Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: 8 U 9/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 511
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 9/04

Anlage zum Protokoll vom 15. Juli 2004

Verkündet am 15 Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht Ketterle, den Richter am Oberlandesgericht Pamp und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schmitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Dezember 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 272/02 - wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Steuerberaterhonorar in Höhe von 30.937,20 DM (15.817,94 €) gemäß seiner Gebührenrechnung vom 12. Dezember 2001 (Bl. 15 GA) in Anspruch.

Die Beklagte suchte am 1. April 1999 das Büro des Klägers auf und übergab dort Unterlagen. Außerdem unterzeichnete sie eine schriftliche Vollmacht zur "Vertretung in allen Steuerangelegenheiten" (Bl. 46 GA); in welchem Umfang die Vollmachtsurkunde zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits ausgefüllt war, ist zwischen den Parteien streitig. Am 1. Oktober 1999 fand eine Besprechung im Büro des Klägers statt. In der Folgezeit beauftragte die Beklagte einen anderen steuerlichen Berater mit der Fortführung des Mandats und zahlte an den Kläger den Betrag von 4.640,00 DM (2.372,39 €), den dieser mit Rechnung vom 6. Oktober 1999 von ihr gefordert hatte.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihn mit der Erstattung einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung im Zeitraum 1988 bis 1997 sowie mit der Erstellung der entsprechenden Erklärungen beauftragt. Er habe diese Arbeiten auch vor dem Mandatswechsel bereits erbracht gehabt; die hierfür abgerechneten Gebühren seien angemessen.

Die Beklagte hat behauptet, am 1. April 1999 den Kläger nur deshalb aufgesucht zu haben, weil der Sachbearbeiterin des zuständigen Finanzamts das Fehlen von Kapitaleinkünften in den Steuererklärungen der Eheleute L aufgefallen sei und sie - die Beklagte - zur Stellungnahme aufgefordert worden sei. Es sei ihr deshalb zunächst nur um eine Sichtung und Aufarbeitung der im Büro des Klägers übergebenen Unterlagen gegangen. Nachdem der Kläger am 1. April 1999 bei ihrer Vorsprache im Büro nicht anwesend gewesen sei, habe sie irritiert und enttäuscht die Unterlagen dort zurückgelassen und auf die Mitteilung eines neuen Besprechungstermins gewartet. Ein solcher Termin sei indes auch in den Folgemonaten mit ihr nicht vereinbart worden. Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger die im Prozess vorgelegten Erklärungen und sonstigen Schriftstücke vor der Mandatsbeendigung gefertigt und - mit Ausnahme eines einzigen Schreibens - beim Finanzamt oder anderen Stellen eingereicht habe. Anlässlich der Besprechung am 1. Oktober 1999 habe der Kläger eingeräumt, dass die bis dahin von seinem Büro erstellten Unterlagen unvollständig und fehlerhaft gewesen seien. Sie habe sich daraufhin zur Beauftragung eines anderen steuerlichen Beraters entschlossen. Alle vom Kläger vorgelegten schriftlichen Unterlagen seien zu reinen Prozesszwecken nachgefertigt worden. Schließlich hat die Beklagte behauptet, der Kläger verschweige auch im vorliegenden Rechtsstreit die Honorarzahlung von 4.640,00 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Kläger mit ihrer Vertretung im Verfahren der Selbstanzeige beauftragt; das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten sei prozessual unbeachtlich. Die Beklagte könne sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger sei nicht für sie tätig geworden. Dem Kläger stehe aber für die abgerechneten Leistungen lediglich ein Honorar in Höhe eines Betrages von 3.222,48 DM (1.668,40 €) zu, so dass er unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorprozessual gezahlten Summe von 4.640,00 DM (2.372,39 €) bereits überzahlt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 224 - 235 GA) Bezug genommen

Die Beklagte hat gegen das Urteil fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel auch rechtzeitig begründet. Sie wendet sich gegen die Feststellungen des Landgerichts, sie habe den Kläger am 1. April 1999 insbesondere mit der Erstattung einer Selbstanzeige sowie mit der Erstellung verschiedener Steuererklärungen beauftragt und der Kläger habe die mit der streitgegenständlichen Rechnung abgerechneten Tätigkeiten auch honorarpflichtig erbracht. Ein Zahlungsanspruch stehe dem Kläger daher bereits dem Grunde nach nicht zu. Das Landgericht habe ferner übersehen, dass die vom Kläger mit der streitgegenständlichen Rechnung vom 12. Dezember 2001 geltend gemachten Leistung bereits in die Rechnungen vom 29. Oktober 1999 eingeflossen seien, die der Kläger zum Gegenstand des Parallelrechtsstreits 8 U 8/04 gemacht habe. Schließlich habe das Landgericht die Zahlung von 4.640,00 DM gemäß der "1. Abschlagsrechnung" des Klägers vom 6. Oktober 1999 zu Unrecht in der vorliegenden Sache berücksichtigt. Dieser Betrag könne allenfalls auf die älteren Rechnungen vom 29. Oktober 1999, die Gegenstand des Parallelrechtsstreits 2 O 311/02 LG Köln (8 U 8/94 OLG Köln) sind, verrechnet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 5. April 2004 (Bl. 290 ff. GA), den Schriftsatz vom 5. Mai 2004 (Bl. 336 f. GA) sowie auf den Schriftsatz vom 28. Juni 2004 (Bl. 332 ff. GA) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den vom Kläger mit der Klage geltend gemachten Honoraranspruch als (vollständig) unbegründet festzustellen;

hilfsweise unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass dem Kläger aus der streitgegenständlichen Rechnung vom 12. 12. 2001 (GA 15) kein Honoraranspruch gegenüber der Beklagten zugestanden hat. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Behauptungen und Rechtsansichten der Beklagten entgegen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten wird auf die Berufungserwiderung vom 11. Mai 2004 (Bl. 308 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unzulässig.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Beklagte ihr Berufungsziel - nämlich über die erstinstanzlich ohnehin schon erfolgte Abweisung der Klage als solches hinaus eine Klageabweisung gerade ohne Rückgriff auf die vorprozessuale Zahlung von 4.640,00 DM (2.372,39 €) zu erreichen - mit ihren Berufungsanträgen hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat. Darüber hinaus ist fraglich, ob die beiden Anträge wirklich im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag zueinander stehen oder ob der Hilfsantrag gegenüber dem Hauptantrag nicht bloß eine andere - im Verhältnis zu letzterem genauere - Umschreibung desselben Rechtsschutzziels darstellt.

Im Ergebnis können diese Fragen jedoch auf sich beruhen, weil die Berufung jedenfalls aus anderen Gründen unzulässig ist. Weder ist die Beklagte durch die erstinstanzliche Entscheidung, die Klage abzuweisen, in einem den Betrag von 600,00 € übersteigenden Umfange beschwert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch hat das Landgericht die Berufung zugelassen (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschreitet insbesondere nicht deshalb den Betrag von 600,00 €, weil das Landgericht im Ergebnis nur zur Klageabweisung gelangt ist, weil es die mit der streitgegenständlichen Rechnung geltend gemachte Gebührenforderung des Klägers auf eine unter dem vorprozessual gezahlten Betrag von 4.640,00 DM (2.372,39 €) liegende Summe gekürzt hat. An seiner diesbezüglichen, bereits im Senatstermin am 17. Juni 2004 zum Ausdruck gebrachten Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Rechtsausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 28. Juni 2004, denen auf der Grundlage der nachfolgenden Ausführungen nicht gefolgt werden kann, fest.

Die Beklagte ist durch das angefochtene, die Klage abweisende Urteil zunächst nicht formell beschwert (zum Begriff der formellen Beschwer vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. Einl. vor § 511 Rdn. 78; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. vor § 511 Rdn. 20; Rimmelspacher in MünchKommZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband Vor § 511 Rdn. 14; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. Grundz § 511 Rdn. 14).

Die Beklagte ist auch nicht in dem notwendigen Umfang dadurch materiell beschwert, dass die Klage nicht schon mangels Zustandekommens eines Steuerberatervertrages über die mit der Rechnung vom 12. Dezember 2001 abgerechneten Leistungen bzw. mit der Begründung fehlender Leistungserbringung seitens des Klägers, sondern nur unter - teilweisem - Rückgriff auf die vorprozessual gezahlte Summe von 4.640,00 DM (2.372,39 €) abgewiesen worden ist:

Für die beklagte Partei als Rechtsmittelkläger genügt nach h. M. in der Regel die sog. materielle Beschwer. Diese liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung die Partei in ihrer Rechtsstellung inhaltlich beeinträchtigt und sie eine zu ihren Gunsten abweichende Entscheidung verlangen kann (zum Begriff der materiellen Beschwer vgl. Stein/Jonas/Grunsky aaO Rdn. 85; Rimmelspacher aaO Rdn. 17; Baumbach/Lauterbach aaO 19). Dabei ist grundsätzlich der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung maßgebend; darüber hinaus ist regelmäßig keine Beschwer vorhanden (vgl. BGH NJW-RR 1996, 829). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Urteile der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist, d. h. nur bezüglich der Rechtsfolge, die aufgrund von Klage oder etwaiger Widerklage den Entscheidungssatz bildet. Dabei enthält freilich die rechtskräftige Feststellung einer Rechtsfolge zugleich die Feststellung, dass das kontradiktorische Gegenteil nicht gegeben ist (vgl. BGH NJW-RR 2004, 724 unter II. 1.).

Hieraus folgt, dass die materielle Beschwer eines Beklagten zwar nicht in jedem Falle unter Hinweis auf den - klageabweisenden - Tenor der angefochtenen Entscheidung verneint werden kann. Andererseits darf der Beklagte sich mit dem Rechtsmittel auch nicht bloß gegen eine ihm ungünstige Entscheidungsbegründung wenden (vgl. BGHZ 82, 246 unter I. 14; BGH NJW-RR 2004, 724 unter II. 1.; Stein/Jonas/Grunsky aaO Rdn. 90; Baumbach/Lauterbach aaO Rdn. 21). Es ist dem erstinstanzlich siegreichen Beklagten grundsätzlich verwehrt, eine Berufung nur mit dem Ziel einzulegen, die Klageabweisung auf anderem Wege bzw. mit anderer Begründung zu erreichen (vgl. BGHZ 82, 246 unter I. 14). Das Bestreben, den Abweisungsgrund durch einen anderen zu ersetzen, vermag als solches die Beschwer nicht zu begründen (vgl. BGHZ 82, 246 aaO a. E.). So aber liegen die Dinge letztlich, ausgehend vom erstinstanzlichen Prozessvortrag der Beklagten, im Streitfall.

Die Beklagte möchte im Berufungsrechtszug eine Klageabweisung bereits mangels Zustandekommens eines Steuerberatungsvertrages bzw. mangels Leistungserbringung durch den Kläger erreichen, wobei hier dahin stehen kann, ob sie die Zahlung von 4.640,00 DM noch in anderer Weise - etwa im Parallelprozeß 2 O 311/02 LG Köln (8 U 8/94 OLG Köln) gegenüber der dortigen Klageforderung - einwenden oder außerhalb dieses Prozesses nachträglich einen entsprechenden Rückforderungsanspruch geltend machen will. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass aufgrund des angefochtenen Urteils - mit Eintritt von dessen Rechtskraft - feststehen wird, dass dem Kläger aus der Rechnung vom 12. Dezember 2001 kein Zahlungsanspruch zusteht und die Rechtskraft auch die Feststellung erfasst, dass sich dies nur unter Verrechnung des vom Landgericht für berechtigt erachteten Teils der Rechnungsforderung mit dem vorprozessual gezahlten Betrag von 4.640,00 DM ergibt. Bezüglich dieses Betrages hatte die Beklagte allerdings in erster Instanz mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2003 ausschließlich eingewandt, der Kläger habe auch "in dem vorliegenden Rechtsstreit ... die ... an ihn vorgenommene Honorarzahlung von DM 4.640,00 ... verschwiegen" (Bl. 170 GA ). Das war zum einen objektiv falsch, weil der betreffende Betrag in der vorliegend streitgegenständlichen Rechnung vom 12. Dezember 2001 ausdrücklich als Abzugs- bzw. Verrechnungsposten aufgeführt ist. Zum anderen hat die Beklagte die vorprozessuale Zahlung letztlich nur - neben dem Bestreiten eines Steuerberatungsvertrages über die abgerechneten Leistungen sowie der Leistungserbringung durch den Kläger - als eine von mehreren Einwendungen gegen die Klageforderung vorgebracht und sie insbesondere nicht in ein Eventualverhältnis zu ihrer Rechtsverteidigung im übrigen gestellt. Ihr Vortrag, der Kläger habe die betreffende Zahlung "verschwiegen", ließ sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung daher nur in dem Sinne verstehen, dass die Beklagte jedenfalls - d. h. für den Fall, dass ihr Verteidigungsvorbringen im Übrigen keinen Erfolg haben sollte - diese Zahlung für berücksichtigungsfähig und -bedürftig erachtete. Welche und wie viele Einwendungen der Beklagte gegen die Klageforderung erhoben hat, ist jedoch für seine Beschwer grundsätzlich unerheblich (vgl. BGH NJW-RR 1996, 828, 829; BGH NJW 1973, 146). Eine Ausnahme ist im Hinblick auf die Regelung des § 322 Abs. 2 ZPO nur für den Fall der (Hilfs-) Aufrechnung anerkannt (vgl. BGH aaO). Diese hat die Beklagte indes gerade nicht erklärt. Im Übrigen ist das Landgericht, soweit es mit dem angefochtenen Urteil den Betrag von 4.640,00 DM auf den für begründet erachteten Teil der streitgegenständlichen Honorarforderung angerechnet hat, letztlich sogar dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten gefolgt.

Soweit die Beklagte nunmehr erstmals mit der Berufungsbegründung geltend macht, das Landgericht habe die Zahlung von 4.640,00 DM gar nicht auf die streitgegenständliche Rechnung, sondern allenfalls auf die älteren Rechnungen des Klägers vom 29. Oktober 1999, die Gegenstand der Parallelsache sind, anrechnen dürfen, kann dieses Verteidigungsvorbringen im Rechtsmittelzug keine Berücksichtigung mehr finden (§ 531 Abs. 2 ZPO); die Beklagte bleibt jegliche Erläuterung dafür schuldig, weshalb sie - noch dazu im Gegensatz zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen - die fehlende Anrechenbarkeit der vorprozessualen Zahlung auf die hier in Streit stehende Rechnung nicht schon in erster Instanz eingewandt hat (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Dass der in Rede stehende Betrag von 4.640,00 DM - abweichend von der Verrechnung, die der Kläger mit der streitgegenständlichen Rechnung vorgenommen hat - nur auf die älteren Rechnungen vom 29. Oktober 1999 zu verrechnen gewesen sein soll, versteht sich auch nicht etwa aus Rechtsgründen von selbst und folgt insbesondere nicht ohne weiteres aus § 366 Abs. 2 BGB. Die Beklagte trägt selbst vor, dass es sich bei ihrer Zahlung um eine "Abschlagszahlung" gehandelt habe, die auf eine Rechnung des Klägers vom 6. Oktober 1999 erfolgt sei; dies entspricht der vom Kläger mit der streitgegenständlichen Rechnung vorgenommenen Verrechnung. Dass die Rechnung vom 6. Oktober 1999 eine ganz andere, vorliegend nicht streitbefangene Honorarforderung betraf, macht die Beklagte indes nicht einmal mit der Berufung substantiiert geltend; weder hat sie die Rechnung vom 6. Oktober 1999 vorgelegt noch zumindest vorgetragen, welche - vom Gegenstand der Rechnung vom 12. Dezember 2001 ggf. abweichenden - Tätigkeiten diese Rechnung betraf.

Die Beklagte wird durch dieses Ergebnis nicht unbillig belastet. Sie hätte schon erstinstanzlich gegenüber der Zahlungsklage ihrerseits (Feststellungs-)Widerklage mit den jetzt mit der Berufung verfolgten bzw. ggf. präziser zu fassenden Anträgen erheben oder - ausgehend von ihrem heute eingenommenen Standpunkt, wonach dem Kläger überhaupt kein Gebührenanspruch zustehen soll und bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen im Übrigen - (hilfsweise) die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückzahlung der 4.640,00 DM aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) erklären können. Ein etwaiges diesbezügliches Versäumnis kann mit der Berufung nicht mehr ausgeräumt werden. Ansonsten würde die Ausnahmestellung, die § 322 Abs. 2 ZPO und dem dort allein geregelten Fall der Aufrechnung zukommt, umgangen. Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit die Berufung der Sache nach eine der Beklagten schon erstinstanzlich mögliche (Feststellungs-)Widerklage darstellt, ohne dass zugleich der zugrunde gelegte Sachvortrag im zweiten Rechtszug Berücksichtigung finden kann (§ 531 ZPO).

Ob ungeachtet der auf Klageabweisung lautenden erstinstanzlichen Entscheidung die erforderliche materielle Beschwer der Beklagten dann gegeben wäre, wenn sie - ohne zugleich die (Hilfs-)Aufrechnung zu erklären oder eine (Feststellungs-) Widerklage zu erheben - erstinstanzlich lediglich die fehlende Anrechenbarkeit der vorprozessualen Zahlung in Höhe von 4.640,00 DM auf die streitgegenständliche Rechnung eingewandt und das Landgericht dieses Vorbringen übergangen hätte, hat der Senat nicht zu entscheiden; ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.

Die Erwägungen, mit denen die Beklagte im Schriftsatz vom 5. Mai 2004 den schon in der Terminsverfügung mitgeteilten Bedenken bezüglich ihrer Beschwer entgegengetreten ist (Bl. 306 f. GA), vermögen - wie der Senat schon in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni näher ausgeführt hat - ebenfalls nicht zu überzeugen. Die allgemeine Regel, dass bei der Ermittlung des Interesses des Rechtsmittelklägers eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist, reicht allein nicht aus, um die dargestellten, gegen eine Beschwer der Beklagten sprechenden Gesichtspunkte zu überwinden. Die beiden von der Beklagten angeführten Entscheidungen betreffen im Übrigen auch ganz andere Fälle. In seiner Entscheidung BGH NJW 1986, 2703 hat der Bundesgerichtshof letztlich nur auf den Grundsatz abgestellt, dass bei der Auslegung des Urteilstenors in beschränktem Umfange auch auf den Inhalt der Entscheidung im Übrigen und das zugrunde liegende Parteivorbringen zurückgegriffen werden kann. Um eine solche Situation geht es hier schon im Ansatz nicht. Die Entscheidung BGH WM 1978, 335 betraf nicht die Beschwer eines erstinstanzlich obsiegenden, sondern eines in erster Instanz verurteilten Beklagten; zudem wird darin nur der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise hervorgehoben. Für die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen ergibt sich hieraus noch nichts.

Nach alledem ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Gerichte, insbesondere anderer Oberlandesgerichte ab. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

(Gebühren-)Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.647,63 €.

Ende der Entscheidung

Zurück