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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.06.2000
Aktenzeichen: 7 U 208/99
Rechtsgebiete: KWG, BGB, ZPO


Vorschriften:

KWG § 23 a
BGB § 255
ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 208/99 1 O 55/99 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 08.06.2000

Verkündet am 08.06.2000

Lingnau, JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 11.5.2000 durch die Richter am Oberlandesgericht Martens, Dr. Kling und Dr. Thurn

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10.11.1999 (1 O 55/99) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 90%, die Klägerin zu 10%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Urteil ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs.1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Berufung und unselbständige Anschlussberufung sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Berufung

Ein Mitverschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens ist nicht gegeben. Wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, ist zwar auch im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Erstattungsanspruchs grundsätzlich zu berücksichtigen, ob der Geschädigte sich in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht hat. Der Mitverschuldenseinwand ist damit der Beklagten keinesfalls generell versperrt für die Fälle, dass ein Schaden durch die fehlende Zugehörigkeit einer Bank zu einem Einlagensicherungssystem entstanden ist. Ein Mitverschulden des Geschädigten ist dabei insbesondere denkbar, wenn konkrete Erkenntnisse über Liquiditätsschwierigkeiten der Bank vorliegen sollten und der Geschädigte in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis dieser Umstände gleichwohl keine Maßnahmen zur Sicherung seiner Einlagen unternimmt. Diese oder andere denkbare ein Mitverschulden begründenden Umstände sind hier aber unstreitig nicht gegeben, jedenfalls von der Beklagten nicht vorgetragen.

Allein die Tatsache, dass dem Geschädigten bekannt war, Einlagen bei einer Bank zu tätigen, die keinem Sicherungssystem angeschlossen ist, begründet für sich aber noch kein den Erstattungsanspruch minderndes Mitverschulden, schon gar nicht ein derartiges, dass der Erstattungsanspruch wegen verspäteter Umsetzung der EG-Richtlinie ganz entfiele. Es fehlt hier - wie die Kammer zutreffend angenommen hat - bereits an einer eigenen Sorgfaltspflichtverletzung des Geschädigten. Wer als normaler Bürger einer Bank in der Bundesrepublik Deutschland sein Geld anvertraut, tut dies in der Gewissheit, dass sein Geld sicher ist, solange nicht Umstände allgemein bekannt werden, die ernstliche Zweifel an der wirtschaftlichen Bonität und Solidität der Bank begründen. Der wirtschaftliche Zusammenbruch einer Bank stellt einen derartigen Ausnahmefall dar, dass ein Kunde auch dann nicht mit ihm rechnen muss, wenn ihm mitgeteilt wurde, dass es an der Zugehörigkeit zu einem Sicherungssystem fehlt. Den Mitgliedern des Senats ist kein Bankenzusammenbruch seit dem der Herstatt-Bank in den siebziger Jahren bekannt. Dies und die damals ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Anleger haben in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen lassen, Bankeinlagen seien grundsätzlich sicher.

Daran ändert auch der nach § 23 a KWG vorgeschriebene Hinweis auf die fehlende Zugehörigkeit zu einem Sicherungssystem nichts. Die Beklagte trägt selbst vor, dass der Anschluss an ein Einlagensicherungssystem jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt auf freiwilliger Basis erfolgte. Dass nahezu alle Banken einem solchen System angeschlossen waren und dass die nicht angeschlossenen Banken Ende 1992 hohe Verbindlichkeiten ausgewiesen haben sollen, sind keine Tatsachen, die ein durchschnittlicher Bankkunde wissen muss - auch die Mitglieder des Senats hatten bislang derartige Kenntnisse nicht. Angesichts des allgemein bestehenden Eindrucks von der hohen Sicherheit deutscher Banken kommt dann aber dem Hinweis auf das Fehlen spezieller Sicherheitsvorkehrungen keine besondere Bedeutung zu, schon gar keine den Kunden notwendig alarmierende. Davon, dass ein Kunde bewusst ein besonders hohes Risiko eingeht, weil er bei einer solchen Bank Einlagen tätigt, kann keine Rede sein.

Auch die möglicherweise etwas höheren Zinsversprechen entfalten keine Warnfunktion. Hohe Zinsen korrespondieren regelmäßig dann mit einem höheren Risiko, wenn das Anlagegeschäft als solches riskant - etwa spekulativ - ist. Wählt der Kunde aber eine prinzipiell sichere Anlage, geht er gerade nicht bewusst irgendein Risiko ein. Der Schluss, dass die Zinsen deshalb hoch sind, weil die Bank selbst das Risiko ist, liegt fern und muss von einem durchschnittlichen Kunden nicht gezogen werden. Näher liegt die Annahme, dass die Bank hohe Zinsen verspricht, weil sie über andere (möglicherweise auch riskantere) Geschäfte höhere Gewinne erwirtschaften kann.

Der Senat schließt sich auch der Erwägung der Kammer an, dass schon nach dem Schutzzweck der Einlagensicherungsrichtlinie der Mitverschuldenseinwand nicht auf die bloße Tatsache gestützt werden kann, Kunde bei einer nicht gesicherten Bank zu sein. Genau diese Kunden zu schützen, war der Zweck der Richtlinie, und zwar unabhängig davon, ob sich diese des eingegangenen Risikos bewusst waren oder nicht. Dieser Schutzzweck würde aber verfehlt und sogar in sein Gegenteil verkehrt, wenn den Kunden über den ausschließlich hierauf gestützten Mitverschuldenseinwand die Ansprüche genommen oder gemindert würden.

2. Anschlussberufung

Auch die Anschlussberufung der Klägerin, die sich gegen die Zug-um-Zug-Verurteilung richtet, ist nicht begründet. Würde die Klägerin entgegen aller heutigen Erwartungen aus dem Insolvenzverfahren doch noch eine Quote erzielen können, die die Differenz zur Haftungssumme nach Art. 7 der Einlagensicherungsrichtlinie von 20.000 Euro übersteigt, also mehr als (rund) zwei Drittel ihrer Einlagen, so würde sich ihr Erstattungsanspruch entsprechend vermindern. Es ist gegenüber der Beklagten weder interessengerecht noch praktikabel, die Beklagte für einen solchen Fall auf den Weg der Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs zu verweisen und ihr zudem das Insolvenzrisiko der Klägerin aufzubürden. Wenn die Kammer, von der Berufung nicht angegriffen, trotz verbleibender (wenn auch eher theoretischer) Restunsicherheiten über die endgültige Höhe des Schadens unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit für die Klägerin schon zur Leistung des vollen Schadensersatzes verurteilt hat, musste wenigstens sichergestellt werden, dass eine unerwartet hohe, den Schaden übersteigende Insolvenzquote unmittelbar der Beklagten zugute kommt. Dies war nur durch die Verurteilung zur Zug-um-Zug-Leistung möglich. Die analoge Anwendung von § 255 BGB ist hierfür ein geeigneter und sachgerechter Weg. Einer analogen Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass es sich um eine grundsätzlich eng auszulegende, nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift handeln würde. Das Gegenteil ist der Fall. Es handelt sich bei § 255 BGB um die spezielle Ausformung eines allgemeinen Gedankens des Schadensersatzrechts, die ohne weiteres zur Ausfüllung von Lücken herangezogen werden kann (vgl. insoweit BGHZ 106,313; Palandt-Heinrichs, 59.Aufl., § 255 Rn. 3). Dass nach bisherigem Wissensstand bzw. nach der Prognose des Konkursverwalters der Zug-um-Zug-Verurteilung keinerlei praktische Bedeutung zukommen dürfte, hindert die entsprechende Verurteilung nicht.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Eine - wenn auch geringfügige - Quotierung war für die zweite Instanz erforderlich. Maßgeblich ist grundsätzlich der Wert der zu erbringenden Gegenleistung für den Rechtsmittelführer (vgl. Zöller-Herget, 20. Aufl., § 3 ZPO, Stichwort "Zug-um-Zug-Leistung"). Der wirtschaftliche Wert ist hier zwar nicht einmal ungefähr abzuschätzen - das Risiko, dass die Bedingung eintritt, ist gering. Gleichwohl zeigt die Berufung der Klägerin, dass sie dieser Frage für sich offenbar nicht nur eine völlig untergeordnete Bedeutung beimisst, so dass es sachgerecht ist, sie jedenfalls geringfügig auch mit den Kosten des Rechtsmittels zu belasten. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Entscheidung der Kammer.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 713 ZPO.

Streitwert: 20.000 Euro.

Beschwer für beide Beklagten: unter 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

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