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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: 6 U 149/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 149/03

Anlage zum Protokoll vom 30.04.2004

Verkündet am 30.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2004 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, von Hellfeld und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 06. November 2003 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 449/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, ein auf den Fachbereich "Rechtswissenschaften" spezialisierter Verlag, führt regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen, u.a. Seminare zu juristischen Themen durch. Zu ihren wichtigsten Angeboten zählt sie das von ihr seit 1986 im Zwei-Jahres-Turnus durchgeführte sog. "S.-Forum Insolvenzrecht". Dieses Forum hat sich zu einer festen Größe im Bereich der Fortbildungsveranstaltungen für das Insolvenzrecht etabliert. Zu den Referenten der Klägerin zählen jedem Insolvenzrechtler bekannte namhafte Wissenschaftler und Praktiker aus dem Bereich des Insolvenzrechts. Mit dem Insolvenzrecht befassen sich darüber hinaus bestimmte Tagungen anderer Veranstalter, die unter anderem zum Leipziger und Hamburger Insolvenzrechtstag und den Düsseldorfer Insolvenzrechtstagen einladen.

Bei dem Beklagten handelt es sich um den E. e.V. Als Dachverein aller E. Vereine hat er satzungsgemäß Arbeitsgemeinschaften auf verschiedenen Rechtsgebieten gebildet, so auch die über mehr als 640 Mitglieder verfügende Arbeitsgemeinschaft "Insolvenzrecht und Sanierung". Erstmals im Februar 2003 kündigte der Beklagte die Durchführung einer für März 2004 in Berlin geplanten Insolvenzrechtstagung als "1. Deutscher Insolvenzrechtstag" an, was die Klägerin als im Sinne von § 3 UWG irreführend beanstandet. Durch die Voranstellung der Ziffer "1." erwecke der Beklagte den falschen Eindruck, dass es eine solche Veranstaltung für das Insolvenzrecht in Deutschland bisher nicht gegeben habe. Der Titelbestandteil "Deutscher" suggeriere, dass es sich um die absolut führende Veranstaltung in diesem Bereich handele.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

den Beklagten unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für eine Tagung, die sich mit dem Insolvenzrecht befasst, die Bezeichnung

"1. Deutscher Insolvenzrechtstag"

zu verwenden und ihr Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen zu geben und die grundsätzliche Schadenersatzverpflichtung des Beklagten festzustellen.

Der Beklagte hat das von der Klägerin behauptete Irreführungspotential in Abrede gestellt. Er hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Diesem Abweisungsantrag hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung entsprochen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 96 ff. d.A.), hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, eine Irreführung des angesprochenen Adressatenkreises finde nicht statt, das gelte auch für junge und solche Rechtsanwälte, die sich erstmals mit dem Insolvenzrecht befassten. Der Titelbestandteil "1." werde von den angesprochenen Verkehrskreisen richtigerweise so verstanden, dass der Beklagte weitere Veranstaltungen dieser Art plane, nicht aber so, dass es die erste ihrer Art sei. Der Bestandteil "Deutscher" weise lediglich zutreffend auf eine überregionale Bedeutung dieser Veranstaltung hin.

Diese Beurteilung des Landgerichts greift die Klägerin mit ihrer Berufung an. Sie wiederholt ihre erstinstanzlichen Klageanträge einschließlich des sich an ihrem Unterlassungsantrag orientierenden Auskunfts- und Schadenersatzfeststellungsbegehrens, allerdings mit der Maßgabe, dass der Beklagte es bei Vermeidung der Verhängung von Ordnungsmitteln unterlassen soll, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Tagungen, die sich mit dem Insolvenzrecht befassen, die Bezeichnung "1. Deutscher Insolvenzrechtstag" bzw. die Bezeichnung "Deutscher Insolvenzrechtstag" jeweils mit der Voranstellung einer Nummerierung, wie z.B. 2., 3., 4. usw., zu verwenden.

Hilfsweise beantragt sie,

das erstrebte Verbot insoweit auszusprechen, als der Beklagte seine Veranstaltung konkret mit den nachfolgend in Fotokopie wiedergegebenen Anlagen K 3 und B 4 beworben hat, und insoweit die Schadenersatzverpflichtung des Beklagten festzustellen und ihn zur Vorbereitung des Schadenersatzanspruchs zur Auskunftserteilung zu verurteilen:

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Soweit die Klägerin auch im Berufungsverfahren mit ihrem Hauptantrag ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt, kann diesem Petitum aus den mit ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 17.03.2004 bereits im einzelnen erörterten Gründen schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es in Ermangelung seiner Orientierung an einer konkreten Verletzungsform auch Fälle umfasst, in denen durch weitere Zusätze eindeutig klargestellt wird, dass nicht eine oder die erste Tagungsveranstaltung in Deutschland beworben wird, die sich in bisher nicht gekannter Weise mit dem Insolvenzrecht befasst. Das folgt zwanglos aus dem in der Sache ebenfalls nicht begründeten Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie den Titelbestandteil "1." in der werblichen Ankündigung des Beklagten mit der Begründung als irreführend angreift, damit werde dem dies lesenden Verkehr an die Hand gegeben, es handele sich um die erste Tagung in Deutschland, auf der aktuelle Probleme des Insolvenzrechts diskutiert würden. In der Weise, in der der Beklagte bislang seine Veranstaltung "1. Deutscher Insolvenzrechtstag 2004" angekündigt hat, nämlich in der aus Seiten 5 und 6 bis 8 dieses Urteils ersichtlichen Form, scheidet indes die von der Klägerin behauptete Irreführungsgefahr ersichtlich aus. Der von der Ankündigung des Beklagten angesprochene Interessent, sei er nun Rechtsanwalt, Richter oder sonst wie an den sich im Zusammenhang mit dem Insolvenzrecht stellenden Verfahrens- und materiellen Fragen interessierte Person, wird nämlich aufgrund der konkreten Ankündigung des Beklagten nicht auf die Idee kommen, der Beklagte kündige die erste Veranstaltung zum Insolvenzrecht mit überregionaler Bedeutung an. Zu Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang bereits hervorgehoben, dass es sich bei dem Insolvenzrecht um eine Spezialmaterie handelt, mit der sich nur ein relativ kleiner Kreis der von dem Beklagten in erster Linie angesprochenen Juristen befasst. Mit dem Landgericht schließt auch der Senat sicher aus, dass potentielle Seminarteilnehmer des Beklagten nicht wissen könnten, dass es vergleichbare Tagungen anderer Anbieter zum Insolvenzrecht in Deutschland bereits gegeben hat. Dies gilt auch für gerade zugelassene junge Anwälte oder solche Rechtsanwälte, die sich erstmals mit dem Insolvenzrecht befassen wollen. Sowohl der Betrachter des Internetauftritts des Beklagten als auch der Leser des als Anlage B 4 zu den Akten gereichten, aus Seiten 6 bis 8 dieses Urteils ersichtlichen Schreibens, mit dem der am 25. und 26.03.2004 in Berlin stattfindende "1. Deutscher Insolvenzrechtstag 2004" angekündigt wird, nimmt ohne weiteres zur Kenntnis, dass es sich um einen von dem Beklagten, nämlich dem E. Verein, veranstalteten Insolvenzrechtstag handelt, den der Beklagte zum ersten Mal organisiert und der deshalb "1. Deutscher Insolvenzrechtstag" heißt. Das folgt zwanglos aus der Aufmachung sowohl der Vorankündigung als auch des Internetauftritts des Beklagten. In beiden Mitteilungen ist hinreichend deutlich gemacht, dass es sich um die erste Veranstaltung des "E. Verein" zu diesem Thema handelt. Damit scheidet die von der Klägerin insoweit behauptete, sich angeblich aus dem Titelbestandteil "1." ergebende Irreführungsgefahr aus. Dies festzustellen sind die Mitglieder des Senats ebenso wie die Mitglieder der Kammer aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung in der Lage. Namentlich entspricht es der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es bei der Ermittlung der Verkehrsverständnisses grundsätzlich keinen Unterschied macht, ob der Tatrichter seine Sachkunde und Lebenserfahrung zur Bejahung oder zur Verneinung einer Irreführungsgefahr einsetzt (BGH WRP 2004, 339, 340 "Marktführerschaft"; BGH WRP 2003, 275 ff. = GRUR 2003, 247 ff. "Thermal Bad" und BGH WRP 2002, 527 ff. = GRUR 2002, 550 ff. "Elternbriefe").

2.

Hat das Landgericht demnach die insoweit behauptete Irreführungsgefahr zutreffend verneint, gilt im Ergebnis nichts anderes, soweit die Klägerin ihre Klageansprüche auch darauf stützt, durch die Verwendung des Wortes "Deutscher" in der angegriffenen Bezeichnung mit einer vorgeschalteten "1." und/oder - so ihr Antrag im Berufungsverfahren - der Voranstellung einer Nummerierung wie z.B. "2.", "3." etc. nehme der Beklagte aus Sicht des angesprochenen Verkehrs in irreführender und damit unzulässiger Weise für sich in Anspruch, im Bereich des Insolvenzrechts eine absolut führende Veranstaltung in Deutschland anzukündigen und durchzuführen. Eine solche Spitzenstellung behauptet der Beklagte aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht, insbesondere auch nicht mit den oben abgebildeten Anlagen K 3 und B 4, mit der der Beklagte die Durchführung des von ihm veranstalteten 1. Deutschen Insolvenzrechtstags für den 25. und 26.03.2004 angekündigt hat. Auch hier schließt der Senat mit der Kammer das von der Klägerin behauptete Verkehrsverständnis aus. Allerdings trifft es im Grundsatz zu, dass der Beklagte dann, wenn er einen "Deutschen Insolvenzrechtstag" veranstaltet, aus Sicht des angesprochenen Verkehrs schon eine Veranstaltung bewirbt, der Gewicht beizumessen ist. Von einem "Deutschen Insolvenzrechtstag", sei es nun, dass dieser zum ersten, zum zweiten oder zum dritten Mal durchgeführt wird, erwartet ein beachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs nämlich, dass er von überregionaler Bedeutung ist, und dass die geplante Tagung zu den bedeutendsten ihrer Art zählt. Das ist aber aus den vom Landgericht genannten Gründen der Sache nach richtig und nicht zu beanstanden. Der Beklagte nimmt für sich zu Recht in Anspruch, eine Tagung durchzuführen, die von überregionaler Bedeutung ist. Insoweit hat bereits das Landgericht zutreffend hervorgehoben, dass sowohl die geplante Teilnehmerzahl als auch die Liste der Leiter und Referenten und die bundesweite Werbung durch den auch sonst bundesweit tätigen Beklagten die Annahme rechtfertigen, dass es sich bei dieser Veranstaltung um eine solche mit überregionalem Zuschnitt handelt. Das wird letztlich von der Klägerin auch gar nicht in Abrede gestellt, sie meint lediglich, über die Ankündigung einer Veranstaltung von überregionaler Bedeutung hinaus kündige der Beklagte durch die Verwendung des Wortes "Deutscher" die absolut führende Veranstaltung auf diesem Gebiet an. Dem folgt der Senat indes nicht. So wie der Wortbestandteil "Deutsch" oder auch "Deutschland" in einer Firmenbezeichnung beim angesprochenen Verkehr lediglich die Erwartung weckt, es handele sich um ein auf den deutschen Bereich als Ganzes zugeschnittenes Unternehmen mit entsprechender Größe und Aufgabenstellung, jedoch nicht ein solches, das für die deutsche Wirtschaft beispielhaft oder besonders wichtig sei (BGHZ 53, 339, 343 "Euro-Spirituosen" und BGH WRP 1987, 629 f. = GRUR 1987, 638 ff. "Deutscher Heilpraktiker" und BGH WRP 1982, 319 ff. = GRUR 1982, 239 ff. "Allgemeine Deutsche Steuerberatungsgesellschaft"), erwartet der angesprochene Verkehr auch hier zwar sicher eine "hochkarätige" Veranstaltung, nicht aber eine solche, die alles bislang Gekannte übertrumpft. Soweit der Senat im übrigen nicht auszuschließen vermag, dass ein Teil des an Veranstaltungen der beworbenen Art interessierten Personenkreises doch annehmen könnte, es sei nunmehr dem E. Verein und damit dem Beklagten gelungen, Referenten etc. für eine Seminarveranstaltung zu gewinnen, die alle bislang durchgeführte Veranstaltungen dieser Art in den Schatten stellt, sieht sich der Senat nicht in der Lage, ein solches ihm nicht naheliegendes Verkehrsverständnis aus eigener Lebenserfahrung heraus festzustellen. Das geht zu Lasten der für die behauptete Irreführungsgefahr darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin, die auf diesen Punkt hingewiesen bewusst davon abgesehen hat, die Richtigkeit ihres Sachvortrags durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Verkehrsbefragung) unter Beweis zu stellen.

3.

Erweist sich die Klage demgemäß als unbegründet, war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.

Es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung im Einzelfall, deren Schwerpunkt auf tatrichterlichem Gebiet liegt und namentlich der vorerwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Ermittlung des Verkehrsverständnisses aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung Rechnung trägt.

Ende der Entscheidung

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