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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.07.2000
Aktenzeichen: 6 W 42/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 93
ZPO § 97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

6 W 42/00 31 O 1288/99 LG Köln

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

pp.

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder von Hellfeld, Pietsch und Schütze am 27. Juli 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenausspruch des am 06.04.2000 verkündeten Urteils der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 1288/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe:

Die gemäß § 99 Abs. 2 ZPO analog statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die Antragsgegnerin auf deren Kostenwiderspruch hin mit den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens belastet und für eine Heranziehung des in der Kostenregelung des § 93 ZPO formulierten Rechtsgedankens keinen Raum gesehen, dass der Beklagte, der keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und der den geltend gemachten Klageanspruch sofort anerkennt, von den Kosten des Rechtsstreits freizustellen, diese vielmehr der Klagepartei aufzuerlegen sind. Dem steht es nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Antragsgegnerin vor der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht zunächst abgemahnt hat.

Allerdings trifft es zu, dass insbesondere in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsfällen Veranlassung zur Klageerhebung grundsätzlich nur gibt, wer auf eine Abmahnung nicht oder negativ reagiert (vgl. Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., 41. Kapitel, Rdnr. 7 und 21 m.w.N.). Hingegen sind Ausnahmetatbestände anzuerkennen, in denen eine solche Klageveranlassung auch ohne negative Reaktion auf eine Abmahnung besteht, der Verletzte daher, ohne das Kostenrisiko des § 93 ZPO zu gewärtigen, sogleich im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gegen den Verletzer vorgehen kann. Das sind die Fälle, in denen die Abmahnung das Verhalten des Abgemahnten ersichtlich ohnehin nicht beeinflussen würde, also erfolglos bliebe oder in denen dem Gläubiger aus sonstigen rechtlich anerkennenswerten Gründen eine Abmahnung nicht zuzumuten, ihre Unterlassung deshalb rechtlich bedeutungslos ist (vgl. für viele: Teplitzky, a.a.O., 41. Kapital Rdnr. 21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). So liegt die Sache hier.

Der Antragstellerin war es im Streitfall nicht zuzumuten, die Antragsgegnerin vor der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens, mit der unter anderem zum Zwecke der Sicherstellung eines markenrechtlichen Vernichtungsanspruchs (§ 18 MarkenG) die Sequestration der im Besitz der Antragsgegnerin noch befindlichen, mit den streitbefangenen Marken der Antragstellerin gekennzeichneten Produkte begehrt wurde, zunächst abzumahnen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob - wie dies teilweise vertreten wird - dem Verletzten gerade in Fällen der sogenannten "Schutzrechtspiraterie" grundsätzlich eine Abmahnung nicht zumutbar ist, wenn auch oder nur eine Sicherstellung von Gegenständen angestrebt wird, weil er sich andernfalls der Gefahr aussetzen würde, dass die Verletzungsgegenstände in Reaktion auf eine Abmahnung beiseitegeschafft werden (in diesem Sinne: OLG Nürnberg, WRP 1995, 427 und WRP 1981, 342/343; vgl. auch Teplitzky, a.a.O., 41. Kapitel, Rdnr. 30/31), oder ob sich die Annahme eines solchen Grundsatzes verbietet und nur dann, wenn die jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des konkreten Sachverhalts die Annahme rechtfertigen, der durch die Abmahnung vorgewarnte Verletzer, werde die Plagiate vor Erwirken eines Herausgabetitels beiseiteschaffen, die vorherige Abmahnung entbehrlich wird (in diesem Sinne: OLG Köln WRP 1984, 641/642; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg WRP 1988, 47; Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rdnr. 767). Der Frage, ob in den Fällen der sogenannten Schutzrechtspiraterie von der die vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Vermutung auszugehen ist, dass der solcher Art vorgewarnte Verletzer die Ware beiseite schafft und/oder sonstige Vernebelungsaktionen drohen, oder aber ob es für die Annahme einer derartigen Gefahr des Vorliegens besonderer, sich aus den konkreten Sachverhaltsumständen herleitende Anhaltspunkte bedarf, kommt vorliegend deshalb keine streitentscheidende Bedeutung zu, weil aus der maßgeblichen Sicht der Antragstellerin derartige Anhaltspunkte, wonach bei vorheriger Abmahnung auf Seiten der Antragsgegnerin die Gefahr des Beiseiteschaffens der unberechtigt mit den Marken der Antragstellerin gekennzeichneten Ware droht, jedenfalls vorlagen. Es handelte sich bei der in Frage stehenden Ware um eine solche, die ihrer Art und ihrem Umfang nach ohne weiteres und mit Leichtigkeit aus dem Ladenlokal der Antragsgegnerin entfernt und beseitigt und so dem Zugriff der Antragstellerin entzogen werden konnte. Mit Blick auf die ganz erhebliche wirtschaftliche Attraktivität des Verkaufs der mit den Marken der Antragstellerin gekennzeichneten Waren musste vom Standpunkt der Antragstellerin aus eine derartige Aktion auch nahe liegen. Denn bei den Marken der Antragstellerin handelt es sich unstreitig um solche, mit denen sich der Ruf der Exklusivität und eines besonders aufwendigen Lebensstils verbindet. Die mit den Marken der Antragstellerin gekennzeichneten Produkte werden - dies ist den Mitgliedern des Senats aus eigener Anschauung und Lebenserfahrung bekannt - zu einem Vielfachen des Verkaufspreises angeboten, den die Antragsgegnerin für die streitbefangenen Produkte gefördert hat. Dies begründet die besondere Anziehungskraft des Erwerbs dieser, den Waren der Antragstellerin nahezu identischen und mit ihrer Marke gekennzeichneten Erzeugnisse durch eine als nicht unerheblich einzuordnende Anzahl der Verbraucher, die sich zwar mit den den Marken der Antragstellerin abhaftenden Attributen der Exklusivität und des damit verbundenen aufwendigen Lebensstils schmücken wollen, indessen nicht bereit oder wirtschaftlich in der Lage sind, die für den Erwerb des Originals aufzuwendenden hohen Preise zu zahlen. Die Nachfrage in dieser Gruppe der Verbraucher führte aber zu ganz erheblichen Absatzchancen der Antragsgegnerin, was wiederum - jedenfalls aus der Sicht der Antragstellerin - einen hohen Anreiz darstellen musste, diese Nachfrage weiter bedienen zu können und die Ware daher dem Zugriff der Antragstellerin zu entziehen. Der Antragsgegnerin musste dabei auch von vornherein bekannt gewesen sein, dass es sich bei den von ihr feilgebotenen, mit den Marken der Antragstellerin gekennzeichneten Produkte nicht etwa um Originale, sondern um Plagiate gehandelt hat. Dafür sprechen ganz maßgeblich die von ihr selbst vorgebrachten Umstände des Erwerbs dieser Erzeugnisse. Denn unabhängig davon, ob die Antragstellerin ihre Produkte auch als sogenannte zweite Wahl auf den Markt bringt, ist es doch in hohem Maße ungewöhnlich, dass Originalprodukte der Antragstellerin auf einem Wochenmarkt in Spanien angeboten werden und dies weiter zu derart niedrigen Preisen, dass es der Antragsgegnerin als Wiederverkäuferin möglich wird, sie ihrerseits zu Preisen zu veräußern, die um ein Vielfaches unterhalb der von der Antragstellerin für die Originalprodukte geforderten Preise liegen. Vor diesem Hintergrund hätte die Antragsgegnerin, die die in Frage stehenden Produkte in ihrem Ladenlokal im übrigen nicht als "zweite Wahl" ausgewiesen hat, in Bezug auf die Herkunft der Ware bzw. deren "Originalität" in hohem Maße misstrauisch werden müssen und ist der Rückschluss darauf gerechtfertigt, dass sie es zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass es sich dabei eben nicht um Originale, sondern um Plagiate handelte. Auch der Umstand, dass das Ladengeschäft der Antragsgegnerin sich in der Passage der Hotelhalle des in K. gelegenen M.-Hotels befindet, widerspricht nicht der Annahme, dass die Antragsgegnerin es zumindest billigend in Kauf genommen hat, Plagiate anzubieten und zu verkaufen. Denn ihr Ladengeschäft wird unabhängig von de Hotel betrieben, so dass aus dessen angeblicher Exklusivität nicht zugleich auch auf diejenige der in den dortigen Ladengeschäften vertriebenen Ware geschlossen werden kann.

Konnte die Antragstellerin vor diesem Hintergrund aber davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin sich die lukrativen Absatzchancen des Verkaufs der mit den streitbefangenen exklusiven Marken gekennzeichneten Plagiate möglichst erhalten wolle, so bestand aus ihrer Sicht die Gefahr der Vereitelung der Sequestration bei vorheriger Abmahnung, so dass diese unzumutbar, daher entbehrlich war, ihre Unterlassung mithin die Kostenfolge des § 93 ZPO nicht auszulösen vermag.

Gemäß § 97 ZPO sind der Antragsgegnerin die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde aufzuerlegen.

Beschwerdewert: die Summe der in erster Instanz entstandenen und außergerichtlichen Kosten.

Ende der Entscheidung

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