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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.06.2001
Aktenzeichen: 6 U 177/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
ZPO § 283
ZPO § 523
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 177/00

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 29.6.2001

verkündet am 29.6.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23.3.2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.9.2000 verkündete Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 100/99 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Über die Kosten der ersten Instanz wird in dem Berufungsverfahren über das inzwischen ergangene Schlussurteil zu befinden sein.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 14.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Beklagten wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Sicherheiten auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

4.) Die Beschwer der Klägerin wird auf 500.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine bekannte Herstellerin von Speiseeis, das sie über den Groß- und Einzelhandel absetzt. Die Beklagte vertreibt über einen Lieferservice Tiefkühlprodukte unmittelbar an den Verbraucher. Zu den von ihr auf diese Weise vertriebenen Produkten gehört auch Speiseeis. Die Eisprodukte stellt die Beklagte, die bis zum Jahre 1998 Eiscreme auch selbst produziert hat, nicht (mehr) selbst her, sondern bezieht sie von Dritten, und zwar auch von Markenherstellern.

Streitgegenstand ist der Vertrieb der Eiscreme-Spezialität "Taco" durch die Beklagte, in dem die Klägerin - soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Interesse - eine unlautere und deswegen gem. § 1 UWG unzulässige Nachahmung ihres Produktes "Winner Taco" sieht. Die Klägerin hat sich im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens zusätzlich auch auf markenrechtliche Ansprüche gestützt, diese sind jedoch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil das angegriffene Urteil ein Teilurteil ist, das ausschließlich Ansprüche aus § 1 UWG betrifft. Dem Rechtsstreit liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Zu der auch in Deutschland vertriebenen Produktpalette der Klägerin gehörte zumindest in der Vergangenheit auch das Speiseeis "Winner Taco". Ob und in welchem Umfang dieses Produkt derzeit noch in Deutschland auf dem Markt ist, ist im Berufungsverfahren streitig geworden.

Bei dem "Winner Taco" handelt es sich um ein Speiseeis, das die typische halbrunde Form des mexikanischen "Tacos", einer gefüllten Teigtasche, aufweist. In die so geformte Eiswaffel ist das Vanilleeis nebst Karamellsoße eingefüllt. Das äußere Halbrund ist mit einem Gemisch von Schokolade und Erdnussstücken überzogen. Die Einzelheiten des Erscheinungsbildes des Produktes sind aus der auf S.5 der Klageschrift (Bl.6) eingeblendeten Abbildung ersichtlich. Die Klägerin brachte dieses Eiscreme-Produkt Anfang des Jahres 1998 in Deutschland auf den Markt, wo es auch als sog. "Multipack" im Gebinde zu 4 Stück angeboten wurde. Nach dem in erster Instanz unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin war das Produkt bereits zuvor, nämlich im Februar bzw. März 1997, in Italien und den Niederlanden eingeführt worden. Wegen der Einzelheiten des behaupteten Vertriebsbeginns in weiteren europäischen Ländern, zu denen auch Spanien gehört, wird auf die Darstellung der Klägerin Bl.69 ff verwiesen.

Im September 1998 brachte die Beklagte das Produkt "Taco" auf den Markt. Dieses Speiseeis ist ebenfalls halbkreisförmig gestaltet und weist einen über die Waffel hinausgehenden Rand auf, der mit einem Schokolade-Erdnussgemisch überzogen ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abbildung der Produktverpackung verwiesen, die Gegenstand des Klageantrags und auf Seite 5 dieses Urteils wiedergegeben ist. Das Speiseeis wird ausschließlich in Gebinden zu 6 Stück vertrieben.

Bereits wesentlich früher, nämlich im Jahre 1989, ist - wie aus der Anlage B 3 (= Bl.52) ersichtlich - in Spanien von der Firma H. M. S.A. (im folgenden: "Fa. M.") ein derartiges Speiseeis "Taco" entwickelt worden. Die Parteien streiten insoweit darum, ob dieses Produkt über eine Ankündigung hinaus tatsächlich auf den spanischen Markt gekommen ist und ob es einem von ihnen bei der Produktentwicklung als Vorbild gedient hat.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, es handele sich bei "Taco" um eine unter dem Aspekt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung gem. § 1 UWG unlautere Nachahmung ihres Speiseeises "Winner Taco".

Sie hat hierzu behauptet, sie selbst habe das Produkt Winner Taco unbeeinflusst von auf dem europäischen Markt bereits vorhandenen Angeboten auf der Grundlage des aus den lose gehefteten Anlagen 2-4 zum Schriftsatz vom 9.8.1999 ersichtlichen Produktes "Choco Taco" entwickelt, das ihre amerikanische Schwestergesellschaft bereits im Jahre 1986 auf den US-amerikanischen Markt gebracht habe. Sie habe für Winner Taco bestimmte im einzelnen aus der Darstellung auf Bl.7 ersichtliche Werbeaufwendungen betrieben und Umsatzzahlen erreicht. Die Beklagte habe - wie sich aus den im einzelnen dargelegten Übereinstimmungen ergebe - ihr Produkt nachschaffend übernommen. Selbst wenn das nicht der Fall sein und die Beklagte sich an dem spanischen Produkt orientiert haben sollte, sei die Klage begründet, weil die Beklagte nach der Rechtsprechung des BGH verpflichtet gewesen sei, von verwechslungsfähigen Produkten auf dem deutschen Markt einen ausreichenden Abstand zu halten.

Die Klägerin hat - soweit für das angegriffene Teilurteil von Interesse - beantragt,

I.) die Beklagte zu verurteilen,

1.) es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM zu unterlassen,

unter der Bezeichnung "Taco" eine Eiscreme-Spezialität in der nachstehend abgebildeten Gestaltung anzubieten, zu bewerben, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen:

2.) Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen seit dem 15.11.1998 gem. Ziff. I 1.) begangen hat, insbesondere welche Umsätze sie insoweit getätigt hat, und zwar unter Angabe der Gestehungskosten, und welche Werbemaßnahmen sie hierfür veranlasst hat, und zwar sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach DM-Werten und Kalendermonaten;

II.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I 1.) bezeichneten Handlungen seit dem 15.11.1998 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, bei dem von ihr vertriebenen Produkt handele es sich - von einer geringfügigen Abänderung der Rezeptur abgesehen - um das Produkt der erwähnten spanischen Fa. M.. Diese vertreibe das Eis in Spanien weiterhin. Sie habe - wie sich aus der als Anlage B 5 (Bl.54) vorgelegten unternehmensinternen Information ergebe - den zunächst früher vorgesehenen Termin zur Markteinführung in Deutschland um einige Monate verschoben, weil zur Herstellung spezielle Geräte notwendig seien.

Vor diesem Hintergrund liege eine Nachahmung nicht vor und sei der Vertrieb wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegenteil stelle sich das erstrebte Verbot sogar als im Sinne des Art.28 EGV (Amsterdamer Fassung) unzulässige Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar, weil das Produkt in Spanien rechtmäßig hergestellt werde.

Das Landgericht hat durch das angegriffene Teilurteil die Klage, soweit sie auf Wettbewerbsrecht gestützt ist, abgewiesen. Der Vertrieb der Eiscreme sei zumindest deswegen nicht unlauter, weil er schon vor Marktzutritt der Klägerin von der Beklagten fest geplant und die weitere Umsetzung dieses Planes nach dem Marktzutritt von Winner Taco nicht unlauter gewesen sei. Aus der als Anlage B 5 bei der Akte befindlichen unternehmensinternen Information lasse sich entnehmen, dass die Beklagte bereits im Sommer 1997 fest entschlossen gewesen sei, das angegriffene Produkt in Deutschland zu vertreiben. Zu diesem Zeitpunkt sei für die Beklagte aber nicht klar gewesen, dass die Klägerin auch in Deutschland mit Winner Taco auf den Markt kommen würde. Vielmehr habe sich für die Beklagte im Sommer 1997 die Situation so dargestellt, dass die Klägerin erst in zwei Ländern Testläufe durchgeführt habe. Hierauf habe sie ihr Marktverhalten aber nicht einrichten müssen.

Ihre gegen dieses Urteil gerichtete Berufung begründet die Klägerin wie folgt:

Das Produkt Winner Taco weise die für den ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart auf. Durch die halbkreisförmige Form mit innerem und äußerem Rand und der Taco-ähnlichen Gestaltung hebe sich das Produkt von den bisher bekannten Eisprodukten in Form von gefüllten Eiswaffeln ab. Das im einzelnen dargelegte wettbewerbliche Umfeld schwäche die wettbewerbliche Eigenart nicht. Das gelte auch für die Produkte der Fa. M., weil zum einen nur ganz geringe Verkaufszahlen vorgetragen seien und sich zum anderen die angebliche Marktpräsenz auf Spanien beschränkt habe, während für die Frage der wettbewerblichen Eigenart auf den deutschen Markt abzustellen sei.

Ihr Produkt sei auch hinreichend verkehrsbekannt. Der Vertrieb über den Fachhandel sei zwar inzwischen "heruntergefahren", das Winner Taco werde aber noch im "Food"-Bereich, d.h. über Großküchen o.ä. abgesetzt. Im übrigen habe der Verkehr aufgrund des bisherigen Vertriebs in Deutschland und des aktuell weiterhin stattfindenden Verkaufes in Ländern, die zu den deutschen Urlaubsländern zählten, ein konkretes Vorstellungsbild von dem Produkt.

Es bestehe wegen der im einzelnen dargelegten Ähnlichkeit auch die Gefahr von betrieblichen Herkunftstäuschungen. Daran ändere die unterschiedliche Vertriebsform nichts, zumal Winner Taco wie Taco auch als Multipack angeboten werde. Selbst wenn man eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne verneinen wollte, sei doch zu erwarten, dass der Verkehr irrigerweise von einer Zweitmarke oder dem Bestehen von wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Parteien ausgehe. Der interessierte Verbraucher wisse nämlich, dass die Beklagte keine eigenen, sondern fremde Produkte vertreibe. Zudem habe eine derzeit stattfindende Entwicklung, wonach viele Unternehmen einzelne Marken verkauften, um sich auf die verbleibenden Produktlinien konzentrieren zu können, erhebliche Resonanz gefunden, weswegen der Verkehr auch annehmen werde, sie habe ihre Marke auf die Beklagte übertragen.

Der Vertrieb der mithin verwechslungsfähigen Ware sei der Beklagten auch vorwerfbar. Auch wenn diese bei der Entwicklung des Taco nicht ihr Produkt Winner Taco nachgeahmt, sondern sich an dem Eis der spanischen Fa. M. orientiert habe, habe es ihr doch oblegen, durch Abänderungen der äußeren Gestalt, die ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, Herkunftstäuschungen zu vermeiden. Das gelte auch dann, wenn man mit dem Landgericht als maßgeblichen Zeitpunkt auf die Entschlussfassung zur Produktion abstelle und diese auf den Sommer 1997 ansetze. Denn damals sei sie schon in drei europäischen Ländern (Italien, Niederlande, Belgien) auf dem Markt gewesen und der Beklagten habe als Wettbewerberin auch bewusst sein müssen, dass sie Winner Taco alsbald auch in Deutschland vertreiben werde. Denn sie sei - wie sich aus der als (gesondert geheftete) Anlage 6 zur Berufungsbegründung vorgelegten Übersicht ergebe - in der Vergangenheit regelmäßig zeitlich gestaffelt mit ihren Produkten in den europäischen Ländern auf den Markt gekommen. Dies sei der Beklagten angesichts ihrer, der Klägerin, Marktposition und der Bekanntheit und Markstärke etwa des Produktes "Magnum", bei dem auch so verfahren worden sei, auch bekannt gewesen.

Schließlich seien die klageweise geltendgemachten Ansprüche auch unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung aus § 1 UWG begründet.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 8.9.00 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln - 81 O 100/99 -

I.) die Beklagte zu verurteilen,

1.) es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsmittels bis zur Höhe von 500.000 DM zu unterlassen,

unter der Bezeichnung "Taco" eine Eiscreme-Spezialität in der nachstehend abgebildeten Gestaltung anzubieten, zu bewerben, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen:

2.) Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gem. Ziff. I 1.) seit dem 15.11.1998 begangen hat, insbesondere welche Umsätze sie insoweit getätigt hat, und zwar unter Angabe der Gestehungskosten, und welche Werbemaßnahmen sie hierfür veranlasst hat, und zwar sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach DM-Werten und Kalendermonaten;

II.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I 1.) bezeichneten Handlungen seit dem 15.11.1998 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin vertreibe Winner Taco überhaupt nicht mehr, und vertritt die Auffassung, dass ein etwaiger Anspruch bereits aus diesem Grunde nicht (mehr) bestehe.

Im übrigen stellt sie angesichts der vorbekannten "Sandwichform" bei Impulseis die wettbewerbliche Eigenart des Winner Taco in Abrede und meint überdies, dieses sei auch nicht hinreichend verkehrsbekannt. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Verwechslungsgefahr, weil der Verkehr angesichts der unterschiedlichen Vertriebsformen und des Umstandes, dass sie ihr Produkt mit der aus dem Klageantrag ersichtlichen Wort/Bildmarke "E." versehe, Herkunftstäuschungen nicht unterliege. Das gelte auch für die von der Klägerin in zweiter Instanz zusätzlich angeführten Verwechslungstatbestände. Denn der Verkehr gehe davon aus, dass sie, die Beklagte, selbst Herstellerin der von ihr vertriebenen Produkte sei.

Schließlich sei ihr die Markteinführung auch nicht vorwerfbar. Die zeitliche Abfolge des Marktzutrittes von Winner Taco in Europa werde mit Nichtwissen bestritten. Zudem lasse sich aus dem Vortrag der Klägerin eine Strategie, die vorhersehbar auf die Einführung von Taco zu übertragen gewesen wäre, nicht ableiten. Im übrigen habe sie bei dem schon im Jahre 1996 erfolgten Entschluss über den Zutritt zum Markt, der bereits im Jahre 1996 erfolgt sei, von einer Marktpräsenz der Klägerin in den erwähnten europäischen Ländern noch nichts wissen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die bis zur mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die nach Ablauf der ihr eingeräumten Schriftsatzfrist eingegangenen Schriftsätze der Beklagten vom 23. und 30.5.2001 und den der Klägerin gem. §§ 283,523 ZPO nachgelassenen Schriftsatz vom 17.5.2001 sowie schließlich auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25.5.2001 Bezug genommen, mit dem diese nach Ablauf der Schriftsatzfrist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt hat.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Klage aus § 1 UWG muss der Erfolg versagt bleiben, weil weder die Gefahr betrieblicher Herkunftstäuschungen besteht, noch die Voraussetzungen einer Rufausbeutung vorliegen.

Es besteht auch kein Grund, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Es ist schon von der Klägerin, die lediglich erklärt hat, der Schutz der IR-Marke 724 056 sei "inzwischen" für die Bundesrepublik Deutschland gewährt worden, nicht dargelegt worden, aus welchem Grunde diese Schutzrechtserstreckung Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sein soll. Ein solcher Grund ist auch nicht ersichtlich, zumal das vorliegende Berufungsverfahren ausschließlich - angenommene - wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin betrifft. Im übrigen hat der markenrechtliche Schutz ausweislich der vorgelegten Unterlagen in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung ohnehin längst, nämlich bereits seit dem 31.8.2000, bestanden.

A

Entgegen der Annahme der Klägerin bestehen die aus § 1 UWG geltendgemachten Ansprüche zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung.

Allerdings weist ihr Produkt Winner Taco die hierfür erforderliche wettbewerbliche Eigenart auf. Diese ist in der neuartigen halbkreisförmigen Gestaltung der Waffel und damit des gesamten Produktes begründet. Die Gestaltung gibt dem Eis ein von den bisher bekannten Ausstattungen augenfällig abweichendes Gepräge. Allein der Umstand, dass Eis in Sandwichform bereits bekannt ist, ändert hieran nichts. Die Besonderheit des Winner Taco liegt nicht darin, dass das Eis zwischen zwei Waffeln liegt, sondern darin, dass diese Waffeln nicht die klassisch rechteckige oder die ebenso bekannte Hörnchenform haben, sondern eben halbkreisförmig gestaltet sind. Im übrigen prägt auch das "Überquellen" des Eises aus der Waffel heraus die Erscheinungsform der Eis-Spezialität. Die Produkte des wettbewerblichen Umfeldes ändern hieran nichts, weil sie alle - soweit beachtlich - diese Merkmale gerade nicht aufweisen. Die Form war 1998 nur durch den US-amerikanischen Vorläufer, von dem die Klägerin ihr Produkt herleitet, und dem spanischen "Taco" der Fa. M. bekannt. Diese sind indes beide nicht zu berücksichtigen, weil sie auf dem deutschen Markt nicht präsent waren und deswegen die Vorstellungen der deutschen Verbraucher nicht beeinflusst haben können.

Für die Frage der betrieblichen Herkunftstäuschung kann es dahinstehen, ob und in welchem Umfang die aus diesen Gründen von Hause aus bestehende wettbewerbliche Eigenart von Winner Taco durch die vorgetragenen Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen zeitweilig noch gesteigert worden ist. Denn auch wenn das der Fall sein sollte, besteht die Gefahr von Verwechslungen nicht.

Es ist schon überaus zweifelhaft, ob eine Verwechslungsgefahr - die übrigen Voraussetzungen unterstellt - angesichts des Umstandes überhaupt noch angenommen werden könnte, dass das klägerische Produkt in Deutschland nicht mehr vertrieben wird. Hiervon ist nämlich auszugehen. Schon der schriftsätzliche Vortrag der Klägerin, wonach der Vertrieb "über den Fachhandel heruntergefahren", das Produkt aber noch über den "Food-Service"-Bereich abgesetzt werde, hat nicht erkennen lassen, dass das Eis Winner Taco in Deutschland noch in messbarem nennenswerten Umfang vertrieben würde. Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, das Produkt zum Jahreswechsel 2000/2001 vom deutschen Markt genommen zu haben. Angesichts des Umstandes, dass der Verbraucher regelmäßig neue Eisprodukte auf dem Markt erwartet und diese teilweise nur über einen geringen Zeitraum vertrieben werden, liegt es daher nahe, für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch die für Herkunftstäuschungen erforderliche Bekanntheit im Markt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22.Aufl. § 1 UWG RZ 457 m.w.N.) zu verneinen. Zumindest könnte diese nicht mehr für einen unbegrenzt langen Zeitraum angenommen werden. Der Senat lässt auch diese Frage, bei deren Bejahung nur noch über die Annexansprüche für die Vergangenheit zu entscheiden wäre, ausdrücklich offen.

Trotz der erheblichen Ähnlichkeit der Produktausstattungen, die bei einer Gegenüberstellung der vorgelegten Abbildungen der Produkte bzw. ihrer Verpackungen augenfällig wird, besteht auch bei einer unterstellt noch vorhandenen Bekanntheit von Winner Taco eine Verwechslungsgefahr unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt. Das gilt auch unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ähnlichkeit der beiden Produktbezeichnungen. Aus diesem Grunde kann auch dahinstehen, ob mit dem Landgericht eine Unlauterkeit wegen der längerfristigen Planungen der Beklagten verneint werden könnte, obwohl zumindest die ähnliche Bezeichnung auch kurzfristig hätte geändert werden können.

Zunächst scheidet eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne, also die Gefahr von Produktverwechslungen aus. Es ist nicht zu befürchten, dass ein Kunde der Beklagten oder ein Interessent der von ihr tiefgekühlt vertriebenen Lebensmittel angesichts des angebotenen Speiseeises Taco annimmt, es handele sich um das Winner Taco der Klägerin. Dies verhindern die unterschiedlichen Vertriebswege und der Umstand, dass die Beklagte ihr Eis - wie ihre übrige Ware auch - unter der Bezeichnung "E." abgibt. Der Verkehr kennt - wenn überhaupt noch - das Speiseeis Winner Taco der Klägerin als ein solches, das an Kiosken, in Tankstellen und ähnlichen Verkaufsstellen zum spontanen Kauf angeboten wird, mithin als in der Branche so genanntes Impulseis. Demgegenüber wird das streitgegenständliche Speiseeis Taco von der Beklagten neben anderen Tiefkühlprodukten ausschließlich im Direktvertrieb durch Belieferung des Kunden bei diesem zu Hause abgegeben. Dabei begegnet dem Kunden und dem beworbenen Interessenten das Taco Eis ausschließlich unter der Bezeichnung "Eismann". Die Beklagte verwendet diese Bezeichnung nämlich durchgängig sowohl in ihren Katalogen, aus denen der Kunde die zu bestellende Ware aussucht, als auch auf der Verpackung des Speiseeises Taco. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Kunde der Beklagten in dieser Situation annehmen könnte, gleichwohl halte er ein auf dem vorbeschriebenen Wege vertriebenes (Impuls-)Eis der Klägerin in der Hand. Die Klägerin hat auch, obwohl diese Frage in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angesprochen worden ist, nicht dargelegt, auf Grund welcher Umstände dies vorstellbar sein sollte.

Auch die Gefahr mittelbarer Verwechslungen besteht nicht. Der Verbraucher nimmt nicht an, die Beklagte vertreibe mit dem streitgegenständlichen Speiseeis Taco das Winner Taco der Klägerin in einer - etwa für den Vertrieb durch die Beklagte speziell hergestellten - Zweitausstattung. Dies würde nämlich voraussetzen, dass der Verkehr von der Beklagten auch den Vertrieb solcher Markeneiscremeprodukte erwartet, die nicht von ihr selbst produziert sind und von dem Hersteller - von einer etwa geänderten Bezeichnung abgesehen - unverändert auch auf der üblichen Vertriebsschiene für Impulseis, also an Kiosken, in Tankstellen etc. abgesetzt werden. Der Kunde müsste also annehmen, dass der Hersteller das Speiseeis sowohl als Impulseis, als auch über die Beklagte im Direktvertrieb frei Haus absetze. Denn nur dann könnte bei dem Verbraucher, der aus den dargelegten Gründen die Produkte nicht unmittelbar verwechselt, auf Grund der hohen Ähnlichkeit der Produktausstattungen und der verwendeten Bezeichnungen die Vorstellung aufkommen, auch das streitgegenständliche Taco stamme von der Klägerin. Die vorbeschriebene Erwartungshaltung besteht im Verkehr jedoch nicht. Die Klägerin hat nicht ein einziges - Eiscreme- oder sonstiges - Produkt nennen können, das sowohl als Markenerzeugnis im üblichen Handel, als auch durch die Beklagte vertrieben würde. Sie behauptet im übrigen selber nicht, dass im Verkehr das erwähnte Vorstellungsbild bestehe, sondern meint, für die Gefahr mittelbarer Verwechslungen genüge die Erwartung des Verbrauchers, dass die Beklagte ihre Produkte überhaupt von Dritten herstellen lasse. Das trifft indes nicht zu: wenn die Beklagte nach der - im übrigen zutreffenden - Vorstellung des Verkehrs Tiefkühlprodukte vertreibt, die zwar von anderen Unternehmen hergestellt, aber als Auftragsproduktionen ausschließlich über die Beklagte vertrieben werden, so kann die Ähnlichkeit mit im übrigen Handel erhältlichen Produkten die Gefahr mittelbarer Verwechslungen nicht begründen. Es kann unter diesen Umständen dahinstehen, ob der Verkehr - wie diese behauptet - sogar annimmt, die Beklagte produziere die von ihr vertriebenen Tiefkühlprodukte selbst.

Schließlich besteht auch nicht die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen im weiteren Sinne. Der Verkehr wird nicht annehmen, zwischen den Parteien bestünden wirtschaftliche Verbindungen dergestalt, dass die Klägerin der Beklagten den Vertrieb des Speiseeises Taco lizenziert oder auf andere Weise gestattet habe. Das gilt zunächst ohne weiteres für den von den Annexansprüchen erfassten vergangenen Zeitraum, in dem die Klägerin selbst mit Winner Taco noch auf dem deutschen Markt war. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte für den Verkehr, dass die Klägerin in dieser Situation einem Wettbewerber den Vertrieb eines derart ähnlich aufgemachten Speiseeises gestattet haben könnte. Aber auch für die Zukunft ist die Gefahr dahin gehender Fehlvorstellungen nicht gegeben. Es steht bereits nicht fest, dass diejenigen Verbraucher, die das Winner Taco der Klägerin noch in Erinnerung haben, in für eine Verwechslungsgefahr ausreichender Anzahl überhaupt wissen, dass die Klägerin das Produkt in Deutschland nicht mehr vertreibt. Weiter scheiden alle diejenigen Verbraucher aus, die wissen, dass die Beklagte das streitgegenständliche Speiseeis bereits seit dem Jahre 1998 im Angebot hat, weil das Winner Taco zu jener Zeit auf dem deutschen Markt noch vertrieben wurde. Es besteht auch keine hinreichend sichere Grundlage für die Annahme, der möglicherweise verbleibende kleine Teil der angesprochenen Verkehrskreise könnte glauben, der Vertrieb des Speiseeis Taco beruhe auf einer Vereinbarung mit der Klägerin. Wesentlich näher liegt nämlich die Vorstellung, die Beklagte habe den Umstand genutzt, dass die Klägerin den Vertrieb in Deutschland eingestellt habe, und habe von sich aus Taco in ihr Programm aufgenommen. Allein der Umstand, dass in einigen Wirtschaftsbranchen aktuell die von der Klägerin geschilderte Konzentrationstendenz zu beobachten ist, vermag die Fehlvorstellung nicht zu belegen, zumal bei den Verbrauchern von Speiseeis spezielle Kenntnisse von derartigen wirtschaftlichen Entwicklungen nicht von vornherein unterstellt werden können. Der Senat sieht hierzu von weiteren Ausführungen ab, weil die aus den dargelegten Gründen allenfalls geringe Zahl von potentiell getäuschten Verbrauchern für eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne nicht ausreichen würde.

B

Schließlich sind die geltendgemachten Ansprüche auch unter dem weiter in Betracht kommenden Gesichtspunkt der Rufausbeutung nicht aus § 1 UWG begründet.

Angesichts des Umstandes, dass Herkunftsverwechslungen ausscheiden, das Produkt Taco von Verbrauchern, die sich hierüber Gedanken machen, also als Speiseeis eines Wettbewerbers der Klägerin wahrgenommen wird, könnte eine Sittenwidrigkeit unter dem Aspekt der Rufausbeutung nur als Anlehnung an fremde Ware zur Empfehlung der eigenen Ware vorliegen. Auch hierfür liegen indes die Voraussetzungen (vgl. im Einzelnen Baumbach/Hefermehl, a.a.O. RZ 552 ff; Köhler/Piper, UWG, 2.Aufl. RZ 602 ff) nicht vor. Die Rufausbeutung setzt das Vorhandensein einer gewissen Bekanntheit und eines guten Rufes des betroffenen Produktes voraus. Ungeachtet der Frage, welcher Grad eines guten Rufes bei der Anlehnung für ein identisches Produkt zu verlangen wäre, steht im vorliegenden Fall nicht fest, dass die etwaige Bekanntheit von "Winner Taco" für eine Rufausbeutung durch Anlehnung an die Ware ausreicht. Der Senat vermag schon für den Zeitraum des Vertriebs von Winner Taco in Deutschland den erforderlichen damaligen guten Ruf des Produktes nicht festzustellen, weil sich aus den vorgelegten Zahlen nicht die damalige Position von Winner Taco im Vergleich zu den vielen weiteren Eisprodukten auf dem Markt ablesen lässt. Zudem weisen die Zahlen nicht aus, dass das Produkt beständig in ausreichender Weise auf dem Markt vertreten gewesen wäre. Gegen das Entstehen eines guten Rufes in dieser Zeit spricht im übrigen deutlich der Umstand, dass die Klägerin sich gehalten gesehen hat, das Produkt später, nämlich zum Jahreswechsel 2000/2001 in Deutschland vom Markt zu nehmen. Es muss mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass dieser Entschluss aus Gründen nicht erfüllter Geschäftserwartungen getroffen worden ist. Es kann indes nicht der Vorwurf der Rufausbeutung erhoben werden, wenn das Produkt, für das der Schutz begehrt wird, inzwischen aus Gründen schlechter Geschäftsentwicklung vom Markt genommen worden ist. Erst recht gilt das für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch: Es kann nicht unterstellt werden, dass das Winner Taco, obwohl es in Deutschland nicht mehr verkauft wird, hier noch einen so guten Ruf hätte, dass die streitgegenständliche Annäherung der Produktausstattung durch das von der Beklagten vertriebene Speiseeis Taco als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 500.000 DM.

Ende der Entscheidung

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