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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: 6 U 6/04
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 6/04

Anlage zum Protokoll vom 30.04.2004

Verkündet am 30.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2004 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Wagner und Pietsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Dezember 2003 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 314/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin stellt großflächig bedruckte Papierbahnen her. Diese finden Verwendung u.a. als Dekore bei der Herstellung von Laminatfußböden oder Möbeloberflächen. Zuweilen bilden die Dekore Holzmaserungen ab. In solchen Fällen erfolgt ihre Herstellung in der Weise, dass zunächst Holzmaterial einer umfangreichen und sorgfältigen Sichtung und Auswahl unterzogen wird. Das dient dem Ziel, ein großflächiges Holzstück der betreffenden Holzsorte mit möglichst ansprechender Maserung zu finden. Dieses wird dann zu einer großflächigen Oberflächenstruktur ausgearbeitet, digitalisiert und elektronisch nachgearbeitet, so dass störend wirkende Komponenten wie Astlöcher etc. beseitigt werden und eine möglichst makellose Anmutung erzielt wird. Alsdann wird diese Oberfläche zu einer Rohform verarbeitet. Von dieser können dann einzelne Druckrollen für die Produktion gezogen werden. Die Beklagte zu 1. stellt ebenfalls solche Dekore her. Ihr Geschäftsführer ist der Beklagte zu 2. Bei ihm handelt es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin. Streitgegenstand ist die Behauptung der Klägerin, die Beklagten übernähmen drei bestimmte, in der Klageschrift näher bezeichnete, mit hohem Kostenaufwand entwickelte Dekore durch einfaches Einscannen der Originale in identischer Weise.

Das Landgericht hat die auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsklage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten, auch der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien, verwiesen wird (Bl. 225 ff. d.A.), hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe schon die notwendige wettbewerbliche Eigenart ihrer Dekore nicht schlüssig dargetan. Auch ein zeitlich befristetes Verbot komme nicht in Betracht, weil sich ungeachtet der Frage nach der notwendigen wettbewerblichen Eigenart die von der Klägerin getätigten Aufwendungen nach ihrem eigenen Sachvortrag längst amortisiert hätten.

Gegen diese Beurteilung durch das Landgericht wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt ihre erstinstanzlichen, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Klageanträge.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die wie auch die von den Parteien vorgelegten Dekore sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin stehen die auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsansprüche und infolge dessen auch die geltend gemachten Annexansprüche in Form des Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsbegehrens aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu. Der Senat nimmt die überzeugende Urteilsbegründung der Kammer ausdrücklich als richtig in Bezug und fasst im Anschluss an die ausführlichen Erörterungen mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.04.2004 nachfolgend zusammen, aus welchen Gründen die Beklagten auf der Basis des eigenen Sachvortrags der Klägerin auch nach Auffassung des Senats nicht verpflichtet sind, den weiteren Vertrieb oder gar die Herstellung der im Klageantrag näher bezeichneten Dekore zu unterlassen.

1.

Ersichtlich unbegründet ist die Klage, soweit die Beklagten es nach dem Klagepetitum auch unterlassen sollen, die den Gegenstand der Klage bildenden Dekore herzustellen. Ungeachtet der Frage nach der Schlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin im übrigen trifft nämlich der Hinweis der Kammer in ihrem Beschluss vom 10.09.2002 (Bl. 78 d. A.) zu, dass der Unterlassungstatbestand des § 1 UWG bei Vorliegen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen keinen Anspruch auf Unterlassung der Herstellung eines Produkts gibt. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH WRP 1999, 831, 838 = BGHZ 141, 329 ff. = GRUR 1999, 923 ff. = MDR 2000, 44 f. "Tele-Info-CD"; BGH GRUR 1996, 210, 212 "Vakuumpumpen"; BGH GRUR 1988, 690, 693 "Kristallfiguren" BGH GRUR 1982, 305, 308 "Büromöbelprogramm" und BGHZ 50, 125, 129 "Pulverbehälter"), dass nicht die Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses als solche und damit die Herstellung, sondern erst das Inverkehrbringen eines etwa in unzulässiger Weise übernommenen Produkts Unterlassungsansprüche auszulösen vermag, soweit nicht - was hier ersichtlich nicht der Fall ist - gewerbliche Sonderschutzrechte wie z.B. Ansprüche aus dem Geschmacksmustergesetz (§ 14 a Abs. 1 S. 1 GeschmMG) oder z.B. Urheberrechte (§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG) in Rede stehen.

2.

Aber auch im übrigen rechtfertigt der Sachvortrag der Klägerin ihre Klageanträge nicht, und zwar schon deshalb nicht, weil die Klägerin die notwendige wettbewerbliche Eigenart ihrer angeblich in unzulässiger Weise übernommenen ("kopierten") Dekore nicht schlüssig vorgetragen hat. Bei seiner Prüfung ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Ge-staltungsform eines Produkts, das nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz steht, grundsätzlich von jedermann nachgeahmt und eine solche Nachahmung auch vertrieben werden darf, dass das aber dann nicht gilt, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und über die Tatsache der bloßen Nachahmung oder des bloßen Nachbaus (die Begriffe werden im folgenden synonym verwendet) hinaus besondere Umstände hinzutreten, die in Übernahme der fremden Leistung als unlauter erscheinen lassen. Unabdingbare Voraussetzung für den hier allein in Betracht kommenden ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ist indes, das dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart zukommt. Das hat der Bundesgerichtshof vielfach und ständig so geäußert, u.a. in seinen Entscheidungen "Vakuumpumpen" (BGH GRUR 1996, 210, 211), "Bremszangen" (GRUR 2002, 820, 821), "Les-Paul-Gitarren" (BGHZ 138, 143, 148), "Modulgerüst" (BGH GRUR 2002, 521, 523) und "Laufhefter" (BGH GRUR 2002, 86, 89 f.). Diese wettbewerbliche Eigenart wiederum setzt voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder auf Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen. Auch das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH WRP 2002, 1058, 1062 = GRUR 2002, 629 ff. "Blendsegel"; BGH WRP 2001, 1294, 1296 "Laubhefter"; BGH WRP 2001, 153 ff. "Messerkennzeichnung"; BGH GRUR 1998, 830, 388 "Les-Paul-Gitarren"; BGH WRP 1999, 816, 817 "Güllepumpen"; BGH WRP 1999, 1031, 1032 "Rollstuhlnachbau; BGH WRP 1999, 493, 495 "Modulgerüst"; BGH GRUR 1995, 581, 583 "Silberdistel" und BGH WRP 1976, 370, 372 "Ovalpuderdose").

In Anbetracht dieses anspruchsbegründenden Erfordernisses hat das Landgericht die Klage bereits deshalb zutreffend als unbegründet abgewiesen, weil die Klägerin eine schutzwürdige wettbewerbliche Eigenart ihrer Produkte, die nicht zu Saisonware o.ä. zählt, nicht dargetan hat. Es fehlt an jedwedem Sachvortrag der Klägerin dazu, mit welchen Merkmalen ihrer Dekore der angesprochene Verkehr Herkunftshinweise verbinden oder aufgrund welcher Merkmale er auf Besonderheiten des Erzeugnisses schließen könnte. Zur Marktsituation hat die Klägerin nichts vorgetragen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich, wie die Produkte anderer Konkurrenten im Markt aussehen und worauf der Verkehr bei der Entscheidung der Frage, für welches Unternehmen und/oder Produkt er sich entscheidet, achtet. Auch die Inaugenscheinnahme der von der Klägerin vorgelegten Produkte der Parteien hat nicht ergeben, dass der Verkehr mit bestimmten Gestaltungselementen der Dekore Herkunftsvorstellungen verbinden oder zumindest auf Besonderheiten des Erzeugnisses der Klägerin schließen könnte. Im Gegenteil: Der Betrachter der Dekore der Klägerin stellt fest, dass durch sie weitestgehend in der Natur vorkommende Holzmuster nachempfunden werden. Dem Betrachter erschließt sich nicht, dass solche Produkte bestimmter Qualität nur aus einem bestimmten Unternehmen stammen könnten. Deshalb scheitern die geltend gemachten Unterlassungs- wie auch die Folgeansprüche ungeachtet der Tatsache, dass die von der Klägerin behauptete identische Übernahme zwischen den Parteien streitig und entgegen der unrichtigen Sachdarstellung der Klägerin vom Landgericht auch nicht festgestellt worden ist, bereits daran, dass es an jedwedem verwertbaren Sachvortrag der Klägerin zu den Umständen fehlt, die den Rückschluss zulassen könnten, ihre Erzeugnisse seien von wettbewerblicher Eigenart. Infolge dessen kommt es auf die mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 30.04.2004 diskutierte Frage, ob ein etwaiger zweitinstanzlicher schlüssiger Sachvortrag der Klägerin hierzu wegen der Bestimmung des § 531 ZPO bei der Entscheidungsfindung nicht zu berücksichtigen wäre, nicht an.

3.

Im übrigen lässt der Senat ausdrücklich offen, ob und unter welchen Voraussetzungen ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen kann, wenn einem übernommenen Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart nicht zukommt oder dieses zumindest nicht schlüssig dargetan ist. Das ist zweifelhaft, weil der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit auch und gerade bei u.U. besonders zu schützender Saisonware (vgl. seine Entscheidungen "Hemdblusenkleid" vom 10.11.1983 (MDR 1984, 643 = WRP 1984, 259 ff. = GRUR 1984, 453 ff.( und "Modeneuheit" (BGHZ 60, 168, 170 f. = GRUR 1973, 473, 480() stets betont hat, dass auch zeitlich befristeter Schutz nur bezogen auf Produkte "mit schutzwürdiger wettbewerblicher Eigenart" in Betracht kommt, je nach den Umständen des Einzelfalles aber dennoch Fallkonstellationen denkbar erscheinen, in denen es trotzdem geboten sein könnte, den Hersteller einer solchen Ware, deren wettbewerbliche Eigenart weder dargetan ist noch auf der Hand liegt, davor zu schützen, dass er um die Früchte seiner Entwurfsarbeit gebracht wird. Dieser Frage braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn das Landgericht ist mit zutreffenden, von der Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr explizit angegriffenen und vom Senat hiermit in Bezug genommenen Erwägungen zu dem richtigen Ergebnis gelangt, dass sich die Investitionen der Klägerin durch den erfolgreichen Absatz der fraglichen Dekore seit 1991 bzw. 1994 auf der Basis des von ihr selbst vorgetragenen Zahlenwerks längst amortisiert haben und zumindest deshalb keine Rede davon sein kann, auch ohne die wettbewerbliche Eigenart ihrer Dekore müsse die Klägerin vor der Reproduktion und dem anschließenden Vertrieb ihrer Dekore - immer noch - geschützt werden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision hat nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Es handelt sich viel mehr um eine Entscheidung im Einzelfall, die der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere zur Frage der tatbestandlichen Voraussetzungen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes aus § 1 UWG Rechnung trägt.

Ende der Entscheidung

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