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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.11.2001
Aktenzeichen: 6 W 81/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 890
ZPO § 891
ZPO § 927
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 793 Abs. 1
ZPO § 890 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

6 W 81/01

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und von Hellfeld

am 19.11.2001

beschlossen:

Tenor:

1.) Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 305/00-SH I - vom 28.6.2001, durch den ihr Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gem. § 890 ZPO teilweise zurückgewiesen worden ist, wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.

Gründe:

Die gem. §§ 793 Abs.1, 890 Abs.1, 891 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen, soweit er den Internet-Auftritt vom 5.3.2001 zum Gegenstand hat. Die Werbung stellt zwar einen in den Kernbereich des Unterlassungstitels fallenden Verstoß dar, indes steht in der gegebenen Fallkonstellation die vorangegangene Erwirkung eines neuen Unterlassungstitels der Festsetzung von Ordnungsmitteln entgegen.

A

Durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 8.5.2000 - 31 O 305/00 - ist der Schuldnerin auf Antrag der Gläubigerin u.a. untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe "Connect Regionaler Netzanbieter 1999 und 2000" in einer bestimmten konkreten Form zu werben. Wegen dieser Verletzungsform, die durch Einblendung zum Gegenstand des Unterlassungsgebotes gemacht worden ist, wird auf die Ablichtung Bl.55 (bzw. deutlicher Bl.21 der Hauptakte) verwiesen. Grund für das Verbot war der Umstand, dass in der Anzeige die Fundstelle nicht angegeben war, in der die in der Werbung angesprochenen Testergebnisse veröffentlicht waren. Die Schuldnerin hat die einstweilige Verfügung durch Abschlussschreiben vom 9.6.2000 als endgültig anerkannt.

Am 5.3.2001 warb die Schuldnerin im Internet wiederum mit der Angabe "Connect Regionaler Netzanbieter 1999 und 2000". Dabei war der - im übrigen identisch wie in der ursprünglichen Fassung aufgemachten - Werbung eine kleingedruckte weitere Zeile hinzugefügt, wie dies aus der Anlage AST 4 (Bl.13) des vorliegenden Verfahrens ersichtlich ist. Wegen dieser Werbung erwirkte die Gläubigerin nach erfolgloser Abmahnung zunächst im Verfahren 84 O 42/01, das noch andere, hier nicht interessierende Wettbewerbsverstöße zum Gegenstand hatte, eine unter dem 20.3.2001, und zwar nicht auch von der 31. Zivilkammer, sondern von der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln erlassene weitere einstweilige Verfügung. Die Gläubigerin hatte beanstandet, dass der erwähnte Zusatz zu klein und daher nicht lesbar sei. Die Schuldnerin hat durch Abschlussschreiben vom 2.4.2001 auch diese einstweilige Verfügung als endgültig anerkannt.

Später, nämlich unter dem 7.5.2001, hat die Gläubigerin mit der Begründung, die Verletzungshandlung falle in den Kern des unter dem 8.5.2000 ausgesprochenen Unterlassungsgebotes, im vorliegenden Verfahren einen Ordnungsmittelantrag gem. § 890 Abs.1 ZPO gestellt, der außerdem einen weiteren, in einer Internetwerbung vom 18.4.2001 liegenden, hier nicht näher interessierenden Verstoß gegen den ersten Titel zum Gegenstand hatte.

Das Landgericht hat wegen des zuletzt erwähnten Verstoßes vom 18.4.2001 ein Ordnungsgeld von 5.000 DM nebst Ersatzordnungshaft festgesetzt und den Antrag im übrigen mit der Begründung zurückgewiesen, nachdem die Gläubigerin wegen der Werbung vom 5.3.2001 einen neuen Titel erwirkt und so zum Ausdruck gebracht habe, dass diese nicht bereits unter das erste gerichtliche Verbot falle, sei es rechtsmissbräuchlich, nunmehr parallel ein Ordnungsmittelverfahren zu betreiben, weil dieses umgekehrt einen Verstoß gegen den Kern des Unterlassungstitels voraussetze.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Diese vertritt die Auffassung, aus Rechtsgründen berechtigt zu sein, beide Verfahren, die unterschiedliche Zielrichtungen verfolgten, gegen die Schuldnerin zu betreiben.

Sowohl wegen der Einzelheiten der Begründung der Kammer, die im wesentlichen auf einen Aufsatz ihres Vorsitzenden in der WRP (99, 46 ff) Bezug genommen hat, als auch hinsichtlich des Beschwerdevorbringens der Gläubigerin wird auf den Akteninhalt und die nachfolgenden Ausführungen unter B verwiesen.

Die Gläubigerin beantragt,

in Abänderung der angefochtenen Entscheidung auch wegen der Werbung vom 5.3.2001 - der Höhe nach in das richterliche Ermessen gestellte - Ordnungsmittel gegen die Schuldnerin festzusetzen.

Die Schuldnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des Vortrags der Schuldnerin, die den Beschluss verteidigt, wird auf deren Schriftsatz vom 29.8.2001 Bezug genommen.

B

Der Antrag ist unbegründet, weil die Gläubigerin auf ein Vorgehen gegen die Schuldnerin wegen der verfahrensgegenständlichen Werbung im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Titel vom 8.5.2000 verzichtet hat.

Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerin bereits einen eigenständigen Titel wegen des Internet-Auftrittes vom 5.3.2001 erwirkt. Wegen derselben Werbung begehrt sie nunmehr zusätzlich die Bestrafung der Schuldnerin, weil darin auch ein Verstoß gegen das erste richterliche Verbot liege. Indes kann auf diese Weise grundsätzlich nicht ein und derselbe Verstoß zweifach mit staatlichen Zwangsmitteln geahndet werden. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gem. § 890 ZPO setzt den Verstoß gegen einen schon bestehenden Titel voraus. Liegt ein solcher vor, ist das beanstandete Verhalten der Schuldnerin also bereits gerichtlich untersagt, so steht dem neuerlichen Erlass einer weiteren einstweiligen Verfügung, oder auch einer Verurteilung im Hauptsacheverfahren, der Einwand der res judicata entgegen (vgl. näher Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap. 57 RZ 16 a; Pastor/ Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4.Aufl., Kap.40 RZ 110 ff).

Die vorstehend angesprochene Fragestellung beruht auf dem Umstand, dass nach ganz herrschender Praxis nicht nur solche Wettbewerbshandlungen dem gerichtlichen Verbot unterfallen, die mit dem ausdrücklich verbotenen Verhalten identisch sind, sondern auch solche, die zwar von dem Wortlaut jenes Verbotes abweichen, gleichwohl aber noch in dessen Kernbereich fallen (vgl. nur Teplitzky a.a.O. RZ 11 ff; Gloy/Spätgens, Handbuch des Wettbewerbsrechts § 82 RZ 19 jew. m.w.N.). Unterfiele nur ein identischer Verstoß dem gerichtlichen Verbot, würde die Frage nicht aufkommen, weil für den Erlass eines weiteren Titels kein Anlass bestünde. Indes kann ein zweiter Titel auch dann grundsätzlich nicht erwirkt werden, wenn ein Verstoß (nur) gegen den Kern des gerichtlichen Unterlassungsgebotes vorliegt. Die Ahndung von Wettbewerbshandlungen, die nicht der konkret und ausdrücklich in den Verbotstenor aufgenommenen Verletzungsform entsprechen, aber noch in deren Kernbereich fallen, im Vollstreckungsverfahren beruht auf der Einsicht, dass durch das gerichtliche Erkenntnisverfahren die Wettbewerbswidrigkeit auch dieser zwar äußerlich abweichenden, aber im Kern gleichen Verletzungsform mitgeprüft und als ebenso wettbewerbswidrig wie das ausdrücklich untersagte Verhalten beurteilt worden ist (vgl. näher Teplitzky a.a.O. RZ 12, 14). Damit erfasst der Verfahrensgegenstand des - ersten - Erkenntnisverfahrens auch diese geringfügig abweichenden Verletzungsformen. Das schließt indes vom gedanklichen Ansatz her die nochmalige Geltendmachung jener abweichenden Verletzungsformen, die noch im Kernbereich des ersten Verbotes liegen, in einem weiteren Erkenntnisverfahren aus. Kann aus diesem Grunde der Erlass eines zweiten Titels nur bei Verstößen erfolgen, die nicht (mehr) im Kernbereich des ersten Titels liegen, so kommt in diesen Fällen ein paralleles Vorgehen auch im Wege der Zwangsvollsteckung grundsätzlich nicht in Betracht, weil Wettbewerbsverstöße, die nicht (zumindest) im Kernbereich des ersten Titels liegen, aus diesem auch nicht geahndet werden können. Insoweit schließt sich der Senat der Auffassung von Kehl in WRP 99, 46 ff an. Soweit den von der Gläubigerin angeführten Entscheidungen des OLG Düsseldorf (WRP 93,487 f) und des OLG Frankfurt (WRP 97, 51 f) eine abweichende Auffassung entnommen werden kann, folgt der Senat dem nicht.

Ohne Erfolg wendet die Gläubigerin ein, beide Verfahren verfolgten unterschiedliche Zielrichtungen: während es bei der Vollstreckung (auch) um die Ahndung zurückliegenden Verhaltens gehe, solle die zweite einstweilige Verfügung klarstellen, dass der Schuldnerin auch das neue Verhalten untersagt sei. Diese Unterscheidung mag im Ansatz zutreffen, sie gibt indes der Gläubigerin nicht das Recht, einen weiteren Titel gegen ein Verhalten zu erwirken, das der Schuldnerin bereits untersagt ist. Im übrigen dient das Zwangsvollsteckungsverfahren auch dazu, die Schuldnerin zukünftig zu einem gesetzestreuen Verhalten zu veranlassen.

Soweit die Gläubigerin auf die Rechtsprechung zur parallelen Geltendmachung von Ordnungsmitteln einerseits und Vertragsstrafen andererseits hinweist, handelt es sich um eine abweichende Problematik, die sich auf die vorliegende Fragestellung nicht übertragen lässt: die Verwirkung einer Vertragsstrafe belegt, dass die ihr zugrundeliegende Unterlassungserklärung tatsächlich die Wiederholungsgefahr und damit den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nicht beseitigt hat. Um diese Fragestellung geht es indes im vorliegenden Verfahren nicht, weswegen es für die Entscheidung auch ohne Bedeutung ist, dass die Schuldnerin durch die beanstandete Werbung zusätzlich auch eine Vertragsstrafe verwirkt und ausweislich ihres unwidersprochenen Vortrags im Beschwerdeverfahren auch bezahlt hat

Ebenso ohne Erfolg trägt die Gläubigerin vor, sie sei deswegen zur Erlangung des zweiten Titels befugt gewesen, weil unklar gewesen sei, ob der abgewandelte Internetauftritt unter das erste Verbot falle. Nachdem die Schuldnerin sich auf ihre Abmahnung hin mit Schreiben vom 8.3.2001 (Anlage Ast 9 = Bl.94 f) der Sache nach auf den Standpunkt gestellt habe, dem Gebot in der einstweiligen Verfügung nachgekommen zu sein, sei sie berechtigt gewesen, diese Frage im Eilverfahren klären zu lassen. Hierfür sei das kontradiktorische Bestrafungsverfahren wegen seiner längeren Dauer nicht geeignet gewesen.

Der bloße Umstand, dass ein zweites, erneut einseitig geführtes Erkenntnisverfahren dem Gläubiger regelmäßig schneller als ein Bestrafungsantrag eine rechtliche Handhabe gegen den Schuldner verschaffen mag, stellt keine Rechtfertigung für ein zweites Verbot einer Handlung dar, die dem Schuldner bereits gerichtlich verboten worden ist. Es lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen, dass die oben angesprochene Grenzziehung angesichts der regelmäßig erforderlichen Wertungen praktisch schwierig sein kann. Zumindest in Grenzfällen läuft der Gläubiger möglicherweise Gefahr, durch die Wahl des falschen Weges Rechtsnachteile zu erleiden. Es mag auch nahe liegen, in Zweifelsfällen angesichts des Dringlichkeitserfordernisses der einstweiligen Verfügung zunächst eine solche zu beantragen. Es mag schließlich in Betracht kommen, dabei die Frage der Rechtskrafterstreckung - wie von Teplitzky (a.a.O., RZ 16 c FN 39) vorgeschlagen - großzügig zu behandeln (kritisch Pastor/Ahrens, a.a.O. RZ 113). All diese Fragen hat der Senat indes im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Denn die Gläubigerin hat durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie wegen der Werbung vom 5.3.2001 nicht zusätzlich aus dem ersten Titel gegen die Schuldnerin vorgehen werde.

Angesichts des Umstandes, dass aus den vorstehend dargelegten Gründen nur eines der beiden in Betracht kommenden Sanktionsmittel im Ergebnis erfolgreich sein kann, ist es dem Schuldner verwehrt, zunächst den Weg der einstweiligen Verfügung zu gehen und erst nach Annahme einer Abschlusserklärung zusätzlich den Bestrafungsantrag aus dem ersten Titel zu stellen. Das gilt auch dann, wenn die Verletzungshandlung tatsächlich in den Kernbereich des ersten Titels fällt und die zweite einstweilige Verfügung daher zu Unrecht ergangen ist, wie dies nach Auffassung des Senats im vorliegenden Verfahren der Fall ist. Wenn die Gläubigerin der - zutreffenden - Auffassung war, es liege ein Verstoß gegen den ersten Titel vor, hätte sie nicht den ihr danach objektiv nicht zustehenden und nach ihrem Vorbringen zur Absicherung für den Fall einer abweichenden Auffassung der zuständigen Gerichte erwirkten zweiten Titel vor dem Beginn der Vollstreckung durch Annahme der Abschlusserklärung bestandskräftig werden lassen dürfen. Denn so bestünde im Falle des Erfolgs des Bestrafungsantrages keine Möglichkeit mehr, die einstweilige Verfügung zu beseitigen, zumal die Abschlusserklärung einen vorbehaltlosen Verzicht auch auf die Rechte aus § 927 ZPO enthielt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Verhalten der Gläubigerin aus der maßgeblichen Sicht der Schuldnerin als Verzicht auf ein mögliches Bestrafungsverfahren dar. Die Gläubigerin hat zunächst mit Schreiben vom 5.3.2001 (Anlage AST 8 = Bl.89 ff) abgemahnt und dabei weder den ersten Titel, noch die von ihr angenommen Vollstreckungsmöglichkeit aus jenem Titel angesprochen. Demzufolge ist auch die Schuldnerin in ihrer schon erwähnten Antwort vom 8.3.2001 (Anlage AST 9 = Bl.94 f) und der von ihr hinterlegten, aus der Anlage AST 10 (= Bl.96 ff) ersichtlichen Schutzschrift auf den ersten Titel nicht eingegangen und hat lediglich die Auffassung vertreten, auf die Fundstelle in ausreichender Weise hingewiesen zu haben. Nach Erlass des zweiten Titels hat die Schuldnerin, ohne dass die Gläubigerin zuvor die Anstrengung eines Vollstreckungsverfahrens angekündigt hatte, eine Abschlusserklärung abgegeben, die die Gläubigerin sodann vorbehaltlos angenommen hat. In diesem Verhalten der Gläubigerin liegt konkludent der Verzicht, nicht auch noch aus dem Titel gegen die Schuldnerin vorzugehen. Denn die Schuldnerin wusste von dem ersten Verfahren und musste aus dem Vorgehen der Gläubigerin entnehmen, dass diese unter Zugrundelegung der Auffassung, es handele sich um einen von dem ersten Titel nicht erfassten Wettbewerbsverstoß, nicht auch noch aus jenem Titel vorgehen würde. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Annahme der Abschlusserklärung, die es unmöglich machte, nach erfolgreichem Bestrafungsverfahren den der Gläubigerin nicht zustehenden zweiten Titel zu beseitigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Beschwerdewert: 10.000 DM.

Nachdem das Landgericht für den in der Werbung vom 18.4.2001 liegenden Verstoß unbeanstandet ein Ordnungsgeld von 5.000 DM festgesetzt hat, schätzt der Senat mangels näherer Angaben der Gläubigerin zur Höhe des beantragten weiteren Ordnungsmittels deren Interesse an der Festsetzung eines weiteren Ordnungsgeldes auf den vorstehenden Betrag.

Ende der Entscheidung

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