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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 8 U 24/07
Rechtsgebiete: ZPO, AO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
AO § 169
AO § 169 Abs. 2
AO § 171 Abs. 3a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 22.05.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 15 O 405/06 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Sie mag innerhalb der Frist mitteilen, ob die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückgenommen wird.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz wegen angeblicher Pflichtverletzung des Beklagten im Rahmen seiner Tätigkeit als steuerlicher Berater der Klägerin, die bis Ende Oktober 1996 eine Schank- und Speisewirtschaft in F betrieb. Das Grundstück stand im Eigentum einer Bruchteilsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrem Ehemann. Nach der Betriebsaufgabe verpachtete die Gemeinschaft das Grundstück sowie einen Teil des Inventars an einen neuen Betreiber der Gaststätte. Das restliche Inventar wurde an den neuen Inhaber veräußert, allerdings wurde der Vorgang nicht in der Buchführung der Klägerin berücksichtigt. Das Finanzamt F erlangte im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung beim Nachfolger Kenntnis vom Veräußerungsvorgang. Da die Klägerin für das Jahr 1996 keine Umsatzsteuererklärung eingereicht hatte, schätzte das Finanzamt mit Bescheid vom 31.3.1999 die Besteuerungsgrundlagen und setzte für 1996 - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - einen Betrag von 12.100,- DM als Umsatzsteuer fest. Die Klägerin zahlte den Betrag, ließ aber durch den Beklagten Einspruch einlegen, der mit der Vorlage der entsprechenden Erklärungen für 1996 begründet wurde. Das Finanzamt teilte am 10.01.2002 mit, dass es eine Verböserung des Umsatzsteuerbescheides beabsichtige und von höheren Einkünften und Umsätzen ausgehen wolle. Der Beklagte beantragte daraufhin Fristverlängerung zur Stellungnahme, die in der Folgezeit aber auch auf Nachfragen des Finanzamts nicht abgegeben wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.01.2004 wies das Finanzamt sodann den Einspruch der Klägerin zurück und setzte die Umsatzsteuer auf insgesamt 31.395,37 € fest. Die dagegen erhobene finanzgerichtliche Klage wurde von der Klägerin nach Hinweis des Berichterstatters zurückgenommen. Den gegenüber der Schätzung erhöhten Betrag sowie Zinsen und Säumniszuschläge begehrt die Klägerin als Schadensersatz.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Einspruch bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 169 AO zurückzunehmen; in diesem Falle wäre es bei der für sie günstigeren Schätzung der Umsatzsteuer geblieben und der entsprechende Schaden vermieden worden.

Der Beklagte hat sich im Wesentlichen darauf berufen, die Klägerin habe nur die gesetzlich geschuldeten Steuern entrichten müssen, weshalb ihr kein Schaden entstanden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin sei kein Schaden im Rechtssinne entstanden, da die Besteuerung der materiellen Rechtslage entsprochen habe und die Klägerin nur über eine bloße Chance, nicht aber über eine schützenswerte Rechtsposition verfügt habe, die günstigere Besteuerung durch Einspruchsrücknahme am 31.12.2003 herbeizuführen.

II.

Der zulässigen Berufung ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand in der Sache keine Erfolgsaussicht beizumessen. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

Der Senat bezieht sich vorab auf die überzeugenden Gründe des angefochtenen Urteils, die er sich nach Maßgabe der nachstehenden Ausführungen zu eigen macht.

Dem Beklagten ist nach Auffassung des Senats bereits keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, weil er den Einspruch nicht am 31.12.2003 - nach Dienstschluss - zurückgezogen und auf diese Weise den Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 AO bewirkt hat, was spätere Abänderungen der Festsetzung durch das Finanzamt verhindert hätte. Ein solches "Taktieren" kann vom Steuerberater nicht verlangt werden. Dies hieße, dass er auch in vergleichbaren Fällen erkennbar zu niedriger Schätzung zunächst die Festsetzung möglichst lange durch Einlegen von Rechtsmitteln und Anträge auf Fristverlängerung hinauszögern müsste, um dann exakt vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Rechtsbehelf wieder zurückzunehmen. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass eine frühere Einspruchsrücknahme mit Sicherheit dazu geführt hätte, dass der Änderungsbescheid noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2003 erlassen worden wäre. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Finanzbehörde die entsprechenden Fristen im Blick hat. Für eine Entscheidung vor Jahresende bestand hier für das Finanzamt aber kein zwingender Anlass, da die Festsetzungsverjährung infolge des eingelegten Einspruches gem. § 171 Abs. 3a AO in ihrem Ablauf gehemmt war. Die Verböserung als solche war durch Einspruchsrücknahme als solche ebenfalls nicht zu vermeiden, da der ursprüngliche Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Der Steuerberater ist im Allgemeinen schon nicht zur Überwachung der Festsetzungsfrist verpflichtet (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 296).

Selbst wenn man den Beklagten hier ausnahmsweise zur Überwachung der Festsetzungsfrist für verpflichtet gehalten hätte, wäre der Klägerin kein Schaden im Rechtssinne entstanden, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat. Der Bundesgerichthof hat wiederholt entschieden, dass der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die dem Geschädigten nach der Rechtsordnung ein Anspruch nicht zusteht, keinen ersatzfähigen Schaden darstellt (vgl. BGH NJW 1994, 858, 860; BGH NJW-RR 2006, 1682 f.) Der Geschädigte soll im Wege des Schadensersatzes grundsätzlich nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann.

Unter Anwendung des normativen Schadensbegriffes hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass der Klägerin durch den näher rückenden Ablauf der Festsetzungsverjährung zum Jahresende 2003 keine rechtlich geschützte Position, sondern allenfalls eine Chance zukam, die zudem nur in einem ganz engen Zeitfenster durch Einspruchsrücknahme wahrgenommen werden konnte. Sie entstand nur dadurch, dass das Finanzamt die Festsetzung nicht zu einem früheren Zeitpunkt im Jahre 2002 oder 2003 vorgenommen hat, andernfalls hätte sich die erwähnte "Chance" für die Klägerin ohnehin nicht ergeben. Die Klägerin hätte auf keinen Fall fest damit rechnen können, dass die Einspruchsentscheidung nicht mehr vor Jahresende 2003 ergehen würde. Ob hier eine verzögerte Sachbearbeitung seitens des Finanzamtes vorlag, kann dahinstehen. Jedenfalls konnte eine solche nicht zu rechtlich geschützten Vorteilen für die Klägerin führen, die mit ihren Umsätzen letztlich einer dem materiellen Recht entsprechenden Besteuerung zugeführt worden ist. Ein Schaden ist in den Fällen der Steuerschätzung nur dann zu bejahen, wenn diese zu einer zu hohen Besteuerung führt, weil die geschätzten Einnahmen oder Umsätze in Wahrheit nicht erzielt worden sind (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, a.a.0., Rn. 575). Im vorliegenden - "umgekehrten" - Falle besteht bei wertender Betrachtung keine Rechtsposition des Mandanten dahin, eine unzutreffend zu niedrige Schätzung als von der Rechtsordnung geschützt anzusehen.

Zu Unrecht rügt die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung war unstreitig, dass die letztlich vorgenommene Besteuerung der Umsätze zutreffend war. Soweit die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorgetragen hat, 250.000,- DM für das Inventar seien die falsche Besteuerungsgrundlage gewesen, weil das mitvermietete Inventar teilweise sicherungsübereignet gewesen sei und im Übrigen keinen entsprechenden Wert repräsentiert habe, ist dies schon deshalb als unsubstantiiert anzusehen, weil die Klägerin sich im finanzgerichtlichen Verfahren zu einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzbehörde bereit gefunden hat, nach der die Besteuerung gemäß Bescheid vom 30.06.2005 letztlich erfolgt ist. Nach der Lebenserfahrung kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang falsche Tatsachen gegenüber dem Finanzamt zugestanden hätte, die zu einer überhöhten Besteuerung ihrerseits geführt hätten.

Streitwert im Berufungsverfahren: 29.672,37 €

Ende der Entscheidung

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