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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 6 U 233/08
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 109a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.11.2008 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 360/08 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen,

das Arzneimittel "X-H(r) Geistlich N" mit dem Hinweis

"Geistige Fitness"

und/oder

"Einer der aktuellen Megatrends heißt 'Gehirn-Fitness'. Denn wer möchte nicht geistig fit sein und auch bleiben - am besten bis ins hohe Alter"

wie nachfolgend eingeblendet,

zu bewerben und/oder bewerben zu lassen:

[ Abbildung Prospekt]

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sie kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die mit dem Generikum "I S" ein zur symptomatischen Behandlung hirnorganisch bedingter Leistungsstörungen zugelassenes Arzneimittel vertreibt, nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung für ihr Präparat "X-H(r) Geistlich N" in Anspruch, das über eine sogenannte Nachzulassung als traditionelles Arzneimittel (§ 109a Abs. 3 AMG) "zur Besserung des Allgemeinbefindens" verfügt. Sie ist der Ansicht, die in der Urteilsformel eingeblendete, im April 2008 verbreitete Zeitschriftenwerbung mit den darin enthaltenen, im Klageantrag verbal wiedergegebenen Angaben sei nicht von der Zulassung des Arzneimittels der Beklagten gedeckt und irreführend. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter, während die Beklagte die klageabweisende Entscheidung verteidigt.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung der (kumulativ und alternativ) angegriffenen (verbalen) Werbeaussagen in der eingeblendeten konkreten Verletzungsform verlangen, denn die Werbung bezieht sich auf Anwendungsgebiete (Indikationen) ihres Arzneimittels, die nicht von seiner Zulassung erfasst sind (§ 109a Abs. 3 AMG, § 3a HWG) und stellt sich deshalb als wettbewerbsrechtlich unlautere Zuwiderhandlung gegen Marktverhaltensregeln dar (§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG).

1. Nach deutschem Heilmittelwerberecht darf für die Anwendungsgebiete zulassungspflichtiger Arzneimittel nur im Rahmen der Zulassung geworben werden (§ 3a HWG). Das entspricht Artikel 87 der Richtlinie 2001/83/EG, wonach eine mit der Zulassung des Arzneimittels nicht übereinstimmende Information über dessen Anwendungsgebiete den Verbraucher nicht erreichen soll (vgl. BGH, GRUR 2008, 1014 = WRP 2008, 1335 [Rn. 27 f.] - Amlodipin m.w.N.). Das als abstrakter Gefährdungstatbestand ausgestaltete Werbeverbot, das gesundheitsrelevanten Irreführungsgefahren in Bezug auf den Umfang der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit vorbeugen soll (vgl. Doepner, HWG, 2. Auflage, § 3a Rn. 11; Fezer / Reinhart, UWG, § 4-S4 Rn. 399 f.; OLG Stuttgart, MD 2006, 631 [632]; OLG Hamburg, MD 2007, 1173 [1175]), knüpft an den Wortlaut der Zulassung an, der grundsätzlich abschließend und eng zu verstehen ist (Senat, MD 1998, 1282 [1288]), wobei der Begriff des Anwendungsgebiets hier (wie in § 4 Abs. 1 Nr. 4 HWG) mit dem medizinischen Begriff der Indikation gleichzusetzen ist, der sich auf die Zweckbestimmung des Arzneimittels, insbesondere die von ihm zu beeinflussenden körperlichen und seelischen Zustände (Krankheitsbilder, Beschwerden und Leiden) bezieht (Doepner, a.a.O., § 4 Rn. 36).

Das Verbot ist nicht nur verletzt, wenn in der Werbung eine nicht von der Zulassung erfasste Indikation explizit genannt oder ein über das zugelassene Anwendungsgebiet hinausgehender Oberbegriff verwendet wird (BGH, a.a.O. [Rn. 28] - Amlodipin). Wie der Senat bereits entschieden hat (MD 1998, 1282 [1288]), ist es auch unzulässig, bei einem allgemein gehaltenen Anwendungsgebiet mit spezifischen Indikationen zu werben, die sich nicht ohne weiteres aus der Basisindikation ergeben (ebenso Doepner, a.a.O., § 3a Rn. 11; OLG Stuttgart, MD 2009, 88 [93] = Bl. 135 d.A.; in dem vom Senat entschiedenen Fall waren über das in der Zulassung angegebenen Anwendungsgebiet "Vitamin-E-Mangelzustände" hinaus die Indikationen Arthrose / Gelenkverschleiß, Gelenkschmerzen und Kreislauferkrankungen werblich in Anspruch genommen worden).

Dagegen wird es als erlaubt angesehen, in der Werbung auf (zusätzliche) Wirkungen des Arzneimittels hinzuweisen, die mit der zugelassenen Indikation in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, wenn dieser Zusammenhang und das Fehlen einer eigenständigen Indikation werblich verdeutlicht werden, so dass der Verkehr die beanstandete Angabe nur als (allein an § 3 S. 2 Nr. 1 HWG zu messende) Wirkungsaussage und nicht als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet versteht, für welches das Arzneimittel nicht zugelassen ist (Doepner, a.a.O., § 3a Rn. 11; OLG Hamburg, MD 2005, 810 [814]; OLG Stuttgart, MD 2006, 631 [632 f.]; MD 2009, 88 [92] = Bl. 135 d.A.). Einer grundsätzlichen Stellungnahme des Senats bedarf es insoweit nicht.

2. Im Streitfall sind nämlich nach den konkreten Umständen auch bei Zugrundelegung der vorerwähnten Auffassung die Voraussetzungen einer unzulässigen Indikationswerbung zu bejahen.

a) Das anerkannte Anwendungsgebiet der Stoffkombination, auf der die Nachzulassung des Arzneimittels der Beklagten (§§ 105 Abs. 3, 31 Abs. 2 und 3, 109a Abs. 1 und 3 AMG) beruht, lautet (wie im unteren, kleingedruckten Teil der Werbeanzeigen richtig angegeben): "Traditionell angewendet zur Besserung des Allgemeinbefindens". Der vorgeschriebenen Form (§ 109 Abs. 3 AMG) folgende Indikationen sind in diesem Bereich (wie die Indikationsliste nach § 109a AMG des BfArM belegt, als pdf-Datei abrufbar unter www.bfarm.de, dort unter Arzneimittel.

Ende der Entscheidung

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