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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.03.2003
Aktenzeichen: 6 U 130/02
Rechtsgebiete: UWG, BGB, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 47
BGB § 54 Satz 1
ZPO § 50 Satz 2
ZPO § 91
ZPO § 97
ZPO § 108
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 533
ZPO § 533 Nr. 1
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 543 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 130/02

Verkündet am 21.03.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 07.02.2003 durch seine Mitglieder von Hellfeld, Pietsch und Wagner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das am 20.06.2002 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 83/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klage wird auch hinsichtlich des im Berufungsverfahren erstmals mit Schriftsatz vom 29.01.2003 zu Ziffer II gestellten Antrags abgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Kostenerstattungsbetrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die klagenden Rechtsanwälte sehen in der Verwendung der Bezeichnung "A." eine Irreführung des Verkehrs i.S. des § 3 UWG und begehren von den Beklagten Unterlassung, diese Bezeichnung zu benutzen und/oder mit dieser zu werben.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, mit welchem die Klage abgewiesen worden ist, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Mit der Berufung verfolgen die Kläger zunächst die erstinstanzlichen Klageanträge weiter, wobei sie ihre Auffassung wiederholen und vertiefen, dass eine wettbewerblich relevante Irreführung vorliege. Mit der Behauptung, die Beklagte zu 2) betreibe erst "seit jüngerer Zeit", jedenfalls aber nach Klageerhebung, unter der Bezeichnung "A." einen eigenen Anwaltssuchservice im Internet und dies sei ihnen, den Klägern, erst nach Abfassung der Berufungsbegründung bekannt geworden, haben sie mit Schriftsatz vom 29.01.2003 die Klage geändert und beantragen nunmehr über die erstinstanzlichen Klageanträge hinaus,

II. der Beklagten zu 2) weiter unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens § 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ihren unter www.A..de als "Expertensuche" angebotenen Suchdienst, soweit mit diesem die Suche nach Rechtsanwälten angeboten wird, die Bezeichnung "A." zu benutzen und/oder hierfür unter dieser Bezeichnung zu werben und/oder werben zu lassen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

die Klage auch in der Fassung der Klageänderung abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Klageänderung unzulässig sei, wobei sie auf ihr erst- instanzliches Vorbringen zu dem von ihr betriebenen Anwaltssuchservice im Internet Bezug nimmt. Im übrigen verteidigen die Beklagten das Urteil und behaupten, der Beklagte zu 1) habe sich im Laufe des Berufungsverfahrens, nämlich mit Beschluss vom 07.11.2002, aufgelöst.

II.

Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die auf § 3 UWG gestützte Klage abgewiesen, weil die Bezeichnung "A." nicht geeignet ist, einen mehr als nur unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise über die geschäftlichen Verhältnisse der Beklagten in die Irre zu führen.

Die Klage in der Fassung der Klageerweiterung vom 29.01.2003 ist gleichfalls mangels Irreführungsgefahr unbegründet.

1.

Es bedarf keiner Aufklärung der von den Klägern bestrittenen Behauptung, der Beklagte zu 1) habe sich durch Mitgliederbeschluss vom 07.11.2002 aufgelöst. Die Zulässigkeit der Klage bleibt von einer eventuellen Auflösung unberührt. Der Beklagte zu 1) ist ein nichtwirtschaftlicher, nicht eingetragener Verein i.S. des § 54 Satz 1 BGB und als solcher parteifähig nach § 50 Satz 2 ZPO. Die Parteifähigkeit endet mit dem Verlust der Rechtsfähigkeit, bei Vereinen also noch nicht mit der Auflösung, sondern erst mit der Vollbeendigung (Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, § 50 Rn. 4, 5, 32, 36), weil auch bei dem nicht eingetragenen Verein nach Auflösung entsprechend § 47 BGB eine Liquidation stattzufinden hat (Palandt-Heinrichs, 62. Aufl., § 54 Rn. 14 und § 41 Rn. 1). Eine solche ist aber auch nach dem Vortrag der Beklagten bislang nicht erfolgt.

2.

Zu Unrecht ziehen die Beklagten die Prozessführungsbefugnis der Kläger in Zweifel, die vorliegenden wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

Soweit der bundesweit unter der Bezeichnung "A." auftretenden Kooperation, deren Geschäftsführung dem Beklagten zu 1) obliegt bzw. oblag und deren Aktivitäten von der Beklagten zu 2) vermarktet werden, Rechtsanwälte und Notare angehören, stehen die Parteien in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Darüberhinaus besteht ein zumindest abstraktes Wettbewerbsverhältnis mit den nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG klagebefugten Klägern auch, soweit Mitglieder der "A."-Kooperative Steuer-, Renten- und Versicherungsberater, Wirtschafts- und Buchprüfer, Mediatoren und Sachverständige aller Fachrichtungen sind.

3.

In der Sache selbst ist die Berufung aber unbegründet. Die von den Beklagten verwendete Bezeichnung "A." ist nicht irreführend i.S. des § 3 UWG.

Welche Erwartungen und Vorstellungen die Bezeichnung "A." hervorruft, ist aus der Sicht des von der Werbung der Beklagten angesprochenen, durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen (BGH WRP 2003, 273, 274 - "Computerwerbung II"). Die Mitglieder des Senats, welche diesem Personenkreis ebenso wie die Mitglieder der erstinstanzlich befaßten Kammer des Landgerichts grundsätzlich angehören, sind insoweit zu einer Feststellung der Irreführungsgefahr aufgrund eigener Anschauung und Erfahrung in der Lage. Denn der Tatrichter kann eine Irreführungsgefahr dann aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung verneinen, wenn - wie vorliegend - das Verständnis einer beanstandeten Bezeichnung nach den Grundsätzen der Lebenserfahrung die Gefahr einer Irreführung als nicht naheliegend erscheinen lässt (BGH WRP 2002, 527 - "Elternbriefe").

Beide Wortbestandteile, "A." wie auch "G.", sind für sich gesehen sinnhaltig. Dem angefochtenen Urteil ist darin zu folgen, dass es in der deutschen Sprache weder das Wort "A." gibt, noch ein mit "A." zusammengesetztes Wort außer dem von dem lateinischen "A.catus" herrührenden "A.kat". Letztere ist weiten Verkehrskreisen als veraltete Bezeichnung für einen Rechtsanwalt geläufig, wird zumindest mit "Recht" im weiteren Sinne verbunden. Wenn die Beklagten diesen Wortbestandteil benutzen, handelt es sich deshalb um eine als solche richtige Bezeichnung, da Mitglieder der "A."-Kooperation u.a. Rechtsanwälte und Notare sind und ausweislich § 2 der Statuten der "A."-Kooperation der Zweck der Kooperation unter anderem darin besteht, den Rechtsuchenden Service und fachliche Kompetenz zu bieten.

Bei einer isolierten Betrachtung des Wortbestandteils "G." handelt es sich entsprechend den ursprünglich aus dem Französischen stammenden Begriffen "Garantie", "garantieren" und "G." hierbei um etwas, was mit Gewähr, Sicherheit, Bürgschaft zu tun hat.

Entscheidend ist allerdings, dass die Zusammenführung zweier für sich gesehen sinnhaltiger Begriffe zu einer in der deutschen Sprache nicht vorkommenden, neuartigen Kombination "A." nicht geeignet ist, Fehlvorstellungen im Verkehr zu wecken. Die Kombination der beiden Begriffe suggeriert weder eine allgemein auf den Erfolg der Dienstleistungen der Beklagten bzw. der Kooperationsmitglieder bezogene Garantie, noch weckt sie die Erwartung, auf seitens der Beklagten bzw. der "A."-Kooperation fachlich besonders geprüfte und deshalb in besonderem Maße Gewähr für einen Erfolg bietende Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater etc. zu stoßen.

Der Erfolg der Dienstleistungen der Mitglieder von "A.", so insbesondere auch der Rechtsanwälte, ist seiner Natur nach nicht garantiefähig. Dieser Umstand ist in zumindest nahezu allen Teilen des Verkehrs bekannt mit der Folge, dass der Wortbestandteil "G." nicht geeignet ist, Fehlvorstellungen über einen "garantierten" Erfolg bei Beauftragung der "A."-Mitglieder hervorzurufen. Nur eine unerhebliche, hier zu vernachlässigende Minderheit dürfte nicht wissen, dass es gerade keine Garantie für anwaltlichen Erfolg bzw. Erfolg in Rechtsangelegenheiten geben kann.

Nicht feststellbar ist auch, dass sich der Aussageinhalt von "A." nach dem Verständnis eines nicht nur unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise auf die Qualifikation der Mitglieder der Kooperative beziehe, indem nämlich eine Gewähr für die fachliche Qualität der Mitglieder suggeriert werde. Begriffe wie "Garantie"/"G." und "garantieren" haben nicht nur umgangssprachlich eine deutliche Verwässerung erfahren, indem z.B. die Floskel "garantiert" häufig als reine Bekräftigung einer Aussage benutzt wird, nicht aber im Sinne der Übernahme einer wie auch immer gearteten, schon gar nicht im rechtlichen Sinne zu verstehenden Garantie. Sie finden sich darüber hinaus auch oft, sei es allein ("G.") oder in Kombination mit sonstigen Wortbestandteilen, in Firmenbezeichnungen für Unternehmen unterschiedlichster Art, wie Versicherungen, Immobiliengesellschaften, selbst Autoreparaturbetrieben, ohne dass der verständige Verbraucher hiermit eine besondere, über das Übliche hinausgehende Gewähr für besondere Güte oder Qualität verbinden würde.

4.

Die im Berufungsverfahren vorgenommene Klageänderung ist zulässig, aber unbegründet.

Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 29.01.2003 gem. §§ 525, 263 analog ZPO einen weiteren Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) geltend machen, ist diese nachträgliche Klagehäufung nur unter den Voraussetzungen der §§ 533, 531 Abs. 2, 529 ZPO zulässig. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Klageänderung ist sachdienlich i.S. des § 533 Nr. 1 ZPO, weil der dem Anspruch zugrundeliegende Sachverhalt, ob nämlich das Betreiben einer Suchmaschine für Rechtsanwälte im Internet unter der Bezeichnung "A." wettbewerbsrechtlich zulässig ist, dem bisherigen Streitstoff der weiterverfolgten erstinstanzlichen Unterlassungsansprüche entspricht. Die den weiteren Anspruch begründenden Tatsachen sind auch nicht neu i.S. der §§ 533 Nr. 2, 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Vielmehr war bereits in erster Instanz aufgrund des unwidersprochenen Vortrags der Beklagten in der Klageerwiderung unstreitig, dass die Beklagte zu 2) unter der Bezeichnung "A." eine entsprechende Suchmaschine im Internet betreibt, wie es im Tatbestand des angefochtenen Urteils, dort Seite 3 (GA Bl. 100), zutreffend festgehalten wird und die Beklagten auch im Berufungsverfahren bestätigen. Folglich tragen die Kläger keinen neuen Gründe im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor, sondern stützen den weiteren Anspruch lediglich zulässig auf die bisherigen, unstreitigen Tatsachen im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO.

Der im Wege der nachträglichen Klagehäufung erhobene Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) ist aber unbegründet, weil die Benutzung der Bezeichnung "A." auch im Zusammenhang mit dem Betreiben einer Suchmaschine im Internet nicht irreführend i.S. des § 3 UWG ist. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711. 108 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Rechtssache, deren Entscheidungsschwerpunkt im tatrichterlichen Bereich liegt. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.

Streitwert im Berufungsverfahren: 145.000,- EUR

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