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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 13.10.2006
Aktenzeichen: 6 U 153/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 903
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 09. Juni 2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln - Einzelrichter - (5 O 134/06) wird, nachdem die Verfügungsklägerin ihre weitergehenden Anträge zurückgenommen hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die einstweilige Verfügung wie folgt neu gefasst wird:

Die Verfügungsbeklagte hat es zur Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 € , ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, an der Grundstücksgrenze des von ihr für ihr Straßenverkehrsamt genutzten Grundstücks B. H., L., zum Nachbargrundstück der P., B. H. 7, L., den gegenwärtig bestehenden Zustand in der Weise zu ändern, dass der Zugang zum Nachbargrundstück der P. erschwert wird.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsbeklagte 2/3, die Verfügungsklägerin 1/3 zu tragen.

Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin betreibt seit 1991 in einer ihrer Filialen auf dem Grundstück der P. L. ein Schilderprägegeschäft. Das Nachbargrundstück, das im Eigentum der Verfügungsbeklagten steht, beherbergt das Straßenverkehrszulassungsamt. Auf diesem Grundstück betreiben drei Schilderprägeunternehmer aufgrund eines mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Vertrages ihre Geschäfte. Die Filiale der Verfügungsklägerin war bis Ende 2005 in einem Pavillon untergebracht, der vom Eingang der Straßenverkehrszulassungsstelle nicht eingesehen werden konnte. Nachdem dieser Standort aufgrund von Umbaumaßnahmen der P. entfallen war, gestattete diese der Verfügungsklägerin die Aufstellung des Pavillons auf dem rückwärtigen Parkplatz gegenüber dem Eingang der Zulassungsstelle. Ein auf dem Grundstück der P. befindlicher Grenzzaun wurde teilweise entfernt, sodass der neuerrichtete Pavillon vom Grundstück der Verfügungsbeklagten aus unmittelbar erreicht werden konnte.

Diese Verlagerung des Pavillons förderte die Geschäftsumsätze der Verfügungsklägerin bei wirtschaftlichen Nachteilen der Schilderprägebetriebe, die auf dem Grundstück der Zulassungsstelle untergebracht waren. Auf deren Beschwerden und auf deren Kosten ließ die Verfügungsbeklagte am 18.02.2006 vor dem Pavillon der Verfügungsklägerin einen neuen Gitterzaun errichten, sodass dieser vom Grundstück der Zulassungsstelle aus nicht mehr erreicht werden konnte. Nachdem die Verfügungsklägerin zwei Tage durch die Zaunmaschen hindurch weiterhin Kfz-Schilder verkauft hatte, ließ die Verfügungsbeklagte Blechplatten an den Zaun schrauben.

Daraufhin erwirkte die Verfügungsklägerin den nachstehend wiedergegebenen Beschluss des Landgerichts Köln:

pp.

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat die Kammer durch den zuständigen Einzelrichter mit dem angefochtenen Urteil diese einstweilige Verfügung bestätigt. Die seitens der Verfügungsbeklagten getroffenen Maßnahmen stellten einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin dar (§ 823 Abs. 1 BGB).

Dagegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, die das Ziel der Abänderung der angefochtenen Entscheidung und die vollständige Aufhebung des Verfügungsbeschlusses erstrebt. Zu den von ihr getroffenen Maßnahmen der Grenzeinfriedung sei sie als Eigentümerin berechtigt gewesen (Artikel 14 GG, § 903 S. 1 BGB). Unabhängig davon benötige sie einen undurchlässigen Grenzzaun, um einen unbefugten Zutritt vom Grundstück der P. zu verhindern. In dem Gebäude der Zulassungsstelle lagerten sensible Gegenstände wie die Siegel für Hauptuntersuchung und Abgassonderuntersuchung, Blankette von Fahrzeugbriefen und Fahrzeugscheinen, Bargeld und andere Wertgegenstände. Ein etwaiger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin sei daher jedenfalls nicht rechtswidrig gewesen.

Die Verfügungsklägerin, die das angefochtene Urteil zunächst in vollem Umfang verteidigt hat, hat auf vom Senat geäußerte Bedenken den vormaligen Verfügungsantrag zu 2) zurückgenommen und dem Verfügungsantrag zu 1) die Fassung gegeben, die sich in dem vom Senat formulierten Verbotstenor wiederfindet und mit dem das Verbot einer Zugangsverschlechterung gegenüber dem gegenwärtig bestehenden Zustand erstrebt wird. Insoweit ist unstreitig, dass im Zuge der Befolgung der vom Landgericht erlassenen einstweiligen Verfügung die Verfügungsbeklagte an der von ihrem Grundstück aus gesehen rechten Seite ein Drittel des von ihr errichteten Grenzzaunes beseitigt hat. Ein Zugang zu dem von der Verfügungsklägerin betriebenen Pavillon ist daher vom Grundstück der Zulassungsstelle aus wieder möglich. Den weiteren Zugang zum und vom Grundstück der P. verhindert in verschlossenem Zustand eine zwischen dem noch stehenden Grenzzaun und dem Pavillon der Verfügungsklägerin angebrachten Tür. Über die Türschlüssel verfügen neben Bediensteten der P. auch Mitarbeiter der Verfügungsklägerin.

II.

Die Berufung hat, soweit über sie nach der teilweisen Antragsrücknahme und der Umformulierung des aufrechterhaltenen Antrags seitens der Verfügungsklägerin noch zu befinden war, nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht den Standpunkt vertreten, dass die von der Verfügungsklägerin angegriffenen Maßnahmen der Verfügungsbeklagten rechtswidrig in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) eingegriffen habe. Die dagegen von der Berufung vorgebrachten Argumente greifen nicht durch:

a) Die Befugnis eines Eigentümers, mit seinem Grundstück nach Belieben zu verfahren, reicht schon nach dem Wortlaut des § 903 BGB nur soweit, wie nicht das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen. Die Verfügungsbeklagte trifft als Kommune, die eine Straßenverkehrszulassungsstelle betreibt und auf ihrem eigenen Grundstück Flächen an einige Schilderprägeunternehmer vermietet, die Pflicht, auf die Belange anderer Schilderprägeunternehmer Rücksicht zu nehmen, die sich in der Nachbarschaft angesiedelt haben. Dem liegt zu Grunde, dass ein derartiges Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich nur in relativer Nähe zu der Zulassungsstelle geführt werden kann. Öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften sind besonderen Pflichten unterworfen. In ihrer Eigenschaft als Einrichtung der öffentlichen Hand erzeugen sie durch ihre Verwaltungstätigkeit erst die Nachfrage nach den Produkten der Schilderpräger. Die öffentliche Hand darf den ihr durch den Betrieb der Zulassungsstelle zufließenden Vorteil, Schilderprägern geeignete Gewerbeflächen zu überlassen, deshalb nicht ausnutzen, ohne gleichzeitig dort nicht zum Zuge gekommenen Anbietern die Chance einzuräumen, auf ihr Angebot hinzuweisen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. "Schilderpräger im Landratsamt", GRUR 1999, 278; "Kommunaler Schilderprägebetrieb", GRUR 2003, 167; "Hinweisschild in Zulassungsstelle", GRUR 2006, 608). Entsprechend diesem Grundgedanken der Rücksichtnahme auf die Schilderprägeunternehmer, die nicht auf dem Grundstück der Zulassungsstelle beheimatet sind, war die Verfügungsbeklagte nicht befugt, nach ihrem eigenen Gutdünken die Grenze zur P. abzuriegeln, um den Zugang zu dem Pavillon der Verfügungsklägerin von ihrem Grundstück aus zu unterbinden.

b) Die Verfügungsbeklagte ist freilich nicht gehalten, unter Zurückstellung ihrer eigenen berechtigten Interessen alles zu tun, um den Zugang zu einem nicht auf ihrem eigenen Grundstück angesiedelten Schilderprägeunternehmer so komfortabel wie nur möglich zu machen. Sie ist vielmehr berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die zur Gewährleistung etwa der Einbruchssicherheit in die Gebäude der von ihr betriebenen Ämter notwendig sind. Die Verfügungsbeklagte hat indessen in dem vorliegenden Eilverfahren nicht plausibel dargelegt, dass die von ihr im Februar des Jahres betriebene umfassende Einfriedung und Abgrenzung zum Nachbargrundstück der P. für eine befriedigende Sicherheitslage erforderlich ist. Sie ist in der Lage, die von ihr betriebenen Amtsgebäude nach Dienstschluss so zu verschließen, wie sie es für nötig erachtet. Die Einfriedung zum Nachbargrundstück der P. kann daher nur noch den zusätzlichen Schutz bezwecken, dass Unbefugten, die in das verschlossene Gebäude der Zulassungsstelle einbrechen wollen, dieses Vorhaben dadurch erschwert wird, dass ihnen bereits der Zugang auf das Grundstück (nahezu) unmöglich gemacht wird. Insoweit war aber zwischen den Parteien im zweitinstanzlichen Verhandlungstermin unstreitig, dass das Grundstück der Verfügungsbeklagten auch bei vollständiger Verriegelung des Zutritts zum Grundstück der P. lediglich durch eine 1,50 Meter hohe Mauer gesichert ist, die von einem potentiellen Einbrecher unschwer überwunden werden kann. Bei dieser Sachlage vermag der Senat die hohe Bedeutung, die einer vollständigen Einzäunung zum Nachbargrundstück der P. zukommen soll, nicht nachzuvollziehen. Es kommt hinzu, dass die Verfügungsbeklagte, wie ebenfalls in der Berufungsverhandlung unstreitig war, zu Beginn des nächsten Jahres ihre Zulassungsstelle in ein angemietetes Gebäude an anderer Stelle verlegt und auch dort über das Verschließen des Bürogebäudes hinaus weitere Sicherungsmaßnahmen, die etwa bereits den Zutritt zu dem entsprechenden Grundstück unmöglich machen, nicht getroffen werden können.

c) Die Verfügungsbeklagte hat noch eingewendet, ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei im Rechtssinne schon deshalb ausgeschlossen, weil die Verfügungsklägerin ihren Betrieb an der jetzigen Stelle unberechtigt ausübe. Sie verfüge nämlich für den derzeitigen Standort ihres Pavillons nicht über eine erforderliche Baugenehmigung. Auch dem folgt der Senat nicht. Unstreitig ist der Baugenehmigungsantrag eingereicht, vom in der Behörde der Verfügungsbeklagten zuständigen Amt aber noch nicht genehmigt. Die Verfügungsbeklagte hat auch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen mit einer Verweigerung der Genehmigung zu rechnen sein könnte. Daher ist im vorliegenden Eilverfahren davon auszugehen, dass der Antrag der Verfügungsklägerin genehmigungsfähig ist und demnächst genehmigt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Antragstellerin hat die Kosten zu tragen, soweit sie ihre Anträge zurückgenommen hat (§ 269 Abs. 3 ZPO). Bei der zu Gunsten der Verfügungsklägerin ausgeurteilten Kostenquote hat der Senat entscheidend sein lassen, dass die Verfügungsklägerin im wirtschaftlichen Endergebnis ihr Streitziel weitgehend erreicht hat, indem der ungehinderte Zugang zu ihrem Pavillon vom Grundstück der Verfügungsbeklagten aus gewährleistet ist. Demgegenüber kommt dem Umstand, dass sie einen von zwei ausformulierten Anträgen vollständig zurückgenommen hat, als formal nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

Dieses Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Ende der Entscheidung

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