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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.12.1999
Aktenzeichen: 7 U 27/99
Rechtsgebiete: VOB/A, ZPO


Vorschriften:

VOB/A § 21
VOB/A § 24
VOB/A § 25
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 b
VOB/A § 24 Nr. 1 Abs. 1
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 27/99

Anlage zum Protokoll vom 16.12.1999

Verkündet am 16.12.1999

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Prior sowie die Richter am Oberlandesgericht Martens und Dr. Kling

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13.01.1999 - 4 O 199/98 - wie folgt abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs wird der Rechtsstreit an das Landgericht Aachen zurückverwiesen. Dieses hat auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte bei der Ausschreibung von Bauleistungen schuldhaft ihre Verpflichtungen verletzt hat und deshalb der Klägerin zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist.

Die Beklagte schrieb am 29.06.1995 den Neubau des Amtes für Abfallwirtschaft, Stadtreinigung und Fuhrparkwesen als "Hoch- und Tiefbauarbeiten einschließlich betriebstechnischer Einrichtungen" mit einer Investitionssumme von ca. 40 Millionen DM im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften aus. Als Vertragsform wurde ein "Leasingvertrag" vorgesehen und als Auftragsgegenstand u.a. die "Realisierung der Baumaßnahme aufgrund der genehmigten Planung auf städtischem Grundstück, Übertragung des Grundstücks im Wege des Erbbaurechts, Leasen des schlüsselfertigen Objekts und Übertragung nach 22,5 Jahren auf die Vergabestelle zu einem Restkaufpreis, Einräumen von Erwerbsoptionen nach 10 bzw. 15 Jahren" genannt. Als Verfahrensart wurde ein "nichtoffenes Verfahren/öffentlicher Teilnahmewettbewerb vor beschränkter Ausschreibung nach VOB" ausgeschrieben.

Neben der Klägerin beteiligten sich 20 weitere Unternehmen an dem Wettbewerb, wovon schließlich (insgesamt) 17 zugelassen wurden. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe erhielten die Firmen in den Ausschreibungsunterlagen u.a. eine als "Hinweise des Auftraggebers zur Ausgestaltung des Angebots" bezeichnete Anlage, (im folgenden kurz "Hinweise" genannt; (Anl. K 2)), in der es, soweit dies hier interessiert, wie folgt heißt:

"2. Maßgaben für den Leasingvertrag

a) Dauer des Leasingvertrages

Der Leasingvertrag soll auf 22,5 Jahre ... bei einem dann zu zahlenden Optionspreis von 4 Mio. DM abgeschlossen werden.

Die Anbieter werden gebeten, der Stadt die Optionspreise zu benennen, zu denen nach Ablauf von 10 bzw. 15 Jahren der Vertragsdauer des Leasingvertrages das Objekt erworben werden kann.

b) Leasingrate

Die Leasingrate wird fällig mit dem Zeit punkt der ... Übergabe des zu errichtenden Gebäudes.

c) Vorsteuerabzug

...

d) Einbauten und Einrichtungen

Für die betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen des Objekts, wie Kranbahn, Hebebühne pp., sollen separate Leasingverträge aufgrund der Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter abgeschlossen werden.

...

Das bewegliche Inventar wird durch den Leasingnehmer gestellt."

Den Ausschreibungsunterlagen wurden ferner "zusätzliche Hinweise" (Anl. K 3) beigefügt, in denen es u.a. wie folgt heißt:

"Vorbemerkung:

Diese Hinweise beschreiben ausschließlich die Bedingungen, unter denen der Leasinggeber ... die Planungs- und Bauleistungen, die zur Herstellung des Leasingobjektes führen, erbringt.

...

Grundlagen für die Erbringung der Planungs- und Bauleistungen in der aufgeführten Reihenfolge:

- ...

- die Leistungsbeschreibung (Ausschreibung) in der Reihenfolge ihrer Bestandteile

- die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), Teil B und Teil C, mit den vorliegenden "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" sowie die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), Teil B, in der jeweils gültigen Fassung,

...".

Zum Submissionstermin lagen vier Angebote vor. Die Klägerin war mit einem Bruttoangebot von 25.994.945,00 DM und einer Leasingrate von 2.195.600,00 DM p.a. mindestfordernd. In ihrem "Leasingkonzept zum Angebot "Amt für Abfallwirtschaft, Stadtreinigung und Fuhrparkwesen in A. vom 25.09.1996" (Anl. K 5) gab sie dazu u.a. folgende Rahmendaten bekannt:

"Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Leasingraten gehen wir von folgenden Gesamtinvestitionskosten (GIK) aus.

a)Bau- und Baunebenkosten DM 25.900.000,00 (incl. MwSt)

b)Notar- und Gerichtskosten DM 180.000,00

c)Grunderwerbsteuer DM 610.000,00

d)Zwischenfinanzierungskosten DM 790.000,00

DM 27.480.000,00

Im Text heißt es dann weiter:

"Bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Betriebsvorrichtungen sind in den Bau- und Baunebenkosten nicht enthalten."

Mit Schreiben vom 24.02.1997 (Anl. K 7) teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß ihr Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A vom Verfahren ausgeschlossen werden müsse, weil es keine Kosten für die betriebsspezifischen Einrichtungen enthalte, obschon dies nach den "Hinweisen" gefordert worden sei. Dieser Mangel sei nicht heilbar, da ein nachträgliches Angebot über die betriebsspezifischen Einrichtungen in Kenntnis der Angebote der übrigen Wettbewerber erfolgen und deshalb den Wettbewerb verzerren würde.

Die Klägerin wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10.03.1997 (Anl. K 8) an die Bezirksregierung Köln als Vergabeprüfstelle (VPSt) und erhob Widerspruch gegen die Entscheidung der Vergabestelle der Beklagten. Gleichzeitig gab sie die Kosten für die betrieblichen Einrichtungen mit 472.767,00 DM bekannt und verwies darauf, daß diese Kosten sowohl in der Gesamtangebotssumme von 25.994.945,00 DM als auch in der Gesamtleasingrate enthalten seien. Die Vergabeprüfstelle stellte mit Bescheid vom 11.06.1997 (Anl. K 11) fest, daß die Ausschließung des Angebots zu Recht erfolgt sei. Die Klägerin rief daraufhin den Vergabeüberwachungsausschuß des Landes Nordrhein-Westfalen (VÜA) an mit der Bitte, die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Vergabeprüfstelle festzustellen. Noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens erteilte die Beklagte am 27.10.1997 einem anderen Bewerber, der St., den Auftrag für den Bau des Amtes für Abfallwirtschaft. Der Vergabeüberwachungsausschuß hob nach mündlicher Verhandlung mit Bescheid vom 03.12.1997 (Anl. K 15) die angefochtene Entscheidung auf und gab der Vergabeprüfstelle auf, über den Widerspruch der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabeüberwachungsausschusses erneut zu entscheiden. Die Vergabeprüfstelle hielt mit Bescheid vom 16.06.1998 (Bl. 57 ff. d. GA) an ihrer ursprünglichen Auffassung fest. Daraufhin stellte der erneut angerufene Vergabeüberwachungsausschuß mit Beschluß vom 26.05.1999 (Bl. 233 d. GA) fest, daß die Entscheidung der Vergabeprüfstelle rechtswidrig sei. Die Beklagte will diesen Beschluß nicht gelten lassen und hat, wie sie angibt, im Juni 1999 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Anfechtungsklage (Bl. 261 ff. d. GA) erhoben.

Die Klägerin hat im wesentlichen geltend gemacht: Die Entscheidung der Vergabestelle der Beklagten, sie sei von dem Vergabeverfahren auszuschließen, sei rechtswidrig gewesen. Da sie das annehmbarste Angebot abgegeben habe, hätte ihr vielmehr der Zuschlag erteilt werden müssen. Die Beklagte habe ihr deshalb aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen den ihr entgangenen Gewinn in Höhe von 1.893.722,00 DM zu ersetzen.

Die Ausschreibungsunterlagen ließen bei verständiger Auslegung nur den Schluß zu, daß von den Anbietern gefordert worden sei, einen Pauschalpreis für sämtliche beauftragten Leistungen auszuweisen und eine einzige Leasingrate in einem einzigen Leasingvertrag zu benennen. In dieser Weise sei sie verfahren. Die Kosten für die betriebsspezifischen Leistungen seien in dem von ihr genannten Pauschalpreis enthalten. In den Ausschreibungsunterlagen finde sich an keiner Stelle ein Hinweis auf eine geforderte, gesonderte Ausweisung der betriebsspezifischen Einrichtungen. Ihr Hinweis in dem Leasingkonzept, daß bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Betriebsvorrichtungen nicht in den Bau- und Baunebenkosten enthalten seien, beziehe sich erkennbar auf die Angabe in den "Hinweisen", daß das bewegliche Inventar vom Leasingnehmer gestellt werde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.893.722,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (07.07.1998) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich im wesentlichen darauf berufen, daß das Angebot der Klägerin mit Recht zurückgewiesen worden sei. Aus den "Hinweisen" habe sich eindeutig ergeben, daß die betriebsspezifischen Einrichtungen separat ausgewiesen und zum Gegenstand getrennter Leasingverträge gemacht werden sollten. Hieran habe sich die Klägerin im Unterschied zu den anderen Anbietern nicht gehalten, so daß ihr Angebot nicht den Anforderungen des § 21 VOB/A entsprochen habe. Die Voraussetzungen für ein Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A hätten nicht vorgelegen, weil dies zu einer Änderung des Angebotsinhalts geführt hätte. Im übrigen hätte von allem anderen abgesehen auch ein Ausschluß der Klägerin wegen unangemessen niedriger Preise erfolgen müssen. Selbst wenn aber der Ausschluß zu Unrecht erfolgt sei, so fehle es für eine Haftung aus culpa in contrahendo an dem erforderlichen Verschulden, da die Entscheidung der Beklagten von der Vergabeprüfstelle ebenfalls als Rechtens angesehen worden sei.

Die Beklagte hat ferner die Schadensberechnung der Klägerin angegriffen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe nicht pflichtwidrig gehandelt. Der Ausschluß sei wegen fehlender Ausweisung der betriebsspezifischen Einrichtungen zu Recht erfolgt. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, mit der Klägerin in Anwendung des § 24 VOB/A etwa bestehende Unklarheiten abzuklären. Solche Unklarheiten hätten aus der Sicht der Beklagten nicht bestanden, so daß ein von ihr geführtes Aufklärungsgespräch unzulässig gewesen wäre.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 20.01.1999 zustellte Urteil mit einem bei Gericht am 22.02.1999 (Montag) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie innerhalb der ihr bewilligten Fristverlängerung mit bei Gericht am 22.04.1999 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach Maßgabe ihres erstinstanzlich gestellten Antrags zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und ergänzt ihren Sachvortrag und verteidigt die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseits gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. In der Sache selbst ist ein auf Ersatz des positiven Interesses gerichteter Anspruch der Klägerin aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) dem Grunde nach gegeben. Dementsprechend ist über den Klageanspruch unter Abänderung des angefochtenen Urteils durch Grundurteil (§ 304 ZPO) zu erkennen. Die Entscheidung über die - bestrittene und noch nicht entscheidungsreife - Höhe des Anspruchs ist hingegen dem Betragsverfahren vorzubehalten. Insofern ist die Sache zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

I.

Der Senat ist dadurch, daß die Beklagte, wie sie angibt, das Verwaltungsgericht zur Überprüfung des Beschlusses des Vergabeüberwachungsausschusses vom 26.05.1999 angerufen hat, nicht daran gehindert, eine Sachentscheidung zu treffen. Zum einen ist bereits äußerst zweifelhaft, ob - nach dem hier noch anzuwendenden alten Recht - der Verwaltungsrechtsweg zur Anfechtung von Beschlüssen des Vergabeüberwachungsausschusses überhaupt eröffnet ist. Die für den Streitfall noch einschlägige Verordnung über das Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (Nachprüfungsverordnung - NpV v. 22.02.1994 (BGBl. I S. 324)) sieht jedenfalls eine solche Verfahrensweise nicht vor. Der vergaberechtliche Rechtsschutz erfolgt (nach dem bis zum 31.12.1998 geltenden Recht) nicht vor den Gerichten. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der NpV ein System der "verwaltungsorientierten Überprüfung" geschaffen (vgl. die Begründung zur NpV BR-Drucksache 574/93 S. 1). Da die Vergabe selbst ein privatrechtlicher Akt ist, endet der spezifische vergaberechtliche Rechtsschutz bei den Vergabeüberwachungsausschüssen. Eine Anfechtung ihrer Beschlüsse kommt in aller Regel nicht in Betracht (vgl. dazu näher: Dreher, ZIP 1995, 1869 (1873)). Abgesehen davon wäre eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts für die von den Zivilgerichten zu treffende Entscheidung, ob der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen rechtswidrig gehandelt hat und deshalb zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist, nicht vorgreiflich. Für die hierzu zu treffende Entscheidung sind ebensowenig die Beschlüsse der Vergabeprüfstelle und des Vergabeüberwachungsausschusses bindend.

II.

1.

Das angefochtene Urteil geht im Ansatzpunkt zutreffend von den in höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen zur Haftung bei einer öffentlichen Ausschreibung aus (vgl. dazu: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 8. Aufl., Einl. Rn. 8 m.w.N.). Danach wird zwischen dem Ausschreibenden einerseits und dem interessierten Bieter andererseits spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen ein auf eine mögliche Auftragserteilung gerichtetes vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet (vgl. z.B. BGH NJW 1998, 3636). Aus dem bereits im vorvertraglichen Stadium bestehenden Vertrauensverhältnis kann sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Pflicht zur Aufklärung, Beratung und Fürsorge ergeben. Zu beachten sind insbesondere im Geltungsbereich der VOB/A die Einhaltung der Vergabegrundsätze (§§ 2 bis 8), die Aufstellung richtiger Vergabeunterlagen (§§ 9 bis 15) und die ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens (§§ 18 bis 29). Ein schuldhaftes Abweichen von den genannten Vergabebestimmungen der VOB/A kann nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen Schadensersatzansprüche des interessierten Bieters auslösen. Sie sind auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den der Bieter dadurch erlitten hat, daß er darauf vertraut hat, die Ausschreibung werde nach den Regelungen der VOB/A abgewickelt und insbesondere das Angebot nicht aus anderen als den in § 25 VOB/A genannten Gründen ausgeschlossen. Ein daraus abgeleiteter Anspruch ist im allgemeinen auf Ersatz des negativen Interesses beschränkt, kann aber in besonderen Fällen auch den Ersatz des positiven Interesses, insbesondere den durch Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn erfassen (BGH a.a.O. m.w.N.).

2.

Auf dieser Grundlage ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegeben. Entgegen der Ansicht des Landgerichts wäre die Klägerin bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens mit ihrem Angebot nicht ausgeschlossen worden und der Auftrag hätte ihr als annehmbarster Bieterin erteilt werden müssen.

Die Beklagte hat den auf §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A gestützten Ausschluß damit begründet, daß die Klägerin die sich aus der Ausschreibung ergebende Realisierungsvorgabe, die Kosten für die betriebsspezifischen Einrichtungen (separat) auszuweisen, nicht erfüllt habe und dieser - nach ihrer Ansicht - wesentliche Mangel nicht mehr durch Aufklärung des Angebotsinhalts (§ 24 VOB/A) heilbar gewesen sei.

Diese Begründung ist jedoch nicht tragfähig, weil die Beklagte jedenfalls verpflichtet war, sich wegen der von ihr selbst verursachten Unklarheiten der Ausschreibung über den Inhalt des Angebots zu unterrichten (§ 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A). Zwar könnte den sogenannten "Hinweisen", die Teil der Ausschreibung waren, entnommen werden, daß die Kosten des Bauwerks einerseits und die der betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen andererseits getrennt auszuweisen waren. Hierfür könnte etwa sprechen, daß nach Ziffer 2. d) der "Hinweise" für die betriebsspezifischen Einrichtungen wegen der (kürzeren) Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter separate Leasingverträge abgeschlossen werden sollten. Zwingend ist dies jedoch nicht. Ziffer 2. der "Hinweise" befaßt sich nämlich zunächst nur mit "dem Leasingvertrag". Es werden ganz bestimmte Vorgaben zur Dauer (22,5 Jahre), zur Abschreibung (4 %) und zum Optionspreis (4 Millionen DM) gemacht. Dabei wird (zunächst) nicht differenziert zwischen gesondert abzuschließenden, die Kosten des Bauwerks und der betriebsspezifischen Einrichtungen betreffenden Leasingverträgen. Demzufolge ist in der weiteren Abfolge der "Hinweise" auch nur von der "Leasingrate" die Rede. Erst Ziffer 2. d) der "Hinweise" enthält die Mitteilung, daß für die betriebsspezifischen Einrichtungen separate Leasingverträge abgeschlossen werden sollen. Im Unterschied zu Ziffer 2. a) fehlen jedoch konkrete Vorgaben zu den abzuschließenden Verträgen. Dies weist darauf hin, daß insoweit noch kein Leasingkonzept erarbeitet werden sollte. Auch die St., die den Zuschlag erhalten hat, und die D. haben dies in diesem Sinne verstanden und (insoweit) kein Leasingkonzept entwickelt. Es tritt hinzu, daß in den "Hinweisen" zu den betriebsspezifischen Einrichtungen nur beispielhaft "Kranbahn" und "Hebebühne pp." genannt werden. Der genaue Umfang dessen, was die Beklagte bezogen auf das konkrete Objekt unter betriebsspezifischen Einrichtungen verstand, blieb sonach offen. Auch die Leistungsbeschreibung gab hierzu keine sichere Auskunft. Unter B 4.12 - besondere betriebliche Einbauten - werden u.a. die Demontage, der Transport und die Montage des Streugutsilos, die Umsetzung des Altölsammelbehälters, die Lieferung und Montage eines Rollen-Bremsprüfstandes, die Lieferung von Grubenhebern und Laufkatzen genannt. Damit bringen aber die "Hinweise" der Beklagten zur Ausgestaltung des Angebots nicht klar genug zum Ausdruck, ob die Vergabestelle ein Pauschalangebot einschließlich der daraus zu errechnenden Leasingrate für sämtliche Bauleistungen oder neben dem Angebot für das Bauwerk ein gesondertes Angebot für die "betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen" erwartete mit der Folge, daß (nur) in diesem Fall die darauf entfallenden Kosten gesondert auszuweisen waren. Die inhaltliche Fassung der "Hinweise" spricht sogar eher dafür, Ziffer 2. d) als bloße Absichtserklärung und nicht als zwingende Voraussetzung für die Abgabe des Bieterangebotes anzusehen. Wenn die Beklagte insofern eine verbindliche Vorgabe für alle Bieter hätte machen wollen, so hätte sie diese Forderung an anderer Stelle als in den "Hinweisen" zum Ausdruck bringen müssen. Es erscheint deshalb vertretbar, wenn die Klägerin die "Hinweise" dahingehend verstand, daß nur ein sämtliche Bauleistungen umfassender Pauschalpreis und ein darauf abgestelltes Leasingkonzept angeboten werden sollten. Dementsprechend ist sie auch verfahren. Soweit die Beklagte darauf verweist, daß die übrigen Anbieter die "Hinweise" (richtigerweise) in ihrem Sinne verstanden hätten, trifft dies nur teilweise zu. Zwar werden von ihnen die "Kosten der Einbauten" (vgl. den Beschlußentwurf Bl. 74 d. GA) separat angegeben. Die von der St. und der D. genannten Leasingraten beziehen sich aber allein auf die Kosten des Bauwerks. Die gesonderte Ausweisung von Leasingraten für die betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen fehlt dagegen.

3.

Bei dieser Sachlage hätte sich aber die Beklagte über den genauen Inhalt des Angebots der Klägerin unterrichten müssen (§ 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A). Dazu hatte sie um so mehr Anlaß, als sie sich bei kritischer Würdigung der hier gegebenen Umstände sagen mußte, daß das - nach ihrer Ansicht - lückenhafte Angebot der Klägerin auf Unzulänglichkeiten der Ausschreibung zurückzuführen war. Denn die Komplexität der Ausschreibung, die insbesondere auf der Einbindung finanztechnischer Abläufe und der Beurteilung steuerlicher Aspekte beruhte, erforderte eine sorgfältige, Irrtümer ausschließende Beschreibung des Angebots, die gegebenenfalls durch Erläuterungen zu ergänzen war (§ 9 VOB/A). Irrtümer waren aber hier vorgezeichnet, weil die Ausschreibung eine eindeutige Erklärung darüber vermissen ließ, ob die Kosten der betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen (bereits in diesem Verfahrensstadium) von den Kosten des Bauwerks zu separieren waren. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß nach dem ausdrücklichen Hinweis im Leasingkonzept der Klägerin "bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Betriebsvorrichtungen in den Bau- und Baunebenkosten" nicht enthalten waren und demzufolge wegen der Unheilbarkeit dieses - nach ihrer Ansicht - wesentlichen Mangels eine nachträgliche Unterrichtung über das Angebot nicht in Betracht kam, führt dies, was die ihr obliegende Unterrichtungspflicht angeht, zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn der Hinweis der Klägerin bezog sich erkennbar auf bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Betriebsvorrichtungen und nicht auf betriebsspezifische fest eingebaute Einrichtungen. Bei der Wahl dieser Formulierung drängte sich auf, daß die Klägerin damit lediglich klarstellen wollte, daß das vom Leasingnehmer zu stellende Inventar entsprechend der Vorgabe unter 2.d) a.E. der "Hinweise" nicht Teil des Angebotes ist. Daß dies in diesem Sinne gemeint war, erschloß sich auch deshalb, weil das Angebot selbst und die dazu gegebenen Erläuterungen keinerlei Einschränkungen enthielten, was die betriebsspezifischen Einrichtungen (unabhängig von ihrem genauen Inhalt) betraf. Vielmehr hat sich die Klägerin in ihrem Angebot ausdrücklich auf die ihr überlassenen Ausschreibungsunterlagen bezogen, die die betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen, was auch immer darunter verstanden werden konnte, mit umfaßten. Damit lag es eigentlich auf der Hand, daß die Klägerin nicht einzelne Leistungsteile, namentlich nicht die betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen von ihrem Angebot ausnehmen wollte.

4.

Dies alles hätte der Beklagten Anlaß geben müssen, sich über den genauen Inhalt des Angebots zu unterrichten. Wäre sie so verfahren, dann hätte sie die notwendige Klarstellung und Festlegung erfahren, daß in dem Brutto-Angebotspreis von 25.994.945,00 DM die Kosten der betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen mit dem später von der Klägerin genannten Betrag von 472.767,00 DM enthalten waren und damit an dem sämtliche Bauleistungen umfassenden Leasingkonzept teilnahmen.

Unter Anwendung des § 287 ZPO und Würdigung der hier gegebenen Umstände hätte die Beklagte nach Offenlegung der (vermeintlichen) Unklarheiten der Klägerin als preisgünstigster Anbieterin den Zuschlag erteilen müssen. Denn die Klägerin lag mit ihrem Angebot, was die Höhe des Pauschalpreises und die Leasingrate angeht, noch deutlich unter dem der St.; anders als bei dem Angebot der St. bezog sich in ihrem Angebot die Leasingrate sogar auf sämtliche Bauleistungen.

Soweit die Beklagte darauf verweist, daß die von der Klägerin im nachhinein genannten Kosten für die betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen von 472.767,00 DM zu den von der Zweitanbieterin St. bezifferten Kosten von 1.336.895,00 DM in einem auffälligen Mißverhältnis stünden und deshalb das Angebot unter diesem Gesichtspunkt hätte ausgeschlossen werden müssen, ist dies deshalb schon nicht schlüssig, weil nach der (unzureichenden) Ausschreibung unklar blieb, was unter die "betriebsspezifischen fest eingebauten Einrichtungen" fiel und deshalb ein Vergleich mit den Angeboten der Mitbewerber letztlich nicht möglich war. Die augenscheinliche Differenz zwischen dem Angebot der Klägerin und dem der St. kann nämlich darauf beruhen, daß die Klägerin die betriebsspezifischen Einrichtungen begrifflich enger gefaßt hat. Auch hierüber hätte sich die Beklagte Klarheit verschaffen können.

5.

Die Beklagte hat bei Abfassung der Ausschreibungsunterlagen und insbesondere bei der Abwicklung des Vergabeverfahrens sorgfaltswidrig (§ 276 BGB) gehandelt. Aufgrund der hier gegebenen Umstände hätte sie sich, wie oben bereits ausgeführt, über das Angebot der Klägerin unterrichten müssen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, daß die Vergabeprüfstelle die von ihr getroffene Entscheidung als rechtens angesehen habe, vermag sie dies schon deshalb nicht zu entlasten, weil der Vergabeüberwachungsausschuß mit Recht festgestellt hat, daß die Entscheidungen der Vergabeprüfstelle auf einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung und -würdigung beruhen und deshalb recht fehlerhaft sind. Ebensowenig schließt der Umstand, daß das Landgericht den Ausschluß des Angebots der Klägerin für rechtmäßig gehalten hat, das Verschulden der Beklagten aus. Zum einen hat das Landgericht außer Acht gelassen, daß die Beschreibung der "betriebsspezifischen, fest eingebauten Einrichtungen" in 2. d) der Hinweise unzulänglich war. Unter "pp." konnte der Anbieter alles Mögliche verstehen oder auch nicht verstehen. Die Erwägung des Landgerichts, das Schreiben der Klägerin vom 10.03.1997 belege, daß diese in der Lage gewesen sei, dem Begriff "betriebsspezifische Einrichtung" konkrete Gegenstände zuzuordnen, geht am Kern der Sache vorbei. Denn was die Klägerin wirklich darunter verstanden hat, läßt sich dem Schreiben nicht entnehmen; wie oben ausgeführt, kann der Preisunterschied gegenüber dem St.-Angebot gerade darauf beruhen, daß beide Anbieter den Begriff unterschiedlich interpretiert haben.

Zum anderen hat das Landgericht den Passus im Angebot der Klägerin, bewegliche Wirtschaftsgüter bzw. Betriebsvorrichtungen seien in den Bau- und Baunebenkosten nicht enthalten, zu Unrecht als ausschreibungswidrig qualifiziert; die sich aufdrängende Möglichkeit, daß der Passus sich auf 2. d) letzter Absatz der Hinweise bezog, hat es überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Im übrigen sieht die Beklagte selbst (S. 2 der Berufungserwiderung, Bl. 245 GA) den "entscheidenden Mangel" des Angebots darin, daß die betriebsspezifischen Einrichtungen nicht, in welcher Abgrenzung auch immer, im Angebotspreis enthalten gewesen seien; wäre es nur um Abgrenzungsfragen gegangen, hätte sie "kaum gezögert", eine "zusätzliche Erläuterung zu erbitten". In Wahrheit gab es diesen "entscheidenden Mangel" nicht, denn wenn die Klägerin auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung ein Angebot abgab, war dieses grundsätzlich umfassend zu verstehen. Daran änderte der o.a. Passus im Angebot der Klägerin, wie ausgeführt, nichts. Wenn die Beklagte insoweit Zweifel hatte, hätte sie nachfragen müssen.

6.

Die Klägerin kann danach nach den eingangs dargelegten Grundsätzen (ausnahmsweise) den Ersatz des positiven Interesses beanspruchen. Wäre ihr Angebot nicht ausgeschlossen worden, hätte ihr ggfls. nach (zulässiger) Erläuterung gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A, als preisgünstigster Bieterin der Zuschlag erteilt werden müssen.

Die für ein Grundurteil erforderliche Wahrscheinlichkeit, daß der Klägerin irgendein Schaden entstanden ist, ist ohne weiteres zu bejahen. Der Senat hält es nicht für sachdienlich (§ 540 ZPO), selbst die erforderliche Aufklärung zur Schadenshöhe durchzuführen.

III.

Über die Kosten der Berufung ist in der das Verfahren abschließenden Entscheidung mitzuentscheiden.

Die Beschwer der Beklagten liegt über 60.000,00 DM.



Ende der Entscheidung

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