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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.12.2008
Aktenzeichen: 82 Ss-OWi 93/08
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 73 Abs. 2
OWiG § 74 Abs. 1 Satz 1
OWiG § 74 Abs. 1 Satz 2
OWiG § 74 Abs. 2
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

II. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgerichts Bergheim zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts eine Geldbuße von 40,00 € festgesetzt. Den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht am 03.09.2008 durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

"Der Betroffene bzw. sein Verteidiger sind dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben."

Der Einspruchsverwerfung ist u.a. folgender Verfahrensgang vorausgegangen:

Mit Schriftsatz vom 24.07.2008 beantragte der Verteidiger, den Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung zu entbinden. Dazu führte er u.a. aus:

"In der Hauptverhandlung wird sich der Betroffene nicht zur Sache äußern und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts ist nicht erforderlich. ... Die Fahrereigenschaft wird eingeräumt."

Diesem Antrag gab das Amtsgericht mit Beschluss vom 25.07.2008 statt.

Mit der Zulassungsrechtsbeschwerde wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Zur Verfahrensrüge heißt es in der Begründungsschrift:

"Verfahrensrüge der unzulässigen Verwerfung des Einspruchs

Tatsache ist, dass der Verteidiger des Betroffenen am 24.07.2008 einen Antrag auf Entbindung des persönlichen Erscheinens des Betroffene in der Hauptverhandlung gem. § 73 Abs. 2 OWiG gestellt hat. Dieser Entbindungsantrag hatte folgenden Inhalt: ... .

Diesem Entbindungsantrag hatte das Gericht auch stattgegeben. Demzufolge hätte das Gericht verhandeln müssen und den Einspruch nicht verwerfen dürfen."

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das angefochtene Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ( § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Eine Versagung des rechtlichen Gehörs ist mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. nur SenE 04.02.1999 - Ss 45/99 Z - = NZV 1999, 264 = VRS 96, 451; SenE v. 15.04.1999 - Ss 144/99 Z - = VRS 97, 187 = NZV 1999, 436; SenE v. 08.01.2001 - Ss 545/00 Z - = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189; SenE v. 11.01.2001 - Ss 532/00 Z - = VRS 100, 204).

Hier hat der Beschwerdeführer die Verletzung rechtlichen Gehörs nicht ausdrücklich gerügt. Gleichwohl ist der Antragsbegründung eine entsprechende Angriffsrichtung zu entnehmen.

Weil eine Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro festgesetzt worden ist, kann die Rechtsbeschwerde, was die Verletzung formellen Rechts anbelangt, nur unter dem Gesichtspunkt der Versagung rechtlichen Gehörs zur Zulassung führen (§ 80 Abs. 1 und 2 OWiG). Kann aber überhaupt nur eine Verfahrensrüge zum Erfolg führen und erfüllt - wie hier - das Vorbringen die Anforderungen an diese Rüge, dann ist es unschädlich, wenn diese Rüge nicht ausdrücklich bezeichnet worden ist (vgl. zur Notwendigkeit, die Angriffsrichtung deutlich zu machen, wenn nach den vorgetragenen Tatsachen mehrere Verfahrensmängel in Betracht kommen: BGH NStZ 1998, 636; NStZ 1999, 94-95).

Die dem Rechtsbeschwerdevorbringen danach zu entnehmende Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist zulässig erhoben und führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

Das Amtsgericht durfte den Einspruch des Betroffenen nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen, nachdem es den Betroffenen zuvor durch Beschluss vom 25.07.2008 von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden hatte. Es hätte vielmehr nach § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG verfahren müssen.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 GG liegt unter anderem dann vor, wenn der Tatrichter den Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ablehnt, ohne hierfür nachvollziehbare Gründe darzulegen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 22.05.2003 Ss 169/03 Z = VRS 105, 207 m.w.N.). Dieser Verfahrenslage gleich zu behandeln ist die vorliegende Fallgestaltung, dass dem Entpflichtungsantrag zwar stattgegeben wird, gleichwohl aber der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen wird.

Darüber hinaus ist der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör aber auch aus einem weiteren Grund verletzt.

In Folge der rechtsfehlerhaften Einspruchsverwerfung wegen vermeintlicher Säumnis des Betroffenen ist die Einlassung des Betroffenen - das bloße Einräumen der Fahrereigenschaft und das fehlende Geständnis, die zulässige Höchstgeschwindigkeit wie vorgeworfen überschritten zu haben - nicht berücksichtigt worden. Auch damit hat das Amtsgericht seine Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. SenE v. 30.01.2007 - 83 Ss-OWi 9/07).

Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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