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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.03.2001
Aktenzeichen: 6 U 140/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 91
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 140/00 84 O 23/00 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 30.03.2001

Verkündet am 30.03.2001

Berghaus, JS z.A. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgericht Köln auf die mündliche Verhandlung vom 09. März 2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder von Hellfeld, Schütze und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.07.2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 23/00 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten, des sog. R. Möbelzentrums, hat in der Sache Erfolg. Denn unter den im Streitfall obwaltenden Umständen verstößt ihre mit der Klage angegriffene Werbung entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen § 1 UWG, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt des psychologischen Kaufzwangs noch unter dem Aspekt des sog. überschriebenen Anlockens. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschreiben wie nachstehend verkleinert wiedergegeben einen "Gastronomie-Gutschein" für sämtliche Gastronomiebereiche in einem Gesamtwert von 10,00 DM zu bewerben und/oder einen solchermaßen beworbenen Gastronomie-Gutschein einzulösen:

Ohne Erfolg beanstandet die Beklagte allerdings die Prozessführungsbefugnis des Klägers, einer Vereinigung von Verbänden und Vereinigungen zur Förderung des lauteren Wettbewerbs, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es unter anderem gehört, unlauteren Wettbewerb durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu bekämpfen. Bei dieser Prozessführungsbefugnis im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes um eine Prozessvoraussetzung. Sie ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. nur BGH GRUR 2000, 1093, 1094 = WRP 2000, 2206, 2207 "Fachverband"; BGHZ 131, 90, 91 = GRUR 1996, 217 "Anonymisierte Mitgliederliste"; BGH GRUR 1998, 417 = WRP 1998, 175 "Verbandsklage in Prozessstandschaft"). Dazu gehört, dass der klagende Verband die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt und hierzu nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung tatsächlich in der Lage ist, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Bei Verbänden, die ordnungsgemäß gegründet und aktiv tätig sind, spricht hierfür eine tatsächliche Vermutung, die der Gegner zu widerlegen hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vgl. zuletzt etwa BGH GRUR 2000, 1093, 1095 "Fachverband" mit zahlreichen Nachweisen aus seiner Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum). In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger gerichtsbekanntermaßen seit Jahren seine satzungsgemäßen Ziele verfolgt und seit langer Zeit unbeanstandet als klagebefugt angesehen worden ist, reicht demgemäß der Sachvortrag der Beklagten, sie bestreite den Vortrag des Klägers, er sei in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben zu verfolgen, nicht aus, um seine Prozessführungsbefugnis in Zweifel zu ziehen.

In der Sache selbst verlangt der hiernach klagebefugte und auch aktivlegitimierte Kläger von der Beklagten allerdings zu Unrecht Unterlassung der in der konkreten Verletzungsform beanstandeten Werbung. Diese ist dem Bereich der sogenannten Wertreklame zuzurechnen. Deren Besonderheit gegenüber der durch Bild- und Wortreklame realisierten sogenannten Aufmerksamkeitswerbung besteht darin, dass dem Umworbenen zu Werbezwecken geschenkweise eine Vergünstigung gewährt wird. Das Versprechen und/oder die Gewährung solcher Werbegeschenke ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht stets als wettbewerbswidrig einzuordnen und deshalb unlauter. Vielmehr bedarf es, um der Hingabe von Geschenken zu Werbezwecken mit Erfolg den Vorwurf der wettbewerblichen Unlauterkeit entgegenhalten zu können, des Hinzutretens besonderer Umstände, welche die Vergünstigung im Einzelfall als anstößig erscheinen lassen. An das Vorliegen derartiger, die etwaige Sittenwidrigkeit im Sinne von § 1 UWG begründender Umstände sind allerdings im Falle der Wertreklame in aller Regel weniger strenge Anforderungen zu stellen, als sie bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer bloßen Aufmerksamkeitswerbung zugrunde zu legen sind. Denn die den Rahmen reiner Aufmerksamkeitswerbung überschreitende Wertreklame bringt die Gefahr mit sich, dass die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen unsachlich beeinflusst werden, insbesondere dazu veranlasst werden können, ihre Wahl für ein Angebot nicht in erster Linie nach ihren Vorstellungen über die Preiswürdigkeit und die Qualität der konkurrierenden Waren zu treffen, sondern vor allem danach, wie sie in den Genuss der ausgelobten Vergünstigung gelangen können. Das ist gegebenenfalls mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht vereinbar, in dem die Mitbewerber ihre wettbewerbsrechtliche Stellung jeweils mit der Qualität und/oder der Preiswürdigkeit ihrer Erzeugnisse und Leistungen erreichen sollen (vgl. hierzu: BGH WRP 1998, 727, 728 "Schmuck-Set"; BGH GRUR 1993, 774, 776 "Hotelgutschein"; BGH GRUR 1992, 621, 622 "Glücksball-Festival"; BGH GRUR 1968, 649, 651 "Rocroni-Ascher"; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage 2001, § 1 UWG Rdn. 93 m.w.N.). Ein solcher Unlauterkeitstatbestand ist der des sog. "psychologischen Kaufzwangs". Die Einordnung eines Verhaltens als nach den Grundsätzen des psychologischen Kaufzwangs unlautere Wettbewerbshandlung beruht darauf, dass auf die Willensentscheidung des Umworbenen mit ausserhalb der Sache liegenden Mitteln der Einflussnahme in einem solchen Ausmaß eingewirkt wird, dass dieser zumindest anstandshalber nicht umhin kann, auf das Angebot einzugehen (BGH WRP 1998, 724, 725 "Rubbelaktion"; BGH GRUR 1989, 757 "Mc Bacon"; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 89, 94 und 157, jeweils m.w.N.). Eine solche Situation kann je nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere dann eintreten, wenn der Empfang des versprochenen Werbegeschenks mit dem Betreten des Geschäftslokals verknüpft ist. Denn wer ein Geschäftslokal betritt, rechnet oft nicht nur damit, mit dem Verkaufspersonal in unmittelbaren Kontakt zu kommen, sondern weiter auch damit, dass dieses ihn zunächst als Kaufinteressenten ansieht und als solchen schätzt, dass ihm diese Wertschätzung jedoch entzogen wird, wenn er sich lediglich als Interessent für das ausgelobte Geschenk oder eine ähnliche Gratisleistung erweist. Das dadurch begründete Gefühl der Peinlichkeit wird zumindest einen nicht unerheblichen Teil der Interessenten dazu bewegen, wenigstens eine Kleinigkeit zu kaufen (BGH a.a.O., "Mc Bacon" und "Rubbelaktion"). Ist damit der Umstand, dass der angesprochene Interessent das Geschäftslokal des Werbenden aufsuchen muss, um in den Genuss des Werbegeschenks zu gelangen, zwar im Verhältnis gegenüber anderen Mitteln der Einflussnahme besonders geeignet, den Kunden aus sachfremden Erwägungen für den Abschluss eines entgeltlichen Geschäftes "einzufangen", begründet er jedoch für sich allein nicht die Wettbewerbswidrigkeit des Verschenkens von Waren. Maßgebend ist vielmehr jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere die konkrete geschäftliche Umgebung, abzustellen, in welche sich der Kunde begeben muss, um das Geschenk zu erhalten (BGH a.a.O., "Mc Bacon" und "Rubbelaktion"; vgl. auch Senat, GRUR 1981, 145, 146 "raus gehtŽs" sowie Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdn. 94).

Auf der Basis dieser Kriterien trifft die Auffassung des Landgerichts zu, der von der Werbung der Beklagten angesprochene Kunde werde einem solchen psychologischen Kaufzwang nicht ausgesetzt. Denn aufgrund der von den Parteien vorgetragenen und im übrigen gerichtsbekannten Gegebenheiten vor Ort muss sich der Kunde, der den Gutschein in Händen hält und ihn einlösen möchte, in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten, in denen jedenfalls zu Zeiten von Jubiläumsveranstaltungen der beworbenen Art regelmäßig Massenandrang mit der Folge entsprechender Anonymität herrscht, nicht mit dem Verkaufspersonal in Verbindung setzen, um den Gutschein einzulösen. Vielmehr kann er die von den großflächig angelegten Geschäftsräumlichkeiten und vor allen Dingen auch von den Verkaufskassen räumlich getrennt angelegten Restaurants aufsuchen, dort etwas essen und/oder trinken und alsdann den Gutschein einlösen, ohne dass ein Restaurantbediensteter überhaupt erkennen kann, ob sein Kunde gerade ein Möbel oder einen anderen Gegenstand gekauft hat oder doch zu kaufen beabsichtigt. Bei dieser Sachlage kann das Gefühl der Peinlichkeit, das den Kunden unter Kaufzwang setzt und das ihn veranlasst, jedenfalls - auch die Beklagte bietet solche Artikel an - eine Kleinigkeit zu kaufen, von vornherein nicht aufkommen.

Erweist sich demgemäß die Entscheidung des Landgerichts insoweit als richtig, vermag sich der Senat allerdings nicht seiner Auffassung anzuschließen, das konkrete werbliche Angebot der Beklagten stelle sich unter dem Aspekt des übertriebenen Anlockens als unlauter im Sinne des § 1 UWG dar. Der Tatbestand des übertriebenen Anlockens setzt ein Werbeverhalten voraus, bei dem der mit dem in Aussicht gestellten Vorteil verbundene Anlockeffekt so stark ist, dass das Publikum von einer sachgerechten Prüfung des Warenangebots abgelenkt und in seiner Entschließung maßgeblich von der Erwägung bestimmt wird, die ausgelobte Vergünstigung zu erhalten. Der Kunde wird auf diese Weise schon im Vorfeld eines Geschäftsabschlusses von einer sachgerechten Prüfung der verschiedenen Angebote nach Qualität und Preiswürdigkeit abgelenkt, wodurch der Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber verfälscht wird, die in unzumutbarer Weise um die Chance gebracht werden, ihrerseits das Publikum wirksam anzusprechen und ihrer Leistung Geltung zu verschaffen. Dieser Effekt tritt aber ein, wenn durch das Anlocken mit übermäßigen Vorteilen eine so starke Anziehungskraft auf den Umworbenen ausgeübt wird, dass er sich mit den Angeboten der Mitbewerber überhaupt nicht (näher) befasst, sondern gleichsam magnetisch in das Geschäftslokal des Werbenden gezogen und damit in eine Situation gebracht wird, in der sich die Aussichten auf Geschäftsabschlüsse erhöhen (vgl. hierzu BGH WRP 1998, 727, 728 "Schmuck-Set" sowie im Zusammenhang mit Gewinnspielen BGH WRP 2000, 724, 725/726 "Space Fidelity Peep-Show" und BGH a.a.O., "Rubbelaktion"). So wie der Umstand, dass Kunden aufgrund der Ankündigung eines Gewinnspiels ein Ladengeschäft aufsuchen und dort einen Gelegenheits- oder Verlegenheitskauf tätigen, es für sich genommen im Allgemeinen noch nicht rechtfertigt, ein Gewinnspiel unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens als wettbewerbswidrig anzusehen, und zwar auch dann nicht, wenn die Kunden die gekaufte Ware anderwärts bequemer hätten erwerben können (BGH WRP 2000, 724, 726), lockt allein die Gewährung eines Restaurant-Gutscheins der vorliegenden Art den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, auf den maßgeblich abzustellen ist, noch nicht in einer den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründenden Weise an. Das wäre nämlich erst dann der Fall, wenn die Anziehungskraft der in Aussicht gestellten Gratisleistung so stark wäre, dass das Publikum sachfremd beeinflusst und davon abgehalten würde, die Güte und Preiswürdigkeit der Waren der Mitbewerber zu prüfen (BGH WRP 2000, 724, 726 "Space Fidelity Peep-Show" und BGH GRUR 1989, 757, 758 "Mc Bacon" sowie BGH GRUR 1998, 735, 736 "Rubbelaktion" m.w.N.).

Von einem solchermaßen verstandenen übertriebenen Anlocken kann unter den im Streitfall vorherrschenden Umständen nicht ausgegangen werden. Allerdings geht von dem Angebot der Beklagten insoweit ein starker Anreiz aus, als der von der Werbung der Beklagten angesprochene Kunde weiß, dass der Restaurant-Gutschein über 10,00 DM tatsächlich den Wert von zwei vollständigen Mittagessen verkörpert, weil in den im R. Möbelzentrum vorzufindenden Restaurants aus Anlass der Jubiläumsveranstaltung Speisen zu äußerst geringen Preisen angeboten worden sind, z.B. eine Portion Ochsenfleisch vom Spieß mit Brötchen und Kräuterquark für 4,50 DM und eine Tasse Capuccino für 1,00 DM. Dennoch schließt der Senat aus, dass dieses Angebot - wie es der Tatbestand des übertriebenen Anlockens aber erfordert - einen durchschnittlich verständigen Verbraucher dazu bewegen könnte, sich gleichsam magnetisch angezogen ins Auto zu setzen, den unter Umständen weiten Weg nach R. zurückzulegen, um dann dort vor oder nach dem Mittagessen bei der Beklagten Möbel oder sonstige Haushaltsgegenstände zu kaufen, ohne die Güte und Preiswürdigkeit der von der Beklagten angebotenen Waren zu prüfen und mit denen der Konkurrenz zu vergleichen. Der verständige Verbraucher, der von dem werblichen Angebot der Beklagten Kenntnis erhält, wird, was die Mitglieder des Senats als Teil der von der Werbung der Beklagten potentiell angesprochenen Verbraucher aufgrund eigener Kenntnis und Erfahrung zu beurteilen in der Lage sind, nicht unkritisch mit dem Warenangebot der Beklagten umgehen und vor Ort ohne Prüfung der Güte und Preiswürdigkeit des dort angetroffenen Warenangebots einen Tisch, einen Schrank, eine Polstergarnitur oder eine Einbauküche nur deshalb kaufen, weil er und gegebenenfalls auch seine Familie gegen Vorlage des Gutscheins etwas trinken oder - gegebenenfalls gegen Zuzahlung - zu Mittag essen können.

Da weitere Umstände, in denen ein übertriebenes Anlocken gesehen werden könnte, von dem Kläger nicht vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar sind, war das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten zu ändern und die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Ende der Entscheidung

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