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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.07.2003
Aktenzeichen: 6 U 32/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 322 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.02.2003 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 362/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Herstellerin von Sportartikeln, nimmt die Beklagte mit der am 25.09.2002 eingereichten Klage wegen einer Prospektwerbung für die von ihr betriebenen "T. Verbrauchermärkte" vom 08.04.2002 auf Unterlassung in Anspruch. In der beanstandeten Werbung für Bekleidungsartikel der Klägerin stellte die Beklagte als "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers" bezeichnete durchgestrichene Preise den eigenen niedrigeren Preisen gegenüber. Die durchgestrichenen Preise hätten, so behauptet die Klägerin, über den aktuell von ihr empfohlenen Preisen gelegen.

Vorausgegangen ist der Rechtsstreit der Parteien 84 O 161/01 - Landgericht Köln. In diesem Verfahren war die Beklagte wegen einer Prospektwerbung für die "T. Verbrauchermärkte" vom 30.04.2001, in welcher durchgestrichenen höheren Preisen ohne weitere Angaben die eigenen Preise für Sportbekleidungsstücke der Klägerin gegenübergestellt worden waren, durch Urteil vom 28.02.2002 verurteilt worden es zu unterlassen, "für Sportbekleidungsstücke der Marke "a." mit Preisen zu werben, denen ohne weitere Angabe ein durchgestrichener höherer Preis gegenübergestellt ist, wenn es sich bei dem durchgestrichenen Preis nicht um einen von der Beklagten bereits über längere Zeit ernsthaft für die in Rede stehenden Produkte geforderten Preis handelt und/oder wenn es sich bei dem durchgestrichenen Preis nicht um eine aktuell gültige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handelt". Mit am 28.09.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz leitete die Klägerin wegen der schon erwähnten Werbung der Beklagten vom 08.04.2002 die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 28.02.2002 - 84 O 161/01 - ein mit der Begründung, diese Prospektwerbung stelle einen Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot dar, tatsächlich handele es sich bei den durchgestrichenen Preisen nicht um zum Zeitpunkt der Werbung aktuelle Hersteller-Preisempfehlungen. In dem bislang nicht entschiedenen Ordnungsmittelverfahren - 84 O 161/02 SH I - verteidigt die Beklagte sich nur gegen die Behauptung der Klägerin, sie habe mit nicht aktuellen Preisempfehlungen des Herstellers geworben.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, dass einer erneuten Verurteilung der Beklagten der Einwand der res iudicata entgegen stehe, weil die beanstandete Werbung vom 08.04.2002 im Kernbereich des rechtskräftigen Unterlassungsgebots vom 28.02.2002 - 84 O 161/02 Landgericht Köln - liege.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, wobei sie die Ansicht vertritt, der Streitgegenstand des vorangegangenen Verfahrens sei nicht deckungsgleich mit demjenigen des vorliegenden Verfahrens. Die Werbung vom 08.04.2002 sei nicht, wie im Erstverfahren, wegen einer Mehrdeutigkeit irreführend, sondern deshalb, weil die nunmehr als solche ausdrücklich bezeichneten Hersteller-Preisempfehlungen falsch seien, nämlich nicht ihren zum Zeitpunkt der Werbung aktuell gültigen unverbindlichen Preisempfehlungen entsprechen würden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.02.2003 aufzuheben und der Beklagten bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren - die Ordnungshaft zu vollziehen an den gesetzlich für sie handelnden Personen - zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Sportbekleidungsstücke der Marke "a." mit Preisen zu werben, denen ein durchgestrichener höherer Preis als "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers" gegenübergestellt ist, wenn es sich bei dem durchgestrichenen Preis nicht um eine aktuell gültige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handelt, insbesondere gemäß nachstehend eingeblendeter Werbung [es folgt eine Abbildung der Werbung vom 08.04.2002].

Die Beklagte, welche das Urteil verteidigt, beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Akten des Vorverfahrens - 84 O 161/01 Landgericht Köln - einschließlich des Sonderheftes SH I waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil durch Urteil des Landgerichts Köln vom 28.02.2002 - 84 O 161/01 - über den nämlichen Streitgegenstand bereits rechtskräftig entschieden worden ist.

1.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und allgemeiner Meinung steht die materielle Rechtskraft eines gerichtlichen Titels nach § 322 Abs. 1 ZPO einer erneuten Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen (vgl. Zöller-Vollkommer , ZPO, 23. Aufl., Vor § 322 Rn. 19). Der Streitgegenstand wird von dem Grund des zur Entscheidung gestellten Anspruchs in Verbindung mit dem hierzu vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt, welcher nach dem Tenor der Entscheidung, ggf. unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen, zu beurteilen ist. Nach ganz herrschender Meinung ist im Bereich des Wettbewerbsrechts der Verbotsumfang eines Unterlassungstitels zudem nicht auf Verletzungsfälle beschränkt, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern erstreckt sich auch auf solche Handlungen, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen und damit (implizit) Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren waren (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 57 Rn. 12 m.w.N.). Kann also ein zweiter Titel nur wegen wettbewerbsrechtlicher Verletzungshandlungen erreicht werden, die nicht oder nicht mehr im Kernbereich einer ersten gerichtlichen Entscheidung liegen, ist der Gläubiger des titulierten Anspruchs erst recht mit einem parallelen Vorgehen aufgrund derselben Verletzungshandlung im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem vorhandenen Titel ausgeschlossen, weil aus diesem nur seinem Kernbereich unterfallende Verstöße geahndet werden können (vgl. Senat MD 2003, 292, 295 - "Doppelverfolgung"; Teplitzky a.a.O. Rn. 16 a und Fn. 43, jeweils mit Nachweisen auch zu abweichenden Auffassungen ).

2.

Nach diesen Grundsätzen ist entgegen der Auffassung der Klägerin von einer Identität der Streitgegenstände des vorliegenden Verfahrens und des durch Urteil vom 28.02.2002 entschiedenen Erstverfahrens auszugehen mit der Folge der Unzulässigkeit der Klage im Streitfall.

Die beanstandete Werbung vom 08.04.2002 würde nicht dem Kernbereich des rechtskräftigen Unterlassungsgebots unterfallen, wenn es der Beklagten schlicht untersagt worden wäre, für Sportbekleidungstücke der Klägerin mit Preisen zu werben, "denen ohne weitere Angabe ein durchgestrichener höherer Preis gegenübergestellt ist". Dann wäre die jetzt beanstandete Werbung von dem Verbotsumfang des Titels nicht erfasst, weil sie gerade weitere, erläuternde Angaben, nämlich den Zusatz "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers", enthielt. Ein derartig unbeschränktes Verbot ist in dem Urteil des Erstverfahrens aber gerade nicht ausgesprochen worden. Vielmehr steht nach der Urteilsformel das vorstehend wiedergegebene Unterlassungsgebot unter der Bedingung zweier Alternativen. Es gilt nur, wenn es sich bei dem durchgestrichenen Preis - nach der im Streitfall nicht einschlägigen ersten Alternative - "nicht um einen von der Beklagten bereits über längere Zeit ernsthaft für die in Rede stehenden Produkte geforderten Preis handelt" und/oder - so die zweite Alternative - "wenn es sich bei dem durchgestrichenen Preis nicht um eine aktuell gültige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handelt". Auch die Klägerin räumt ein, dass die Formulierung "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers" in der Werbung vom 08.04.2002 vom Bedeutungsinhalt her identisch ist mit der im Tenor des Urteils vom 28.02.2002 verwendeten Formulierung "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers". Ist damit aber rechtskräftig entschieden, dass der Beklagten untersagt ist, für Bekleidungsartikel der Klägerin mit Preisen zu werben, denen ohne weitere Angaben ein durchgestrichener höherer Preis gegenübergestellt ist, wenn es sich bei diesem nicht um eine aktuell gültige Preisempfehlung des Herstellers handelt, so unterfällt die Verletzungshandlung vom 08.04.2002 unmittelbar dem Kernbereich des titulierten Verbots in der Fassung der an zweiter Stelle genannten Fallgruppe: Er betrifft die irreführende Werbung mit unrichtig angegebenen Preisempfehlungen, und daneben bleibt es ohne wettbewerbsrechtliche Relevanz, ob die falschen Zahlen ausdrücklich als Preisempfehlungen des Herstellers genannt worden sind oder nicht.

Die Klägerin hat denn auch selbst schon in der Klageschrift des Vorverfahrens, dort auf Seite 8 (BA Bl. 9 ), das gerade im Streitfall relevante Irreführungspotential beim Namen genannt und ausgeführt, dass der Verbraucher den irrigen Eindruck erhalte, es handele sich bei den (falschen) durchgestrichenen Preisen um die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Die vorliegende Klage ist demnach wegen des Einwands der rechtskräftigen Vorentscheidung unzulässig. Die Klägerin ist darauf zu verweisen, ihre Rechte in dem parallel angestrengten Ordnungsmittelverfahren zu verfolgen; sie kann nicht beide Verfahrensweisen kumulativ geltend machen.

3.

Die Beklagte verteidigt sich in dem Ordnungsmittelverfahren - 84 O 1616/01 SH I, Landgericht Köln - gerade nicht damit, es liege kein kerngleicher Verstoß gegen das rechtskräftige Unterlassungsgebot vom 28.02.2002 vor. Vielmehr räumt sie einen derartigen Verstoß ein, falls die angegebenen Preise der Behauptung der Klägerin zufolge nicht ihren aktuellen Empfehlungen entsprochen haben sollten. Der Senat sieht im Streitfall daher keinen Anlass, der Frage nachzugehen, ob trotz rechtskräftiger Vorentscheidung eine neue Klage ausnahmsweise dann für zulässig zu erachten ist, wenn der Kläger seine Rechte als Gläubiger des Vollstreckungsverfahrens - objektiv zu Unrecht - nicht hat durchsetzen können.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert im Berufungsverfahren: 130.000 EUR

Ende der Entscheidung

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