsprechenden Unterlassungsverpflichtung des Inserenten, sondern auch der Antragsgegnerin führt, erweist sich demgegenüber das weitergehende Unterlassungspetitum in der Form, in der es Eingang in die mündliche Verhandlung vor dem Senat und den dort gestellten Hauptantrag der Antragstellerin gefunden hat, als unbegründet. Insoweit hat die Antragstellerin ihre Ausführungen insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 23.01.2001 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich dahingehend klargestellt, sie sei der Auffassung, es sei der Antragsgegnerin stets verwehrt, im geschäftlichen Verkehr Werbeanzeigen der f..de AG zu verbreiten, wenn und soweit dort ihre - der Antragstellerin - Konzernmarke blickfangartig verwendet und/oder die Farbe Magenta flächig oder die Farbkombination Grau/Magenta blickfangartig wie geschehen benutzt werde, auf den weiteren Textinhalt der Anzeige komme es nicht an. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr ist das solchermaßen verstandene, sich von der konkreten Verletzungsform lösende Unterlassungsbegehren der Antragstellerin unbegründet. Es mag sein, dass die f..de AG als unmittelbare Konkurrentin der Antragstellerin im Einzelfall Markenrechte und auch sonstige Rechte der Antragstellerin verletzt, wenn sie bei der Bewerbung ihrer Dienstleistungen Marken ihres Konkurrenten ohne dessen Zustimmung abbildet. Ob es sich um eine Rechtsverletzung handelt, hängt indes stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Zum Beispiel kann die Frage, ob der angesprochene Verkehr, auf dessen Sicht es maßgeblich ankommt (statt aller: Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rdnr. 48 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung), in der konkreten Verwendung der - fremden - Marke einen marken-/zeichenmäßigen Gebrauch durch den Verwender in einer Werbeanzeige sieht, von dem konkreten Textinhalt der Werbeanzeige beeinflusst werden. In diesem Fall stellt sich dann unter anderem die in der Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum nicht einheitlich beantwortete und bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, ob der markenrechtliche Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 Markengesetz einen markenmäßigen Gebrauch der Marke voraussetzt oder ob die Benutzung geschützter Marken im geschäftlichen Verkehr auch ohne Begrenzung auf bestimmte Benutzungsformen stets unzulässig ist (zum Meinungsstand vgl. die Nachweise bei Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rdnr. 50 ff.). Gleichfalls eine Frage des Einzelfalls ist es, ob der Inhaber einer Marke trotz der Benutzung dieser Marke durch einen Dritten gemäß § 23 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 3 Markengesetz daran gehindert ist, diesem eine nicht gegen die guten Sitten verstoßende Benutzung der Marke im geschäftlichen Verkehr zu untersagen. Auch die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 Markengesetz kann im Falle der Verwendung der Marke in der Werbung entscheidend davon abhängen, welches Verständnis der Verkehr von der Werbung insbesondere durch deren textliche Ausgestaltung gewinnt. Erst recht kann die im Streitfall entscheidende Frage, ob nämlich einem Zeitungsverlag bzw. einem verantwortlichen Redakteur vorgeworfen werden muss, die Gesetzwidrigkeit einer Werbeanzeige sei evident, das habe sich ihm aufdrängen müssen, nicht losgelöst von ihrem konkreten Textinhalt beurteilt werden.

Erweist sich die Berufung der Antragsgegnerin demgemäß teilweise als begründet, war das angefochtene Urteil mit der Kostenfolge der §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO teilweise zu ändern. Der Senat bewertet das Unterliegen und Obsiegen der Parteien gleich hoch und hat die Kosten des Verfahrens deshalb gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Ende der Entscheidung

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