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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 7 U 48/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 16.03.2009 - 1 O 457/07 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 3, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil muss abgeändert und die Klage abgewiesen werden, weil sie unbegründet ist.

Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft verkannt, dass eine Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung nur unter besonderen Umständen, die umfassend zu würdigen sind, zuzubilligen ist. Insbesondere sind seine diesbezüglichen Erwägungen, es sei keine zwingende Voraussetzung, dass die streitgegenständliche Unterbringung gesundheitliche Beeinträchtigungen des Untergebrachten zur Folge habe oder aus schikanöser Absicht erfolgt sei, diese Kriterien seien bei der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen, in dieser Allgemeinheit nicht richtig.

Denn der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass nicht jeder Fall einer Menschenrechtsverletzung eine zusätzliche Wiedergutmachung durch Geldentschädigung erfordert. Der Anspruch auf Geldentschädigung ist von der vom Geschädigten darzulegenden Erheblichkeit des Eingriffes abhängig zu machen. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffes (Dauer und Folgen des Eingriffes insbesondere gesundheitlicher Art), ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens. Zu berücksichtigen ist auch, ob dem Betroffenen nicht schon durch die Regelungen des Primärrechtsschutzes Genugtuung widerfahren kann (vgl. grundsätzlich BGH Urteil vom 04.11.2004 III ZR 361/03 zitiert nach juris Rz 14 und Rz 15).

Der Senat folgt dem.

Danach ist hier aber eine Entschädigung in Geld nicht als zur Genugtuung erforderlich anzusehen: Die Frage, ob überhaupt eine menschenunwürdige Unterbringung zu bejahen ist, kann daher letztlich im Ergebnis dahinstehen.

Auch wenn man davon ausgeht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse bei der hier gegebenen Doppelbelegung in einer - so der Kläger ca. 6,8 m2 bzw. das beklagte Land ca. 7,6 m2 - großen Zelle ohne baulich abgetrennte Toilette als sehr beengt dargestellt haben und es sich bei dem Kläger unstreitig um einen insulinpflichtigen Diabetiker gehandelt hat bzw. handelt, so ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger im Sinne der Erheblichkeitsschwelle unter der gemeinschaftlichen Unterbringung besonders gelitten hat. Den Eintritt diesbezüglicher besonderer Folgen, und zwar in seiner Person, hat der Kläger für die streitgegenständlichen Zeiträumen in konkreter Weise nicht dargelegt, was aber nach den oben dargestellten Grundsätze seine Sache ist. Auf solche hat sich der Kläger insbesondere auch nicht nach seiner Haftentlassung in seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 16.09.2007 (Bl. 49 - 51 GA) in konkreter Weise berufen, sondern nur pauschal auf eine "medizinisch nicht vertretbare Doppelbelegung (Schwerbehinderung, Diabetes)" verwiesen, und zwar, ohne dass dem Schreiben ein besonderer Nachdruck zu entnehmen ist. Dies gilt auch für sein Beschwerdeverhalten während der Haft: Zwar soll nach den Feststellungen des Landgerichtes, die allerdings von dem beklagten Land mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen werden, sich der Kläger noch während der Haft gegenüber Justizvollzugsbeamten mündlich beschwert haben. Der Zeuge T hat auch bekundet, er könne sich erinnern, dass der damalige Bereichsleiter I in die Zelle gekommen sei und kumpelhaft sinngemäß gesagt habe, "Jungs, was soll das denn, ihr wisst doch, dass wir überbelegt sind, kümmert euch um Arbeit", um sodann hinzuzufügen, er könne den Antrag ja wegschmeißen. Hiergegen hat der Kläger jedoch nicht nachhaltig und in förmlicher Weise - zumindest ist dies auch der Aussage des Zeugen nachvollziehbar und beweiskräftig nicht zu entnehmen und wird auch vom Landgericht ausdrücklich offen gelassen - remonstriert. Danach hat er aber seinen vorgetragenen Wunsch auf Zuteilung einer Einzelzelle - auch im Rahmen des Primärrechtschutzes - nicht mehr weiterverfolgt und die gemeinschaftliche Belegung hingenommen. Allein mit der Eingabe des Klägers vom 26.05.2004 (Bl. 316 Band 2 der Gefangenenakte) ist aktenkundig, dass der Kläger um ein "Gespräch wegen der Vollzugssituation" gebeten hat; nach dem Vermerk des Vollzugbeamten ist auch hierüber mit dem Kläger gesprochen worden, wobei dieser geäußert hat, dass er "nach B 1 in eine Dreierzelle umziehen möchte"

Schließlich ist zu würdigen, dass der Grad des Verschuldens auf Seiten des beklagten Landes im unteren Bereich anzusiedeln ist. Unstreitig ist nämlich die Doppelbelegung für die streitgegenständlichen Zeiträume dadurch veranlasst worden, dass in dieser Zeit eine - auch aus Sicht des Klägers als damaligen Insassen zu begrüßende - Grundsanierung einzelner Gebäudeteile der JVA stattfand: Die Zusammenlegung der beiden Gefangenen war daher nicht sachwidrig motiviert, sondern lag in den damaligen Vollzugsbedingungen begründet, wobei zudem zu berücksichtigen ist, dass vom beklagten Land die der Anstalt mitgeteilte Suizidgefährdung beim Kläger als weiterer Grund für die Zusammenlegung angeführt wird. In Anbetracht dessen könnte allenfalls von einem Organisationsverschulden auf Seiten des beklagten Landes ausgegangen werden, sofern für die Sanierungszeit nicht eine ausreichende Haftraumreserve gebildet und vorgehalten worden ist. Von einem "schikanösen" Verhalten des beklagten Landes bzw. seiner Bediensteten kann keine Rede sein.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO, 713.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallsache ohne grundsätzliche Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.000,-- €

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