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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 26.06.2009
Aktenzeichen: 6 U 4/09
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1 a.F.
UWG § 4 Nr. 2
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 5
UWG § 6
UWG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1.) Die Berufung des Klägers gegen das am 12.3.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 1 O 87/08 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I

Der Kläger, der W Nordrhein-Westfalen e.V., beanstandet eine im Jahre 2007 im Internet geschaltete Werbung der Beklagten, der Q AG, für Privatkredite als irreführend. Die Werbung stellte sich wie folgt dar:

Rief der Nutzer die Internetadresse www.Q.de auf, gelangte er zu deren Startseite, wie sie als S. 5 in das Urteil des Landgerichts eingeblendet ist. Dort fand er im mittleren Bereich an zweiter Stelle einen Kasten mit der Überschrift "Kredit". Dessen letzte Zeile lautete in Fettdruck: Ab 4,44 % eff.p.a.*. Eine Auflösung des Sternchens fand sich auf der Startseite nicht. Führte der Interessent den Mauszeiger auf die Überschrift "Kredit", dann leuchtete allerdings je nach verwendetem Browser - wie aus der Anlage B 4 ersichtlich - die Zeile "effektiver Jahreszins ab 10.000 EUR bei 12 Monaten Laufzeit, bonitätsabhängig" auf. Nutzer, die andere Browser benutzten, lasen dort stattdessen: "Link zu ,Privatkredite direkt'". Klickte man die Überschrift "Kredit" an, dann öffnete sich eine neue Seite, wie sie in dem Urteil als S. 6 wiedergegeben ist. Dort fand sich im unteren Bereich folgender Text:

"Bei einer Laufzeit von 12 Monaten und einer Kreditsumme von mindestens 10.000 € beträgt der nominale Zinssatz nur 0,64 % p.a. (eff. 4,44 % p.a.) bonitätsabhängig. ..."

Der Kläger hat diese Werbung mit zwei Anträgen in erster Linie als irreführend, aber zur Begründung des Antrags zu 2) auch als Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG und gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. der Verbraucherkreditrichtlinie angegriffen. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die Kammer zu Recht die Klage abgewiesen hat.

A

Antrag zu 1 a)

Streitgegenstand dieses Antrages ist ungeachtet einzelner Formulierungen in der Klagebegründung ausschließlich der Vorwurf, die Werbung sei deswegen irreführend, weil die Sternchenauflösung sich nicht auch auf der Startseite befinde. Diese Auslegung, der die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch nicht widersprochen hat, ergibt sich eindeutig aus der Antragsformulierung: "... für einen Q Privatkredit ... zu werben, wenn dies ohne Erläuterung des Sternchenhinweises auf dieser Seite ... geschieht" (Unterstreichung nur hier).

Diesen Antrag hat das Landgericht zu Recht abgewiesen. Die Kritik des Klägers, die Sternchenauflösung erst auf der nächsten Seite und dort an schwer zu findender Stelle sei im Sinne des § 5 UWG irreführend, geht ins Leere, weil ein Fall, in dem die Beklagte gehalten wäre, den Verbraucher in einem leicht zuzuordnenden Hinweis über (weitere) Einzelheiten des Angebotes aufzuklären und deswegen bei Anbringung eines Sternchens dessen Auflösung leicht auffindbar anzuordnen, nicht vorliegt.

Die angegriffene Werbeaussage ist allerdings mit dem Kläger als Blickfangwerbung anzusehen. Durch den Fettdruck ist die Aussage "Ab 4,44 % eff.p.a.*" gegenüber dem übrigen Text herausgestellt, was die Aufmerksamkeit des Internetnutzers erreichen soll und auch erreicht. Für die Blickfangwerbung entspricht es neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG, 27. Aufl., § 5 Rz 2.98), dass diese nicht mehr - wie früher - schon bei isolierter Betrachtung wahr sein muss, vielmehr kann es, wie der BGH insbesondere in den Fällen der Handy- und Computerwerbung entschieden hat (GRUR 99, 264, - "Handy für 0,00 DM"; GRUR 2003, 163 - "Computerwerbung II"), genügen, den Verbraucher durch einen klaren und unmissverständlichen (auch Sternchen-) Hinweis auf einschränkende Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des durch den Blickfang beworbenen Angebotes hinzuweisen. Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich hier aber nicht. Die Notwendigkeit, aufklärende Hinweise in geeigneter Form zu erteilen, folgt in den in Rede stehenden Fällen daraus, dass der Blickfang für sich genommen nicht (mehr) "wahr" sein muss, sondern Anlass für Irrtümer geben kann. Diese zu verhindern oder auszuräumen, ist die Funktion der Hinweise, die dann, wenn sie durch Sternchenverweis erfolgen, auch leicht auffindbar sein müssen. Es geht um Fallkonstellationen, in denen der Blickfang nur die "halbe Wahrheit" (Bornkamm a.a.O.) enthält und deswegen ein Aufklärungsbedarf besteht. Der Hinweis hat danach die Funktion, eine Irreführung zu verhindern, die ohne ihn eintreten würde. Daran fehlt es im vorliegenden Falle. Die Aussage "Ab 4,44 % eff.p.a.*" enthält kein Irreführungspotenzial: Sie ist vielmehr eindeutig und besagt, dass der Kredit je nach den Umständen zu unterschiedlichen Zinssätzen und im günstigsten Falle zu 4,44 % effektivem Jahreszins ausgegeben wird. Dem Kläger ist einzuräumen, dass der Verbraucher durch diese Formulierung noch nicht erfährt, welches die Bedingungen zum Erhalt des Kredites für 4,44, % Zinsen sind. Das stellt aber keine Irreführung dar, sondern weist die Aussage nur als eine solche aus, die das Angebot nicht vollständig beschreibt. Entgegen der Meinung des Klägers enthält das Angebot nicht allein deshalb nur die "halbe Wahrheit" im vorstehenden Sinne, weil der Nutzer auch noch ein Interesse hat, die Bedingungen für die Vergabe des Kredits zu erfahren. Dem entspricht es, dass in der Rechtsprechung - worauf die Parteien übereinstimmend hinweisen - die Werbung mit "ab-Preisen" nur in Fällen als irreführend beanstandet worden ist, in denen - was hier nicht in Rede steht - Ware zu den beworbenen günstigsten Preisen nicht in ausreichendem Umfang vorrätig war.

Es stand der Beklagten danach unter Irreführungsgesichtspunkten frei, die Auflösung des Sternchens an einer nicht leicht zu findenden Stelle zu positionieren, wie sie auch von der Anbringung eines Sternchens ganz absehen konnte. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, dass bei Zugrundelegung der als Anlagen B 4 und B 5 von der Beklagten vorgelegten farbigen Ausdrucke der Hinweis leicht auffindbar war. Wenn der durchschnittlich interessierte Internetnutzer wegen des benutzten Browsers nicht schon durch die beschriebene Schrift beim Überfahren des Wortes "Kredit" mit dem Mauszeiger den Hinweis erhielt, wurde er doch - zumindest durch den Text "Link zu ,Privatkredite direkt'" - angehalten, auf den Button "Kredit" zu klicken, und gelangte so auf die nächste Seite, wo er die Einzelheiten fand.

B

Antrag zu 1 b)

I.) Der Kläger beanstandet auch bezüglich der zweiten, auf Seite 6 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Internetseite eine Irreführung, weil die Sternchenauflösung nicht hinreichend nahe - und zwar an dem Text "Schon ab 4,44 % eff.p.a.*" - positioniert sei. Er kann damit aus den zu A dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.

II.) Der Kläger meint weiter, die Beklagte habe die Werbung zu unterlassen, weil die Richtlinie 2008/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (im Folgenden: "Verbraucherkreditrichtlinie") die Angabe eines repräsentativen Beispiels verlange und das mit dem Text "Schon ab 4,44 % eff.p.a.*" beworbene Angebot ein solches Beispiel nicht darstelle. Auch hierauf kann ein Verbot nicht gestützt werden.

Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Kläger sich in zweiter Instanz nach dem Wortlaut der Berufungsbegründung im Hinblick auf die Richtlinie nur noch auf den Aspekt der Irreführung stützt und eine solche ersichtlich ausscheidet: Der Verbraucher wird mangels jeglicher Anhaltspunkte nicht annehmen, der Kredit werde von einer repräsentativen Anzahl von Kreditinteressierten zu 4,44 % Zinsen in Anspruch genommen, sondern sich über diese Frage keine Gedanken machen. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass er - wie bereits in erster Instanz - weiter auch einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. der Verbraucherkreditrichtlinie rügen will. Auch auf dieser Grundlage hat die Berufung indes keinen Erfolg.

Der Kläger leitet einen Unterlassungsanspruch aus dem Rechtsgrund der Wiederholungsgefahr her und stützt sich hierzu auf eine Werbung der Beklagten, die im Jahre 2007 im Internet geschaltet war. Ein mit bestehender Wiederholungsgefahr begründeter Anspruch setzt voraus, dass die beanstandete Handlung nicht nur im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (noch) wettbewerbswidrig ist, sondern auch im Zeitpunkt des Verletzungsfalles bereits wettbewerbswidrig war (vgl. BGH GRUR 09, 173 - "bundesligakarten.de"; GRUR 08, 438 -. "Oddset" mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH in Tz 14). Der Vorwurf der Zuwiderhandlung gegen die Verbraucherkreditrichtlinie als einer im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG das Marktverhalten regelnden gesetzlichen Vorschrift setzt demnach voraus, dass die Beklagte bereits im Jahre 2007 verpflichtet war, den Anforderungen der Richtlinie zu genügen. Das ist indes nicht der Fall. Die Verbraucherkreditrichtlinie ist erst im Mai 2008 in Kraft getreten, und brauchte deswegen im Jahre 2007 noch nicht beachtet zu werden.

Die Klage könnte auch dann keinen Erfolg haben, wenn die Voraussetzungen für eine Erstbegehungsgefahr vorlägen. Denn die Beklagte ist bis heute zur Beachtung der Verbraucherkreditrichtlinie nicht verpflichtet, weil diese noch nicht umgesetzt und die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Richtlinie in der Sache auch nicht so weitgehende Anforderungen stellt, wie der Kläger ihr entnehmen will.

Die Mitgliedsstaaten haben gem. Art. 27 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie diese bis zum 12. 5. 2010 umzusetzen und - wie es dort ausdrücklich heißt - ihre Vorschriften ab diesem Tage anzuwenden. Vor Ablauf der Umsetzungsfrist sind die Gerichte grundsätzlich (noch) nicht zur Beachtung von Richtlinien verpflichtet (BGH NJW-RR 08, 1726 f, RZ 27 - "ICON"; NJW 98, 2208, 2211 - "Testpreis-Angebot"). So ist es auch hier. Dem Kläger ist einzuräumen, dass der BGH in der Entscheidung "Testpreis-Angebot" schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist die Richtlinie zur vergleichenden Werbung zum Anlass genommen hat, seine Rechtsprechung zu ändern. Die damals gegebene Ausnahmesituation liegt aber nicht vor: Die Generalklausel des § 1 UWG a.F. ermöglichte ein Anpassen der Rechtsprechung an zukünftige Rechtsentwicklungen auch im Vorgriff und die Entscheidung konnte vermeiden, dass ein Verhalten mit dem Verdikt der Sittenwidrigkeit belegt wurde, dass wenige Monate später als rechtskonform zu bewerten war. Es kommt hinzu, dass, worauf der BGH a.a.O., S. 2211 ausdrücklich abgestellt hat, der Wortlaut der Richtlinie, die schon den Katalog des heutigen § 6 UWG enthielt, dem Gesetzgeber keinen Spielraum zur Umsetzung gelassen hatte. So liegt der zu entscheidende Fall indes nicht: Der Senat hat nicht nach Richterrecht über eine etwaige Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu befinden, sondern zu beurteilen, ob die Werbung gegen ein schon bestehendes gesetzliches Verbot verstößt. Zudem steht dem Gesetzgeber insbesondere durch die Formulierung in Art. 4 Abs. 2 der Verbraucherkreditrichtlinie, wonach die in der Werbung anzugebenden Standardinformationen ein "repräsentatives Beispiel" des beworbenen Kredits enthalten müssen, ein erheblicher Umsetzungsspielraum zur Verfügung, in den einzugreifen dem Senat verwehrt ist.

III.) Der Antrag kann auch nicht auf § 4 Nr. 2 UWG gestützt werden. Dessen erste Alternative scheidet schon deswegen aus, weil Kinder und Jugendliche Kreditverpflichtungen ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter nicht eingehen können (§§ 107, 108 Abs. 1 BGB). Ein im übrigen allenfalls in Betracht kommendes Ausnutzen der Leichtgläubigkeit des Verbrauchers liegt zumindest deshalb nicht vor, weil der angesprochene Verbraucher einen Kredit nicht allein auf Grund der Aussage "Schon ab 4,44 % eff.p.a.*" in Anspruch nehmen kann. Der Senat sieht hierzu von weiteren Ausführungen ab, weil der Kläger auf § 4 Nr. 2 UWG als Unlauterkeitstatbestand in zweiter Instanz selbst nicht mehr zurückgekommen ist.

C

Antrag zu 2

Mit dem Antrag zu 2) macht der Kläger aus § 12 Abs. 2 UWG vorprozessuale Kosten geltend. Der Anspruch ist unbegründet, weil die Abmahnung unbegründet war.

D

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor, die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 21.000 €.

Ende der Entscheidung

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