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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: 6 U 21/01
Rechtsgebiete: AMG, HWG, ZPO


Vorschriften:

AMG § 8
AMG § 105
AMG § 29 Abs. 2
AMG § 8 Abs. 1 Nr. 2 a
AMG § 8 Abs. 1 Ziff. 2 a
HWG § 3 a
HWG § 3 Satz 2 Nr. 1
HWG § 3 S. 2 Ziff. 1
ZPO § 711
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 21/01

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 31.8.2001

verkündet am 31.8.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.6.2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und von Hellfeld

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.1.2001 verkündete Urteil der ersten Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 171/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 55.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Beklagten wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Sicherheit auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

4.) Die Beschwer der Klägerin wird auf 550.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber als Vertreiber von Arzneimitteln.

Die Klägerin vertreibt das gem. § 105 AMG fiktiv zugelassene Arzneimittel "C.". Das Mittel enthält den Wirkstoff Chlorhexidindigluconat und gilt in Deutschland als zugelassen für die Anwendungsgebiete:

* Behandlung von Gingivitis (das ist eine Entzündung des Zahnfleisches);

* Desinfektion der Mundhöhle nach chirurgischen Eingriffen;

* Verhütung von Infektionen bei orthodontischen (kieferorthopädischen) Behandlungen.

Eine Konzerngesellschaft der Klägerin, die S.B. C. H., bietet das Mittel in Großbritannien an.

Die Beklagte vertreibt das von dort parallelimportierte Produkt in Deutschland. Umverpackung und Tube enthalten die Aufschrift "C. Dental Gel" sowie die Mengenangabe "50 g". Dabei gibt die Beklagte - wie dies die Klägerin für ihr Produkt tut - hinter dem Wort C. das "R im Kreis" ((r))an.

Gegen den Vertrieb dieses parallelimportierten Produktes durch die Beklagte richtet sich das vorliegende Verfahren, dem das auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Verfahren 81 O 43/00 LG Köln vorausgegangen ist.

Die Beklagte hat der Klägerin und gem. § 29 Abs.2 AMG der Aufsichtsbehörde den Parallelvertrieb angezeigt. Gegenstand ihrer Anzeige war die aus der Anlage K 5 (= Bl.17 f) in schwarz/weiß Kopie ersichtliche Aufmachung der Umverpackung. Auf eine Abmahnung der Klägerin hat die Beklagte sich hinsichtlich des dort auf der zweiten Seite zu findenden englischsprachigen Textes ("Uses: ...") wie aus der Anlage K 5 (= Bl. 25 f) ersichtlich zur Unterlassung verpflichtet. Sodann ist sie mit der Aufmachung auf den Markt gekommen, die den im Berufungsrechtszug von der Klägerin als Anlagen B 1 und B 2 (Bl.171 f) vorgelegten Abbildungen entspricht. Je ein Exemplar von Tube und Umverpackung in dieser Aufmachung befinden sich als Anlage AG 1 in der Akte des erwähnten vorangegangenen Verfügungsverfahrens. In beiden Ausstattungen - und auch den noch darzustellenden aktuelleren Verpackungsversionen - verwendet die Beklagte eine blaue Schrift auf weißem Grund. Dabei sind einzig das erste "O" in "C." und (bei den ersten Versionen) die Mengenangabe in roter Farbe geschrieben.

Die Klägerin hat unter Berufung auf ein als Anlage K 10 (Bl. 27 ff) vorgelegtes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. 4.1989 die Auffassung vertreten, für das von der Beklagten vertriebene Produkt bedürfe es trotz der Wirkstoffidentität einer eigenen Zulassung, weil die Beklagte mit dem Zusatz "Dental Gel" die ursprüngliche Bezeichnung geändert habe und deswegen kein zulassungsfreier Parallelimport vorliege. Außerdem bewirke der Zusatz eine Irreführung, weil das Produkt für Zähne keine Heilwirkung habe.

Die Klägerin hat beantragt,

I.) die Beklagte zu verurteilen,

1.) es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, zu unterlassen, das Arzneimittel "C.(r)" unter der Bezeichnung "C. Dental Gel" in den Verkehr zu bringen;

2.) ihr - unter Wirtschaftsprüfervorbehalt - Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen der unter I 1.) bezeichneten Art vorgenommen hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, das die Werbemittel und/ oder die Adressaten, die Daten des Erscheinens und/oder der Auslieferung und/oder der Abgabe und die Höhe der Auflage und/oder Stückzahl enthält.

II.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der unter I 1.) beschriebenen Art entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich bezüglich der Berechtigung zum Parallelimport auf die Entscheidung "Tiapridal" des BGH (GRUR 98,407 ff) gestützt und zudem die Meinung vertreten, durch den Zusatz "Dental Gel" werde der Verkehr nicht irregeführt.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Im Unterschied zu der Entscheidung "Tiapridal" werde durch den streitgegenständlichen Zusatz "Dental Gel" der unzutreffende Eindruck erweckt, das von der Beklagten vertriebene Produkt weise einen weitergehenden Wirkungsbereich, nämlich auch für Zahnerkrankungen, auf.

Ihre Berufung gegen dieses Urteil begründet die Beklagte wie folgt:

Aus der Entscheidung werde schon nicht deutlich, welche Bestimmungen das Gericht als verletzt ansehe. Außerdem stellten die Worte "Dental Gel" nur eine Sachbeschreibung und nicht einen Teil der Bezeichnung dar. Im übrigen seien aber auch die Grundsätze der Entscheidung "Tiapridal" des BGH erfüllt. Denn entgegen der Annahme des Landgerichts habe das Produkt auch eine Heilwirkung auf Zähne, weil es durch seine antibakterielle Wirkung Plaque-Bildung bekämpfe. Aus diesem Grunde werde durch die Verwendung des streitgegenständlichen Zusatzes der Verkehr nicht in die Irre geführt. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Konzernunternehmen der Klägerin in Großbritannien selbst den Zusatz "Dental" verwende, und sich aus bestimmten Formulierungen der Gebrauchshinweise, mit denen die Klägerin ihr Produkt versehe, die antibakterielle Wirkung auch für Zähne ergebe. Diesbezügliche Irreführungen seien jedenfalls deswegen ausgeschlossen, weil eine Blickfangwerbung nicht vorliege und es sich um ein apothekenpflichtiges Medikament handle.

Für Annexansprüche sei kein Raum. Denn der Klägerin sei auch bei unterstellter Berechtigung der Vorwürfe ein Schaden nicht entstanden, weil sie selbst dann ebenfalls die Angabe "Dental Gel" nicht hätte anbringen dürfen. Im übrigen erhebt die Beklagte hinsichtlich der Annexansprüche die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte hat die Aufmachung des Produktes erheblich geändert. Die neue Produktgestaltung ist aus der Anlage B 3 zur Berufungserwiderung (Bl.173) und aus S.8 dieses Urteils ersichtlich. Diese Fassung ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils nochmals geändert worden: durch Überkleben sind jetzt die streitgegenständlichen Worte "Dental Gel" ganz eliminiert (Anlage B 4 = Bl.174).

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils der ersten Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 12.1.2001 - 81 O 171/00 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte unter I 1.) des Tenors unter Ordnungsmittelandrohung verurteilt wird, ein den (alleinigen) Wirkstoff Chlorhexidindigluconat enthaltendes Arzneimittel wie nachstehend in schwarz/weiß Kopieen wiedergegeben mit der Angabe "Dental Gel" in den Verkehr zu bringen:

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Die aus der vorstehenden Seite 8 dieses Urteils ersichtliche Version sei als "Dental Gel C." zu lesen. Ob sie als solche dem Kern des Unterlassungstenors unterfalle, sei zweifelhaft, es liege aber umso eher ein Verstoß gegen § 8 Abs.1 Nr.2 a AMG und § 3 Satz 2 Nr.1 HWG vor.

In der Sache bestünden erhebliche Unterschiede zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung "Tiapridal" zugrundegelegen habe, weswegen die Kammer zutreffend entschieden habe.

Der Verkehr messe dem Zusatz auch eine Bedeutung zu und werde die Worte "Dental Gel" aufgreifen, um das "richtige" Produkt zu erhalten.

Im übrigen führe die Bezeichnung auch in die Irre. Die Behandlung von Zahnerkrankungen gehöre nicht zu den Indikationen ihres fiktiv zugelassenen Mittels. Gegenteiliges lasse sich auch aus den Produktinformationen nicht entnehmen, die sie, die Klägerin, ihrem Produkt beifüge. Aus diesem Grunde dürfe dem wirkstoffgleichen Medikament der Beklagten keine therapeutische Wirkung für Zähne zugesprochen werden, was durch die Verwendung des Wortes "dental" indes geschehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Akten des vorangegangenen Verfahrens 81 O 43/00 LG Köln sowie die gewechselten Schriftsätze, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage ist auf das Rechtsmittel der Beklagten abzuweisen, weil die Gefahr einer Irreführung, auf die die Klägerin sich noch stützt, nicht gegeben ist.

Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob dem von der Beklagten vertriebenen Produkt die Zulassung fehlt. Denn der in der mündlichen Verhandlung gestellte Unterlassungsantrag der Klägerin bezieht sich - anders als in erster Instanz - hierauf nicht. Der Antrag, der Beklagten zu untersagen, das Arzneimittel mit der Angabe "Dental Gel" in den Verkehr zu bringen, greift diese Angabe an und hat nicht (mehr) zum Gegenstand, dass das Arzneimittel eine von dem Klägerprodukt abweichende Bezeichnung aufweise und deswegen der eigenen Zulassung bedürfe. Das dürfte im übrigen angesichts der in der erwähnten Entscheidung "Tiapridal" des BGH judizierten Grundsätze auch nicht der Fall sein.

Der Angriff gegen die Angabe "Dental Gel" geht fehl. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt gem. § 8 Abs.1 Ziff.2 a AMG oder auch § 3 S.2 Ziff.1 HWG irreführend. Die Angabe legt dem Produkt keine therapeutische Wirkung bei, die es tatsächlich nicht hat.

Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Verkehr in nicht unerheblichem Umfange die Angabe "Dental Gel" dahin versteht, dass das Produkt Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Zähne habe. Es kann daher offen bleiben, ob das Arzneimittel - wie die Beklagte unter Hinweis auf die Werbeaussagen der britischen Schwestergesellschaft der Klägerin behauptet - tatsächlich auch derartige Auswirkungen hat. Der Verkehr versteht die Angabe wegen des Begriffes "Gel" - zutreffend - dahin, dass es sich um ein aufzutragendes halbfestes Produkt handelt. Der vorangestellte Begriff "Dental" vermittelt dem Verbraucher zusätzlich die Erkenntnis, dass dieses Gel im Zusammenhang mit Zähnen steht. Er wird daher annehmen, dass es - vergleichbar einer Zahnpasta - auf die Zähne aufgetragen, oder doch im Bereich der Zähne angewendet wird. Eine weitergehende Bedeutung dahin, dass das Produkt auch bestimmte arzneiliche Auswirkungen gerade auf die Zähne habe, wie es für einen Verstoß gegen die genannten Bestimmungen erforderlich wäre, kommt der Angabe nicht zu. Der Begriff "Dental" wird von denjenigen Verbrauchern, die seinen lateinischen Bestandteil überhaupt erkennen, als "auf die Zähne bezogen" verstanden. Das allein nimmt indes eine therapeutische Wirkung auf die Zähne nicht in Anspruch. Der diffus und ohne konkrete ergänzende Aussage verwendete Begriff "Dental" vermittelt nicht eine heilende Auswirkung auf bestimmte Erkrankungen der Zähne. Der Verbraucher wird daher solche auch nicht erwarten. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Begriff nicht vermittelt, auf welche Zahnerkrankung das Gel sich angeblich günstig auswirken soll. Die Öffentlichkeit ist nämlich auch im Bereich der Heilmittelwerbung gerade an Hinweise auf konkrete medizinische Wirkungen gewöhnt. Der Verkehr wird daher der Angabe weder eine bestimmte therapeutische, noch auch nur eine vorbeugende Wirkung auf die Zähne entnehmen.

Der Verbraucher erwirbt mit dem Produkt ein im Bereich der Zähne anzuwendendes Arzneimittel, das die oben aufgeführten Indikationen aufweist, also insbesondere bei Zahnfleischentzündungen und nach kieferorthopädischen Behandlungen eingesetzt werden soll. Er wird daher dem undifferenzierten Begriff "Dental" keine weitergehende Bedeutung zumessen als diejenige, dass das Produkt auf die Zähne aufgetragen wird. Eine unzutreffende Vorstellung über therapeutische Wirksamkeiten oder Wirkungen gerade auf Zähne liegt darin nicht.

Diese Feststellungen vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu treffen, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verbrauchern gehören.

Kommt es daher zu Fehlvorstellungen über den Umfang der Indikationen für das von der Beklagten vertriebene C. nicht, so kann die Frage offen bleiben, inwieweit im Rahmen der §§ 8 und 105 AMG und § 3 a HWG hierauf ein Verbot gestützt werden könnte.

Schließlich kann die Irreführung auch nicht damit begründet werden, dass der Verkehr wegen der gegenüber dem Produkt der Klägerin weitergehenden Angabe "Dental Gel" ein inhaltlich anderes und möglicherweise qualitativ besseres Produkt erwarte. Dabei kann dahinstehen, ob der Verbraucher wirklich eine dahingehende Vorstellung entwickelt. Nach der Entscheidung "Tiapridal" (BGH GRUR 98,407 ff) macht eine abweichende Bezeichnung eines importierten Arzneimittels eine Vollzulassung nicht erforderlich, sofern Stoffidentität besteht. Ist es danach aber zulässig, das eingeführte Produkt mit einer abgewandelten Bezeichnung zu versehen, so kann auch die bloße Verwendung von zusätzlichen Angaben, die - wie die streitgegenständliche - für sich genommen inhaltlich nicht zu beanstanden sind, den Vorwurf der Irreführung nicht rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 550.000 DM.

Ende der Entscheidung

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