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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.02.2002
Aktenzeichen: 8 U 52/00
Rechtsgebiete: GVG, LuftVG, BGBAu, VwVfG, BGB, BImSchG


Vorschriften:

GVG § 13
LuftVG § 71 Abs. 2 S. 1
LuftVG § 71 Abs. 1 S. 1
LuftVG § 71 Abs. 2
LuftVG § 71
LuftVG § 9 Abs. 2
LuftVG § 9 Abs. 3
LuftVG § 11
BGBAu § 906
VwVfG § 75 Abs. 2
VwVfG § 75 Abs. 2 Satz 1
VwVfG § 75 Abs. 2 Satz 2 - 4
VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 3
BGB § 906
BImSchG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

8 U 52/00

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch

den Richter am Oberlandesgericht Ketterle, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Brenner und den Richter am Oberlandesgericht Schmitt

am 22. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Gegenvorstellung der Beklagten vom 11. Dezember 2001 gegen den Beweisbeschluss des Senats vom 25. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist gem. § 13 GVG die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs gegeben. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzungen der gesetzlichen Fiktion des § 71 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 LuftVG vorliegen. Selbst wenn die Vorschrift anwendbar wäre, ist die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben, da es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt, für die weder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden noch jene der Verwaltungsgerichte begründet ist. Denn die Regelung, wonach ein bis zum 31. Dezember 1958 in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand bis zum 3. Oktober 1990 angelegter Flugplatz als planfestgestellt gilt, schließt die Geltendmachung der insbesondere in Rede stehenden zivilrechtlichen Entschädigungsansprüche nach § 906 BGB im Zivilprozess nicht aus.

Ein solcher Ausschluss ergibt sich auch nicht aus einer (entsprechenden) Anwendung der §§ 9 Abs. 2, 3 LuftVG, 75 Abs. 2 VwVfG. Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG sind dann, wenn der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden ist, Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Dementsprechend schließt § 9 Abs. 3 LuftVG Beseitigungs- und Änderungsansprüche gegenüber rechtskräftig planfestgestellten Anlagen aus. Diese Ausschlusswirkung betrifft indessen nicht die Frage, ob die in Rede stehenden Ansprüche im Zivilprozess geltend gemacht werden können. Dies folgt ebenso wenig aus § 75 Abs. 2 Satz 2, 4 VwVfG, wonach für den Fall, dass nicht voraussehbare Wirkungen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit auftreten, der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen kann, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen und - sofern solche aus den näher umschriebenen Gründen nicht in Betracht kommen - einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld begehren kann. Gleiches gilt für die in § 9 Abs. 2 LuftVG vorgesehenen Auflagen. Um solche Maßnahmen geht es der Klägerin im vorliegenden Verfahren, in dem sie privatrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte als den Betreiberin des Flughafens geltend macht, indessen nicht. Ob und inwieweit sich die beschriebene Ausschlusswirkung auf zivilrechtliche Ansprüche erstreckt, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern eine solche der Begründetheit.

An der Zulässigkeit des Zivilrechtswegs ändert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2000 (in NVwZ RR 2001, 209) nichts. Mit dieser ist eine direkt gegen § 71 Abs. 2 Satz 1 LuftVG erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden und die Beschwerdeführer sind unbeschadet der gesetzlichen Fiktion des § 71 Abs. 2 LuftVG auf die Möglichkeit verwiesen worden, für die begehrte nachträgliche Betriebsbeschränkung für den Flughafen K./B. Klage vor den Verwaltungsgerichten zu erheben. In entsprechender Anwendung der § 9 Abs. 2 LuftVG, §§ 74 Abs. 2 Satz 2, 3 und 75 Abs. 2 Satz 2 - 4 VwVfG könne die Behörde dem Flughafenbetreiber die Errichtung von Schutzanlagen zugunsten Einzelner auferlegen, dass heißt ihn zum physisch-realen (passiven) Schallschutz, hilfsweise zu finanzieller Entschädigung verpflichten. Diese Entscheidung besagt indessen nicht, dass eventuelle Ansprüche nach § 906 BGB allein wegen der in § 71 Abs. 2 LuftVG geregelten gesetzlichen Fiktion gegen den Flughafenbetreiber nicht im Zivilrechtsweg geltend gemacht werden könnten. Aus der Entscheidung des OLG Stuttgart (in NJW RR 2001, 1313 ff., 1314), wonach zivilrechtliche Ansprüche ausgeschlossen sind, soweit die Anlage aufgrund einer rechtskräftigen, im übrigen tatsächlich durchgeführten Planfeststellung geduldet werden muss, folgt ebenfalls nichts anderes. Denn der dort geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist aus materiellen Gründen abgelehnt worden (siehe dementsprechend etwa auch BGHZ 95, 28 ff., für den Fall eines Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff bei vorausgegangenem, verwaltungsgerichtlich überprüftem Planfeststellungsverfahren).

Schließlich ergeben sich gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs auch keine Bedenken aus §§ 11 LuftVG i. V. m. 14 BImSchG. Denn ungeachtet der Frage, ob die Regelung in der Sache überhaut greift, worauf noch einzugehen ist, handelt es sich um gegen den Betreiber der Anlage gerichtete Ansprüche privatrechtlicher Natur (BGHZ 102, 350 ff., 352), die ebenfalls im Zivilrechtsweg geltend gemacht werden können (Jarasss, BImSchG, 4. Aufl., § 14 Rdn. 29).

II.

Die Klage ist auch nicht von vorneherein unbegründet.

Auch insofern kann sich die Beklagte nicht auf eine nach § 71 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 S. 1 LuftVG gegebene bestandskräftige Fiktion eines Planfeststellungsbeschlusses und einen daraus folgenden Ausschluss der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche berufen. Ein solcher Ausschluss folgt insbesondere nicht aus einer entsprechenden Anwendung der § 9 Abs. 2, 3 LuftVG, § 75 Abs. 2 Satz 2 - 4 VwVfG. Zwar ist eine entsprechende Anwendung der Regelungen auch in Fällen fingierter Planfeststellungsbeschlüsse angenommen worden (vgl. BVerfG NVwZ RR 2001, 209; BVerwG LKV 98, 148 f.). Indessen war Gegenstand der insoweit in Rede stehenden Klagebegehren eine nachträgliche Betriebsbeschränkung bzw. die Reduzierung des Flugbetriebs. Eine entsprechende Anwendung der Ausschlussregelungen geht indessen nicht soweit, dass bei einer durch eine gesetzliche Fiktion - hier: § 71 LuftVG - vorgesehenen Planfeststellung die hier insbesondere in Rede stehenden privatrechtlichen Ansprüche nach § 906 BGB ausgeschlossen wären. Insofern unterscheidet sich der Fall von jenem, in dem aufgrund eines durchgeführten, rechtskräftigen Planfeststellungsverfahren ein Vorhaben betrieben wird und zu dulden ist. Der wesentliche Gesichtspunkt, dass in diesen Fälle privatrechtliche Ansprüche ausgeschlossen sein sollen, ist, dass im Planfeststellungsverfahren über Schutzmaßnahmen und gegebenenfalls über Entschädigungsansprüche entschieden wurde und der Betroffene den Planfeststellungsbeschluss angreifen und weitere Schutzmaßnahmen verlangen kann (vgl. OLG Stuttgart NJW RR 2001, 1313 ff., 1315, m. w. N.). Hintergrund ist das Ziel des Planfeststellungsverfahrens, eine Gesamtentscheidung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen zu treffen. In diesem Verfahren muss dem gemäß auch der Eigentumsschutz der Anlieger Berücksichtigung finden. Die gesetzliche Fiktion des § 71 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 LuftVG trägt dem indessen nicht Rechnung, weshalb die Klägerin nicht auf die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche nach § 75 Abs. 2 VwVfG bzw. § 9 Abs. 2 LuftVG und das hierfür gegebenenfalls einzuleitende Verwaltungsverfahren nebst den öffentlichen Rechtsweg verwiesen werden kann.

Ein Ausschluss ergibt sich auch nicht aus §§ 11 LuftVG i. V. m. 14 BImSchG. Der gem. § 11 LuftVG anzuwendende § 14 BImSchG schließt bei unanfechtbarer Genehmigung des Betriebs eine Anlage privatrechtlicher Abwehransprüche insoweit aus, als deren Einstellung begehrt wird. Es können demnach nur Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen und - soweit solche nach dem Stand der Technik nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind - kommt gegebenenfalls Schadensersatz in Betracht. Die hier in Rede stehenden Ansprüche aus § 906 BGB bleiben hiervon jedenfalls grundsätzlich unberührt (vgl. Giemulla, LuftVG, § 11 Rn. 10, 12, § 9 Rn. 11, 12).

Ende der Entscheidung

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