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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.05.2005
Aktenzeichen: 8 Ss 66/05
Rechtsgebiete: StGB, BGB


Vorschriften:

StGB § 77
StGB § 247
BGB § 1896
BGB § 1902
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

8 Ss 66/05

In der Strafsache

wegen Untreue

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2005 nach Anhörung der Staatsanwaltschaft

am 20. Mai 2005

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

In dem auf die Strafanzeige der Rechtsanwältin F aus L als Betreuerin der am 9. August 1912 geborenen Frau K T, der Mutter des Angeklagten, eingeleiteten Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft unter dem 17. Mai 2005 Anklage wegen 27 Fällen der Untreue, davon in 18 Fällen in einem besonders schweren Fall, erhoben.

Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten - unter Verfahrensbeschränkung nach § 154 StPO - wegen Untreue in 9 Fällen (§§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 1, 247) StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten ist durch Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2005 verworfen worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 28. Januar 2005 eingelegte Revision, die unter dem 10. März 2005 begründet worden ist. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts und beantragt die Einstellung des Verfahrens, weil ein wirksam gestellter Strafantrag nicht vorliege.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

Das Verfahren ist einzustellen, weil es an einem nach §§ 266 Abs. 2, 247 StGB erforderlichen wirksamen Strafantrag als Verfahrensvoraussetzung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., Einleitung Rdn. 143) fehlt. Die Entscheidung ergeht nach § 206 a Abs. 1 StPO (vgl. BGHSt 24, 208, 212; 32, 275, 290; gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Rechtsmittelverfahren bei bereits vor Erlaß des angefochtenen Urteils eingetretenen Verfahrenshindernissen: Meyer-Goßner, § 206 a Rdn. 6; § 349 Rdn. 29, Tolksdorf in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 206 a Rdn. 4; wie hier hingegen und entsprechend der Rechtsprechung des BGH: bei BayObLG 85, 52, 55 = JR 86, 430; OLG Frankfurt NJW 91, 2849; Rieß in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 206 a Rdn. 14-15 a; Hanack in Löwe-Rosenberg, § 349 Rdn. 35).

Die Verurteilung des Angeklagten ist erfolgt, weil er nach den Feststellungen als am 25. Februar 2000 für seine Mutter bestellter Betreuer in der Zeit vom 28. April 2002 bis zum 31. Juli 2002 in neun Fällen Barabhebungen von einem Girokonto seiner Mutter tätigte und die Gelder zu eigenen Zwecken verwendete. Der insoweit zur Strafverfolgung nach §§ 266 Abs. 2, 247 StGB erforderliche Strafantrag ist nicht wirksam gestellt.

Zwar ist die Strafanzeige der Rechtsanwältin F vom 14. Juli 2003, die kraft der am 5. Juni 2003 (Bl. 3 d.A.) erfolgten Bestellung zur Betreuerin der Frau K T für die Aufgabenkreise "Vertretung bei Behörden" und "Vermögenssorge (einschließlich Erbschaftsangelegenheiten) und insoweit der Postkontrolle" erstattet worden war, zugleich die Stellung eines Strafantrages zu entnehmen. Sie bringt das Begehren eines strafrechtlichen Einschreitens wegen bestimmter Handlungen erkennbar zum Ausdruck, was für § 77 StGB genügt (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 77 Rdn. 24). Auf den unter dem 10. September 2003 nochmals ausdrücklich gestellten Strafantrag (Bl. 25 d.A.), der wegen des zeitlichen Abstandes zu der an die schon am 5. Juni 2003 erfolgte Bestellung zur Betreuerin nach Ablauf der Antragsfrist des § 77 b Abs. 1 StGB gestellt sein könnte, kommt es nicht mehr an.

Der zur Zeit der Stellung des Strafantrages bestehende Wirkungskreis der Betreuerin Rechtsanwältin F aus der Bestellungsurkunde des Amtsgerichts Köln vom 5. Juni 2003 berechtigte diese indessen zur Antragstellung nicht.

Das Landgericht hat den Strafantrag durch Rechtsanwältin F deswegen als wirksam angesehen, weil der Wirkungskreis "Vertretung bei Behörden" auch die Stellung von Strafanträgen bei der Staatsanwaltschaft umfasse. Das ist rechtsfehlerhaft; auch die Generalstaatsanwaltschaft stützt ihren Antrag nicht auf diesen Gesichtspunkt. Die Vertretung bei Behörden erstreckt sich (nur) auf die eigenen Angelegenheiten der betreuten Person in ihrem Verhältnis zu Behörden (wie beispielsweise die Unterstützung bei der Beschaffung eines Passes, vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1896 Rdn. 20).

Das Recht zur Stellung eines Strafantrages stand der Rechtsanwältin F auch nicht deswegen zu, weil ihr der Aufgabenkreis "Vermögenssorge" übertragen war und mit der dem Angeklagten vorgeworfenen Untreue ein Vermögensdelikt in Rede steht. Zwar wird im zivilrechtlichen Schrifttum vereinzelt die Ansicht vertreten, dass das Recht zur Stellung eines Strafantrages in dem Aufgabenkreis, zu dem das verletzte Rechtsgut gehört, ohne weiteres enthalten sei (so Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1896 Rdn. 92 für den hier allerdings nicht vergleichbaren, weil nicht auf die familiären Verhältnisse bezogenen, Fall des § 303 c StGB). Nach der strafrechtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur, der auch der Senat folgt, hingegen hat der (nur) für Vermögensangelegenheiten bestellte Pfleger oder Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge keine Befugnis zur Stellung eines Strafantrages für den von ihm Vertretenen (vgl. OLG Hamm NJW 60, 834; LG Hamburg NStZ 02, 39, 40; Tröndle/Fischer a.a.O. § 77 Rdn. 14; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 77 Rdn. 18; im Ausgangspunkt nicht anders LG Ravensburg FamRZ 01, 937 [dazu auch unten]). Denn die Vertretungsmacht des Betreuers wird durch seinen gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis (§ 1897 Abs. 1 BGB) begrenzt (LG Hamburg a.a.O. S. 40; Stree/Sternberg-Lieben a.a.O.; vgl. auch Palandt-Diederichsen a.a. O. § 1902 Rdn. 4). Die Befugnis, einen Strafantrag zu stellen, ist im Falle des § 247 StGB ein höchstpersönliches Recht (LG Hamburg a.a.O. S. 40) und in der Eltern-Kind-Beziehung bei einer Straftat des Kindes Bestandteil der elterlichen Gewalt und Angelegenheit der Personenfürsorge (OLG Hamm a.a.O. S. 835). Das Recht der Betreuerin, im Rahmen der bloßen Vermögenssorge als gesetzliche Vertreterin der Betreuten tätig zu werden, erstreckt sich daher nicht auf § 77 Abs. 3 StGB.

§ 77 Abs. 3 StGB ist aber auch nicht etwa (analog) anzuwenden, weil - so die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift - Rechtsanwältin F bei der Stellung des Strafantrages am 14. Juli 2003 als gesetzliche Vertreterin der betreuten Mutter des Angeklagten wegen deren Geschäftsunfähigkeit zur Antragstellung berechtigt gewesen sei und weil daher der durch die Bezeichnung "Vermögenssorge" konkretisierte Aufgabenbereich über den Wortlaut hinaus umfassender verstanden werden müsse. Soweit in der Rechtsprechung (LG Ravensburg FamRZ 01, 937; dem folgend Palandt-Diederichsen a.a.O. § 1896 Rdn. 20) ein mit der Besorgung von Vermögensangelegenheiten beauftragter Betreuer dann zur Stellung eines Strafantrages als berechtigt angesehen wird, wenn sein Aufgabenkreis weit über die Regelung der Vermögensangelegenheiten hinaus geht und von dem (Ausnahme-) Fall der sogenannten Totalbetreuung nicht mehr weit entfernt ist, entspricht dies nicht den Gegebenheiten des hier zu entscheidenden Falles. Aus der dem Gutachten vom 20. Januar 2002 ("Vollbild einer Demenz") zu entnehmenden Geschäftsunfähigkeit der Betreuten ergibt sich für die Rechtstellung der Rechtsanwältin F nichts anderes. Entsprechend der Anregung des Sachverständigen Dr. H war für die von ihm vorgeschlagenen fünf einzelnen (damit also schon vom Wortlaut her nicht vollständig eine gesetzliche Vertretung ergebenden) Tätigkeitsbereiche (Aufenthaltsbestimmung / Sorge für die Gesundheit / Entscheidung über Empfang und Öffnen der Post / Vertretung bei Behörden / Vermögenssorge einschließlich Erbschaftsangelegenheiten) der Angeklagte mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 25. Februar 2000 zum Betreuer bestellt worden (Bl. 22 in SH Ablichtungen von 53 XVII St 545/99 AG Köln). Zwar kann der so bestimmte Aufgabenkreis wenigstens im Wege der Auslegung noch als (nahezu) umfassend bezeichnet werden und damit einer Totalbetreuung nahe kommen. Dies gilt jedoch nicht gleichermaßen für die Stellung der Rechtsanwältin F bei der Stellung des Strafantrages am 14. Juli 2003. Denn zu diesem Zeitpunkt waren ihr aus dem vorgenannten Aufgabenkreis gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 5. Juni 2003 (Bl. 3 d.A.) nur zwei Bereiche übertragen worden, nämlich Vertretung bei Behörden und Vermögenssorge. Im übrigen war der Angeklagte zum damaligen Zeitpunkt Betreuer geblieben. Erst mit späterem Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 24. November 2003 (Bl. 146 d.A.) wurde der Angeklagte aus seinem Amt als Betreuer entlassen und wurde der Rechtsanwältin F die Betreuung für alle fünf vorgenannten Aufgabenkreise (quasi als Totalbetreuung) übertragen. Bis dahin und damit zur Zeit der Strafantragstellung hatte ihr neben der Vertretung bei Behörden die Vermögenssorge nur als Einzelaufgabe oblegen, die zur Stellung eines Strafantrages als Entscheidung aus den höchstpersönlichen Beziehungen unter Angehörigen gerade nicht berechtigt.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Anlaß für die Anwendung des § 467 Abs. 4 StPO besteht angesichts des von Anfang an gegebenen Verfahrenshindernisses nicht.

Ende der Entscheidung

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