Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 6 U 90/07
Rechtsgebiete: PAngV, UWG


Vorschriften:

PAngV § 1 Abs. 1 S. 1
PAngV § 6 Abs. 1
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 90/07

Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 09.11.2007

verkündet am 09.11.2007

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2007 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Frohn und Wiegelmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 29.03.2007 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 25/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die einstweilige Verfügung vom 20.12.2006 - 33 O 496/06 LG Köln - bestätigt, mit welcher der Antragsteller, ein Wettbewerbsverband i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, das Gebot erwirkt hat, die nachfolgend wiedergegebene, im "L. Stadtanzeiger" vom 18./19.11.2006 veröffentlichte Werbung für Kredite ohne Angabe des effektiven Jahreszinses zu unterlassen:

Das Unterlassungsbegehren ist begründet, die fragliche Werbung nämlich als wettbewerblich unlauter gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 PAngV zu beurteilen, weil ein Kredit ohne Angabe des effektiven Jahreszinses beworben wird. Der Senat nimmt die Begründung des Landgerichts als insgesamt zutreffend in Bezug und wiederholt im Hinblick auf das Berufungsvorbringen die wesentlichen Erwägungen.

1.

Die Antragsgegnerin ist Täterin der angegriffenen Verletzungshandlung, weil sie - auch - für einen Kredit geworben hat.

Für das Angebot einer Vorfinanzierung des Kaufpreises hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, dass diese regelmäßig eine Kreditierung darstelle, welche auch dann, wenn der Verkäufer der Ware einen Dritten als Kreditgeber einschalte, § 6 Abs. 1 PAngV n.F. unterfalle (vgl. noch zu § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngVO a.F.: BGH GRUR 1994, 311, 312 - Finanzkaufpreis ohne Mehrkosten m.w.N.; BGH GRUR 1992, 857, 858 - Teilzahlungspreis). Entsprechendes hat im Streitfall zu gelten. Die Antragsgegnerin, welche selbst nur Immobilien vertreibt, vermittelt nämlich unstreitig die Kreditfinanzierungen Dritter, welche Gegenstand der angegriffenen Werbung sind.

Angesichts der konkreten Aufmachung der beanstandeten Anzeige kann auch kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass neben einer Immobilie zugleich ein Kredit unter Angabe von Preisen beworben wird i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV: Ganz in den Mittelpunkt der Werbung gerückt ist nämlich die Möglichkeit eines finanzierten Kaufs. Der reine Kaufpreis für ein "Ausbauhaus" - 168.000 € - ist von Schriftgröße und Platzierung her so unauffällig untergebracht, dass auch der durchschnittlich situationsadäquat aufmerksame Leser geneigt sein wird, die Angabe beim ersten Lesen zu übersehen. In den Blickfang gesetzt durch Fettdruck, große Schrifttypen und mittiges Einrücken wird demgegenüber die monatliche Belastungsrate - 525,46 € - im Fall der Inanspruchnahme eines Bankkredits. Die nachfolgenden Informationen über den Kredit nehmen sodann eher mehr Platz in Anspruch als die auf Haus und Grundstück entfallende Beschreibung, weshalb sich die Immobilienanzeige nach ihrer äußeren Gestaltung zugleich auch als Werbung für einen Kredit darstellt.

2.

Die Kammer hat weiter zutreffend festgestellt, dass die unstreitig fehlende Angabe des effektiven Jahreszinses zur wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeit der Werbung führt.

Bei den Vorschriften der PAngV - und deshalb auch der nach § 6 Abs. 1 PAngV erforderlichen Angabe des effektiven Jahreszinses - handelt es sich nach nunmehr gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung um Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 4 Rn. 11.142 m.w.N. zur BGH-Rechtsprechung). Verstöße hiergegen sind deshalb grundsätzlich als unlauter zu beurteilen. Unzulässig sind entsprechende Handlungen aber erst dann, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 3 UWG vorliegen, d.h. wenn es sich nicht um nur unerhebliche Beeinträchtigungen des Wettbewerbs handelt (Harte/Henning-v. Jagow, UWG, § 4 Nr. 11 Rn. 49, 50; Köhler a.a.O.; vgl. auch BGH, Urteil v. 02.06.2005 - I ZR 317/02 - und Teilurteil vom 21.07.2005 - I ZR 94/02 - Ginsengpräparat). Die Frage nach der Erheblichkeit eines Wettbewerbsverstoßes i.S. des § 3 UWG und also seiner Eignung, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei Normzweck und Intention des verletzten Verbotsgesetzes, Art und Schwere des Verstoßes sowie die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb zu berücksichtigen sind (Köhler a.a.O. § 3 Rn. 58 und § 4 Rn. 11.58 a).

Diese Kriterien liegen auch in Ansehung des Berufungsvorbringens der Antragsgegnerin vor.

Ihr Einwand, mit der angegriffenen Werbung nur den eigenen Absatz von Hausgrundstücken fördern zu wollen, weshalb sie aus der gleichzeitigen Bewerbung eines - von ihr vermittelten - Kredits nur "mittelbare" wirtschaftliche Vorteile zöge, ist unerheblich. Zwischen dem von der Antragsgegnerin intendierten Immobilien-Absatz und der Kaufpreisfinanzierung besteht nämlich ein so enger wirtschaftlicher Zusammenhang, dass sie auch aus dem in der fraglichen Werbung erfolgten Kreditangebot unmittelbare und erhebliche Vorteile zu ziehen vermag.

Es ist insoweit unstreitig und wird durch das in der Anzeige gewählte Berechnungsbeispiel belegt, dass die Antragsgegnerin sich mit ihrem Immobilienangebot gezielt an Familien mit Kindern aus eher schwachen Einkommensgruppen ("Bruttoeinkommen max. € 42.000,- p.a.") wendet, wenn man die im Bundesvergleich hohen Erwerbspreise auf dem L. Immobilienmarkt berücksichtigt und den demgegenüber (auch unter Berücksichtigung der Erbbauzins-Grundlage) eher niedrigen Kaufpreis. Es ist offenkundig, dass die ganz überwältigende Mehrheit der an den beworbenen "Ausbauhäusern" Interessierten notwendig auf eine Fremdfinanzierung angewiesen sein wird. Aus diesem Grund hat die Antragsgegnerin, indem sie diese Gruppe potentieller Käufer gezielt anspricht, unmittelbare wirtschaftliche Absatzvorteile aus der gleichzeitigen Kreditbewerbung.

Die - von dem Antragsteller zulässig bestrittene - Behauptung der Antragsgegnerin, dass die zusätzliche Angabe des effektiven Jahreszinses an der ausgewiesenen Rate von 525,46 € nichts geändert hätte, verhilft ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Die Richtigkeit ihres Vorbringens für das konkrete Berechnungsbeispiel unterstellt, wird der angesprochene Verbraucher nämlich weiterhin nicht in die Lage versetzt, die Preiswürdigkeit des Kredits unter anderen, in den Berechnungsgrundlagen veränderten Bedingungen zu prüfen.

Unerheblich ist im Übrigen, ob der beworbene Zinssatz von 4,5 % für damalige Marktverhältnisse relativ unattraktiv gewesen sein soll. Die Antragsgegnerin hat nämlich bereits deshalb einen Wettbewerbsvorteil durch Weglassen des effektiven Jahreszinses und Angabe nur des Nominalzinses errungen, weil letzterer immer niedriger ist als der effektive Jahreszins; der Verkehr wird deshalb dazu neigen, die angegebenen 4,5 % mit den üblichen effektiven Jahreszinsangaben der Konkurrenten zu vergleichen, weshalb das beworbene Angebot jedenfalls günstiger erscheint als es tatsächlich ist.

Schließlich rechtfertigen auch weder die durch § 6 Abs. 1 PAngV geschützte Interessenlage noch die Besonderheiten einer Werbung für den Immobilienkauf die Beurteilung, es liege im Streitfall nur eine Bagatellverletzung vor. Insbesondere rechtfertigt sich ein derart weitgehender Schluss nicht aus der Entscheidung "Immobilienpreisangaben" des BGH (GRUR 2001, 258). Im dort zu entscheidenden Fall ging es um eine fehlende Endpreisangabe, die zudem leicht anhand der qm-Preisangaben zu errechnen war. Hier geht es demgegenüber um fehlende Kreditangaben, die aus der Werbung heraus für einen Durchschnittsverbraucher keinesfalls eigenständig ermittelbar sind.

Auch wenn dem BGH in seiner Feststellung zu folgen ist, dass ein durchschnittlich verständiger Immobilieninteressent nicht nur aufgrund einer Zeitungsanzeige kauft, sondern nach sorgfältiger Abwägung, erlangt die Antragsgegnerin aus dem Verstoß gegen die PAngV mehr als nur einen geringfügigen Wettbewerbsvorteil: Finanzierungsgeschäfte sind für den Verbraucher wegen der mit ihnen verbundenen längerfristigen und unter Umständen erheblichen wirtschaftlichen Belastungen mit besonders hohen Gefahren verbunden. Zum Schutz des Verbrauchers vor undurchsichtigen Vertragsbestimmungen normiert § 6 PAngV deshalb bestimmte Pflicht-Mindestangaben (vgl. Köhler a.a.O. § 6 PAngV Rn. 1). Im Immobiliensektor verdichten sich diese von einem finanzierten Kauf ausgehenden Gefahren in besonderer Weise. Im Regelfall wird der Kreditrahmen außergewöhnlich hoch sein, der Kreditnehmer wird für viele Jahre und oft Jahrzehnte gebunden, und es wird deshalb häufig die wirtschaftlich bedeutendste Entscheidung sein, die er in seinem Leben trifft. In Ansehung des Schutzzwecks des § 6 PAngV einerseits und der im Streitfall obwaltenden Besonderheiten andererseits, in welcher der Immobilien-Absatz der Antragsgegnerin unmittelbar mit einer Kaufpreisfinanzierung zusammenhängt, sind die für sie mit dem fraglichen Normverstoß einhergehenden Vorteile nicht mehr als unerheblich zu bewerten, zumal ungeachtet ihres regional beschränkten Tätigkeitsgebiets an ihrer relativen Marktbedeutung angesichts eines Stammkapitals von 37 Mill. € und 25.000 betreuten Wohnungs- und Gewerbeeinheiten kein Zweifel bestehen kann.

Einer Beurteilung als Bagatellverletzung steht ergänzend der erhebliche Nachahmungsanreiz für die Immobilienbranche entgegen, welcher eine Werbung wie die angegriffene ausübt. Wie die von dem Antragsteller als Anlage 3 vorgelegte einstweilige Verfügung des LG Dortmund vom 30.03.2005 - 10 O 64/05 - belegt, mit welcher einem Dritten eine der hier streitgegenständlichen kerngleiche Werbung verboten worden ist, handelt es sich bei Werbeanzeigen wie der vorliegend beanstandeten nicht um einen Einzelfall.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Ende der Entscheidung

Zurück