Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.08.2001
Aktenzeichen: 6 U 59/01
Rechtsgebiete: BGB, UWG, LMKV, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
UWG § 1
LMKV § 1
LMKV § 1 Abs. 3
LMKV § 3 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 713
ZPO § 529 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
ZPO § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 59/01

Anlage zum Protokoll vom 24.08.2001

Verkündet am 24.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2001 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, von Hellfeld und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 17.11.2000 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 43 O 30/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Denn das angefochtene Urteil, durch das dem Beklagten unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, von der Klägerin nur mit einem Abfülldatum versehene, mit KEG-Verschluss ausgestatte Bierfässer in den Gebindegrößen 30 l und 50 l selbst durch Aufkleber mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu versehen und sodann Endverbrauchern anzubieten und zu verkaufen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden und hat deshalb bei Bestand zu bleiben.

Auf der Basis des insoweit streitigen Sachvortrags der Parteien hat der - worauf zurückzukommen sein wird - für die Durchführung des Berufungsverfahrens zuständige Senat allerdings Bedenken, dem Landgericht in seiner Annahme zu folgen, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folge aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil das Eigentum der Klägerin an den Bierfässern dadurch beeinträchtigt werde, dass der Beklagte sie mit einer von der Klägerin ausdrücklich nicht gewünschten Kennzeichnung in Form des Mindesthaltbarkeitsdatums versehe. Insoweit könnte es auf die zwischen den Parteien streitige Frage ankommen, wo genau der Beklagte den Aufkleber mit der Aufschrift

Bei kühler Lagerung mindestens haltbar bis

(Datum)

Sch. Getränke

D. Sch.

Tel.: ...

... S./Scha.

auf dem Fass aufbringt. Sollte er entgegen dem Sachvortrag der Klägerin nicht das Fass selbst, sondern die Verschlusskappe des Spundloches bekleben, dürfte eine Eigentumsbeeinträchtigung schon deshalb ausscheiden, weil die bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Fasses beim Anschlagen zu zerstörende Verschlusskappe anders als das Fass selbst in das Eigentum desjenigen übergeht, der das von der Klägerin hergestellte Bier erwirbt.

Letztlich bedarf die Frage nach der Eigentumsbeeinträchtigung und eines etwa deshalb aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB herzuleitenden Unterlassungsanspruchs der Klägerin jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt nämlich aus den Gründen, die der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren 13 O 113/99 LG Aachen = U (Kart) 15/00 OLG Düsseldorf genannt hat, bereits aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch. Der Senat teilt vollumfänglich die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass der Beklagte gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften verstößt, indem er die von der Klägerin in zulässiger Weise und bewusst nur mit einem Abfülldatum versehenen Bierfässer in den Gebindegrößen 30 und 50 l eigenmächtig mit einem ein Mindesthaltbarkeitsdatum angebenden Aufkleber versieht und die so gekennzeichneten Fässer an Endverbraucher veräußert. Auch nach Auffassung des Senats ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (im folgenden: "LMKV"), dass nach geltendem Lebensmittelrecht allein der Hersteller einer Fertigpackung und nicht auch der Händler verpflichtet und auch berechtigt ist, das Mindesthaltbarkeitsdatum anzugeben. Denn niemand anderes als der Hersteller einer Ware kennt alle für die Bestimmung des Zeitpunkts der Haltbarkeit relevanten Daten, etwa die exakte Zusammensetzung des Produkts, das angewendete Herstellungsverfahren und die genauen Produktionsbedingungen. Es ist deshalb niemals gewährleistet, dass ein Händler durch Eigenrecherche das Mindesthaltbarkeitsdatum zutreffend ermittelt. Darauf wird auch ausdrücklich in dem vom Beklagten als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 13.06.2001 zu den Akten gereichten "Rechtsgutachten zur Frage der Kennzeichnungsberechtigung hinsichtlich des Mindesthaltbarkeitsdatums bei Fassbier" hingewiesen, wenn es dort auf Seite 30 sinngemäß heißt, ein durch den Händler aufgebrachtes Mindesthaltbarkeitsdatum müsse zutreffend ermittelbar sein und auch tatsächlich ermittelt werden, ob dies durch Lagerversuche, Stichproben oder vom Abfülldatum ausgehende pauschalierte Berechnung zu erfolgen habe, könne im Rahmen des Gutachtens nicht geklärt werden, dies sei vielmehr eine lebensmittelchemische Fragestellung. Das wiederum spricht nachhaltig dafür, dass allein dem Hersteller eines Lebensmittels die - wie das Landgericht es formuliert hat - "Kennzeichnungshoheit" obliegt. Auch im übrigen schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem das Verfügungsverfahren abschließenden und den Parteien bekannten Urteil vom 02.08.2000 (Blatt 219 ff. der Beiakte 13 O 113/99 LG Aachen) an und nimmt diese den Parteien bekannte Ausführungen zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen in Bezug, und zwar auch insoweit, als das Oberlandesgericht Düsseldorf in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteil vom 19.03.1999, OLGR 1999, 319, 320/321 m.w.N.) in seinem Verfügungsurteil sinngemäß ausgeführt hat, das gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften verstoßende Verhalten des Beklagten sei jedenfalls deshalb wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG, weil der Beklagte sich bewusst und planmäßig über die Kennzeichnungsvorschriften hinwegsetze, um dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen.

Soweit der Beklagte in seiner Berufungsbegründung vorgebracht hat, er halte daran fest, die LMKV und die Ermächtigungsgrundlage in § 19 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz schreibe nur vor, dass Fertigpackungen von Lebensmitteln in der Regel mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum gekennzeichnet sein müssen und dass die Vorschriften auch den Kreis der kennzeichnungspflichtigen Personen umrissen, dass sich aber weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sachzusammenhang entnehmen lasse, dass der Händler nicht zu einer solchen Kennzeichnung befugt sei, hat sich dazu das Oberlandesgericht Düsseldorf bereits zutreffend in dem vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren geäußert. § 1 Abs. 3 LMKV in der Fassung 1972 steht dieser Annahme nicht entgegen. Denn diese Vorschrift betrifft einen anderen, mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Lebenssachverhalt. Dort geht es nämlich nur darum, dass der ein Lebensmittel aus dem Zoll-Ausland Einführende die Kennzeichnung anzubringen hat, wenn er das Lebensmittel unter seinem Namen oder seiner Firma in den Verkehr bringen will. Das bedeutet nur, dass ein Importeur lebensmittelrechtlich für die ordnungsgemäße Kennzeichnung verantwortlich ist, wenn er aus dem Ausland ein Lebensmittel einführt und es hier unter seinem eigenen Namen vertreiben will. Nur hierauf bezieht sich auch die Kommentierung bei Zipfel/Rathke, LMKV, Rndrn. 31, 32, 34 und 34 a zu § 1 LMKV, soweit dort von einer Kennzeichnung durch den Händler die Rede ist.

Der Senat ist auch nicht gehalten, gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob einzelne Bestimmungen der LMKV, namentlich § 3 Abs. 1 Nr. 4 LMKV, mit der Richtlinie 2000/13/EG übereinstimmen. Die genannte Richtlinie dient der Information des Verbrauchers und seinem Schutz vor Irreführung. Es steht außer Streit - anderes steht auch nicht in dem von dem Beklagten zu den Akten gereichten "Rechtsgutachten" zu lesen -, dass die LMKV in der Neufassung der Bekanntmachung vom 15.12.1999 ebenfalls dem Verbraucherschutz dient und in Einklang mit der vorgenannten Richtlinie steht. Ein unmittelbarer Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin, deren in zulässiger Weise lediglich mit einem Abfülldatum und nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehene Bierfässer eigenmächtig mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zu versehen, ergibt sich aus der Richtlinie nicht. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass die Richtlinie dem Verbraucherschutz dient, und - wie ausgeführt - allein der Hersteller einer Ware aufgrund seiner Sachkompetenz zuverlässig angeben kann, wie lange ein Lebensmittel mindestens haltbar ist, ist kein Anhalt dafür ersichtlich, die Bestimmungen der LMKV könnten Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufen.

Mit seiner Rüge, im Berufungsverfahren habe er seinen Klageabweisungsantrag auch auf kartellrechtliche Einwände gestützt, deshalb sei nicht der Senat, sondern der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Entscheidung über die Berufung gegen das angefochtene Urteil zuständig, kann der Beklagte nicht gehört werden. Auf den zutreffenden Hinweis des Landgerichts (Blatt 55 d.A.), dass für eine Kartellstreitigkeit gegebenenfalls das nach § 1 der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte in der Fassung vom 02.11.1994 (GVBl NW 1994, 1067) zuständige Landgericht Köln und nicht etwa das Landgericht Aachen zur Entscheidung berufen sei, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.10.2000 (Blatt 99 d.A.) ausdrücklich erklärt, er verzichte auf den Einwand eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Bestimmungen durch die Klägerin, deshalb seien seiner Auffassung nach kartellrechtliche Erwägungen in dem vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht mehr entscheidungserheblich, von daher bestünden keine Bedenken gegen die Zuständigkeit des Landgerichts Aachen. Diese Erklärung ist eine bindende Prozesshandlung, weil dazu alle auf eine prozessrechtliche Wirkung abzielende, d.h. den Prozessverlauf gestaltende oder bestimmende Handlungen der Parteien oder des Gerichts zählen. Die prozessrechtliche Wirkung besteht hier darin, dass das Landgericht aufgrund der Erklärung des Beklagten zuständig blieb und die Sache nicht - was es sonst hätte tun müssen und mit Rücksicht auf den erteilten richterlichen Hinweis auch getan hätte - an das zuständige Kartellgericht, nämlich das Landgericht Köln abgegeben hätte. Warum sich der in der ersten Instanz ausgesprochene, als unwiderrufliche Prozesshandlung zu wertende Verzicht auf die Erhebung, im übrigen auch nach Auffassung des Senats nicht stichhaltiger kartellrechtlicher Einwände einen - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung gemeint hat - Verstoß gegen den ordre public erweisen soll, erhellt sich dem Senat nicht. Es liegt in der Dispositionsfreiheit einer Partei, sich gegen eine gegen sie erhobene Klage mit kartellrechtlichen Einwänden zu wehren oder nicht. Es kann daher offen bleiben, ob andernfalls die Vorschrift des § 529 Abs. 2 ZPO anwendbar wäre.

Hat das Landgericht die Klage demgemäß zu Recht abgewiesen, war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO und der aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO folgenden Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit zurückzuweisen.

Die gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzende Beschwer des Beklagten beträgt 20.000,-- DM. Der Senat sieht keinen Anlass, den Streitwert für das Berufungsverfahren und auch die Beschwer des Beklagten auf einen höheren Betrag festzusetzen. Auch die Revision ist entgegen der Anregung des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.07.2001 nicht zuzulassen. Die Sache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO. Denn grundsätzliche Bedeutung liegt nur vor, wenn zu erwarten ist, dass die Rechtsfrage auch künftig wiederholt auftreten wird, und über ihre Auslegung in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen geäußert worden sind (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, a.a.O., § 546 Rn. 31). Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es. Auch beruht das vorliegende Urteil nicht auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück