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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.08.2006
Aktenzeichen: 6 U 62/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 7
UWG § 4 Nr. 8
UWG § 4 Nr. 10
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG § 8 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 02.02.2006 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 789/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragsgegner.

Gründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. In der Sache führt sie indes nicht zum Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass in beiden angegriffenen Alternativen ein wettbewerbsrechtlich unlauteres Verhalten des Antragsgegners zu 1) vorliegt, für welches auch die Antragsgegnerin zu 2) auf Unterlassung haftet. Sowohl die mündliche Mitteilung über die bestimmte Anzahl verteilter Branchenhandbücher der Antragstellerinnen, als auch die Weiterleitung einer dem Antragsgegner zu 1) versehentlich übermittelten, dem Geschäftsbetrieb der Antragstellerinnen zugehörigen Rechnung jeweils an einen ihrer Kunden, den Zeugen K., stellen sich als i.S. der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG unzulässige gezielte Behinderung eines Mitbewerbers dar.

1.

Mit dem Landgericht ist davon ausgehen, dass das von dem Antragsgegner zu 1) am 21.10.2005 mit dem Zeugen K. geführte Gespräch als Wettbewerbshandlung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu beurteilen ist. Entsprechendes gilt für die nachfolgende Übersendung der von ihm mit einer handschriftlichen Notiz versehenen Kopie einer Rechnung vom 13.9.2006, welche eines der für die Antragstellerinnen tätigen Verteilunternehmen, die N. GbR, zuvor infolge eines Irrtums an ihn übermittelt hatte.

Durch die Gesetzesnovellierung des Jahres 2004 ist nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auch die Absicht genügt, fremden Wettbewerb zum Nachteil des Wettbewerbs des Anderen zu fördern. Dass in beiden beanstandeten Verletzungsalternativen von diesen Voraussetzungen auszugehen ist, hat die Kammer zu Recht angenommen. Das Verhalten des Antragsgegners zu 1) war aus den in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargestellten Gründen in objektiver Hinsicht geeignet, den Absatz der in unmittelbarem Wettbewerb mit den Antragstellerinnen stehenden Antragsgegnerin zu 2) zu deren Nachteil zu begünstigen. Auf der Grundlage des Umstands, dass der Antragsgegner zu 1) als selbständiger Handelsvertreter tätig ist, der sein Einkommen u.a. aus Provisionszahlungen für die Kundenakquise erzielt, hat die Kammer weiter zutreffend festgestellt, dass das gegebenenfalls privat begonnene Gespräch eine geschäftliche Wende genommen hat, ab welcher er nicht mehr nur als Privatmann, sondern in seiner Eigenschaft als für die Antragsgegnerin zu 2) tätiger Handelsvertreter auch in subjektiver Hinsicht mit Wettbewerbsförderungsabsicht gehandelt hat.

2.

Ohne Erfolg wenden die Antragsgegner sich auch gegen die weiteren Feststellungen der Kammer zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines i.S. des § 4 Nr. 10 UWG wettbewerblich unlauteren Verhaltens.

Die Herabsetzung eines Mitbewerbers unter Ausnutzung betrieblich erlangten Wissens mit dem Ziel, dessen Kunden zu einem Wechsel zu dem eigenen bzw. einem geförderten fremden Unternehmen zu bewegen, unterfällt grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 10 UWG, ohne dass die weiteren Voraussetzungen der § 4 Nr. 7 bzw. Nr. 8 UWG, welche sich insoweit als speziellere Unterfälle darstellen, vorliegen müssten (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 4 Rn. 10.37 und Rn. 7.6 bzw. 8.7).

Zwar gehört es zum Wesen des Wettbewerbs, dass Kunden abgeworben werden, und im Wettbewerb hat grundsätzlich niemand Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstamms (vgl. BGH GRUR 2005, 603 - Kündigungshilfe). Anderes gilt erst dann, wenn unlautere Mittel eingesetzt werden. In Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof bezogen auf die Tätigkeit eines - ausgeschiedenen - Handelsvertreters in der Entscheidung "Weinberater" (GRUR 1999, 634, 635) ausgeführt, dass es in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs stehe und der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns nicht widerspreche, wenn ein ausgeschiedener Handelsvertreter in Konkurrenz zu seinem früheren Geschäftsherrn auch bezüglich dessen Kunden tritt. Einem Handelsvertreter stehe es nach Beendigung des Vertreterverhältnisses grundsätzlich frei, dem Unternehmen, für das er bis dahin tätig gewesen ist, auch in dem Bereich Konkurrenz zu machen, in dem er es vorher vertreten hat, weil der Unternehmer keinen generellen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat. Er kann das Vorgehen seines früheren Handelsvertreters wettbewerbsrechtlich nur dann beanstanden, wenn sich dieser bei dem Wettbewerb um die Kundschaft unlauterer Mittel bedient (BGH a.a.O. - Weinberater). So liegt der Fall aber auch hier.

Unlauteres Verhalten in diesem Sinne kann anzunehmen sein, wenn der Handelsvertreter noch während seiner Tätigkeit für den vormaligen Arbeitgeber (geheime) Informationen wie etwa den Kundenbestand erlangt hat, welche er sodann zu Gunsten eines neuen Arbeitgebers verwertet (vgl. BGH GRUR 2003, 453 - Verwertung von Kundenlisten). Ähnlich ist die Situation im Streitfall, woraus sich ein entsprechendes Unwerturteil rechtfertigt. Der Antragsgegner zu 1) hat nämlich Umstände, welche er aufgrund seiner früheren Tätigkeit für die Antragstellerinnen erlangt hat, zu deren Nachteil und zum Vorteil seines neuen Geschäftsherrn bei einem ihrer Kunden eingesetzt. Bereits Mitte April 2005 hatte er von den Antragstellerinnen zu der Antragsgegnerin zu 2) gewechselt. Als ihm das für die Antragstellerinnen tätige Verteilunternehmen dennoch Monate später die für den Geschäftsbetrieb des früheren Unternehmens bestimmte Rechnung vom 13.9.2006 per Telefax übermittelte, war für ihn ohne weiteres erkennbar, dass es sich hierbei um einen aus einer früheren Tätigkeit herrührenden Irrtum handelte. Unabhängig von ihm obliegenden nachvertraglichen Treuepflichten war er auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gehalten, keinen Gebrauch von dieser internen Geschäftsunterlage zum Nachteil seiner früheren Geschäftsherrn zu machen. Die Erlangung betriebsinterner Erkenntnisse oder Unterlagen nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund eines Irrtums über die fortbestehende Betriebszugehörigkeit des Adressaten ist wettbewerbsrechtlich nicht anders zu beurteilen als der Fall, dass ein Arbeitnehmer noch während seines bisherigen Vertrags erlangte Kenntnisse nach seinem Ausscheiden zum Nachteil des bisherigen Unternehmers und in der Absicht, dessen Kunden abzuwerben, einsetzt.

Eben dieser Vorwurf trifft den Antragsgegner zu 1). Aus der Rechnung ging der Umstand hervor, dass die Antragstellerinnen bislang jedenfalls über diesen Verteiler nur einen kleinen Teil der eigentlich vorgesehenen Auflage ihrer Branchenhandbücher verteilt hatten. Die enthaltene Information war deshalb grundsätzlich geeignet, die Antragstellerinnen zu diskreditieren, denn Inserenten, zu denen der Zeuge K. zählte, zahlen für die beworbene hohe Auflage und werden deshalb, wenn sie ihre Erwartungen nicht erfüllt sehen, geneigt sein, sich künftig an ein Konkurrenzunternehmen zu wenden.

Die Antragsgegner räumen die hiermit verbundene gezielte Schädigungsabsicht letztlich selbst ein, indem sie sich mit dem Einwand verteidigen, der Antragsgegner zu 1) habe dem Zeugen K. die nötige "Argumentationshilfe" liefern wollen, sich mit den Antragstellerinnen wegen deren Kostenrechnungen anzulegen. Auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen können sie sich insoweit allerdings nicht berufen. Es war schon nicht Sache des Antragsgegners zu 1), sich in die vertraglichen Angelegenheiten zwischen seinem vormaligen Unternehmen und dessen Kunden einzumischen, und zwar selbst dann nicht, wenn eine private Freundschaft oder Bekanntschaft mit dem Zeugen K. bestehen sollte. Keinesfalls konnte dies so weit gehen, dem fraglichen Kunden sogar betriebsinterne Unterlagen, an welche der Antragsgegner zu 1) nur aufgrund eines erkennbaren Irrtums gelangt war, zur Verfügung zu stellen.

Als unlauter stellt sich aber auch die in der ersten Alternative des Unterlassungsbegehrens beanstandete mündliche Mitteilung der Verteilungszahlen dar. Die Antragsgegner räumen ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners zu 1) (Anlage AG 3 zur Schutzschrift) ein, dass er sich der Richtigkeit der - aus nicht offenbarter Quelle stammenden - Zahlenangabe einer verteilten Auflage von "177.500" nicht sicher war. Er hat mithin zur Schädigung der Antragstellerinnen geeignete Angaben gemacht, obwohl er sie als nicht erweislich wahr erkannt hat. Das Landgericht hat dieses Verhalten zu Recht als im wettbewerbsrechtlichen Sinne unzulässig beurteilt. Es entsprach weder lauterem Verhalten im Wettbewerb, in der nunmehr eingetretenen Konkurrenzsituation einem Kunden seines ehemaligen Unternehmers abwerbetaugliche vertrauliche und von ihm nur irrtümlich erlangte Informationen mitzuteilen, noch sich über entsprechende Umstände zu verbreiten, ohne sich über die Richtigkeit zu vergewissern. Aus diesem Grund und mangels sein Verhalten sonst rechtfertigender sachlicher Gründe können sich die Antragsgegner auch nicht mit Erfolg auf die durch Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit berufen.

3.

Das LG hat schließlich auch zu Recht festgestellt, dass die Antragsgegnerin zu 2) nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 UWG auf Unterlassung haftet.

Der Begriff des Beauftragten i.S. der Vorschrift ist weit auszulegen (Köhler a.a.O. § 8 Rn. 2.34). Selbständige Handelsvertreter können Beauftragte in diesem Sinne sein (Köhler a.a.O. Rn. 2.45). Voraussetzung ist, dass der Handelnde tatsächlich in die geschäftliche oder betriebliche Organisation eingegliedert ist und seine Tätigkeit dem Unternehmen zugute kommt, wobei sein Geschäftsherr bestimmenden Einfluss gerade auf den Tätigkeitsbereich haben muss, in den die Verletzungshandlung fällt (vgl. Köhler a.a.O. Rn. 2.44 m.w.N.). Die erstgenannten beiden Voraussetzungen sind bei einem Handelsvertreter ohne weiteres zu bejahen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 2) auch bestimmenden Einfluss in diesem Sinne hat, wird durch ihr eigenes Vorgehen dokumentiert. Sie hat nämlich die für sie tätigen Handelsvertreter mit Rundschreiben vom 8.11.2005 (Anlage AG 9) ausdrücklich aufgefordert, sich im Rahmen der Kundenakquise jeglicher Äußerungen und Stellungnahmen über die laufenden gerichtlichen Auseinandersetzungen mit den Antragstellerinnen, insbesondere auch über das gerichtliche Vertriebsverbot, welches zu den geringen Verteilzahlen führte, zu enthalten. Hierin kommt unmittelbar die Weisungsbefugnis der Antragsgegnerin zu 2) zum Ausdruck mit der Folge, dass sie unabhängig von einer konkreten Kenntnis für den Wettbewerbsverstoß ihres Handelsvertreters haftet.

II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

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